WAS WILLST DU AN MEINEM KLEIDERSCHRANK?

Was bisher war:
Klara war kaum in Stralsund bei Anna angekommen, da würde sie am liebsten wieder nach Hause fahren.

Klara war zum Weinen zumute. Sie wäre am liebsten gleich mit dem Gepäck die Treppen hinuntergelaufen, ohne sich auch nur einmal umzuschauen.

Aber das konnte sie nicht tun, und sie wollte es auch nicht. Doch sie konnte auch nichts gegen ihre Gefühlsregungen tun, gegen ihre Verzweiflung, ihre Niedergeschlagenheit.

Lukas war bereits wieder gegangen. Er war froh, dass Klara ihn für ein paar Tage entlastete und er sich nicht permanent um Anna kümmern musste, so wie er es sonst täglich tat.

Klara gab sich einen Ruck, stand mit Schwung auf und ging geradewegs ins Schlafzimmer, wo sich Annas Kleiderschrank befand, vollgestopft mit Sachen, die dringend aufgeräumt und sortiert werden mussten.

„Was willst du da?“, fragte Anna und stand direkt hinter Klara, sodass sie sich kaum bewegen konnte, ohne nicht gleich aufs dahinterstehende Bett zu fallen.

„Mutti, wir werden jetzt mal deinen gesamten Kleiderschrank durchschauen und vor allem die Sommerbekleidung aussortieren. Die hängen wir dann nach nebenan, damit wir besser an deine Winterkleider herankönnen.“

„Dazu brauch‘ ich dich doch nicht“, empörte sich Anna. Aber Klara antwortete nicht mehr, sondern schmiss in hohem Schwung die Sommerkleider, die sie aus dem Schrank genommen hatte, auf das Bett.

„Wo kommen die denn auf einmal her?“, fragte Anna.
„Die suche ich schon sehr lange“, fügte sie noch an.
„Mutti, die hingen hier ganz friedlich in deinem Kleiderschrank. Verstehst du jetzt, dass es gut ist, dass ich hier einmal alles durchschaue?“

„Aber wieso hast du jetzt die Kleider aus dem Schrank genommen?“
„Weil wir sie jetzt hier auf der linken Seite des Schrankes unterbringen.

Siehst du hier?“, fragte Klara und schob die linke Tür des Kleiderschrankes auf.

„Hm“, machte Anna und schaute immer noch misstrauisch darauf, was Klara tat.
„Ach und hier ist ja deine Unterwäsche“, sagte Klara jetzt zu ihrer Mutter.

Lukas hatte Klara gefragt, ob sie nicht mal schauen könnte, wo die Slips alle hingekommen waren.

„Mutti jammert mir die Ohren voll, dass sie nicht mehr ihre Unterwäsche finden würde, und ich möchte da nicht in ihren Sachen herumwühlen und auf ihre Slips stoßen“, hatte er zu Klara noch im Auto gesagt.

Klara hatte nur genickt und nun, wo sie den Schrank durchsah, da fiel ihr wieder ein, worum Lukas sie gebeten hatte.
Sie nahm das Bündel, das unten im Schrank versteckt war, heraus.

„Die müssen alle gewaschen werden“, sagte Klara.
„Ja, das mach‘ ich mal“, antwortete Anna.

„Wir machen das zusammen, und zwar gleich“, sagte Klara. Ihre Stimme klang schärfer, als sie es selber wollte.

Klara ging ins Bad, um die Waschmaschine für die Wäsche vorzubereiten.

Anna eilte hinter ihr und brummte etwas, was Klara nicht verstand.
„Mutti, es jetzt halb drei, was hältst du davon, wenn du uns Kaffee machst und wir gleich erst einmal gemütlich zusammensitzen können?“

„Aber ich habe doch gar keinen Kuchen“, sagte Anna in einem Tonfall, der verzweifelt klang.

„Ich habe Kirschringe vom Bäcker mitgebracht, die essen wir zum Kaffee.“

„Wo kommen die denn auf einmal her?“
„Mitgebracht, Mutti!“, Klara hatte nicht mehr die Kraft, in einem ganzen Satz zu antworten.