DER MONTAG IM TELEGRAMM-STIL

ALLTÄGLICHES-2021.08.03

Ich bin gegen 03.10 Uhr aufgewacht. Sollte ich mich wieder hinlegen?

Nein, ich wollte ja schon gegen vier Uhr losfahren. Meine Frau schüttelte darüber nur mit dem Kopf.

Aber ich blieb bei meinem Vorhaben. Ich wollte möglichst schon 05.00 Uhr früh auf dem Laufband stehen und mit dem Training beginnen.

Denn dann war es noch leer im Studio. Fast leer jedenfalls.
Irgendeiner war immer an den Geräten.

Ich überwand mich also, schwang die Beine aus dem Bett und fuhr pünktlich los.

Es war still, als ich die Umgehungsstraße im Wald hochfuhr, mich mit dem Jeep durch die Vertiefungen im Sand kämpfte. Vor mir blitzten zwei Augen auf. War das ein Fuchs oder ein Dachs?

Ich konnte es nicht erkennen und war froh, dass der schnell über den Weg huschte.

Tiefgarage. Ich nahm die Tasche heraus und ging schwungvoll die beiden Stockwerke nach oben.

Als ich oben ankam, da war ich das erste Mal schon kaputt.
Ich schleppte mich erst einmal zur Bank und ließ mich darauf fallen.

Ich keuchte und war schon völlig fertig. Wie sollte das nur dreißig Minuten auf dem Laufband werden?

Aber es wurde.

Ich baute sogar Steigungen ein, erhöhte die Geschwindigkeit des Laufbandes, immer für eine Minute.
Ich schnaufte und tat mir selbst unendlich leid.

Keiner sah, wie heldenhaft ich hier kämpfte. Nur die kleine Reinemachfrau stieß mit ihrem Staubsauger gegen das Band.

Ich riss mich zusammen, straffte meinen Körper, versuchte den Bauch weiter einzuziehen und so zu tun, als wäre ich der ‚Ironman‘ bei seinem Training für Hawai.

Viel später, am zehnten oder elften Gerät, da rief mir jemand entgegen: „Hallo mein Freund, wie geht es dir?“

Es war mein türkischer Trainingskollege, mit dem ich mich schon ein wenig angefreundet hatte.

„Du hast noch alles vor dir, aber ich bin gleich fertig“, rief ich zurück.
Er lachte und winkte im Vorbeigehen.

Endlich. Ich war wieder draußen. Ich setzte mich noch einmal auf die Bank. Diese Minuten genoss ich, wenn ich beobachten konnte, wie die Menschen ankamen und in das gegenüberliegende Bürogebäude hasteten.

Ich war froh, dass ich das nicht mehr musste.
Zuhause wartete auf mich zwar auch ein Interview, das mal wieder unbedingt fertiggestellt werden musste, aber zuerst würde ich mal frühstücken und die Berliner Zeitung auf dem iPad lesen.

Klara hatte ihren Homeoffice-Tag. Das Frühstück war deshalb schon fertig, als ich ankam.

Sie war schon wieder nach oben in ihr Zimmer gegangen, um weiterzuarbeiten.

Ich saß noch im Sessel und las einen Artikel, in dem Wilhelmshaven mit ‚f‘ geschrieben war.

Ich freute mich, dass sogar der Zeitung solche Fehler unterliefen.
Die Augen fielen mir zu und mein Kopf sank nach hinten weg.

Erst dadurch, dass ich mich nicht anlehnen konnte, schrak ich wieder hoch und rieb mir die Augen.
Ich sollte mal überlegen, ob es morgens nicht reicht, wenn ich eine Stunde später losfahren würde.

 

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