VOR EINEM JAHR TRÄUMTE ICH NOCH VOM WARENRÄUMEN IM MINIJOB

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Ich wollte einen Minijob annehmen. Die Rente ist nicht groß, die Schreiberei bringt nicht so viel ein, und die Hauptlast der aktuellen Einnahmen blieben also an Klara hängen. Das bedrückte mich. 
Also entschloss ich mich, etwas zu tun, einen Nebenjob für mich zu suchen.
Vor einem Jahr kam mir der Zufall zu Hilfe, ausgerechnet in unserem Einkaufsmarkt.

April 2019

Wir waren in einem großen Einkaufsmarkt. Nachdem ich vormittags allein im Schreibwarenladen gewesen war und meine stillen Abenteuer bestanden hatte, ging es nun in den größten Einkaufsmarkt am Ort. Ich hatte Klara vom Bahnhof abgeholt. Sie war aus der Weltstadt Berlin zurück von der Arbeit und tauchte nun mit mir in die dörfliche Idylle ein.

Und mittendrin eben dieser große Supermarkt. Ich hatte Klara versprochen, dass wir dort noch hinfahren. Ich mochte es nicht sehr, mit hineinzugehen. Doch diesmal wollte ich mit rein.

Klaras Geburtstag stand bevor und ich hatte noch kein Geschenk.
„Du musst mir nichts kaufen. Ich habe bereits etwas besorgt“, wirkte sie auf mich beruhigend ein.

Aber mein Gewissen konnte sie nicht beruhigen. Es war schwer, etwas für Klara zu kaufen. Mal passten die Kleidergrößen nicht, mal nicht die Farben.

Und als ich ihr eine Uhr schenkte, da wetterte sie, dass diese keine Ziffernblätter hätte. Ich bin noch an ihrem Geburtstag zum Alex ins Kaufhaus zurückgefahren, in Pantoffeln, so wütend war ich und habe mir einen Umtauschschein geben lassen.

Seitdem bin ich vorsichtig geworden. Dann bin ich auf die Idee gekommen, Gutscheine zu schreiben, handschriftlich, einen Laptop für Klara zum Beispiel.

Naja, den hat sie nie eingelöst, obwohl ich ihn sogar zu Weihnachten erneut an sie verschenken wollte. Also sind wir jetzt so verblieben, dass ich ihr Tulpen schenke.

„Wenn du ohnehin noch in den Einkaufsmarkt willst, dann kann ich ja gleich mitreinkommen und die Blumen aussuchen“, sagte ich.
„Ja, das kannst du machen.“

Ich zog mir extra Jeans über und nicht die Turnschuhe, sondern die Lederschuhe mit den dicken Sohlen. Die trage ich im Winter und im Sommer. Sie sind so schön bequem und ich sehe größer aus.

Ich war also für den supergroßen Markt inmitten unseres Dorfes gut gewappnet, kleidungsmäßig jedenfalls.

Sonst behielt ich die Trainingshose an und wartete im Auto. Das ist praktisch meine Arbeitshose. Ich saß ja auch eben mit dieser Trainingshose am Schreibtisch. Ich habe schon oft gehört, dass schreibende Menschen ein bisschen verkommen, kleidungsmäßig.

Weil sie ständig in ihrer Meinung nach bequemen Sachen am Schreibtisch herumhängen, die Bleistifte anknabbern, durch die ungekämmten Haare fahren und wenn der Postbote kommt, ganz ungern die Tür öffnen.

Jedenfalls stand ich nun in meinen Jeans neben Klara.
„Gib den Einkaufswagen her, du kannst damit nicht umgehen.“
„Das ist ja wohl eine Unverschämtheit“, zischte ich und griff umso fester um die Stangen des Wagens.

Wir waren bei den Blumen angekommen. Ich hätte einen Strauß gekauft. Klara nahm drei Sträuße mit – Narzissen, Tulpen und Rosen. Ich sagte nichts, denn ich war froh, dass sie ihre Blumen selbst ausgesucht hatte. Schließlich standen wir an der Kasse.

Ich drängelte mich an den Leuten vorbei und wartete im Vorraum. Ich drehte mich um und sah eine große Stele mit einer Stellenanzeige drauf.

„Wir suchen Sie im Minijob für unsere Warenräumung“, stand da drauf. Ich ging zurück zu Klara und erzählte ihr was davon.

„Ja, du wolltest doch immer Sport machen, das ist was für dich, und Geld kommt auch noch rein, neben deinen Einkünften für die Texte.“
Ich schwieg und erwog, ob ich mich unter der angegebenen Telefonnummer melden sollte.

Plötzlich fiel mir ein Mitarbeiter auf, der genau diese Funktion auszuüben schien, um die es in der Stellenanzeige ging. Er kniete und keuchte vor einem Regal. Seine Blicke irrten das Regal auf und ab. Dann richtete er sich ächzend auf, sein Kopf war rot. Das Blut war ihm ins Gesicht geschossen.

Dann plumpste er zurück auf die Knie und zerrte ein Gerät aus dem Pappkarton. Er drehte die Ware hin- und her, suchte wohl, wo er einscannen sollte. Plötzlich sah ich nicht ihn dort hocken, sondern mich. Mein Bauch drückte, die Knie taten mir in der eingeknickten Stellung weh. Ich hatte den Überblick verloren, wohin die Waren eingeräumt werden sollten.

Plötzlich stand hinter mir der Einkaufsleiter und sagte: „Sie sind zu langsam und sie haben schon wieder die Waren falsch eingeräumt, das müssen wir Ihnen vom Lohn abziehen.“

Ich schrak aus meinem Tagtraum auf. Klara hatte bereits an der Kasse bezahlt und ich eilte schnurstracks mit dem Einkaufswagen aus der Halle heraus.

Im Auto sagte ich zu Klara: „Du, ich habe morgens noch Kapazitäten, um ein paar Texte zu schreiben und zu verkaufen.“
Klara schmunzelte, sagte nichts und nickte nur, und ich war froh darüber.

Ein Jahr später, im April 2020
Ich wollte einen erneuten Anlauf nehmen.

Diesmal im Patientenhotel in der Waldsiedlung.Die Geschäftsführerin war erst skeptisch, ob ich es tatsächlich ernst meinte.

„Ich will Teller spülen oder den Fußboden wischen, meine Arbeit machen und danach nach Hause gehen. Wenn es bei Ihnen nicht geht, dann muss ich mich woanders bewerben“, sagte ich zu ihr.

„Oh nein, bitte nicht zur Konkurrenz gehen. Wir haben hier auch eine Frau vom Fernsehen eingestellt. Die wollte auch nur saubermachen“, meinte sie.

Wir waren uns einig, dass ich persönlich vorbeikomme, wenn die Corona-Krise abgeschwächt ist.
Jetzt ist die gesamte Waldsiedlung abgesperrt – wegen der zahlreichen Corona-Verdachtsfälle.

„Schade“, sagte ich zu Klara und vertiefte mich zufrieden in die Berliner Zeitung.
„Also ich, ich hätte mich jetzt vorgestellt“, sagte ich noch hinter vorgehaltener Zeitung.
Klara erwiderte nichts. Sie kannte mich eben doch zu gut.