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Vom Glück des kleinen Moments. Es war der 1. Weihnachtsfeiertag. Krümel hatte die Geschenke bereits alle unter dem Weihnachtsbaum gesichtet. Sie hatte sich riesig gefreut, dass sie einen Roller geschenkt bekam. Nun, wo sich alles ein wenig gelegt hatte, da war sie in mein Arbeitszimmer gelaufen. Sie hatte den Stuhl weggeschoben und stand vor dem Schreibtisch. Die Oberfläche war mit Malutensilien übersät.
Ich setzte mich hinter Krümel auf den Stuhl und beobachtete sie, wie sie leise vor sich hin summte und dabei mit den Malstiften über das Papier gleitete.
„Stört dich diese Unordnung nicht“, fragte Klara mich.
Sie war gerade ins Zimmer hereingekommen und war besorgt, dass ich mich aufregte, weil ich nicht an meinem Schreibtisch sitzen konnte.
Im Normalfall war das ja auch so, dass ich meine Ordnung haben wollte, weil ich sonst einfach nicht denken konnte.
Aber heute, am Weihnachtstag, wo Krümel zu Besuch war – da war es schön für mich, wenn sie sich in meiner Nähe aufhielt, und der Schreibtisch war mir in dem Augenblick völlig egal.
Er konnte noch so übersät sein, mit Krümels Malstiften.
Krümel stand nun vor dem Schreibtisch und malte etwas in mein neues Tagebuch hinein.
Es waren Figuren, die ich noch nicht zu deuten wusste.
Aber noch war das Kunstwerk ja auch nicht fertig und Krümel war gerade dabei, ihre Figuren bunt auszumalen.
„Dass du dein neues Tagebuch überhaupt dafür hergibst“, staunte Klara.
Das Buch hatte ich von ihr zu Weihnachten geschenkt bekommen, und ich hatte mich riesig darüber gefreut.
Klara hatte es von der Ausstellung mitgebracht, wo man aus dem Meer geborgene Gegenstände der ‚Titanic‘ bewundern konnte.
Das Buch war in Samt eingeschlagen und es fasste sich fantastisch an.
Ich liebte es, mit der Hand darüber zu streichen.
Vorn auf dem Deckel stand ‚RMS-Titanic‘.
Darunter war ein Anker zu sehen, der von einem Schiffstampen umschlungen war und daneben stand die Jahreszahl ‚1912‘.
„Kannst du mir etwas in das Buch hineinmalen“, habe ich Krümel gefragt.
Konnte sie und war nun mit Eifer dabei, alles schön zu machen.
Sie plapperte vor sich hin und summte zwischendurch ein bisschen.
Ansonsten war es ruhig im Zimmer.
Konnte mir etwas Schöneres am ersten Weihnachtstag passieren?
Mir wurde mal wieder klar, wie wenig man brauchte, um glücklich zu sein.
Ich erhob mich langsam aus dem Sessel und wollte zur Tür hinausgehen, um nach den anderen zu sehen, die sich im Wohnzimmer unterhielten.
„Bleib‘ doch noch ein bisschen hier, Opa. Ich unterhalte mich nämlich so gern mit dir“, sagte da Krümel.
Ich setzte mich wieder hin.
„Weißt du überhaupt, was ich für dich male?“, fragte sie mich.
Ich wusste es nicht.
„Nein Krümel, aber für mich ist es so oder so etwas ganz Wertvolles.“
„Dann pass‘ gut darauf auf, ja Opa?“
Ich nickte zustimmend, musste in mich hineinschmunzeln und gab ihr einen Kuss auf die Wange.
Schön Krümel, dass du heute bei uns bist.
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