DIE WOCHE BEGINNT SO, WIE SIE AUCH AUFGEHÖRT HAT – LAHM

ALLTÄGLICHES-2021.11.30

PUR UND PROMPT
ALLTÄGLICHES? JA
PERSÖNLICHES? IRGENDWIE SCHON
HUMORVOLLES? MEHR TRAGIKKOMISCHES
Freitagmorgen – Fitness geschwänzt, kein Workout im Homeoffice gemacht

Es ist heute ein Tag, der sich für mich anfühlt, als würde ich ein Lotterleben führen.

In der Regel stehe ich noch vor vier Uhr morgens auf, um rechtzeitig im Fitness-Studio zu sein. Nach sechs Uhr morgens wird es einfach zu voll.

Und auch die Tatsache, dass nur Geimpfte oder Genesene in das Studio kommen, die beruhigt mich nicht, denn in den Umkleidekabinen stehst du ja doch enger mit anderen Menschen zusammen.

Außerdem streite ich mich ungern mit Leuten darüber, ob du jetzt gerade das Gerät gesäubert hast, weil du es benutzen willst.

Ich säubere zum Beispiel die Bizepsmaschine zweimal, wenn ich sie benutze, einmal vorher und anschließend, nachdem ich mit der Übung fertig bin.

Aber mir ist es schon so ergangen, dass ich das Gerät vorher desinfiziert habe und sich sofort ein anderer daraufgesetzt hat, als ich nur kurz das Papier in den Eimer geschmissen habe.

Das ist nervig und dem will ich mich nicht aussetzen, selbst wenn es Ausnahmen sind.

Zurück zum frühen Aufstehen.
„Willst du morgen früh reinfahren“, fragte Klara mich gestern Abend.
„Nein, ich will morgen mal früher am Schreibtisch sein“, sagte ich zu ihr.

Wie war es wirklich?
Ich wachte kurz nach vier Uhr auf, hob den Kopf kurz hoch und versenkte ihn sofort wieder im Kopfkissen.

Klara weckte mich gegen halb sieben. Sie sass bereits seit einer halben Stunde an ihrem Computer.

„Aufstehen, ich mach‘ jetzt Frühstück“, sagte sie zu mir.
Ich quälte mich aus dem Bett, fühlte mich zerschlagen und hatte ein schlechtes Gewissen, dass ich so spät in die Gänge kommen würde.

‚Du wirst dich heute mal um die Workouts kümmern‘, sagte ich zur Beruhigung zu mir.

Wenn ich nur wüsste, wo ich die Passwörter für die Sport-App abgelegt hatte.

Freitagnachmittag – im Auto sitzen, auf Klara warten, schreiben, bloß nicht bewegen

Parkplatz vor dem Supermarkt. Ich sitze im Auto und warte darauf, dass Klara wieder herauskommt, mit einem vollbepackten Einkaufswagen.

Sie geht lieber allein in die Kaufhalle, damit sie in Ruhe an den Regalen vorbeischlendern kann. Ich bin da anders. Ich gehe zielstrebig auf das zu, was ich einkaufen will.

Das Einzige, was mich aufhalten kann, das ist der Umstand, dass ich nicht weiß, wo die Sachen liegen.

„Du gehst zu wenig einkaufen, um dir zu merken, wo du was findest“, sagt Klara in solchen Momenten zu mir.

Aber jetzt sitze ich im Auto und schreibe ein wenig auf dem iPhone herum.

Mein Bauch stößt an das Lenkrad, die Kälte dringt allmählich durch die Tür und die Finger werden klamm.

Ich versuche mich dennoch zu konzentrieren und etwas Verwertbares aufzuschreiben.

Es wird allmählich weihnachtlich, die Lichterketten gehen am Straßenrand an und aus dem Radio ertönen Weihnachtslieder.

Ich werde gestört. Direkt neben mir parkt ein Tankstellenbesitzer aus dem Dorf. Er fährt ebenfalls einen Jeep. Nur dass ich den kleinsten Typ habe, während er den großen Geländewagen fährt.

Er kurbelt seine Scheibe herunter und fragt von oben herab: „Na, wie geht’s?“

Ich habe keine Lust, mich auf ein großes Gespräch einzulassen und frage zurück:

„Und selbst?“
„Geht so“, antwortet er und winkt schon einem anderen Bekannten zu, den er ein paar Autoreihen weiter entdeckt.

Er steigt aus seinem Auto aus und verschwindet in Richtung seines Bekannten.
Ich bin einerseits froh, dass ich nicht weiter mit ihm sprechen muss.

„Frechheit, dass der sich hier einfach davonmacht“, denke ich trotzdem.

Klara kommt und ich springe aus dem Auto, um die Hanteln im Kofferraum aus dem Korb zu nehmen, damit dort das Eingekaufte Platz finden kann.

Klara ist sauer, weil ich mich wie immer so weit hinten mit dem Auto hingestellt habe.

Das mache ich, weil ich meine Ruhe haben will und lieber schreibe.
Hat ja gut geklappt, wie ich gerade gesehen habe.

„Ich komm‘ dir mit dem Auto entgegen, damit du nicht wieder so weit zurücklaufen musst, wenn du den Einkaufswagen zurückgebracht hast.“

Klara nickt nur. Sie versteht nicht, was das für ein großzügiges Entgegenkommen meinerseits ist.

Denn direkt vor dem Supermarkt, da drängeln sich die Leute, sie wollen vor den Autos laufen, gehen oft nicht beiseite und du musst aufpassen, dass dich keiner mit seinem Einkaufswagen streift.

Ich habe das schon oft Klara erklärt, aber die verzieht nur den Mund, so als wolle sie sagen:

„Deine Probleme möchte ich nur einmal am Tag haben.“
Ja, hat sie ja nicht, ich hab‘ sie, also muss ich wenigstens meine Bedenken äußern dürfen.
Ist aber nicht erwünscht, also schweige ich lieber.

Sonntagvormittag – hurra, Krümel bringt Leben in die Bude
Krümel ist seit gestern zu Besuch

Im Haus ist es sonst recht still, aber die Vierjährige bringt mit ihrer freudigen Energie, ihrem Elan leben in das Haus.

Wir ziehen uns warme Sachen an und steigen ins Auto, um in die Schorfheide zu fahren. Auf der Motorhaube haben sich kleine Eisbläschen gebildet und es ist rutschig auf der Strasse.

Ich habe Angst, dass der Wagen ins Schleudern kommt. Nicht auszudenken, wo Laura und Krümel hinten mitfahren.

Ich steuere das Auto vorsichtig, achte darauf, dass ich den glatten Stellen ausweichen kann.

„Kehr‘ doch um“, sagt Klara und die Angst steht ihr ins Gesicht geschrieben.

„Wenn wir zurückfahren, dann hat die Sonne das hier alles wieder in Wasser auf den Straßen verwandelt“, sage ich.
Klara seufzt, sie ist nicht einverstanden mit mir.

„Dass du nie hören kannst“, entgegnet sie.
„Kann ich ja auch nicht, denn ihr sagt doch immer, dass ich ein Hörgerät benötige“, antworte ich.

Wir schweigen, bis wir in der Schorfheide in eine Waldschneise biegen. Wir rumpeln langsam über den sandigen Weg hinweg, fahren durch die gefrorenen Pfützen hindurch.

„Oma, du musst deine Brust festhalten“, sagt Krümel und verschränkt ebenfalls ihre Ärmchen vor ihrer Brust.
Sie hält es nicht mehr auf dem Sitz. Als wir angekommen sind, springt sie aus dem Auto.

Gegenüber ist eine Wiese, die in Weiß getaucht ist. Sie springt hinein, hüpft und ruft, ‚Mama, Mama‘, hier ist Schnee. Es ist wohl doch mehr Raureif. Aber immerhin haben wir ein wenig Schnee am Adventssonntag.

Ich schnalle meine Stöcke an und will für eine halbe Stunde eine Nordic Walking absolvieren.
Krümel ist damit überhaupt nicht einverstanden.

„Wo du willst du hin, Opa?“, ruft sie.
„Gerade aus“, sage ich und zeige mit einem der Stöcke in Richtung Waldweg.

Ich laufe los und höre hinter mir die Stimme von Krümel: ‚Oohhpaa‘.
Ich drehe mich noch einmal um und laufe dann mit raschem Tempo weiter, damit ich ausser Sichtweite gelange.

Es ist ein schönes Gefühl, hinter mir Klara, Laura und Krümel zu wissen und trotzdem meinen Sport machen zu können.
Ich schaue auf die Bäume, sehe vor mir den Hochstand eines Jägers und lausche der Stille.

Montagmorgen – die lasche Haltung zum Thema Fitness geht weiter

Ich sitze am Frühstückstisch. Ich bin nicht ins Fitness-Studio gefahren.
‚Soll ich morgen früh reinfahren?‘, habe ich Klara gefragt.
„Das musst du ganz allein wissen“, war ihre Antwort.

Ich bin nicht gefahren. Ich habe den Eindruck, dass mich die neue Corona-Welle schon wieder ausbremst.

‚Ich laufe im Wald, mache Gymnastik‘, sage ich zur Beruhigung zu mir selbst.
Aber das sind Ausreden. Ich weiß es. Am nächsten Tag sitzt du und sitzt wieder und plötzlich ist alles zu spät.

Dann habe ich angeblich keine Zeit mehr dafür.
Im Studio ist es anders. Wenn du dich einmal überwunden hast, es zu tun, du aufstehst, losfährst und in der Tiefgarage aus dem Auto steigst, dann ist es um dich geschehen, unwiderruflich.

Du gehst die Treppen hoch, öffnest die Tür zum Studio und schon ist es um dich geschehen. Du ziehst dich um, steigst als erstes auf das Laufband, drückst auf den Knopf ‚Quickstart‘ und schon ist es um dich geschehen.

Du setzt ein Bein vor das andere, du läufst und kommst gar nicht auf die Idee, etwa vor 30 Minuten herunterzusteigen. Nein, du absolvierst dein Programm.

Danach machst du deine zehn Trainingseinheiten, die jeweils 45 Übungen enthalten. Danach streichst du auf dem Telefon die einzelnen Einheiten ab und freust dich, dass dein Trainingsende immer näher rückt.

Und dann steigst du wieder in dein Auto und bist glücklich, dass du es geschafft hast.

Tja, das ist nun heute Morgen anders.
Passiert ist noch nicht viel.

Na gut, ich habe schon einen Text angefangen zu korrigieren. Aber macht mich das glücklich? Nein.
Morgen fahre ich wieder zum Fitness rein.

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