KLARA KOMMT AUS STRALSUND ZURÜCK

2017.06.07

Peter ist froh, dass Klara zurück ist und er sich wieder ganz seiner Arbeit widmen kann, ohne zusätzliche Hausarbeiten.

Klara saß im Zug zurück nach Berlin. Sie war froh, dass sie abends wieder in ihrem Bett liegen konnte.

„Ich bin im letzten Waggon“, flötete Klara fröhlich durchs Telefon.
„Ist gut“, brummte Peter. Er war schon auf dem Weg nach Bernau zum Bahnhof. Von dort aus war es am bequemsten, mit dem Auto nach Hause zu fahren.

„Laura kommt auch. Sie ist schon unterwegs hierher“, sagte Peter noch.

„Ach, das ist ja schön“, erwiderte Klara.
„Oh Gott, haben wir denn genug eingekauft?“, fragte Klara gleich weiter.

„Du kannst alle Nachbarn am Wochenende einladen. Wir haben genug im Kühlschrank“, antwortete Peter.

„Na gut, dann bis gleich.“
Peter drückte auf den Telefonknopf im Auto und bog in die Straße zum Bahnhof ein. Er fand schnell einen Parkplatz, stieg aus und überlegte kurz, ob er einen Parkschein lösen sollte.

Er ließ es und ging das Risiko ein, dass er erwischt wurde.
Peter schlenderte auf das Bahnhofsgebäude zu. Es dauerte nicht lange und Laura begrüßte ihn freudig. Sie war für ihn wie aus dem Nichts gekommen.

Aber Peter hatte wie immer die Orientierung verloren, was die Bahnsteige anbetraf, auf denen die S-Bahnen einfuhren. Dabei gab es nur einen, der dafür vorgesehen war.

Peter konnte auch keinen Fahrschein allein lösen. Er fuhr nur mit dem Auto. Und wollte er dann mal ein Ticket selbst kaufen, dann dauerte es Klara und Laura meist zu lange, bis er begriffen hatte, wie das mit dem Fahrscheinautomaten lief. Peter stellte sich gern dumm. Es half ihm.

Aber wehe, wenn er mal allein dastand und es schnell gehen musste.
Peter wusste auch nicht, wie die Waschmaschine anging.

Ein Frevel, wie er selber fand. „Was ist nur, wenn ich krank bin“, sagte einmal Karla. „Ja, dann haben wir ein Problem mit der Waschmaschine“, antwortete Peter.

Er konnte es nicht lassen, Klara oder Laura zu ärgern oder auch beide.

„Das sollte doch eine Überraschung sein“, Papa. Laura hatte ihn aus seinen Gedanken gerissen.

„Ist es ja auch. Jetzt kann Mama sich ein wenig von dem Schrecken erholen und ist darauf eingerichtet“, scherzte Peter.

Laura und Peter stiegen fröhlich die Treppen zum Bahnsteig hinauf.
Peter schnaufte und war froh, dass er die letzte Stufe nehmen konnte.

„Lass uns da hinsetzen“, sagte Laura und zeigte auf eine freie Bank, die mit ihrem silbernen Metall in der Sonne glänzte.
Sie saßen kaum, da bewegte sich ein Bettler auf sie zu.

Ein Rumäne, vermutete Peter. Der Mann schlurfte an sie heran und schüttelte seinen Becher. Ein Coffee-to-Go – Becher. Wenigstens ist das jetzt ein Mehrweggefäß, dachte Peter bei sich.

Der junge Mann schüttelte den Becher und schaute wie ein Hund, der um eine leckere Wurst bettelte. Aber Laura und Peter blieben hart. Irgendetwas stimmte mit dem Mann nicht.

Er zog unverrichteter Weise wieder ab und setzte sich auf die Bank, die hinter Laura und Peter befestigt war.
Peter fühlte sich unbehaglich. Zuviel hatte er schon von den Taschendiebstählen gehört. Doch dieser junge Mann schien nichts Derartiges im Schilde zu führen.

Der lümmelte sich auf die Bank, krachte die Beine mit den dreckigen Schuhen darauf und begann Musik abzuspielen. Nicht leise. Nein, er drehte die Musik auf, dass sie unter dem Hallendach stark widerhallte.

Ein Gemisch aus orientalischer Tönen und anderen nicht näher zu bestimmenden Rhythmen drang zu den beiden rüber. Peter drehte sich um. Der junge Mann schaute ihn provozierend an. Na gut, dachte Peter bei sich.

Er hat kein Geld bekommen. Dann soll er die Musik dudeln. Eine Ansage kam durch den Lautsprecher: „Bitte Vorsicht an den Bahnsteigen, zwei durchfahrende Züge.“

Es vergingen Sekunden und aus der einen Richtung rauschte der Zug heran. Die Güterwagen rumpelten und schepperten, als würden sie gleich aus den Schienen springen.

Da war die Musik von nebenan ein Ohrenschmaus gegen den Höllenlärm. Jetzt donnerte der Zug aus der anderen Richtung über die Schienen. Wieder hatte Peter das Gefühl, die Waggons brechen gleich durch in die untere Bahnhofshalle hinein, so einen Lärm machten sie.

Endlich Stille. Leise Musik drang an Peters Ohren – es war immer noch die gleiche aus dem Player des jungen Mannes.
Endlich. Der Zug aus Stralsund lief ein. Klara stieg aus und freute sich, dass Laura auch auf dem Bahnhof war.

„Und, was sagt Anna?“ Peter schaute Klara an.
„Ach, lass uns doch erst einmal nach Hause fahren.“
Klara mochte jetzt nicht darüber reden. Peter konnte das verstehen.
Sie stiegen ins Auto und fuhren nach Hause. Alle freuten sich auf ein paar schöne Tage zu Pfingsten. Es war ja genug Zeit, über alles zu sprechen.

„Ach übrigens, Gundula und ihr Mann besuchen heute Anna.“
„Wer?“
„Na Gundula und Hans – Georg“, sagte Klara.
„Ach du meinst das kauende Kamel?“, fragte Peter.
Peter nannte Gundula so. Irgendwie waren sie mal darauf gekommen. Gundula hatte ein großes Gesicht und noch größere Zähne.

„Ich finde das nicht schön, dass du so etwas sagst.“
„Du hast Recht“, antwortete Peter, denn Gundula war ein herzensguter Mensch. Nur ein wenig sparsam. Aber das konnte ja nie verkehrt sein. Schließlich waren sie Schwaben. Aber das war wieder ein anderes Feld.