PETER IST ALLEIN

ANNA

2017.06.04

Peter war nicht mitgefahren, zu Dr. Silberfisch nach Stralsund. Er konnte nicht von seinem Schreibtisch weg.

Er wollte noch einige Artikel fertigstellen. Trotzdem: Er war es nicht gewohnt, allein zu sein.

Dann musste er ja alles selber machen – das Frühstück, abwaschen und was eben sonst noch so im Haushalt anfiel.

Peter war nicht faul. Er schrieb, arbeitete ununterbrochen. Na gut, auf jeden Fall fühlte es sich so für ihn an.

Und wenn er jetzt vor dem Schreiben noch etwas tat, was körperlich anstrengend war, so fiel er danach erschöpft auf seinen Schreibtischstuhl und mochte nicht mehr arbeiten.

Die Kreativität ist dann weg, bildete er sich ein. Er pflanzte sich in dem Fall schon lieber vor den Fernseher, sah sich eine Talkshow an und fluchte über die, die meinten, das Leben, die Politik und die Menschen zu verstehen.

„Du kannst aufhören, in den Fernseher hineinzureden, denn dich hört keiner“, pflegte Klara zu sagen, wenn sie zufällig dabei war.

Heute musste Peter eine Entscheidung treffen – gleich an den Schreibtisch oder zuerst die ungeliebten Arbeiten im Haus?

Peter gab sich einen Ruck. Er ging in den Garten, holte den Rasenmäher heraus und wollte Klara mit einem frisch gemähten Rasenstück überraschen.

Also rollte er das Kabel von der Trommel und steckte den Stecker in die Steckdose am Rasenmäher. So, jetzt konnte es ja gleich losgehen. Doch es bewegte sich nichts.

Peter schlurfte in den Schuppen und schaute, ob er dort einen Schalter umlegen musste.

Er probierte es und knipste den Hebel auf die andere Seite. Aber jetzt. Peter ging schwungvoll zurück. Er drückte auf den Knopf am Mäher. Wieder nichts.

Hatte er etwa den falschen Hebel umgelegt? Davon waren ja zwei an der Steckdose. Peter probierte es noch einmal. Wieder nichts. Verdammt, Klara hatte bestimmt irgendeinen Trick, den sie ihm nicht verraten hatte.

Eigentlich wollte Klara gar nicht, dass Peter den Rasen quälte. Er mähte ihr immer zu viel vom Rasen weg, und außerdem mussten auch ein paar Blumen daran glauben, wenn er sich ans Werk machte.

Aber das kam ja nicht allzu oft vor. Peter kam nicht weiter, der Mäher sprang nicht an, obwohl er nun schon gefühlt einen kleinen Marathon zurückgelegt hatte – zwischen der Steckdose im Schuppen und dem Rasenmäher.

Peter überlegte. Kurzerhand schloss er die Wohnungstür auf, schleifte das Kabel hinter sich her und steckte es in die Steckdose im Gäste–WC. Die Kabeltrommel platzierte er im Waschbecken. Klara sah das ja nicht.

Der Mäher sprang sofort an und schnurrte. Peter konnte beginnen. Doch dann sah er die beiden Liegestühle.

Verdammt, die mussten auch noch beiseite geräumt werden. Schließlich kam er vorwärts und mähte entschlossen Streifen für Streifen.

Als er an den Kirschbaum kam, stieß er sich den Kopf und fluchte. Er hatte sich das nicht so vorgestellt. Eine kleine Rasenfläche und tausend Hindernisse. Peter vergaß, die Fläche hinter dem Baum zu mähen.

Er stellte die Liegestühle wieder an ihren Platz und begutachtete sein Meisterwerk.

Jetzt bemerkte er es: Er hatte eine kleine Ecke vergessen. Das Stück genau hinter dem Baum. Aber nun war der Mäher schon weggestellt, das Kabel aufgerollt.

Das ist nicht so schlimm, sagte sich Peter. Aber es ärgerte ihn trotzdem. Abends rief Klara an. „Na, wie hast du den Tag verbracht?“
„Och, ich habe den Rasen gemäht.“

„Was, das solltest du doch gar nicht!“ „Und ich dachte, du freust dich.“
„Ja, ich freue mich schon“, lenkte Klara ein.

„Aber, sag mal“, fragte Peter, „wo ist der Hebel für den Strom?“
„Welcher Hebel und welcher Strom?“ „Na, damit der Mäher anspringt, wenn ich das Kabel in die Steckdose am Schuppen stecke.“

„Da musst du im Wohnzimmer, hinter der Gardine den einen Schalter anmachen. Dann geht es.“

„Stimmt ja“. Jetzt ärgerte sich Peter, dass er nicht allein darauf gekommen war. „Und wie war es bei Dr. Silberfisch?“
„Das erzähle ich dir morgen.

 

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ANNA