MAL SCHNELL ERZÄHLT
VOR EINEM JAHR: Was du an einem Menschen hast, das fällt dir erst so richtig auf, wenn er mal nicht da ist. Klara ist zur Kur und ich stehe erst am Anfang mit meinen Sorgen – Waschmaschine bedienen, Essen kochen, allein ins Bett gehen, Fernseher nicht erst nachts ausschalten. Gott sei Dank ist das jetzt schon wieder ein Jahr her, als Klara zur Kur fuhr. Ich erinnere mich noch genau daran.
Dienstag, 03.30 Uhr. Ich stehe auf, weil ich nicht mehr schlafen kann. Heute bringe ich Klara zur Kur. Der schwere Koffer ist bereits im Auto verstaut. Gestern war die Aufregung noch groß, denn Klara fand ihr Handy nicht.
„Ich weiß, dass ich es im Auto abgelegt habe“, sagte sie noch.
„Ich habe nachgeschaut, aber da ist nichts“, habe ich geantwortet.
Also haben wir die Karte sperren lassen und sind zu Laura gedüst, weil sie noch ein Ersatzhandy und eine weitere SIM-Karte hatte.
Laura ist mit Krümel zu Hause geblieben. Krümel ist stark erkältet. Als wir in Berlin aussteigen und Klara die Tür vom Auto schließen will, da schreit sie plötzlich auf – zwischen den beiden Vordersitzen klemmte das Handy fest.
„Dass du das nicht entdeckt hast“, sagte sie zu mir und ich meinte einen leisen Vorwurf herauszuhören. Das mit dem Ersatzhandy hatte sich nun erledigt.
Wir sind trotzdem noch zu Laura hoch gegangen.
Krümel empfing uns nicht so freudig wie sonst.
Sie lehnte sich bei uns an. Man merkte ihr an, dass sie nicht gesund war.
Erst als ich für sie einen Turm aus Bausteinen gebaut habe und sie konnte nach Kräften dagegen hauen, damit alles auseinanderflog, da lachte sie mich an und schaute mit dem Blick, der meinte: „Noch mal.“
Heute Morgen 06.00 Uhr. Wir starten in Richtung Reha-Klinik, fahren auf die Autobahn Richtung Tegel und dann weiter nach Potsdam.
Blechlawinen wälzen sich über die Straßen. Im Tunnel von Tegel rieche ich förmlich die Autoabgase.
„Hier sollten sie mal den Stickoxidwert messen“, sage ich zu Klara. Die antwortet nicht. Sie ist angespannt.
Wir sind nach einer guten Stunde in der Reha-Klinik angekommen. Klara wird freundlich am Empfang begrüßt. Die Schwester besorgt ihr einen Wagen, auf dem sie das Gepäck abstellen kann.
Ich sitze im Sessel in der Vorhalle und beobachte die Leute, die an mir vorbeigehen und die schauen wiederum mich an. Manche Patienten tragen einen Mundschutz.
Ich kann darüber nicht mehr nachdenken, denn ich muss mich von Klara verabschieden und wenig später bin ich schon wieder auf dem Rückweg.
Es ist komisch, als ich in der Wohnung zurück bin. Sie wirkt leer und ich bin antriebslos. Ich gehe in den Keller und schaue, was Klara mir für Konserven besorgt hat.
„Von diesen Dosen kannst du dir mittags immer mal eine warm machen“, sagte sie noch am Wochenende zu mir. Ich nehme eine Büchse aus dem Regal, auf der ‚Gulaschsuppe‘ steht.
Gulaschsuppe ist gut. Die mag ich. Ich nehme sie mit nach oben. Ich öffne die Dose und ziehe den Deckel ab. Zum Vorschein kommen Fleischstücke und Soße. Für einen Moment stutze ich.
Das wird ja wohl nicht Hundefutter sein, denke ich so bei mir. Egal, ich habe es aufgewärmt und danach auf den Teller gefüllt. Es schmeckt köstlich. Anschließend beschließe ich, mich für eine Weile hinzulegen und danach mit der Arbeit zu beginnen.
Nur eine Viertelstunde, denke ich noch. Es klingelt. Das hört nicht auf. Ich stehe schlaftrunken von der Couch auf und schaue zur Uhr. Sie zeigt 16.15 Uhr an. Ich schnelle hoch und sitze wenige Minuten später am Schreibtisch. Ich nehme den Hörer zur Hand und rufe Anna an.
„Wie geht’s?“, frage ich.
„Ach hör bloß auf“, ich hatte heute einen Termin bei Dr. Silberfisch und habe ihn verpasst.
„Das kann nicht sein, denn das wüssten wir, wenn heute ein Termin wäre“, sage ich.
Im Stillen denke ich: „Das kann nicht wahr sein, kaum ist Klara weg und nichts ist so, wie es sonst war.“