ICH KOMM‘ EUCH BESUCHEN

Was bisher war:
Krümel ist gerade mal drei Jahre alt geworden, aber wenn sich ihr Besuch bei Klara und Peter ankündigt, dann ist es, als würde ein Staatsoberhaupt vorbeischauen.
Die Initiative  zum Besuch geht dabei oft nicht von ihrer Mama aus, sondern von Peter und Klara.
Sie versuchten zwar, den Kontakt auf ein Minimum zu beschränken, denn sie wollten auf keinen Fall, dass sich irgendjemand mit Covid-19 infizierte. Aber irgendwann wurde die Sehnsucht so groß, dass sie es doch in Erwägung zogen.

„Du, was meinst du, wollt ihr am Wochenende zu uns kommen?“, fragte Klara ihre Tochter Laura am Telefon.

„Hm, mal sehen“, antwortete Laura unbestimmt. Sie wollte sich nicht festlegen.

„Überlass‘ das ruhig mir zu fragen, ob wir Krümel am Wochenende bei uns haben.“

Peter nickte stumm, obwohl er schlecht mit diesem „mal sehen, vielleicht, ja, kann sein“, umgehen konnte.

Deshalb klingelte Peter einen Tag später bei Laura durch.
„Du, ich plane gerade meine Arbeiten am Wochenende. Soll ich euch am Freitagabend oder am Samstagvormittag abholen?

Wenn ihr Freitagabend schon kommt, dann können wir am Samstagmorgen schön gemeinsam frühstücken und Krümel kann auf ihrer neuen Bank in der Küche sitzen“, sagte Peter.

Laura schwieg am Telefon.

„Was ist denn jetzt?“, drängelte Peter erneut.
„Papa, ich kann dir noch nicht sagen, wann ich genau am Freitagabend aus der Kita komme und dann habe ich auch noch Essen bestellt.“

„Was für Essen?“
„Papa, davon verstehst du nichts.“

Ja, Peter merkte, dass er wohl doch einer anderen Generation angehörte.

Essen bestellen war schick, mit einem Kaffeebecher aus dem Haus gehen, das war auch ‚in‘.

Peter konnte nur staunen, wie die Nachbarin morgens aus dem Haus kam, einen Kaffeebehälter in der Hand hielt, in der anderen das Smartphone und zum Auto stakte, als müsse sie eine Modenschau absolvieren.

Da blieb Peter lieber bei seinen Trainingshosen und zog sich eine schicke Jacke über, sodass nur noch wenig von der Hose zu sehen war. Den Kaffee trank er drinnen und das Essen kochte Klara oder Peter aß trockene Haferkleie.

Nicht weil er zu faul war, sich etwas zu essen zu machen. Nein, den Gedanken wies er strikt von sich.

Vielmehr  war er auch auf der Höhe der Zeit. Er nannte das Ganze einen „Tag mit Intervallfasten.“

„Also was ist jetzt, Freitagabend oder Samstagfrüh?“, ließ Peter nicht locker.

„Wir können das gern Freitag machen“, sagte Laura nun zögerlich.
„Pass auf, ich hol‘ dich gegen neunzehn Uhr ab, dann hast du bestimmt das Essen aus der Gulaschkanone bekommen.“

„Papa, das ist Fastfood“, sagte Laura.
„Ich freu` mich auf Freitag“, antwortete Peter, ohne auf Lauras Bemerkung einzugehen.

„Gib‘ mir noch mal Krümel.“
„Opiiii“, rief Krümel ins Telefon.

„Hallo meine Süße, soll ich dir ‚Kommt ein Vogel geflogen‘ vorsingen?“
„Nein!“

Krümel war gnadenlos. Was sie nicht wollte, das sagte sie direkt. Peter musste lachen.

Er fand es schön, dass die Kleine das sagte, was sie fühlte, direkt und ohne ‚Girlanden‘ an den Worten.

„Opaaa?“
„Ja, Krümel?“

„Ich komm‘ euch ‚besuuuchennn‘! Holt Oma mich ab, mit ‚Jiiiipii‘?“

„Vielleicht kommt sie auch mit“, sagte Peter, obwohl er schon wusste, dass Klara wahrscheinlich zuhause das Abendbrot in der Zeit vorbereiten würden.

„‘Supi‘“, sagte Krümel.

Peter stutzte, wo Krümel wohl das Wort herhatte.
Er kam nicht mehr dazu, sie zu fragen. Sie hatte bereits aufgelegt.