DIENSTAG, 04. MAI 2021
Es ist kurz nach fünf Uhr morgens. Ich habe gerade Klara zum Bahnhof gebracht und ich bin auf dem Rückweg.
Doch diesmal biege ich nicht in die Straße ein, die mich nach Hause führt. Ich fahre durch bis zum Parkplatz am Liepnitzsee. Während ich im Auto sitze, kämpfe ich mit mir, doch nicht zu laufen und gleich mit der Arbeit am Schreibtisch zu beginnen.
„Du hast doch so viel zu tun, lass es heute ausfallen!“, sagte mir meine innere Stimme. Aber ich tu mal so, als ob ich nichts gehört hätte.
Ich halte auf dem Parkplatz. Linker Hand ist ein kleines Hotel, in dem vor allem Handwerker wohnen. Draußen, auf dem Hotelgelände stehen zahlreiche Gewerbefahrzeuge.
Aber es ist noch alles ruhig. Ich hole meine Stöcke aus dem Kofferraum, streife die Handschuhe über und quäle die Hände durch die Schlaufen der Stöcke.
Schließlich bin ich so weit. Es ist ein Viertel nach fünf Uhr. Ich werde also nach einer Stunde zurück sein.
Ich marschiere lustlos auf dem Waldweg entlang, versuche aber durch ein ziemlich scharfes Tempo nicht ins Grübeln zu kommen.
Es ist still. Ich höre lediglich das Knacken von Zweigen unter meinen Füßen und das Gezwitscher der Vögel.
„Was ist eigentlich, wenn hier auf einmal ein Wolf steht?“
Ich glaube nicht wirklich daran, doch man hört immer öfter davon.
Ich hoffe nur, er kann mich dann von einem Schaf unterscheiden.
Oder er denkt: „Donnerwetter, ein besonders fetter Happen, und das am frühen Morgen.“
Ich verscheuche diese Gedanken und denke an meine Arbeit.
Schließlich bin ich unten am See angelangt. Jetzt beginnt der schönste Teil des Nordic Walkens, nämlich den Weg am Seeufer zu nehmen.
Ich lege nach dreißig Minuten eine kurze Pause ein, um den See zu fotografieren. Es ist herrlich, auf das Wasser zu schauen, nichts zu hören, außer ein paar Enten, die auf dem See umherplanschen.
Als ich weitergelaufen bin, da sehe ich eine Entenmutter und hinter ihr die kleinen Küken, aufgereiht, wie auf einem Band.
Es ist lustig anzusehen. Ich müsste sie fotografieren, aber ich will nicht schon wieder anhalten.
Auf dem Rückweg lege ich Intervalltrainings ein. Wenn ein Stück besonders gerade und nicht allzu hügelig verläuft, dann verfalle ich in ein sehr scharfes Lauftempo.
Schließlich habe ich es geschafft. Ich schnalle die Stöcke ab, als ich kurz vor dem Auto bin und schaue auf die Uhr. Es ist ein Viertel nach Sechs – Punktlandung.
Ich bin zufrieden mit mir, ja ich bin glücklich. Ich habe durchgehalten, die Schönheit des friedlichen Sees am Morgen genossen und ich habe noch dazu 60 Minuten Sport gemacht.
Besser geht’s nicht. Der Tag kann kommen.