FRIEDA IST EINE SCHRECKLICH LAUTE PERSON
Peter dachte noch immer daran, wie er sich Anna gegenüber verhalten hatte. Er fühlte sich im Recht, als er sie bat, den Gurt im Auto anzulegen.
Doch er hatte das außeracht gelassen, was er stets zu Klara in solchen Situationen sagte: „Anna ist dement und wir sind es nicht. Anna kann ihr Verhalten nur noch bedingt steuern.
Wir aber, wir können das und wir haben deshalb die Verantwortung dafür, mit entstandenen Situationen umzugehen.“
Das waren seine Worte. Und nun, wo es darauf angekommen war, sie tatsächlich zu berücksichtigen, da versagte er doch glatt.
Peter hatte darüber mit einer Inhaberin eines Pflegenternehmens telefoniert. Er kannte sie nicht persönlich, aber er wusste, dass sie ihn bestens verstand.
Im Grunde wusste er selbst sehr genau, was er falsch gemacht hatte, aber es tat gut, dass ihm jemand zuhörte, der nicht nur vom Fach kam, sondern auch menschlich nachfühlte, was auf beiden Seiten vorging, auf der Seite von Anna und auf seiner Seite.
Wieviel Konfliktstoff barg die Betreuung von Anna in sich?
Ihre Krankheit stellte jedenfalls alle auf die Probe – Klara, Lucas, die ganze Familie eben.
„Wie geht es euch?“, fragte Anna einige Tage später Klara am Telefon.
Sie hatte längst vergessen, welche Auseinandersetzung sie mit Peter und Klara hatte.
„Manchmal hat die Demenz auch gute Seiten“, sagte Peter.
Klara schaute ihn empört an.
„Das ist ja wohl nicht dein Ernst“, sagte sie.
„Du hast Recht. Es ist schlimm genug, dass Anna vieles gar nicht mehr mitbekommt.“
„Und vor allem, meine Mutter mag dich doch so gern. Sie hat in den ganzen Jahren unserer Ehe nie ein böses Wort über dich gesagt“, setzte Klara nach.
„Ja, ich weiß.“
Peter schmunzelte.
„Warum lachst du?“, fragte Klara.
„Weißt du noch, wie ich mit Frieda über Politik stritt und es emotionaler wurde?“
„Ja, und?“
„Naja, hinterher sagte Anna nicht etwa, dass ich zu laut gesprochen hätte. Nein, sie meinte, dass Frieda nur so eine schrecklich laute Person sei.“