SCHREIB-ALLTAG (9)

WAS IST MIT DEN ERINNERUNGEN AUS DER ZEIT VOR DER WENDE?

Ein Freund rief an und holte mich zurück in eine Welt, die ich fast schon vergessen hatte. Was sollte ich damit anfangen – vielleicht aufschreiben?

Ich habe kürzlich einen alten Freund und Arbeitskollegen gesprochen. Er rief bei mir an, nannte seinen Namen. Ich musste zunächst innehalten, es war zulange her, seitdem wir uns gesehen und gesprochen hatten.

Aber gleich danach purzelten die Erinnerungen, so als würde eine Kiste im Regal umgestoßen. Und dann siehst du auf einmal wieder Dinge zum Vorschein kommen, die du ohne diesen Anstoß nie wieder gesehen hättest.

„Kennst du noch den Martin?“, fragte mich mein Freund.
„Ja, ich erinnere mich dunkel“, sagte ich.

„Der lebt nicht mehr, ist gestorben. Schon vor ein paar Jahren“, sagte er daraufhin.

„Aber der, den du nicht mochtest, weißt du, was aus dem geworden ist?“, bohrte er weiter.

„Was ist aus ihm geworden?“, setzte ich ungeduldig nach, obwohl ich es gar nicht so richtig wissen wollte.
„Du, der hat nach der Wende eine unglaubliche Karriere gemacht, ist viel im Ausland gewesen und kam zu unseren Treffen stets braungebrannt.“

Dann fragte er mich unvermittelt: „Warum kommst du eigentlich nicht, um ehemalige Gefährten zu treffen?“

Ich hatte keine Antwort darauf, schwieg und überlegte.
Ja warum eigentlich bin ich noch nie bei diesen Treffen dabei gewesen?

Ich wusste es nicht.
Zu lange her? Zu langweilig, um Gespräche über Vergangenes zu führen?

Alltägliche Sorgen, die mich umtrieben und noch heute umtreiben?
Vielleicht von jedem ein bisschen.

Trotzdem, diese Menschen, Freunde, Kollegen, sympathisch oder weniger sympathisch, gehörten mal zu meinem Leben.
Die Frage zwang mich zum weiteren Nachdenken:
„Was ist, wenn du davon etwas aufschreibst, festhältst?“, fragte ich mich.

Ich könnte mich zurückerinnern, an gute und an schlechte Tage, fröhliche Ereignisse und traurige.

Auf jeden Fall würde es mich beleben, meinen Alltag lebendiger machen.

Vielleicht sollte ich daraus kleine Geschichten machen – aus dem, was mal zu meinem Leben gehört hat. Ich werde darüber nachdenken.