HEIDE RICHTERS FISCHLADEN

ANNA-2021.05.20

RÜCKBLICK:
Anna schaute sich ein Fotoalbum mit Bildern von ihrer Mutter, Heide Richter, an. 
Sie erzählte Peter in einem Telefonat davon.
Peter erinnerte sich dadurch ebenfalls an Oma Heide zurück. Er fühlte sich zu ihr stark hingezogen, weil sie ihn sehr an seine Oma aus Schwerin erinnerte.
https://uwemuellererzaehlt.de/2021/05/19/anna-2021-05-19/

EINFÜHRUNG:

Der Fischladen in Stralsund war Heide Richters Leben. Anna war mit ihm aufgewachsen, hatte im Laden gespielt, Klara auch.

 

Es war früh Sommer geworden in Stralsund. Obwohl der Kalender die erste Hälfte des Monats Mai anzeigte, war die Temperatur gegen 08.00 Uhr bereits auf 25 Grad angestiegen.

Die Leute liefen bereits in Sommerkleidern umher. Es hatte etwas Befreiendes, zu sehen, wie sie in Richtung Stadtzentrum liefen, um in den bald öffnenden Geschäften einzukaufen, zur Arbeit zu hasten oder einfach nur auf den Straßen zu flanieren.

Die Schritte der Menschen, die die Straßen in Richtung Marktplatz hochliefen, hallten in den engen Gassen wider.

Heide Richters Geschäft befand sich in unmittelbarer Nähe des Marktplatzes von Stralsund.

Sie verkaufte schon eine gefühlte Ewigkeit Fische und war so etwas wie eine stadtbekannte Person.

Heide Richter machte sich nichts daraus, sie blieb ihrer Art treu – freundlich, humorvoll, manchmal schnippisch und schlagfertig.

Donnerstagmorgen – der Wochenmarkt würde gleich beginnen.
Die Leute schlenderten dann über den Platz, an den aufgebauten Holzbuden vorbei und versuchten frisches Obst und Gemüse zu ergattern.

Danach liefen viele von ihnen Heide Richter direkt in die Arme, die ihnen mit geschäftstüchtiger Energie und viel Humor Fische anbot.
Der Verkauf lief gut.

Am Tag zuvor waren die Schollen und der Dorsch schnell über den Ladentisch gegangen.

Gute Kunden erhielten von ihr Aal, den sie unter dem Ladentisch hervorholte und in die Ostseezeitung einpackte, auf der das Bild von Arbeitern aus der Volkswerft prangte, die der Stolz der Stadt waren.

Ein paar Fische waren noch übriggeblieben.
„Kommen Sie doch morgen wieder“, sagte Heide Richter zu einer Frau, die ihr die restlichen Fische abkaufen wollte.“

„Die sind nicht mehr so frisch“, setzte sie noch hinzu“, obwohl sie damit ihrem Geschäft eigentlich schadete.

Aber das sah Oma Heide nicht so eng.
„‘Sech mi eins‘, was ‚sünd Se nur fründlich‘“, meinte die Kundin und schaute Heide Richter dankbar an, als sie sich aus dem Laden verabschiedete.

Die beugte sich über den Ladentisch, nahm vorsichtshalber noch eine Hand vor den Mund und flüsterte: „‘Komm‘ Se man morgen früh, so gegen acht, denn dann ‚häppen wi noch Aal‘“, sagte sie.

„Is‘ gut“, sagte die Frau und verließ den Laden, so als würde sie am nächsten Tag einen Goldbarren abholen können.“
Am nächsten Morgen trieb Heide Richter ihren Mann, Wolf Richter, zur Eile an.

„Wolf, nun beeil dich schon, der Fisch muss doch bei der Wärme kühl bleiben und die Leute kommen vom Markt auch gleich rein.

„Ja, ja“, brummte der, während er mit einem Zigarrenstummel im Mund, die Treppen zum Laden mit den vollgepackten Fischkisten hochächzte.

Er hatte sie gerade von seinem Schwager, Gottfried Taube, bekommen, dessen Boot vor einer Stunde im Hafen von Stralsund festgemacht hatte.

Fortsetzung:
Oma Heide kam abends zu Peter und Klara in die Wohnung gelaufen. Sie wohnten in Stralsund dicht beieinander. Die waren beide oft schon im Schlafanzug und Nachthemd und kurz davor, zu Bett zu gehen, was Oma Heide nicht störte.
„Du Klara, ‚din Opa Wolf, ne‘, du glaubst nicht, wie langsam der heute wieder war.“

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