Schreiben heißt beschreiben, begründen, Motive für bestimmte Handlungen von Personen zu liefern.
Manchmal vergesse ich in der Hektik des Tages, meinen Text noch einmal gründlich durchzusehen.
Wer kennt das nicht, dass er keine Zeit mehr findet für die Dinge, die eigentlich das ‚Salz in der Suppe‘ sind?
Ein Beispiel: Es ist für mich natürlich viel einfacher zu schreiben, dass ich sauer bin.
Wenn ich noch eine weitere Zeile darauf verwende, dann schreibe ich: „Ich bin sauer, weil die Zahnarztpraxis meinen Termin verschoben hat.“
Jetzt ist wenigstens das Motiv klar, worüber und auch im Ansatz, warum ich mich geärgert habe.
Reicht das?
Ich glaube nicht. Der Leser will wahrscheinlich mehr wissen, er möchte eine Begründung geliefert bekommen, warum die Figur, ob nun real oder fiktional, sauer ist.
Also was ist es, warum ich wirklich sauer war?
Ich beschreibe und begründe also den Umstand:
„Können Sie am Dienstag kommen, gegen 13.30 Uhr?“, fragt mich die Helferin, als ich einen neuen Termin in der Praxis nach der Behandlung vereinbare.
„Naja, eigentlich habe ich da einen Termin“, sage ich zu ihr.
Sie schaut mich an, so unter dem Motto: Du bist doch schon im Rentenalter! Was kannst du noch für Termine haben, außer vielleicht, dass du zu uns kommen musst, um deine Zähne durchsehen zu lassen?
Also stell‘ dich gefälligst nicht so an, und sag‘ einfach ja“, wird sie gedacht haben.
„Ich habe da einen wichtigen Interviewtermin, den ich vor Wochen festgemacht habe. Der Kunde ist viel unterwegs und ich weiß nicht, ob ich das hinkriege. Aber ich werde mit ihm reden. Also gut, schreiben Sie es so ein“, sage ich zur Zahnarzthelferin.
„Ja, wunderbar, Herr Dr. Müller, dann halten wir das so fest.“
Eine Woche später ruft mich die gleiche Helferin an: „Wir haben leider ein kleines Problem mit unserem Labor. Könnten Sie nicht zwei Stunden später kommen, also erst 15.30 Uhr anstelle von 13.30 Uhr?“
„Zwei Stunden?“ Das geht nicht, ich habe jetzt den Interviewtermin um einen Tag verschoben. Wie stehe ich vor dem Kunden da?“, frage ich zurück.
„Ja, es tut uns so leid, Herr Dr. Müller“, sagt sie zu mir.
Wirklich? Tut es ihr leid? Ich glaube nicht, ihre Stimme sagt jedenfalls etwas anderes.
So in der Art wie: „Zier‘ dich nicht so lange, blas dich nicht so auf und sage einfach, dass es klar geht mit der Terminverschiebung. Ich habe noch andere Patienten, deren Termine ich verschieben muss.“
„Was soll ich machen? Zustimmen?“, geht mir durch den Kopf.
Dann muss ich alles wieder umschmeißen, den Kunden davon überzeugen, dass wir doch den ursprünglichen Termin nehmen.
„Und wir können da nichts machen?“, frage ich deshalb noch einmal vorsichtshalber nach.
„Nein, das Labor hat es uns so gesagt.“
„Was gibt denn das Labor für Gründe an?“, frage ich zurück.
Ich warte auf eine Antwort. Die kommt nicht. Stattdessen: „Das wissen wir auch nicht!“
Warum habe ich mich also so geärgert? Weil ich mehr Energie, mehr Engagement in mein eigenes Terminmanagement gelegt habe, als es das Praxisteam tat. Dabei habe ich vor einem Jahr unterschrieben, dass ich für einen nicht wahrgenommenen Termin in der Zahnarztpraxis 50,00 Euro bezahlen soll, weil ja in so einem Fall dafür kein anderer Patient an meiner Stelle behandelt werden konnte.
Was ich sagen will: Jetzt weiß der Leser Bescheid, warum ich mich aufrege.
Vielleicht sagt er: „Kann ich gut verstehen“, oder: „Reg‘ dich doch nicht über so eine ‚Pille Palle‘ auf.“
Wie auch immer, er kann sich eine Meinung bilden, weil ich nicht nur geschrieben, sondern die Situation auch beschrieben, begründet habe, und zudem die Motive klargeworden sind.
Ist das einfach? Scheint so.
Aber es macht schon ein wenig mehr Mühe, als nur einen Satz aufs Papier zu werfen, der lautet: „Ich habe mich geärgert.“
Also mehr abmühen, im Schreib-Alltag eben.