EIN KLEINER FRISEURLADEN IN SASSNITZ GANZ GROSS

EIN KLEINER FRISEURLADEN IN SASSNITZ GANZ GROSS

Man sagt, demenzkranke Menschen können nicht mehr so denken, wie es vor ihrer Krankheit der Fall war.
Das ist wohl so. Doch sie können eines, nämlich mit dem Herzen sehen, fühlen, einfach wahrnehmen, ob ein Mensch es gut mit ihnen meint.

Und die Friseurin Ilka in dem kleinen Sassnitzer Friseurladen meinte es gut mit ihr.

Es sind oft nicht die großen Gesten, die uns berühren. Nein, es sind vielmehr die kleinen Dinge, die nur allzu oft im Gewirr des Alltags untergehen.
Umso wichtiger, dass wir auf sie aufmerksam werden, wenn sie uns geradezu in den Schoss fallen.
Gestern war so eine Gelegenheit.

Schwiegermutter hatte einen Termin beim Friseur, in Sassnitz, und nicht gerade um die Ecke für uns. Also ist meine Frau unruhig, ob alles klappt, ihre Mutter den Termin nicht vergisst, pünktlich im Friseurladen erscheint.

Das klingt nach ‚ist doch wohl normal, was ist da schon besonderes dran?‘ Im Prinzip ist das schon richtig. Doch was ist, wenn der Mensch, dem deine Fürsorge gilt, an Demenz erkrankt ist, und du selbst kannst das alles nur aus der Ferne gedanklich begleiten?

Na klar, meine Frau weiß, dass sie sich zu hundert Prozent auf ihren Bruder verlassen kann, der sich um seine Mutter liebevoll kümmert, wenn es sein muss, Tag und Nacht.

Und trotzdem weiss sie, dass jede alltägliche Unterbrechung für demenziell erkrankte Menschen Unruhe mit sich bringt.
An nichts hängen Demenzkranke mehr, als an einem möglichst gleichmäßig verlaufenden Tagesablauf. Jeder noch so kleine Termin bringt Unruhe und Unsicherheit.

Schwiegermutter kam trotz alledem zum geplanten Zeitpunkt im Friseurladen an und wurde gleich freundlich begrüßt.
Sie fühlte sich wohl in der Zeit, in der ihre Haare gewaschen, geschnitten, gefärbt und getrocknet wurden und die Friseurin sich noch mit ihr angeregt unterhielt.

Kurzum: Ilka schnitt und färbte nicht nur die Haare, sie tat mehr, sie betreute Schwiegermutter so, dass es für sie zu einem wirklich aktivierenden und angenehmen Aufenthalt wurde.

Abends schickte die Friseurin noch ein Foto von Schwiegermutter, mit der neuen Frisur.

Wir alle wissen nicht, was aus uns mal wird, wie wir in späteren Jahren zurechtkommen und vielleicht auch auf Hilfe und Fürsorge angewiesen sind.

Deshalb sind es diese kleinen Dinge, die Menschen untereinander brauchen  – Verständnis für den jeweils Anderen, die Empathie, auf ihn individuell einzugehen.

Gerade in der Zeit vor Weihnachten wird viel geredet über Nächstenliebe, Fürsorge, Unterstützung für die Hilfsbedürftigen.

Die Friseurin Ilka hat das einfach getan, ohne groß darüber zu reden, bescheiden und fast unbemerkt von uns.

Deshalb ist der kleine Friseurladen in Sassnitz für uns ganz groß.

Danke Ilka, danke liebes Team.

Die Angehörigen aus Sassnitz, Wandlitz und Berlin.