Dietlinde Hoke hat einen entbehrungsreichen Weg hinter sich – von der angestellten Küchenverkäuferin hin zur selbstständigen Unternehmerin.
Es ist faszinierend ihre Geschichte zu hören und zu erfahren, was ein Mensch zu bewältigen in der Lage ist, wenn er auf sich allein gestellt ist und sich trotzdem eine sichere Zukunft aufbauen will. Ich habe Dietlinde Hoke in ihrem Küchenstudio getroffen.
Wir saßen uns gegenüber, getrennt durch eine durchsichtige Scheibe, um uns vor Corona zu schützen. Wir tranken Kaffee und Dietlinde Hoke begann zu erzählen.
Als ich mich nach knapp drei Stunden von ihr verabschiedete fühlte ich, dass ich einen wertvollen Menschen kennengelernt hatte. Jemand, der vor allem sehr bescheiden ist, zu wenig an sich denkt und sich umso mehr um seine Kunden kümmert.
„Ich habe in den letzten Jahren so viel lernen müssen, mehr als in den vergangenen Jahrzehnten zusammengenommen“, beginnt sie zu erzählen.
DER WEG VON DIETLINDE HOKE
Dietlinde Hoke kommt aus einfachen Verhältnissen. Ihr Vater hat im Tiefbau gearbeitet, später in der LPG und ihre Mutter war in der Gärtnerei beschäftigt.
Nach dem Abschluss der Schule hat sie 1977 eine Ausbildung zur Milch-Industrielaborantin begonnen. Die Molkerei war in Wriezen, aber gelernt hat sie in Flemsdorf, einem Ort zwischen Angermünde und Schwedt. Ihre theoretische Ausbildung war allerdings in Güstrow.
„An diese Zeit erinnere ich mich ganz besonders gern zurück. Das Internat war sehr schön, wir waren jung und unternehmenslustig.
Ein bis zweimal im Jahr trafen wir uns mit Lehrlingen aus anderen Ausbildungseinrichtungen und feierten gemeinsam. Das wurde von den Verantwortlichen der jeweiligen Einrichtungen organisiert und fand großen Anklang bei uns.
Wir waren ja eine reine Mädchengruppe und so war es natürlich schön, wenn wir bei diesen Gelegenheiten Jungen aus anderen Ausbildungsstätten kennenlernten.
Die Feiern fanden in Krakow am See statt. Und dort habe ich auch meinen späteren Mann kennengelernt, der in dieser Zeit zum Funkmechaniker ausgebildet wurde.“
Im Anschluss an die Ausbildung war sie bis 1989 als Facharbeiterin in einem Labor in Wriezen tätig.
Dietlinde Hoke hat geheiratet und bekam zwei Kinder. Ihr Sohn ist heute in Nordhausen Ingenieur für regenerative Energietechnik,
Ihre Tochter hat Tourismusmanagement studiert und arbeitet jetzt in Berlin. Dietlinde Hoke hat insgesamt vier Enkel, die sie innig liebt und auf die sie sehr stolz ist.
Sie ist 1989 zur damaligen Gebäudewirtschaft in Wriezen gewechselt und war als Sachbearbeiterin tätig.
„Woran ich mich sehr gut erinnere ist, dass ich dort Schreibmaschine schreiben gelernt und im Februar 1989 noch den Führerschein für LKW gemacht habe.
Das war sehr anstrengend, denn es musste alles nach der Arbeit am Abend passieren. Aber ich war froh, dass ich durchgehalten habe.“
1993 wechselte Dietlinde Hoke von der Wohnungsbaugesellschaft zu einer Sanitärfirma, für sechs Stunden. Sie wollte einfach mehr Zeit für ihre Kinder haben. Sie arbeitete dort von 1993 bis 1995 als Sachbearbeiterin.
„Die Arbeit hat mir gut gefallen, aber als ich eines Morgens nach einer vierwöchigen Kur in die Firma zurückkam und wie gewohnt mit Energie und guter Laune an mein Tagewerk gehen wollte, stand plötzlich mein Chef hinter mir.
Er schaltete wortlos den vor mir stehenden Computer aus und legte vor mir einen Briefumschlag hin, ebenfalls ohne Worte.
Das war mein Kündigungsschreiben. Ich war schockiert, denn ich stand faktisch von einem Tag auf den anderen ohne Arbeit da. Das hat mich sehr getroffen, und ich habe eine Weile gebraucht, um damit fertig zu werden.
Meine Kollegen waren ebenfalls sehr geknickt, als sie davon erfuhren. Sie verstanden einfach nicht, warum ihr und mein ehemaliger Chef so gehandelt hatte.“
VOM BEGINN MEINES ABENTEUERS ALS ANGESTELLTE KÜCHENVERKÄUFERIN
„Ich war bereits über neun Monate arbeitslos, als ich durch Zufall davon erfuhr, dass eine Firma von außerhalb jemanden für ein gerade neu eröffnetes Küchenstudio in Wriezen suchte.
Die Inhaber hatten zu dem Zeitpunkt Probleme mit der Verkäuferin. Ich ergriff diese Chance und fing im Januar 1996 in diesem Studio als neue Küchenverkäuferin an.“
Dietlinde Hoke hatte keinerlei Vorkenntnisse, wusste nicht, wie sie eine Küche zeichnen sollte, wie das Aufmaß zu nehmen war, also alles, was eine versierte Küchenverkäuferin im Grunde genommen hätten wissen müssen.
„Ich habe damit begonnen, Küchen auf dem Papier zu zeichnen, denn einen Computer hatte ich noch nicht. Aus der Hauptfiliale kam zur Unterstützung eine Kollegin, die mich einweisen sollte.
Sie war sehr nett, sehr sympathisch und wir verstanden uns gut. Sie hat mir dabei sehr geholfen, mich einzuarbeiten.
Doch sie war ja nur acht Wochen bei mir und danach musste ich allein klarkommen. Also bin ich irgendwie doch ins kalte Wasser geschmissen worden. Ich habe nachts davon geträumt, wie ich eine Küche aufbaue.“
Die Leute kauften bei ihr Küchen, und zwar von Anfang an. Später bekam sie einen Computer und konnte daran arbeiten. Sie zeichnet bis heute auf Papier, wenn sie mit Kunden im Erstgespräch ist.
„Das ist einfach anschaulicher, wenn ich mit Bleistift, Lineal und Radiergummi vor den Augen der Kunden agiere, sie auf diese Weise hautnah miterleben können, wie der Grundriss ihrer zukünftigen Küche entsteht.“
VON DEN ANFÄNGLICHEN ÄNGSTEN UND ZWEIFELN
Dietlinde Hoke musste erst einmal ihre Ängste überwinden, die sie ganz zu Anfang hatte, wenn ein Kunde oder eine Kundin das Küchenstudio betrat.
„Ich erinnere mich, wie ich einen Samstag allein im Küchenstudio war. Ich bekam Angst, wusste nicht, was ich tun sollte, wenn jemand tatsächlich zur Tür hereinkommen würde.
Ich habe also innerlich gebetet, dass die Leute am Küchenstudio vorbeigehen. Aber sie kamen herein.
Für diesen Fall hatte mein Chef mir gesagt, dass er telefonisch in der Hauptfiliale erreichbar sei. Und genau diese Unterstützung hätte ich auch dringend gebraucht.
Da waren zum Beispiel Kunden, die genau wissen wollten, wie das mit der Dunstabzugshaube funktionierte, wo für die Abluft die Öffnung in der Wand hinkam.
Ich rief also in der Filiale an. Doch niemand meldete sich.“
Insgesamt war Dietlinde Hoke fünf Jahre fest angestellt, von 1996 bis 2001.
„Gearbeitet habe ich damals schon wie eine Selbstständige. Ich habe alles allein gemacht – von der Planung bis zum Schreiben der Rechnung.“
Im Jahr 2001 wurde Dietlinde Hoke krank und fiel für eine längere Zeit aus.
AUF EIGENEN FÜSSEN STEHEN – LEICHT GESAGT UND NUR MIT VIEL ANSTRENGUNG GETAN
Manchmal denkt Dietlinde Hoke an die Zeit zurück, als sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Nachdem sie zur Kur in Davos war, ging es ihr gesundheitlich wieder besser und sie begann zu überlegen, wie es weitergehen sollte.
Ihr Mann riet ihr damals: „Mach‘ dich doch selbstständig. Du hast doch alle Erfahrungen, warst ohnehin auf dich allein gestellt, selbst als angestellte Küchenverkäuferin.“
Damals waren sie noch zusammen, Dietlinde Hoke und ihr Mann, und so wagte sie den Schritt, obwohl sie stark an sich zweifelte, nicht den Glauben an sich hatte, das alles zu schaffen.
Sie nahm all ihren Mut zusammen und handelte mit dem neuen Eigentümer des Hauses einen Mietvertrag aus. Am 01. Oktober 2003 eröffnete sie ihr eigenes Küchenstudio.
„Anfangs war es natürlich für mich eine Katastrophe, ich wusste nicht, wie ich es anpacken sollte, obwohl ich ja bereits fünf Jahre zuvor als Küchenverkäuferin gearbeitet hatte.“
Heute kann sie sich nicht mehr vorstellen, in einer anderen Form zu arbeiten, obwohl sie alles allein machen muss, angefangen vom Saubermachen, Planen über Rechnungen schreiben bis hin zur Reklamationsbearbeitung.
DIETLINDE HOKE LIEBT IHRE ARBEIT, AUCH WENN ES NIE LEICHT IST
Dietlinde Hoke ist eine Kümmerin.
In der Beratung geht es ihr zunächst darum zu erfahren, welche Vorstellungen ihre Kunden von der Küche haben, die zu ihnen passen soll.
Sie hört sich das an, stellt schon im Kopf die Küche zusammen.
„Die Leute sollten am besten ins Studio kommen, ein paar Fronten ansehen, grobe Maße mitbringen, wo das Wasser, Abwasser, die Steckdosen oder das Fensterbrett sind.
Dann zeichne ich es in Gegenwart der Kunden auf das Papier, berücksichtige dabei ihre Vorstellungen.
Und nur darum frage ich so viel.
Manchmal sagen Kunden: „Was Sie nicht alles wissen wollen.“
Ich antworte in solchen Fällen darauf, dass ich ihnen nur ein gutes Angebot machen kann, wenn ich ihre Vorstellungen und Wünsche genau kenne, zum Beispiel, ob es eine einfache Spüle sein soll oder eine aus Granit.
Oder wieviel Personen im Haushalt leben, denn das ist wichtig, um den richtigen Geschirrspüler auszusuchen.“
Am liebsten hat sie die Kunden danach noch einmal am Tisch, damit alles endgültig besprochen werden kann.
„Das ist dann auch alles ein bisschen persönlicher und wirkt sich positiv auf die Qualität der finalen Erstellung des Angebotes und schließlich des Vertrages aus, wenn Einzelheiten noch einmal individuell abgestimmt werden können, bis hin zum Preis.“
Der Aufbau der Küche bei den Kunden vor Ort ist im Preis miteinbegriffen.
„Das finde ich wichtig und sage oft, dass die Kunden nicht am falschen Ende sparen, sondern gerade beim Aufstellen der neuen Küche auf professionelle Unterstützung und Erfahrungen zurückgreifen sollten.“
An einer Wand im Küchenstudio stehen die Worte des französischen Meisterkochs: „Das Fundament allen Glücks ist eine gute Küche.“
„Diesen Spruch fand ich so treffend für mein kleines und irgendwie doch sehr feines Studio.
Ich habe ihn im Internet recherchiert. Meine Tochter hat mir dann die entsprechende Folie dazu besorgt und den Spruch an der Wand angebracht.“
Dietlinde Hoke ist im Moment zufrieden, wenn sie daran denkt, wie sie in den Jahren immer besser mit ihrem Studio von den Kunden in und um Wriezen angenommen wurde.
„Es ist interessant, dass ich Generationen von Kunden habe, von Opa und Oma, den Eltern, bis hin zu den Kindern oder alle gemeinsam.
Es ist schön, wenn ich zum Beispiel von den Enkeln erfahre, dass Oma und Opa zur Küche was dazugegeben haben und wie glücklich jetzt alle mit dieser Anschaffung sind.
Neue Küchen können natürlich nicht den Lauf der Welt verändern, aber sie können ein kleines bisschen Glück in die Herzen der Leute bringen und das freut mich dann sehr.
Das Vertrauen, das in dieser Zeit entsteht, das ist mir wichtig. Es drückt die gegenseitige Wertschätzung aus, die wir brauchen, um die Arbeit, das Leben als alltäglichen Reichtum zu begreifen, und daraus wiederum Kraft zu schöpfen.“
ICH BIN GLÜCKLICH GESCHIEDEN
Dietlinde Hoke hat viel mit ihrem Mann gemeinsam aufgebaut. Später hat er sie in den Anfängen ihrer selbstständigen Arbeit im Küchenstudio unterstützt.
Doch mit den Jahren wurde ihr Verhältnis zueinander schwieriger, und ihre Ehe belastete sie von Tag zu Tag mehr.
„2007 habe ich mich von meinem Mann getrennt und von da an allein gearbeitet.
Der Scheidungsprozess lief über viele Jahre, bis 2017. Aber nun bin ich froh, dass ich alles hinter mir lassen konnte. Jetzt fühle ich mich wohl. Ich bewohne eine kleine Wohnung in der Nähe des Küchenstudios.“
DEN WILLEN AUFBRINGEN, LOSZULASSEN
Dietlinde Hoke kann sich nur schwer von ihrer Arbeit lösen.
Und trotzdem versucht sie inzwischen mehr Zeit mit ihren Kindern, Enkeln und ihrem Partner zu verbringen.
„Das alles miteinander in Einklang zu bringen, das Leben in all seinen Facetten zu genießen – das sehe ich heute als meinen eigentlichen Reichtum an.“
GLÜCKLICH SEIN, DAS KOSTET KRAFT
Glück ist für Dietlinde Hoke, am Kreisverkehr von Wriezen ihr Küchenstudio zu haben, mit einem verlässlichen Handwerker zusammenzuarbeiten, den Kunden ihren Traum zu erfüllen, zu erleben, wie sie sich über ihre Wunschküche freuen.
„Wenn ich mich noch einmal entscheiden müsste, ob ich den Weg wieder gehen würde, dann würde ich es mit großer Sicherheit wieder tun“, beschließt sie ihre Geschichte.
FIRMENPORTRÄT:
https://uwemuellererzaehlt.de/2020/11/12/firmenportraet-ihr-kuechenpartner/