DIE INNERE UHR TICKT BESSER ALS JEDER WECKER

ALLTÄGLICHES-2021.12.02

ALLTAG-PUR UND PROMPT

Was im letzten Beitrag ‚Pur und Prompt‘ war:
Fitness-Studio geschwänzt: ein Tag, der sich anfühlte, als würde ich ein Lotterleben führen;
Parkplatz vor dem Supermarkt: im Auto sitzen und darauf warten, dass Klara wieder herauskommt, mit einem vollgepackten Einkaufswagen;
Sonntagvormittag: Krümel bringt Leben in die Bude;
Montagmorgen: die lasche Haltung zum Thema Fitness setzt sich fort.
https://uwemuellererzaehlt.de/2021/11/30/alltaegliches-2021-11-30/

Dienstag.  Es war kurz vor halb vier Uhr. Ich wurde wach und drücke mit schlaffem Arm auf das Display der Uhr. Die Ziffern zeigten 3.25 Uhr an.

Ich sank zurück in die Kissen. Ich wollte wenigstens noch einmal die Augen zumachen. Aber die innere Stimme sagte: ‚Schlaf nicht wieder so fest ein, du musst aufstehen.‘

Mir kam in den Sinn, wie ich am Wochenende mit Krümel in ihrem Zimmer gespielt habe.

„Opa, du musst dich hinlegen und du musst schnarchen“, sagte sie, während sie das Licht ausmachte. Sie gab gern Regieanweisungen, während ich sie strikt einzuhalten hatte.

Dann drückte sie auf den Schalter und das grelle Licht sprang mir ins Gesicht. Ich musste mich gehörig erschrecken. Der Lohn war ihr kreischendes Lachen, ihr glückliches Gesicht, das mir entgegen strahlte.

Danach ging alles wieder von vorn los. Sie konnte das spielen, bis ich aufstand und sagte: „Komm‘, wir schleichen uns langsam die Treppen runter und erschrecken Oma.“

In dem Fall war sie sofort bereit ihrem Spiel eine neue Wende zu geben. Neue Regieanweisungen ertönten.

„Psst Opa“, leise. Das sagte sie so laut, dass es Klara in der Küche hörte, aber trotzdem mitspielte.

Als mir das alles durch den Kopf gegangen war, da wurde ich munterer und stieg mit einem Schmunzeln aus dem Bett.

Es war inzwischen kurz nach halb vier Uhr.
Im Radio in der Küche spielte der Rundfunk eine Melodie nach der anderen und ich griff wie in einem automatisierten Ablauf zum Wasserkessel, um Wasser für eine Tasse Fencheltee aufzusetzen.

Es war eine Angewohnheit, die ich nicht mehr missen konnte, weil sie mich vor Gallenschmerzen schützte. Das bildete ich mir zumindest ein.

Eine halbe Stunde später.
„Ich habe verschlafen“, sagte Klara.

„Warum hast du mich nicht geweckt?“
Entweder war ich zu laut und schuld daran, dass Klara nicht schlafen konnte, oder ich war zu leise und deshalb ebenfalls schuldig. Ich hatte sie ja nicht geweckt.
Ich hatte mich an diesen Zustand gewöhnt.

Ich holte den Tee von der Bank vor der Haustür und schlürfte ihn vorsichtig aus.

Jetzt war die Welt in Ordnung, so einigermaßen.
Ich hatte die Füße auf den zweiten Stuhl gelegt und dachte über den Tag nach.

Was würde er bringen?
Bald würden wir ins Auto steigen, Richtung Berlin fahren und Klara würde in Mitte aussteigen, während ich Richtung Prenzlauer Berg zurückfahren würde.

An zwei Tagen hintereinander von der Polizei angesprochen – jedes Mal ging alles gut aus

Die Fahrt war stressig.
„Wo kommen nur die vielen Fahrzeuge alle her?“, fragte ich Klara.
Sie hatte dafür auch keine Antwort. .

„Wahrscheinlich sind es die G3 – Bedingungen in den öffentlichen Verkehrsmitteln, die deshalb so einige in die eigenen Fahrzeuge treiben. Sonst kann ich es mir auch nicht erklären“, sagte ich wieder
Die Straßen waren nass, es regnete und das Fahren machte wirklich keinen Spaß.

„Das ist so richtiges Wetter zum Sterben“, sagte ich noch zu Klara.
„Hm“, mehr kam nicht von ihr. Als wir an ihrer Arbeitsstelle im Zeitungsviertel angekommen waren, fuhr ich eine Schleife, vorbei am neuen Springertempel.

Klara wollte mir Sachen rausgeben und ich sollte deshalb unten im Auto warten.
Ich ließ den Blinker an und schaute ununterbrochen in den Rückspiegel, ob ich jemandem im Weg stand.

Plötzlich hielt neben mir ein weißes Auto.
Erst als ich näher hinsah erkannte ich, dass es ein Polizeiauto war, das direkt neben mir hielt.

Die Polizistin auf dem Beifahrersitz bedeutete mir mit einer Handbewegung, die Fensterscheibe herunterzukurbeln.
‚Oh Gott, jetzt kriege ich hier ein Knöllchen dafür, dass ich im Parkverbot stehe‘, durchfuhr es mich.

„Sie stehen hier nicht gut“, sagte der Polizist.
‚Nicht gut‘, das klang ja gar nicht so schlecht.
„Meine Frau arbeitet hier, sie holt nur ein paar Taschen runter. Sie rennt und beeilt sich‘, sagte ich.

„Um Gottes Willen, bloß keine Hektik!“, sagte der Polizist am Steuer zu mir.
Ich atmete auf. Das klang nicht nach Vorwurf und auch nicht nach Strafzettel.

Ich wurde mutiger.
„Muss ich hier weg, oder kann ich denn hier für den Moment stehenbleiben?“

Die Polizistin auf dem Beifahrersitz schüttelte den Kopf.
Es sollte heißen: ‚Nein, brauchst du nicht.‘
Ich atmete auf und bedankte mich freudig.

Die beiden Polizisten schmunzelten und fuhren weiter.
Wenig später kam Klara mit drei Taschen wieder. Sie konnte sie kaum tragen. Ich sprang aus dem Auto und eilte ihr entgegen.

„Ich bin gerade von der Polizei kontrolliert worden“, sagte ich zu ihr.
Sie schaute mich mit schreckgeweiteten Augen an.

„Und?“, fragte sie.
„Ich konnte mit den beiden Polizisten gut sprechen, alles in Ordnung“, sagte ich mit einem Tonfall, der bedeuten sollte: ‚Na, wie habe ich das mal wieder gedeichselt?‘

Klara kannte das schon und antwortete deshalb nur knapp mit einem „na dann ist ja alles gut.“

Ein Tag später. Ich fuhr aus der Tiefgarage des Fitness-Studios und bog auf die Prenzlauer Promenade ab. Ich fuhr ruhig und entspannt. Ich war froh, mal wieder den Sportteil für den Tag geschafft zu haben.

Im Radio lief ein Lied von Helene Fischer.
Ich verstand den Text nicht genau, nur dass sie loslassen wollte.
Das kannte ich von Krümel, die oft mit Inbrunst singt, ich lasse los.‘

Die Ampel vor mir ging auf Rot und ich bremste den Wagen ab.
Als ich stand, löste sich vom Straßenrand ein Polizist, der auf mich zukam.
Meine Schilddrüse fing an zu klopfen.
‚So eine Scheiße“, fluchte ich laut.

Gut, dass Krümel nicht mit im Auto saß.
Der Polizist hob seine Keller und bedeutete mir damit, die Fensterscheibe auf der Beifahrerseite herunterzukurbeln.

„Sie stehen nicht dort, wo die Haltelinie ist“, sagte er.
Und weiter: „Machen Sie mal das Licht an, zusätzlich zu den kleinen Leuchten!“

Ich schaute auf den Lichtschalter und sah, dass er auf der Position ‚Null‘ war.

Ich drehte mit schuldbewusster Miene den Schalter rechts.
„Vielen Dank“, sagte ich.
Der Polizist nickte nur, drehte mir den Rücken zu und ging in Richtung Bürgersteig zurück.

Ich konnte mein Glück kaum fassen und fuhr erleichtert weiter.
Der Tag war dunkel und grau, die Straßen waren nass und ich schaute in mürrische Gesichter. Ich aber war froh, dass ich mit einem ‚blauen Auge davongekommen war‘ und begab mich gutgelaunt nach Hause, zu meinem geliebten Schreibtisch.

 

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