GARTENARBEIT – DA FLIEGE ICH DOCH LIEBER ZUM MOND (1)

MAL SCHNELL ERZÄHLT

ALLTÄGLICHES – (44) – FOLGE 1

Es ist April im Jahr 2020. Die Corona-Krise macht uns zu schaffen. Klara ist krankgeschrieben, ich arbeite ja ohnehin seit vielen Jahren im Homeoffice.

Aber Klara will die Zeit nutzen, um den Garten auf Vordermann zu bringen. Die Ärztin hat ihr empfohlen, sich viel an der frischen Luft zu bewegen und dabei nicht in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen.

Nur ich, ich kann ihr nicht ausweichen. Will ich auch nicht, bis auf die Momente, wo ich im Garten so richtig mitanfassen soll. 

Die meiste Zeit kann ich mich hinter meiner Arbeit verstecken, doch im Frühjahr, da ist Klara unerbittlich.

Ich denke zurück, wie es im vergangenen Jahr war, ohne Corona. Irgendwie auch nicht anders.

 April 2019. Es sollte schön werden am Wochenende, vor einem Jahr. Das versprach zumindest der Wetterfritze vom Fernsehen.
„Wollen wir denn am Samstag den Holzstumpf ausgraben, der noch von der Tanne übriggeblieben ist?“, fragte Klara mich. Es war Donnerstagabend.

„Dann muss ich ja schon am Freitag saugen“, sagte ich zu ihr. Mich überlief es siedend heiß, wenn ich daran dachte, dass ich zwei Tage hintereinander körperlich arbeiten sollte. Das war ich nicht gewöhnt. Am Schreibtisch sitzen, bis der Rücken schmerzt, ja das konnte ich, aber unentwegt bücken? Ne, danke.

Vor dem Garten kam noch das Staubsaugen

Ich fügte mich in das Unvermeidliche und entschloss mich, am Freitag zu saugen. Vorher arbeitete ich morgens noch konzentriert an einem Auftrag, von sechs Uhr früh an. Es war inzwischen 09.00 Uhr geworden.

Ich schweifte immer wieder gedanklich ab und dachte daran, dass ich ja noch saugen müsste. Also machte ich den Computer aus und zog mich in meine Sportsachen um.

Das tat ich, weil ich dann das Gefühl bekam, ich würde etwas für die Gesundheit tun. Jetzt hatte ich die Putzaktion im Haus noch vor mir und meine Laune trübte sich ein, wenn ich mir klarmachte, dass damit erst alles begann.

Am Samstag würde es ja weitergehen, dann mit Gartenarbeit.

GARTEN AUF RÜGEN UND IN ZUHAUSE – ARBEITSPOTENZIAL OHNE ENDE

Wie hatten wir das nur alles früher geschafft, als wir noch das Gartengrundstück und den Bungalow in Polchow hatten?

Irgendwie kriegten wir das alles hin. Als ich Ende 89 und Anfang der 1990er an meiner Doktorarbeit schrieb, da fuhren wir nach Rügen hoch, obwohl ich dachte, über mir bricht alles zusammen.

Aber Polchow zog – es war eben unser Stück Heimat, das wir uns bewahren wollten.

Und damals gab es noch nicht einmal die neue Brücke über den Strelasund, und die A20 war auch noch nicht gebaut.

Am Montag, nach der Fahrt über die Dörfer und durch die kleinen Städte, Greifswald, Anklam, Pasewalk, Woldegk, Prenzlau und dann über die alte holprige Prenzlauer Autobahn, ja da war ich schlagkaputt und schlief am Schreibtisch ein.

Irgendwann, Jahre später, wuchs uns das alles über den Kopf und wir gaben den Garten auf der Insel auf, schweren Herzens.

Was brachten mir diese Gedanken jetzt? Überhaupt nichts. Ich wollte mit dem Saugen anfangen und raffte mich dazu auf.

Am schlimmsten war es für mich, erst einmal alles wegzuräumen, die Stühle hochzustellen, die Teppiche auszuklopfen. Ich tüftelte an einem System, in welcher Reihenfolge ich was tat.

Klara verdrehte nur die Augen und sagte danach zu mir:
„Du sollst nur saugen!“.
Das traf mich.

„Du schätzt das nicht, was ich tue“, sagte ich dann.
„Weißt du, mich hast du früher nie gelobt, wenn du nach Hause gekommen bist und alles sauber war.

Im Höchstfall hast du zu mir gesagt, dass da noch ein Fussel auf dem Teppich sei“, entgegnete nun Klara.

Das stimmte, ja da hatte sie recht. Und ich begriff erst jetzt, was das alles für eine Arbeit machte.

DER COUNTDOWN BEGANN

Endlich war alles hochgestellt. Ich saugte durch, erst im unteren und danach im oberen Stockwerk.

Als ich fertig war, kam mir der Gedanke, gleich durchzuwischen. Das machte Klara eigentlich am Samstagmorgen, während ich bereits wieder am Schreibtisch saß und mich freute, dass ich fertig war mit meinem Teil.

Ich wollte Klara mit meinem Extraservice überraschen.

Ich holte also den Behälter aus der Nische, in dem ich den Lappen zum Aufwischen vermutete. Es polterte und mir flogen kleinere Flaschen entgegen. Ich fluchte laut.

Konnte Klara hier nicht mal Ordnung halten? Nein, konnte sie nicht. Und ich hatte es aufgegeben, das anzumahnen.

Dann kam stets der gleiche Satz: „Ich finde alles und du suchst in deinem System vergeblich deine Sachen.“
Das stimmte irgendwie.

Aber nur, weil ich das System stets verfeinerte, dabei die Ablage änderte und vergaß, die alten abgelegten Zettel in das neue System einzuordnen.

Was machte Klara? Sie hob einen Stapel mit Akten, Papier und Heften hoch, ungeordnet, nicht auf Kante gelegt. Und dann zog sie mit spitzen Fingern den richtigen Zettel aus dem Stapel. Ich fand das ungerecht.

Zurück zum Putzen: Ich musste mich jetzt konzentrieren. Wo waren die Spülmittel, die Klara in den Behälter tat?

Egal, ich nahm von jeder Flasche, die ich fand, ein bisschen und mischte es ins Wasser hinein. Es konnte losgehen.

Ich wischte die Fliesen im Kellervorraum, ging dann die Treppe hoch und machte in der Küche weiter. Manche Flecken ließen sich nicht gleich wegwischen.

Ich musste mich also bücken und rubbeln. Ich bereute es, dass ich damit überhaupt begonnen hatte. Schließlich war ich fertig und haute mich in einen Sessel.

Eigentlich müsste ich am Text weiterarbeiten. Aber ich fühlte mich, als hätte mich jemand verprügelt.

An dem Tag habe ich nur noch vor dem Fernseher gesessen. Am Samstag, ja da konnte ich mich wieder bewegen, im Garten mit Spaten und Kettensäge.