ANNA IST DEMENT (67)
Sonntagabend, Klara greift zum Telefon und ruft Anna an.
„Hallo Mutti, alles ‚ok‘ bei dir?“
Klara kam direkt zur Sache. Sie wollte weiter eine Komödie im Fernsehen anschauen und setzte sich dabei selbst unter Zeitdruck.
„Ok, was meinst du damit?“, fragte Anna und Klara ärgerte sich, dass sie nicht mit mehr Ruhe an das Telefonat herangegangen war.
„Geht es dir gut, Mutti, ist alles in Ordnung?“
„Ja!“, antwortete Anna knapp.
„Du hast doch irgendwas, oder?“, hakte Klara jetzt nach.
„Na weißt du, Papa meldet sich gar nicht bei mir. Ich weiß nicht, wo der steckt. Hast du was gehört?“
Klara stockte der Atem. Hatte ihre Mutter sie das wirklich gefragt?
Als Klara sich ein wenig gesammelt hatte, da sagte sie:
„Papa ist seit nunmehr zwanzig Jahren tot.“
Sie machte eine Pause.
„Bist du noch da, Mutti?“, fragte Klara jetzt.
„Ja, aber ‚ich bin ganz von mir ab‘, was du gerade gesagt hast. Wie konnte ich das nur vergessen?“
„Es ist deine Krankheit, Mutti.“
„Ja“, sagte da Anna leise, ohne nachzufragen, welche Krankheit Klara eigentlich meinte.
„Sonst fragt Mutti immer nach“, sagte Klara später zu Peter.
„Wir können es nicht ändern, und es wird uns noch so manches von deiner Mutter schocken.
Und trotzdem müssen wir versuchen, ruhig darauf zu antworten“, sagte Peter, obwohl er selbst einigermaßen erschüttert war.
Klara und Peter schauten die Komödie weiter, in der eine Schauspielfigur sagte:
„Ich weiß nicht, was es ist, aber ich vergesse laufend einzelne Worte.“
„Trink‘ einen, dann vergisst du wenigstens alles“, sagte sein Freund daraufhin.
Klara und Peter mussten darüber schmunzeln, obwohl es ihnen tief im Innern mulmig wurde.
Was würde mit ihnen eines Tages sein, und wer würde sich um sie kümmern?
Sie schauten lieber den Film weiter, als darüber nachzugrübeln und depressiv zu werden.