DIE WUT DES ANDEREN SOLLTE NICHT ZU DEINER EIGENEN WUT WERDEN


ALLTÄGLICHES (52)

Mir ging lange das Erlebnis im Fitness-Studio aus der vergangenen Woche nicht aus dem Kopf, und der Gedanke, ob ich mich richtig verhalten hatte.

Was war passiert?
Es war so kurz nach 06.00 Uhr morgens, das Studio war noch leer und ich steuerte zielstrebig auf die Bizepsmaschine zu. Eine halbe Stunde weiter und sie wäre ständig besetzt gewesen. Also begann ich mit den Übungen, solange es noch möglich war.

Ein ungeschriebenes Gesetz ist, dass man auf den Sitz des Trainingsgerätes, in diesem Fall auf den der Bizepsmaschine, ein Handtuch legte.

War man mit den Übungen fertig, so stand man auf, nahm das Handtuch weg, desinfizierte den Sitz und machte den Platz frei für den nächsten Trainingswilligen.

Einige wenige der Teilnehmer meinten, mehrere Plätze belegen zu können. So auch an diesem Morgen. Jemand hatte sein Handtuch auf die Bizepsmaschine gelegt und trainierte parallel an einem zweiten Gerät.

So sicherte er sich die Möglichkeit, immer wieder zur Bizepsmaschine zurückkehren zu können, ohne dass sie ein anderer belegt hatte. Ziemlich egoistisch, wie ich fand.

Ich überlegte kurz, nahm das Handtuch hoch und legte es an die Seite auf eine daneben befindliche Bank.

Es dauerte nur wenige Sekunden und ich hörte einen wütenden Ruf: „Öh, das ist mein Handtuch“. Hinter mir schnaubte ein junger Fitness-Teilnehmer und schaute mich dabei aggressiv und angsteinflößend an.

Was sollte ich tun? Ihm genauso begegnen und einen riesigen Streit vom Zaun brechen?

Ich wollte mir aber den Morgen nicht verderben lassen, schon gar nicht von jemandem, der seine Emotionen nicht im Griff hatte.
„Oh, bitte entschuldigen Sie, aber ich war fest davon ausgegangen, dass hier jemand sein Handtuch vergessen hatte.

Denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass bei dem Andrang an der Bizepsmaschine es jemand ausnutzt und einfach sein Handtuch liegenlässt, um hintereinander zu trainieren.“

Der junge Mann schaute mich verdutzt an.
Dann schrie er: „Das ist mein Handtuch!“.

„Ich verstehe Sie, dass Sie jetzt sauer sind, und dafür entschuldige ich mich jetzt noch einmal, dass ich unaufmerksam war. Aber glauben Sie nicht auch, dass es besser ist, sein Handtuch am Mann zu tragen, so wie es jeder tut?“, fragte ich ihn weiter.

Mein Ton war ruhig, obwohl ich innerlich kochte. Mein Sternzeichen Löwe brüllte nach innen, so als hätte mir jemand eine Reißzwecke in den Allerwertesten gerammt.

Der junge Mann sah mich jetzt genauer an. Dann murmelte er noch etwas und zog von dannen.

Klar, meine gute Laune war jetzt auch verflogen. Aber ich hatte es geschafft, mir nicht den giftigen Ton meines Gegenübers zu eigen zu machen. Faktisch ist seine negative Energie an mir abgeprallt.

Darauf bin ich ein wenig stolz, denn das bekam ich früher nicht so gut hin, vor allem, wenn ich mich im Recht glaubte. Aber es ist ja nie zu spät, schlechte Erfahrungen durch gute zu ersetzen.

Ich fuhr gerade an einem Feld mit roten Mohnblumen vorbei, als mir das alles noch einmal durch den Kopf ging.

Nun konnte ich das alles endgültig abstreifen und ich freute mich, dass ich wieder nicht auf die Wut eines anderen Menschen eingegangen war.

Ich glaube, wer besonnen reagiert, der erntet mehr Verständnis, sendet eher noch Mitgefühl aus, lässt den anderen mit seiner Wut auf jeden Fall hinter sich.
Ich war mit mir im Reinem.