ANNA-2021.07.12
SIE KÖNNEN DIE VERMIETERBESCHEINIGUNG NICHT KRIEGEN
Klara und Peter benötigten die Bescheinigung von Annas Vermieter. Sie sollten sie an die Wohnungsverwaltung schicken, die für die Anmietung des Zimmers im ‚Betreuten Wohnen Sörensen‘ zuständig waren. Der Verwaltungsmitarbeiter Brummer von Annas Wohnungsgesellschaft aber gab sich störrisch.
„Ja, wir können Ihnen die Vermieterbescheinigung von Anna Sturm nicht schicken!“
„Wer sind Sie denn?“, fragte Peter, obwohl ihm klar war, woher der Anruf kam.
„Brummer“, ertönte die Stimme am anderen Ende.
Er betonte das ‚r‘ und dehnte gleichzeitig dabei noch das ‚e‘, sodass Peter den Namen ‚Brrummeer‘ verstand.
„Ach Herr Brummer“, ja schön, dass Sie sich melden!“
„Wie gesagt, Sie kriegen die Vermieterbescheinigung nicht!“
Herr Brummer ließ sich auf keinen Small-Talk ein.
Peter merkte, wie bei ihm der Blutdruck stieg und seine Schilddrüse anfing, heftig in seinem Hals zu klopfen.
Es war, als würde in einer Feuerwache schriller Alarm ausgelöst und die Feuerwehrmänner würden eine Stange herunterrutschen, um sich sofort ins Auto zu schwingen.
„Warum können wir die Bescheinigung nicht kriegen?“
Peter bemühte sich, mit ruhiger Stimme zu fragen.
„Weil wir nichts hinter dem Rücken Ihrer Schwiegermutter machen!“
„Wollen Sie uns unterstellen, dass wir etwas hinter dem Rücken von Anna Sturm machen, ohne dass wir nicht ihre Vollmacht und ihr Einverständnis hätten?“
„Das weiß ich nicht.“
„Wenn Sie es nicht wissen, warum sagen Sie es dann?“
„Das habe ich nicht gesagt!“
„Das haben Sie sehr wohl gesagt!“ Peter war in den Angriffsmodus übergegangen. Seine Stimme wurde lauter, klang schärfer.
„Jetzt hören Sie mir mal gut zu“, pumpte Peter sich weiter auf, „wenn Sie glauben, Sie könnten in dieser schnoddrigen und arroganten Art mit mir reden, dann haben Sie sich jetzt den absolut Falschen ausgesucht.“
Peters Stimme dröhnte, dass Klara ganz bleich im Gesicht geworden war.
„Sie haben es gesagt und meine Frau hat es auch gehört.“
Klara war von ihrem Stuhl aufgesprungen und kam zu Peter herübergelaufen. Sie bewegte angstvoll ihre Arme nach unten, um Peter zu beschwichtigen.
Doch das brachte ihn erst recht in Rage. Er hasste es, wenn Klara sich einmischte. Das Signal war stets das gleiche: ‚Mein Mann ist ein Raufbold und Polterkopf, aber er meint es nicht so‘.
Aber das war genau das Streichholz, das man nur noch an das Spritfass halten musste, damit alles in die Luft flog.
„Jetzt passen Sie mal gut auf, lieber Brummer“, Peter lies in seiner Wut die Anrede ‚Herr‘ weg.
„Sie sollten ganz schnell die Vermieterbescheinigung schicken, dann vergesse ich ihre ungehobelte, unfreundliche und dem Kunden wenig zugeneigte Art, und ich vergesse auch, was Sie gesagt haben, ohne dass Sie es gründlich durchdacht haben. Ich warte genau dreißig Minuten, bis die E-Mail bei mir angekommen ist. Auf Wiederhören“.
Peter drückte mit seinem Zeigefinger mit solcher Energie auf den roten Button des Handys, dass ihm der Finger hinterher wehtat.
„Musste das sein?“, fragte Klara nun mit vorwurfsvoller Stimme.
„Du lässt mich hier die Drecksarbeit machen und willst auch noch, dass ich den anderen aufs herzlichste begrüße, wenn der mit einem Beil auf mich zustürmt“, schnaubte Peter.
„Du bist doch der Klügere!“, sagte Klara.
„Ich will nicht der Klügere sein, ich will dem in den Arsch treten, wenn der mir so kommt.“
„Du mit deinem kulturellen Hintergrund!“, klagte ihn Klara vorwurfsvoll an.
Peter wollte nicht in solchen Momenten derjenige sein, der auf die allergrößten Grobheiten seines Gegenübers am Telefon mit feiner und rhetorisch ausgefeilter Stimme antwortete. Nein, er wollte ebenfalls zum Schwert greifen und auf den anderen zustürmen, Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Er wusste, dass es falsch war, aber das verdrängte er in diesem Moment.
„Ich muss arbeiten“, unterbrach Peter Klara und zog die Tür zum Arbeitszimmer hinter sich.
Ein paar Augenblicke später trudelte aus Stralsund die Mail mit der Vermieterbescheinigung im Anhang ein.
‚Geht doch‘, brummte Peter.
„Sehr geehrte Frau Gerber“, stand in der Anschrift. Peter wurde gar nicht erwähnt.
Doch er sollte trotzdem eine Lesebestätigung geben.
„Da können die lange warten!“, dachte Peter.
„Ist schon was gekommen?“, fragte Klara. Sie hatte die Tür zu seinem Zimmer leise aufgemacht.
„Kann ich dir nicht sagen, ich muss jetzt erst einmal meine Arbeit zu Ende bringen.
Klara seufzte und wusste, dass sie jetzt nicht mit Peter reden konnte.
Als sie wieder draußen war, druckte Peter die Vermieterbescheinigung aus dem Anhang der Mail aus, legte sie in seinen Ablagekorb und stülpte ein paar Rechnungen darüber.
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ULRIKE UND BERITT TREFFEN SICH AM EISCAFÉ – SEIT LANGEM MAL WIEDER
ANNA-2021.07.07
Ulrike und Beritt sind Freundinnen. Sie kennen sich noch von der Schwesternschule in Stralsund her. Ulrike arbeitet als Pflegedienstleiterin im ‚Betreuten Wohnen Sörensen‘, Beritt ist Krankenschwester im Stralsunder Sund-Krankenhaus. Beritt ist mit Olaf verheiratet, der als Pfleger im ‚Betreuten Wohnen‘ arbeitet. Ulrike ist Olafs Vorgesetzte. Ulrike schlägt Beritt vor, mal wieder gemeinsam ein Eis essen zu gehen. Sie will herauskriegen, warum Olaf auf Arbeit so antriebslos ist.
„Wie läufts mit Olaf?“
„Ist er noch so fürsorglich wie früher?“
Beritt ließ sich Zeit mit ihrer Antwort.
„Ich weiß nicht, aber irgendwas ist anders. Olaf ist schweigsamer geworden, redet mit mir nicht mehr so viel.
Zum Beispiel die Sache mit Frieda Möller, die hat er mir gegenüber verschwiegen.“
Ulrike überlegte, ob sie Beritt etwas zu Saskia sagen sollte, aber sie entschied sich anders.
„Weißt du, die Arbeit in der Pflegeeinrichtung, die schlaucht alle, insbesondere jetzt in der Corona-Zeit.
Jeder arbeitet bis zum Anschlag, erholt sich nicht mehr so richtig während des Urlaubs, im Gegenteil, er nimmt die Probleme mit in seine Freizeit.“
„Das stimmt, das geht mir genauso. Wir kommen im Sund-Krankenhaus ebenfalls nicht vor Arbeit aus den Augen gucken.
Und wahrscheinlich zerrt das an den Nerven, macht uns reizbarer, wenn wir zusammen sind“, sagte Beritt mehr zu sich als zu Ulrike.
Ulrike schaute Beritt an.
Sie sah nicht gut aus im Gesicht, wirkte angespannt, trotz des Urlaubs, der erst ein paar Tage her war.
Sie beschloss nichts zu sagen, schon gar nicht darüber, dass sie das Gefühl hatte, dass sich Saskia und Olaf immer näherkamen, über das normale Arbeitsverhältnis hinaus.
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DIE EINFAHRT VOM HEIM IST DOCH GANZ LEICHT ZU FINDEN
ANNA-2021.07.09
Klara ist nach Stralsund gefahren, um sich vor Ort ein Bild von der Pflegeeinrichtung ‚Betreutes Wohnen Sörensen‘ zu machen. Lukas begleitet sie zum Heim. Er kann sich nur schwer mit dem Gedanken abfinden, dass Anna nicht mehr in ihrer Wohnung bleiben kann. Klara und Lukas finden nur schwer den Eingang zum Gebäude ‚Betreuten Wohnen Sörensen‘.
„Hier sollte doch eine Schranke sein und wo steht jetzt der Name der Einrichtung?“, fluchte Lukas und kurvte nun schon das zweite Mal um die Häuserblocks, die in der angegebenen Straße standen.
„Betreutes Wohnen Sörensen, Olaf Knaspe, was kann ich für Sie tun?“, ertönte eine dunkle Stimme, nachdem Klara die Telefonnummer gewählt hatte, die auf ihrem Zettel stand.
„Ja, Herr Knaspe, Klara Gerber hier, wir haben heute einen Besichtigungstermin für das Zimmer, in das meine Mutter einziehen soll“, sagte Klara.
„Wie ist denn der Name Ihrer Mutter?“, fragte Olaf, ohne sich groß zu bemühen. Er hätte es wissen müssen, dass es Anna Sturm war.
„Wieso fragen Sie denn? Wir beide haben doch den Termin miteinander für heute ausgemacht!“
„Ach so ja.“
„Ja, bis gleich“, antwortete Olaf wieder.
„Moment, wir finden den Eingang zum Gebäude nicht“, sagte Klara. Ihre Stimme überschlug sich nun schon fast, denn in ihr stieg allmählich der Ärger über so viel Gleichgültigkeit hoch.
„Das ist doch ganz einfach zu finden“, antwortete Pfleger Olaf.
„Wissen Sie, wenn Sie dort jeden Tag mehrfach ein- und ausgehen, dann ist es einfach. Ja. Aber wir kommen heute das erste Mal zu Ihnen.“
„Warten Sie, ich drücke mal einen Knopf, dann geht ein Tor auf und Sie können dort durchfahren.“
Olaf drückte auf den Summer.
„Da!“, rief Lukas, „siehst du die Flügeltüren, die sich gerade öffnen?“
„Fahr bloß schnell durch, bevor sie wieder zugehen“, sagte Klara, die sich noch immer über die halb schnoddrige Art des Pflegers ärgerte.
Lukas parkte das Auto auf dem dafür vorgesehenen Platz, stieg aus und streckte sich.
„Hallo, was macht ihr denn hier“, rief aus dem Fenster Berta Hoffmann.
„Das ist doch jetzt nicht wahr“, sagte Lukas.
Charly und Berta Hoffmann waren Freunde von Anna und Wilhelm Sturm.
Sie hatten sich am Strelasund eine Wohnung gesucht, in der sie auch bleiben konnten, wenn sie mal Pflege und Betreuung in Anspruch nehmen wollten.
„Ach, wir schauen hier nur mal, ob das was für Mutti ist“, antwortete Klara, immer noch verdattert, dass ausgerechnet in dem Moment Berta aus dem Fenster sah.
Wahrscheinlich tat sie das sehr oft am Tag.
„Kommt doch mal hoch zu uns“, rief jetzt Charly, der hinter seiner Frau stand.
„Wir haben leider ganz wenig Zeit“, sagte nun Lukas.
„Komm‘ lass uns verschwinden, sonst kommen wir hier nicht wieder weg“, flüsterte er Klara zu.
Die nickte stumm. Sie winkten beide nach oben und ging schnurstracks auf eine andere Eingangstür zu.
Im Flur erwartete sie Schwester Ulrike. Olaf hatte ihr Bescheid gesagt. Er selbst stand hinter Ulrike und schien ein schlechtes Gewissen zu haben.
„Herzlich willkommen, Familie Gerber“, sagte Ulrike.
„Ich bin Klara Gerber, geborene Sturm, und das hier ist mein Bruder, Lukas Sturm. Mein Mann konnte heute nicht mitkommen“, sagte Klara ein wenig verlegen.
„Aha, sehr angenehm. Wollen wir gleich zum Zimmer gehen?“
Ulrike sah die beiden erwartungsvoll an.
„Ja, gern“, sagte Klara.
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AUSBLICK ANNA – 2021.07.16 Klara besichtigt gemeinsam mit Lukas Annas künftiges Zimmer im Heim. Es ist sehr klein. Klara beginnt schon in Gedanken die Möbel zu stellen. Pfleger Olaf und Klara lernen sich besser kennen und Olaf beginnt sich auf die neue Heimbewohnerin einzustellen. Die Bürokratie in Vorbereitung auf die Heimunterkunft frisst die Energie von allen auf.
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