WIR SIND MAL ZUR STIPPVISITE DA
Anna war beim Friseur, nach vielem Hin- und Her, vielen Ausreden und Ausflüchten.
„Der Termin ist hier gestrichen, ich muss da also nicht mehr hin“, sagte sie noch am Tag, als Lucas sie abholen wollte.
Schließlich ließ sie sich doch überreden und stieg zu Lucas ins Auto, um zum Frisörladen zu fahren.
Als sie da war, fühlte sie sich wohl, weil die Friseurin es ihr sehr leicht machte, sich ‚fallen zu lassen‘.
Sogar eine andere Haartönung bekam sie.
„Ich bin jetzt anspruchsvoller geworden“, sagte Anna zu Klara am Telefon, als sie auf ihre Frisur zu sprechen kam.
Klara war für einen Moment sprachlos, dann musste sie sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.
Sie tat es nicht, denn sie würde damit ihre Mutter auslachen. Das brachte sie nicht übers Herz.
„Na dann ist ja alles prima, Weihnachten kann jetzt kommen“, sagte Klara stattdessen zu ihr.
„Und übrigens, wir kommen zur Stippvisite vorbei“, fuhr Klara fort und ließ es aussehen, als würden Klara, Peter, Laura und die Kleine nur so nebenher mal vorbeikommen.
Am Telefon war es still. Keine Reaktion.
Anna fragte nicht, wann Klara kommen wollte, ob sie über Weihnachten blieben, wo sie schliefen.
Klara war traurig darüber. Doch andererseits auch froh, dass Anna sie nicht löcherte.
„Wenn die Kleine mit nach Stralsund kommt, dann lerne ich sie ja endlich mal kennen“, sagte Anna, ohne groß eine Emotion in ihren Satz zu legen.
„Mutti, du hast die Kleine schon so oft gesehen!“
Klara konnte sich das nicht verkneifen, bereute den Satz aber sofort.
„Also ich hab‘ sie noch nicht gesehen, das würde ich ja wohl wissen“, sagte Anna daraufhin trocken.
„Ja, Mutti, das würdest“, antwortete Klara.
‚Wenn du gesund wärst und dich daran erinnern könntest‘, dachte Klara bei sich, sprach diesen Halbsatz aber nicht aus.