DACKEL HANNA – DER VERKAPPTE KAMPFHUND

ALLTÄGLICHES (50 -1)

HERTA UND KURT (1)

„Kannst du für eine Woche auf unseren lieben Hund aufpassen?“
Für eine Weile sagte Kurt gar nichts.
„Hat es dir die Sprache verschlagen?“, ertönte es am anderen Ende der Telefonleitung.

„Naja, ein bisschen schon!“, brummte Kurt.
‚Ihr habt sie ja nicht alle! Soll‘ ich wirklich auf diese Töle aufpassen? Wie hieß sie noch? Hanna, richtig‘, schoss es Kurt durch den Kopf.

„Hanna freut sich auf dich, und du weißt ja, sie ist ein bisschen schüchtern und verängstigt“, flötete Sieglinde mit süßer Stimme.
‚Hanna schüchtern und verängstigt? Bissig, hässlich und knurrig, das waren die richtigen Merkmale von Hanna‘, dachte Kurt und schwieg noch immer.

„Was habt ihr denn vor?“, fragte Kurt jetzt.
„Ach wir wollen uns mal ein paar Tage eine Auszeit gönnen, raus aus der Corona-Isolation und den Kopf freikriegen“, sagte Sieglinde weiter.

„Arthur hat da was entdeckt, wo wir schnell hinfahren können, trotz Urlaubssperre.“

‚Was das wohl für ein Ort war, und warum mussten sie nun schon wieder verreisen? Dabei waren sie doch noch kurz vor der Corona-Krise aus Südtirol zurückgekommen.‘

Aber Kurt konnte es egal sein, er wollte nur auf keinen Fall die bissige und knurrige Hanna an seinem Bein kleben haben.
„Meint ihr wirklich, wir wären die richtigen Aufpasser für die Tö… eh, ich meine für die süße Hanna?“

„Auf jeden Fall, Kurt, du schaffst das schon.“
„Naja, Sieglinde, du weißt, ich sitze von morgens bis abends am Schreibtisch über meinen Texten.“

Kurt war bereits Rentner. Doch das war für ihn kein Zustand. Er legte Wert darauf, dass er noch freiberuflich tätig war. Herta ging noch arbeiten und Kurt wollte nicht nur der sein, der sie morgens zum Zug brachte und abends wieder von da abholte.

„Na gut, dass du das erwähnst, denn auf deinen letzten Umsatz-Abrechnungen ist nichts davon zu merken, dass du noch arbeitest“, antwortete Sieglinde.

Sie war seine Steuerberaterin und sah, dass für seine PR-Kampagnen kaum etwas hereinkam.
Sieglinde hatte recht. Trotzdem ärgerte sich Kurt im Stillen, jedoch sagte er nichts daraufhin.

„Wann wollt‘ ihr denn los?“
„Weißt du, morgen schon. Es wäre also schön, wenn wir Hanna bereits heute bringen könnten“, sagte Sieglinde.

„Gut, ich komme gleich vorbei, dann haben wir es hinter uns“, sagte Kurt. Er glaubte es nicht, dass er so schnell eingeknickt war.

Er hatte eben doch einen zu weichen Kern. Außerdem waren Sieglinde und Arthur sehr gute Freunde, die auch halfen, wenn es darauf ankam. Es kam nicht darauf an, Kurt und Herta fragten einfach nicht.

Kurt ging aus der Haustür zum Carport, zu seinem Jeep. Den mit Kulleraugen vorne dran.
‚Since 1941‘, konnte man im Innenraum lesen, direkt neben dem Lenkrad aufgedruckt.

Kurt liebte sein Auto, obwohl es von hinten so klein aussah.
„Wie ein Renault – Twingo, da musst du dich nicht wundern, dass dich jeder überholen will“, sagte er oft zu Herta. Die schwieg dazu.

„Es passt aber in unser Budget“, antwortete sie, wenn Kurt gar nicht mehr aufhörte, darüber seine Witze zu machen.

Kurt sagte: „Du Jimmy, wir kriegen Besuch, also zeig‘ dich von deiner besten Seite. Und wenn die Töle bei dir reinpinkelt, keine Sorge, wir legen die dunkelblaue Decke auf deinen Rücksitz.“

Jimmy antwortete nicht, konnte er auch nicht, er war ja ein Jeep. Aber das störte Kurt nicht im Geringsten.
Im Gegenteil, er liebte es, wenn er keine Widerworte bekam.

Kurt bog von der Dorfstraße auf die Hauptstraße ab, in Richtung Schönwalde.
Als er in Schönwalde in die Siedlung einbog, da erkannte er schon von Weitem Sieglinde und Arthur.

Ganz unten, zu ihren Füßen, war Hanna angeleint.
Als Kurt den Motor von Jimmy abstellte und aus dem Wagen stieg, da schlug ihm ein herzliches Knurren und Bellen entgegen. Hannas Schnauze schäumte und sie zerrte an der Leine, dass Sieglinde Mühe hatte, sie an ihrer Seite zu halten.

„Na, wer ist denn da? Ist das die liebe Hanna, mit den krummen Beinchen? Du bist ja ein aufgeweckter Dackel, na, wir werden bestimmt viel Spaß miteinander haben!“, sprach Kurt Hanna an. Sein ironischer Unterton blieb Sieglinde und Arthur nicht verborgen.

„Das ist nur am Anfang so. Mit der Zeit wandelt sie sich, du wirst schon sehen“, sagte nun Arthur.

„Ja, wenn ihr wiederkommt, dann wird sie euch ihr wahres Wesen zeigen!“, entgegnete Kurt.
„Nicht wahr, du kleiner verkappter Kampfhund“, setzte er noch in Richtung von Hanna nach.

Die war auf einmal still und schaute ihn zum ersten Mal mit neugierigen Augen an.
„Reicht täglich eine Tracht Prügel, oder muss ich auch noch Hundefutter besorgen“, fragte Kurt nun Sieglinde.

Wenn das Herta wüsste, wie Kurt hier redete. Sie würde vor Scham in den Erdboden versinken. Aber sie war ja nicht da, sie war arbeiten.

Und dass sie ab heute einen Abendgast hatten, der noch dazu eine Woche blieb, das wusste sie auch noch nicht.
Arthur kannte Kurt und nahm es ihm nicht krumm, wenn der so redete.

Er wusste, dass Kurt ein gutes Herz hatte, und es meist hinter seinen Sprüchen zu verstecken suchte.

„Na, dann komm‘ mal du kleiner Regenpinscher“, sagte Kurt und übernahm die Leine von Sieglinde.

Hanna versuchte sich zu wehren, mit allen Kräften. Sie stellte sich auf die Hinterpfoten und versuchte mit dem Maul ihre Leine loszuwerden.

Aber Kurt zog sie in Richtung von Jimmy. Hanna lief nicht mit, nein, sie wurde bis zum Auto geschleift.

Arthur und Sieglinde beobachteten das alles mit schreckgeweiteten Augen. Man sah ihnen an, dass sie bereits bereut hatten, Kurt überhaupt anzusprechen.

„So, nun sag‘ schön guten Tag zu ‚old Jimmy‘, das ist nämlich mein bester Freund. Und es kann durchaus auch deiner werden, vorausgesetzt, du pinkelst ihm nicht die Sitze voll“, sagte Kurt zu Hanna. Die fing nun an in Richtung Sieglinde zu jaulen. Sieglinde zitterte leicht und hatte Tränen in den Augen.

„Na komm‘, heute Abend lernst du Herta kennen. Ja, die wird sich freuen, wenn sie kurz vor dem zu Bettgehen noch einmal mit dir vor die Tür darf. Ach, das wird fein.“