ALLTÄGLCHES-2021.11.25
Du findest dein Alltagsglück wahrscheinlich nicht in aufregenden Ereignissen, wenn du auch noch so sehr darauf hoffst.
Du kannst dich dennoch an den manchmal auftauchenden klitzekleinen Schönheiten deines Alltags freuen.
Vor mir liegt ein weißes Blatt Papier, ich habe unten den Rand abgeschnitten, damit ich es besser auf dem Schreibtisch handhaben kann.
Mir fällt nichts ein, kein Inhalt, keine Idee. Einfach keine Lust.
Ich versuche mich selbst zu überlisten und nehme den Rat an, den berühmte Schriftsteller geben. Nämlich: einfach drauflosschreiben.
Am besten fühle ich mich in so einem Moment, wenn ich eine Seite nehme, die auf der Rückseite bereits beschrieben ist. Warum mir dann mehr einfällt, das kann ich beim besten Willen nicht sagen.
Es gab Autoren, die die Rückseite eines bereits beschriebenen Briefumschlages nutzten, nur um nicht auf ein weißes Blatt starren zu müssen und die Seite leer bleibt.
Manche sagen, dass du keine Tastatur benutzen, sondern nur einen Bleistift zur Hand nehmen sollst. Nicht mal einen Füllhalter oder einen Kugelschreiber.
Du darfst dich von nichts aufhalten lassen, sondern einfach nur pausenlos schreiben.
Mir ist aber schon zweimal hintereinander die Bleistiftspitze abgebrochen. Ich musste also den Anspitzer suchen und das Glas, in das ich die Bleistiftabfälle hineintue.
Es ist ein Schraubglas. Gut, ein bisschen hübscher.
‚Das muss doch mal überquellen‘, denke ich jedes Mal, wenn ich den Bleistift anspitze und die Abfälle dort hineintue.
‚Bleistiftspitzabfälle‘ – so heißen diese Abfälle genau, oder ‚pencil sharings‘.
‚Oh Gott, womit beschäftigst du dich, während die Diskussion wegen einer bestehenden Impfpflicht hochkocht und der Koalitionsvertrag der künftigen ‚Ampel-Koalition‘ vorgestellt wird?‘, frage ich mich gerade.
Aber das Leben im Alltag besteht nun Mal nicht nur aus hochgestochenen Diskussionen und Themen, sondern überwiegend aus dem, was gerade vor dir ist.
Du musst den Papierkorb leeren, mit einem Kunden sprechen, Krümel abends anrufen und sie fragen, wie es ihrem Lieblings-Stofftier ‚Tiko‘ geht.
‚Tiko ist krank. Er hat Bauchschmerzen‘, antwortet sie und du versuchst sie deshalb zu trösten.
Es sind stets die kleinen Dinge, die dich fesseln, zugegeben, manchmal sogar festnageln.
Aber wenn du es schaffst, all diesen Kleinigkeiten deines Alltags auch etwas Positives abzugewinnen, dann hast du irgendwie den Tag für dich erobert.
Gerade habe ich die Rückseite eines Blattes auf die andere geklebt, denn ich wollte eine etwas stabilere Schreibunterlage haben.
Als ich losschreiben will, sehe ich, dass ich die falsche Seite festgeklebt habe und auf der Seite schreiben müsste, die bereits beschrieben ist.
Soll ich mich jetzt ärgern?
Nein, ich war einfach so stark auf das konzentriert, was ich aufschreiben wollte, dass ich die andere, vermeintlich leichtere Tätigkeit gedankenlos ausgeführt habe.
Ich will gar nicht erzählen, wie oft mir das schon passiert ist, was ich am Tag noch so alles an Blödsinn anstelle.
Wir vergessen jeden Tag etwas, machen was falsch, sagen etwas, was den anderen verletzt.
Sind wir deshalb schlechte Menschen? Ich glaube nicht.
Wir sind das, was uns geprägt hat – unsere Vergangenheit, unsere Fehler, Stärken und Gefühle.
Ich fühle mich besser, nachdem ich das aufgeschrieben habe, so ohne groß nachzudenken.
Wird es reichen für den Pulitzer-Preis? Na, knapp daran vorbei.
Aber mich hat es weitergebracht in meinen Gedanken darüber, was den Sinn im Alltag eigentlich ausmacht, es hat mich angestrengt, schließlich musste ich es noch abtippen, aber es hat mir vor allem gute Laune bereitet.
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