ALLTÄGLICHES-2021.10.20
‚pur‘ - ungefiltert notiert, ohne groß nachzudenken; ‚prompt‘ - in dem Moment geschrieben, in dem ich es erlebe, zum Beispiel heute Morgen im Fitness-Studio im Stehen geschrieben, zwischen den Übungen versteht sich.
Mittwoch, kurz nach sechs Uhr:
Ich komme ins Fitness-Studio und werde von lauter Musik empfangen. Ich weiss noch nicht, ob sie mich mehr stört oder ob ich dadurch endgültig munter werde.
An den Rückenstreckern sind zwei junge Leute, die unheimlichen Krach verursachen. Sie sprechen laut und lassen die Gewichte nach den Übungen krachend auf das Parkett poltern. Sie müssen es ja nicht pflegen, also was soll’s? Wozu vorsichtig und rücksichtsvoll sein?
Ich überlege, ob ich ihnen etwas sage, doch sie sehen so aus, als würden sie antworten, „was geht’s dich an, Alter?“
Also lass ich es sein. Früher wäre ich sofort hingegangen und hätte etwas gesagt.
Bin ich feiger geworden? Wahrscheinlich. Aber ich schätze auch die Folgen ab und unterlasse heute viel mehr, als ich es früher getan habe.
Eigentlich eine schlechte Einstellung und nicht gut für die allgemeingesellschaftliche Atmosphäre.
Aber so ist die neue Wirklichkeit, die ich wahrnehme.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Mehrheit derer, die ins Studio kommen, sehr ruhig und rücksichtsvoll agieren. Jeder will irgendwie seine Ruhe haben und das Trainingsprogramm durchziehen, was er sich vorgenommen hat.
Bauchbank ist dran. Neben mir auf der Bank trainiert ein sportlicher Typ. Das motiviert mich nicht, im Gegenteil. Na gut, ich fang mal an.
Bauchbank liegt hinter mir, Rückenstrecker auch.
Beim Rückenstrecker wird mir immer schwindlig, weil ich mich so weit vorbeuge.
Jetzt sitze ich aber und schreibe schon wieder.
Wieso notiere ich eigentlich so viel im Studio? Keine Ahnung.
Vielleicht, weil die Pause zwischen den einzelnen Trainingspausen grösser wird.
Aber vielleicht auch, weil mir morgens mehr auffällt und einfällt. Die Wahrheit liegt wohl in der Mitte.
Ich bin an der Brustpresse, meiner letzten Übung für heute. Danach freue ich mich auf die Parkbank im Innenhof vom Backhaus im Prenzlauer Berg, Wasserflasche leertrinken, Leuten zuschauen, die zur Arbeit gehen, auf den eigenen Schreibtisch freuen.
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2021: https://uwemuellererzaehlt.de/mein-freund-der-alltag/alltaegliches-2021/
2020: https://uwemuellererzaehlt.de/mein-freund-der-alltag/alltaegliches-2020/
2019: https://uwemuellererzaehlt.de/mein-freund-der-alltag/alltaegliches-2019/
2018: https://uwemuellererzaehlt.de/mein-freund-der-alltag/alltaegliches/