KLARA FREUTE SICH WIEDER AUF ZUHAUSE

Was bisher war:
Klara hatte den Kleiderschrank aufgeräumt, gegen Annas energischen Widerstand, sie hatte für Anna die Unterwäsche gewaschen, die Fenster geputzt und ihre Haare geschnitten, gefärbt und trockengeföhnt. Anna sah danach zufrieden aus. Der Tag der Abreise war herangerückt. Klara war schwer ums Herz, ihre Mutter wieder für einige Zeit alleinzulassen. Wer weiß, wann sie wieder aufgrund der strengen Kontaktbeschränkungen nach Stralsund fahren konnte.

Klara saß im Zug und war auf der Rückfahrt von Stralsund nach Hause. Sie war erleichtert, dass sie bald wieder in ihrem eigenen Bett schlafen konnte.

Ihr fehlte, dass Peter neben ihr lag und sie ihn anstoßen musste, weil er mal wieder im Schlaf sprach oder entsetzlich laut schnarchte. Sie hätte nie geglaubt, dass ihr das mal fehlen würde.

Aber jetzt, wo sie drei Tage mit Anna zusammen gewesen war, da sehnte sie sich zurück nach ihren eigenen vier Wänden, nach ihren Problemen und sie freute sich darauf, Krümel wiederzusehen.
Sie bedrückte die Tatsache, dass Lukas sich nun wieder allein um Anna kümmern musste.

Klara blieb nur, am Tag vormittags anzurufen und ihre Mutter dazu zu bringen, von der Couch aufzustehen und sich etwas essen zu machen.

Der Zug fuhr in den Bahnhof von Greifswald ein. Klara schaute gedankenverloren auf den faßt menschenleeren Bahnsteig. Nur eine Frau mühte sich mit einem Koffer ab, den sie hinter sich herzog und mit gehetztem Blick auf die Nummern der Waggons schaute.

Es war trüb an diesem Tag. Genauso trüb wie die Gedanken, die Klara beschlichen. Sie musste sich eigentlich keine allzu großen Sorgen machen, denn es war alles klar geregelt.

Lukas kümmerte sich vor Ort um Anna, Klara hielt die Verbindung zu Lukas und Peter erledigte im Hintergrund den gesamten schriftlichen Kram, der für Anna anfiel.

Und trotzdem: Die Corona-Pandemie, das November-Wetter und die Sorgen um ihre Mutter, all das führte dazu, dass es Klara schwer ums Herz war.

„Mensch, freu‘ dich doch, dass du jetzt im Homeoffice für zwei Tage in der Woche arbeiten kannst“, versuchte Peter sie stets aufzumuntern. Dabei hatte er selbst nie daran geglaubt, dass Klara das alles in den Griff bekam.

Aber Klara hatte sich den Laptop besorgt, einen weiteren Monitor, damit sie besser auf ihre abgelegten Dokumente schauen konnte. Und sie hatten gerade einen neuen Schreibtischstuhl zusammengeschraubt, damit Klara besser sitzen konnte.
Wenn Klara daran dachte, musste sie schmunzeln.

Peter lobte sie zwar für ihre Disziplin während ihrer Arbeit, aber der konnte sich nicht mehr so frei bewegen, einfach mal für eine Stunde am Fernseher sitzen und Zeit vertrödeln, um abends umso mehr zu stöhnen, dass er zu nichts kam.

„Das alles ist Leben, und es gibt kein anderes“, sagte Peter zu ihr.
Es stimmte, was er sagte, aber das Gefühl von Hilflosigkeit, das blieb trotzdem.
Der Zug hatte Eberswalde erreicht.

‚Peter wird wohl jetzt schon auf dem Bahnsteig stehen und das tun, was er am liebsten tat, nämlich die Leute beobachten‘, dachte Klara jetzt.

‚Ob er wohl diesmal nicht in der Trainingshose auf dem Bahnsteig stand und sich stattdessen eine Jeans übergezogen hatte?‘, fragte sie sich.

Immerhin war ja Sonntag.
Aber sicher war sie sich bei Peter da nicht.