Interview mit Roselinde Hartmann

Roselinde Hartmann ist die Inhaberin des Pflegedienstes AMISTAD  im Raum Stutensee und Bruchsal

Frau Hartmann, wie verlief Ihr beruflicher Werdegang?

Nach dem Schulabschluss in der mittleren Reife habe ich mich 1978 um eine Ausbildung zur Krankenschwester beworben.
Ich wollte schon immer Krankenschwester werden. Damals war das gar nicht so einfach. 1978/1979 herrschte ein großer Andrang in diesem Berufszweig. Auf ca.300  Bewerbungen kamen ca. 25 Ausbildungsplätze. Schließlich hatte ich Erfolg. Ich bewarb mich im Städtischen Klinikum  Karlsruhe und bekam eine Zusage. Im Oktober 1979 habe ich die Ausbildung begonnen und sie 1983 beendet. Das war ein halbes Jahr später, als sonst üblich.

Warum?
Weil ich zwischendurch mein erstes Kind bekommen hatte und im Mutterschutz war.  Nach dem Abschluss habe ich weiter im Städtischen Krankenhaus gearbeitet, auf der Dialysestation. Aber für mich war schon immer klar, dass ich in die ambulante Pflege will.

Was waren das für Gründe?

Nun, ich wollte ganzheitlich pflegen. Das ist im privaten Umfeld am besten mit der ambulanten Pflege umzusetzen, also dort, wo sich der Pflege- und Hilfsbedürftige am wohlsten fühlt.

 Dann müssten Sie ja für den generalistischen Ansatz in der Pflegeausbildung sein, oder?

Ja, ganz genau. Ich bin dafür, erst einmal in der Ausbildung einen generalisierenden Ansatz zu haben. Danach kann man sich dann immer noch spezialisieren, zum Beispiel in Richtung Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege.

 Warum?

Sie bleiben so stets auf dem neuesten Stand, und zwar in vielen Bereichen. Das ist zum großen Teil im Krankenhaus anders. Dort arbeiten Sie mitunter jahrelang oder jahrzehntelang auf einer Station, in einer speziellen fachlichen Richtung. Das haben Sie in der ambulanten Pflege nicht so.

Da müssen Sie sich in allen Bereichen der Medizin ständig auf dem Laufenden halten. Und wenn es nötig ist, dann eignen Sie sich spezielles Wissen an oder frischen es wieder auf. Und das ist es, was die ambulante Pflege so spannend macht.  Eine solide und breit gefächerte generalistische Ausbildung zunächst, und später eine Spezialisierung, je nachdem, in welche Richtung es gehen soll – in die Altenpflege oder eben in ein Krankenhaus, auf eine spezielle Station. Ich glaube, da kommt die Reform der Pflegeausbildung gerade richtig.

 Wie lange haben Sie im Städtischen Krankenhaus gearbeitet?

Zwei Jahre.

Und dann?

Danach war ich auf zwei Sozialstation der Evangelischen Kirche, insgesamt 10 Jahre. Ich habe auch lange in Teilzeit gearbeitet, weil ich ja für meine Kinder da sein wollte.

Bis 1995?

Richtig. Dann kam die Zeit, wo der Gesetzgeber wollte, dass mehr Angebote für die zu Pflegenden auf den Markt kamen. Der Markt wurde also geöffnet für private Anbieter. Da habe ich die Chance genutzt und mich selbstständig gemacht. In die Zeit fiel ebenfalls meine Ausbildung zur Pflegedienstleitung. Das war ja eine Auflage vom Gesetzgeber zur Selbstständigkeit, nämlich in einem bestimmten Zeitraum diese Weiterbildung und Qualifikation zu durchlaufen.

Also war die Einführung der Pflegeversicherung 1995 quasi das Initialzeichen für Sie, Ihren eigenen Weg zu gehen?

Ja, so kann man das sagen. Ich wollte einfach raus aus der Fließbandarbeit, sowohl im Krankenhaus als auch in der Pflege. Ich liebte meinen Beruf und ich wollte mehr herausholen – für die Menschen, denen meine Fürsorge galt. Also den Patienten eben nicht unter Zeitdruck abfertigen, sondern ihn wirklich als ganzen Menschen zu sehen, in seinen physischen, psychischen, sozialen Aspekten – ihn wahrnehmen nicht nur als jemanden, der Hilfe braucht, sondern als einen Menschen, den ich verstehe und dem ich so viel besser helfen kann. Man sieht eben auch das private Umfeld, weiß, was dem Pflegebedürftigen wichtig ist.

Und wie ließ sich das vereinbaren mit den Vorgaben der Kranken- und Pflegekassen hinsichtlich der Minutenpflege?

Ich war von Anfang gegen die Minutenpflege.  Der Mensch ist ja schließlich keine Ware. Keiner von meinen Mitarbeitern sollte gegen die Stoppuhr arbeiten.

 Aber wie haben Sie das in der Praxis durchhalten können?

Das lief bei mir auf eine Mischkalkulation hinaus. Für manche Tätigkeiten brauchten wir eben weniger Zeit und für andere Dinge haben wir uns dann mehr Zeit genommen, zum Teil in der Pflege oder auch für ein Gespräch mit dem Patienten.  Das macht das Menschliche in der Pflege aus. Das habe ich einfach auf meine Kappe genommen und bin gut damit gefahren.

Dann muss es ja eine innere Bestätigung für Sie gewesen sein, als mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz die individuelle Pflegebedürftigkeit noch stärker in den Fokus gerückt worden ist, oder?

Ja, natürlich. Aber wissen Sie, man braucht auch die Mitarbeiter dazu, die sich vorstellen können, so zu pflegen. Ich gebe noch heute jedem die Chance, so zu arbeiten, dass er sich die nötige Zeit für gute Pflege nehmen kann. Daraus ergibt sich auch, dass trotz guter Bezahlung keine zusätzlichen Vergütungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld gezahlt werden können. Dafür hat der Mitarbeiter einfach mehr Zeit zur Verfügung.

Schätzen Ihre Mitarbeiter das?

Ja, sie sehen, dass es nicht mit dem monetären Aspekt allein getan ist.

Sondern?

Die Möglichkeit, sich zu entfalten, nicht in Stress zu verfallen, eigene Vorstellungen im Pflegealltag umzusetzen, kreativ zu sein – all das wird inzwischen als ein hohes Gut geschätzt, als eine geldwerte Leistung angesehen. Das war nicht gleich der Fall. Gerade in den letzten zwei, drei Jahren hat sich das Team so gut entwickelt, dass es die Bezeichnung „Top-Team“ zurecht verdient. Ich bin auf meine Mitarbeiter sehr stolz. Ohne sie hätte ich meine Vorstellungen nicht verwirklichen können und könnte das auch heute nicht.

Wenn Sie ein oder zwei Beispiele herausgreifen müssten, die die Kernkompetenzen Ihres Pflegedienstes aufzeigen, welche wären das?

Zum einen haben wir uns auf das Wundmanagement spezialisiert. Unsere Wundexpertin ist Carmen Hammer, die auch die stellvertretende Leitung inne hat. Das ist schon einmalig, was wir hier in unserem Team leisten können. Frau Hammer ist vor Ort beim Patient in der Wundversorgung tätig und zuständig für alle Fragen bezüglich Wunden, die in der Pflege auftreten. Das finden Sie nicht so oft, dass in einem kleinen Pflegedienst wie unserer einer ist, gleichzeitig eine Wundexpertin mit dem fachlichen Hintergrundwissen zu finden ist. Und ein zweiter Bereich, in dem wir sehr gut sind, ist der Umgang mit an Demenz erkrankten Patienten. Wir haben hier einen Mitarbeiter, der sich darauf ganz besonders spezialisiert hat und der auch viele Erfahrungen aus diesem Bereich mitbringt.

 Wer ist das?

Das ist Dieter Gericke. Er ist Altenpfleger, fachlich sehr qualifiziert. Herr Gericke hat 15 Jahre lang Pionierarbeit geleistet, beim Aufbau von Demenz-und Betreuungsgruppen.

Was macht Ihr Team besonders?

Das ist die gegenseitige Wertschätzung, die wir füreinander haben. Diese Einstellung, dieses Gefühl tragen wir ebenso nach draußen. Die Pflegebedürftigen merken, dass wir gut miteinander umgehen, die Arbeit des anderen schätzen.  Wir haben hier sehr flache Hierarchien. Natürlich trage ich als Inhaberin die Gesamtverantwortung. Doch für mich ist Leitung eine Sache des Teamworks. Dafür tragen neben mir Carmen Hammer und Sandra Wutschka mit die Verantwortung. Sie beide sind examinierte Krankenschwestern. Ich lasse jedem Mitarbeiter gerne Freiräume, gebe ihm das Gefühl, dass er wichtig für mich ist, wichtig ist für uns alle. Nur so können wir überhaupt unsere Philosophie umsetzen. Wir leben einfach davon, dass sich jeder einbringt, sich jeder wohlfühlt.

Suchen Sie neue Mitarbeiter?

Inzwischen suchen uns bereits Mitarbeiter. Das ist schon eine komfortable Situation, die wir uns aber hart erarbeitet haben.

Und wenn jemand kommt, der in ihr Team passt?

Dann ist er willkommen.

Was gibt den Ausschlag dafür?

Die fachliche Eignung vorausgesetzt, ist der Wille des Bewerbers maßgebend dafür, wirklich menschenwürdig und mit Hingabe pflegen zu wollen. Das sollte einfach passen. Denn Sie müssen ja bedenken: Die Leute gehen raus, die Pflegebedürftigen spüren sofort, wenn sich jemand wohlfühlt in einem Team oder eben nicht. Und jetzt gibt es schon einen gewissen Stolz, dass ein Mitarbeiter sagt: „Ich arbeite bei AMISTAD.“

Kurzum: Ohne meine Mitarbeiter wäre ich nichts. Mir ist einfach wichtig, dass sie sich wohlfühlen und meine Wertschätzung für ihre Arbeit spüren. Dann bringt sich auch jeder ein. Das ist einfach ein „Geben und Nehmen“.

Frau Hartmann, sind Sie ein glücklicher Mensch?

Ja, das bin ich. Ich bin sogar sehr glücklich, weil ich das gefunden habe, was mich glücklich macht: meine Familie und meine Arbeit, die ebenso zu meinem persönlichen Glück beigetragen hat. Ich bin das geworden, was ich immer sein wollte.

Wie viel Kinder haben Sie?

Vier Kinder und bereits vier Enkelkinder.  Ich bin schon sehr dankbar für alles.

Übrigens: Ich bin sehr christlich eingestellt. Der Segen Gottes ist mir wichtig. Ein Leitspruch ist für mich: So wie du willst, das dir die Leute tun, so tue ihnen auch. Und so hat AMISTAD eben feste christliche Wurzeln, trägt diesen Glauben in sich.

Frau Hartmann, ich danke Ihnen für das Gespräch.

 

© Dr. Uwe Müller

 

 

 

 

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