AUSFLUG IN DEN WILDPARK SCHORFHEIDE


Ostersamstag.
Die Sonne brannte auf die linke Seite meines Ohres herunter.
Ich saß an einem Holztisch im Eingangsbereich und hatte einen guten Blick in den Park.

Es war noch ruhig und ich genoss, dass ich dort einfach sitzen konnte.
Nur das mit der Sonne an meinem linken Ohr, das begann mich zu stören.

Aber die Hausärztin hatte mir gerade Vitamine verschrieben, weil ich so wenig Sonne abbekommen würde.

„Sie sitzen doch an Ihrem Schreibtisch, den ganzen Tag, oder?“
Es klang nicht anerkennend, eher abwertend, so wie „na du alter Sack, du hängst doch nur schlapp ab,“ während wir hier alle arbeiten.“

Ich hätte ihr entgegnen können, dass ich auch arbeite, vielleicht nicht so etwas Bedeutungsschweres tue wie sie, aber immerhin, mit Abhängen hatte das nichts zu tun.

„Ich finde, Sie durchleben eine sehr schwierige und angespannte Zeit, Respekt dafür“, sagte ich stattdessen zu ihr.
Sie seufzte und schaute mich dankbar an.

„Wie ist ihr Blutdruck?“
„Kontrollieren Sie ihn jeden Tag?“
„Na klar“, sagte ich knapp.

Sie schaute mich erneut an. Ich schaute sie an.
Sie wusste, dass ich lüge, ich wusste es auch.

„Wie ist denn der Blutdruck heute?“
„120 zu 80″, sagte ich wie aus der Pistole geschossen.
Sie legte mir die Manschette vom Blutdruckmessgerät an und quetschte meinen Oberarm ein, während sie mich mit ihren Augen fixierte.
„Das ist jetzt die Strafe für deine dreiste Lüge“, schien sie mir zu sagen.
„120 zu 80″, sagte sie stattdessen
„Sag‘ ich doch“, erwiderte ich.

Wenige Tage später saß ich nun auf der Bank im Wildpark und dachte an all das zurück.

Wir wollten schon am Freitag dorthin fahren, aber da hatte ich Schüttelfrost. Es war die Nebenwirkung von der ersten Impfung mit Astrazeneca.

Ich fühlte mich auch noch am nächsten Tag ein wenig schwach, deshalb waren Krümel, Laura und Klara allein gegangen, während ich am Tisch saß und genüsslich in die Sonne blinzelte. Rechts von meinem Tisch, auf dem ich die Arme stützte, war ein Spielplatz angelegt, der von den Kindern sehr gern angenommen wurde.

Krümel hatte sofort die steile Rutsche erspäht. Während sie raufkrabbelte, machte ich mich bereit, sie unten aufzufangen.

Und schon donnerte sie die blankgeputzte Rutsche herunter. Ich hatte Mühe, sie aufzufangen und sie stürzte halb mit dem Rücken in den Sand, während ihre Füße noch auf der Rutsche lagen.

Unmittelbar hinter dem Abenteuerspielpatz befand sich das Ziegenhege.

„Guten Morgen ‚Ziegeleins‘ trällerte Krümel schon von Weitem.
Sie schwenkte zur Begrüßung ihren Dinosaurier, den sie zu Ostern bekommen hatte, ausnahmsweise schon am Ostersamstag, weil sie Ostersonntag bei ihrem Papa sein sollte.

„Das ist mein ‚Dino‘, aber ich ‚weisse‘ nicht, wie er heißt.
„Speiki“, half ich flüsternd aus.
„Ja, Speiki ist das“, rief sie nun und schwenkte den armen Stoff-Saurier an einem Bein hin- und her.

Die Ziegen meckerten freundlich zurück, wohl in der Hoffnung, dass Krümel noch Futter im Gepäck hätte.

Aber es gab kein Futter, jedenfalls hatten wir gar nicht danach gefragt.
Das war untergegangen in dem Durcheinander, das ich an der Kasse angerichtet hatte.

Mir dauerte es zu lange, bis Klara sagte, wieviel Karten wir wollten.
„Zwei Rentner, ein Erwachsener, ein Kind“, kam ich ihr zuvor.
„Wieso zwei Rentner?“, schnaubte Klara empört.

Dabei wollte sie doch schon so gern in Rente sein.
Ich hatte mich geistig total vertan. War das der Anfang von Alzheimer?

Ich lachte, während Klara und die Verkäuferin hinter der Glasscheibe im Pförtnerhäuschen die Augen in die gleiche Richtung nach oben zogen, wie scheinbar verabredet.

Ich witterte Verrat und verzog mich in den Park hinein, gemeinsam mit Krümel.

Ich hatte mich schon ein wenig abseits gesetzt, während Laura und Klara gemeinsam mit Krümel die Ziegen direkt am Zaun des Geheges beobachteten, saß ich bereits auf der Bank und schaute dem Treiben zu.

„Ich bleib bei Opa“, rief Krümel und kam auf mich zugestürzt, während Laura und Klara weiterwollten.

„Du musst noch ein Stück mitkommen, sonst kriegen wir Krümel nicht vom Fleck“, sagte Laura zu mir.

Ich erhob mich unwillig und trottete hinter den beiden hinterher.
Krümel war an meiner Seite und plapperte fröhlich vor sich hin.

„Wartet auf uns“, rief sie jetzt energisch.
„Opa und ich ‚pommen’“.

Ich stapfte noch ein paar Meter und sagte dann: „Mir ist nicht gut vom Impfen gestern, ich setze mich hier auf die Bank und beobachte die Leute ein wenig.“

„Ach schade“, sagte Klara.
Laura schaute mich misstrauisch an, denn sie traute mir nicht, zurecht.

Doch ich hatte mich bereits umgedreht und steuerte zielgerichtet auf eine Bank und einen Tisch zu.

Jetzt konnte ich auch wieder zügig laufen.
Es war so schön dort zu sitzen und die Menschen zu beobachten, die an mir vorbeigingen.

Ich war irgendwie glücklich in diesem Moment.

„‘Oooopaaa‘“, hörte ich nach einer halben Stunde.
„‘Jaaahaa‘, brüllte ich zurück, während vor am Tisch sich eine Frau erschrocken umdrehte.

Ich setzte meine Maske wieder auf und ging in Richtung Ausgang, um dort auf Krümel zu warten.
„Es war schön hier“, sagte ich noch zu dem Mann, der am Einlass stand.

„Hm“, meinte der. Er hatte mich ja die ganze Zeit im Blick gehabt und wusste also, wieviel Meter ich in dem schönen Wildpark tatsächlich gelaufen war.

Aber darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen, denn ich fand, es war gerade deshalb so schön.