MEIN FAHRER SPINNT – ER WILL SICH EINEN E-ROLLER KAUFEN
Hallo Krümel, hier ist dein Jeepy, oder ‚Jiiipi‘, wie du ihn rufst.
Wir haben ja lange nichts mehr voneinander gehört.
Deshalb melde ich mich mal bei dir, und ich will dir erzählen, was ich so in der Zwischenzeit erlebt habe, vor allem mit meinem Fahrer zusammen.
Erinnerst du dich noch, als wir alle gemeinsam auf dem Erdbeerhof waren, im Urlaub?
Ich erinnere mich noch genau daran, denn kurz bevor wir auf dem Parkplatz ankamen, hast du dich übergeben.
Naja, du kannst ja nichts dafür. Mein Fahrer, dein Opa, hat mal wieder nicht daran gedacht, dass er um die Kurven ganz langsam fahren muss, wenn du dabei bist. Sonst wird dir ja gleich schlecht.
Deine Mama und Oma haben das schnell wieder hinbekommen, nämlich dich umzuziehen und den Sitz wieder sauberzumachen.
In der Zeit hat dein Opa nur zugeschaut, so als würde ihn das nichts angehen.
Aber ich glaub‘, Oma und Mama waren froh, dass er sich nicht bewegte, weil sie Angst hatten, dass er dadurch noch mehr Unruhe stiften könnte.
Der Tag war schön. Denk‘ nur mal an die Rutsche, wo du auf einem Kartoffelsack mit Mama e hinuntergesaust bist.
Ich habe mir das alles erzählen lassen, denn ich stand ja in der Zeit in der prallen Sonne und habe geschwitzt.
Als wir aus dem Urlaub zurückfuhren, da ist doch mein Fahrer in Lietzow in die Radarfalle getappt.
Weißt du noch? Ich glaube, da hattest du schon wieder deine Augen zu.
„Das musst du doch wissen, dass hier ein Blitzer steht“, meinte Oma.
Mein Fahrer hat nicht geantwortet, so sauer war er.
25 Euro hat ihn das gekostet.
„Einer muss ja spenden“, sagte mein Fahrer, nachdem er den Strafbefehl erhalten hatte.
Aber es kam ja noch dicker.
Auf der Rückfahrt von Ahlbeck, da ist er noch einmal in eine Radarfalle gerauscht.
Und dabei war es so schön am Strand. Deine Mama und du, lieber Krümel, ihr habt euch da schon längst wieder jede in ihrer Kita aufgehalten.
Deine Mama in ihrer Kita, weil sie arbeiten musste und du in deiner Kita, weil du dort spielen solltest, während deine Mama arbeitete.
Gestern also kam der Bescheid.
Mein Fahrer hatte mit einem Punkt und einer Geldstrafe gerechnet.
Doch nun muss er nur 20 Euro bezahlen.
Er hat Glück gehabt, und er weiß nicht einmal, warum.
Also freute er sich und fuhr mich zur Belohnung gestern in die Waschanlage.
„Klappen Sie bloß die Spiegel ein, von ihrem schönen Auto“, sagte die Mitarbeiterin an der Kasse.
„Schönes Auto“, so hat die Frau mich genannt.
Ja, sie hat vollkommen recht damit.
Am Nachmittag fuhren ich und mein Fahrer zusammen nach Berlin-Buch. Wir waren beide frisch geduscht und wollten deine Oma abholen.
Auf dem Weg dorthin war es sehr voll, weil die S-Bahn sich mal wieder nicht an den Fahrplan hielt.
Die Leute liefen einfach über die Strasse, ohne sich umzuschauen.
Stell dir das mal vor, Krümel.
„Sollen doch die Autofahrer sehen, was sie davon haben, wenn sie mich anfahren“, wird wohl so manche Fußgängerin oder so mancher Fußgänger gedacht haben.
Mein Fahrer bleibt in solchen Situationen möglichst ruhig und wartet lieber einmal mehr ab, bis alle über die Straße rüber sind.
„Bald laufen alle auf der Straße“, sagt mein Fahrer gern in solchen Momenten.
„Rücksichtnahme ist gut“, meint er in so einem Fall außerdem.
„Gegenseitige Rücksichtnahme wäre noch besser“, brummelt er dann noch in seinen Bart.
Aber danach, ja danach, da kam der Höhepunkt.
Mein Fahrer musste halten, damit ein Fußgänger nicht in seinem Spaziergang gestört wurde, er schlenderte über die Straße, schaute nicht, ob dort ein Rad fuhr oder vielleicht ein Gefährt mit vier Rädern. Nein, warum auch?
Sollen doch die anderen aufpassen. Macht mein Fahrer ja auch, und so hat er geduldig gewartet.
Wurde er dafür belohnt? Auf keinen Fall, denn von hinten kamen zwei Jungen und traten mit ihren Füßen gegen mein Hinterteil.
Sie grinsten meinen Fahrer an und liefen einfach weiter.
Was soll ich sagen? Mir tut heute noch mein Hinterteil weh, ich meine natürlich meine Heckklappe und mein Fahrer überlegt, ob er mich verkauft und sich einen E-Roller zulegt.
Die soll es ja in der nächsten Woche in einem großen Discounter ganz billig geben.
„Das wird lustig“, findet er.
„Oma kann abends von der S-Bahn direkt auf den E-Roller umsteigen“, meint er zu mir.
Meinst du, der macht das?
Ich glaube das nicht. Aber zuzutrauen ist ihm alles.
Gestern war er schon mal in einem Fahrradladen und wollte sich Mountainbikes anschauen.
Der Verkäufer sagte zu ihm:
„Für Sie wäre ein Damenfahrrad besser, das ist bequemer für Sie.“
Mein Fahrer hat ihn ganz lange angeschaut und geschwiegen.
Oh, Krümel, du glaubst gar nicht, welche Gewitterwolken sich über dem Verkäufer in dem Moment zusammenbrauten.
Zum Glück hatte mein Fahrer gestern Kreide gefressen, weißt du? Wie der Wolf in dem Märchen, das er dir auf einen Podcast gesprochen hat.
Aber Krümel, er hat sich wieder beruhigt, auch innerlich.
Jetzt fährt er erst einmal mit mir zum Liepnitzsee, um zu joggen.
Arbeiten, das ist für ihn noch ein Fremdwort.
Morgens, ja da erzählt er Oma, was er an dem Tag alles machen will.
Aber ich, lieber Krümel, ich weiß Bescheid, was läuft – nicht viel eben.
Bis bald, dein ‚Jiiipi‘.