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Wie dich der Lebensweg eines anderen Menschen inspirieren kann, wieder mehr Spaß am eigenen Leben zu haben.
Der 18. Juni 2023 versprach ein schöner Tag zu werden.
Das jedenfalls sagte ich mir, als ich auf den Balkon trat und in die Sonne blinzelte.
Wir waren von unseren Freunden eingeladen worden: Es sollte auf der Bühne des Deutschen Theaters ein Gespräch, eine Diskussion zwischen Gregor Gysi und Ulrich Khuon geben.
Gysi war der Moderator und stellte die Fragen, Khuon antwortete.
Klara freute sich darauf.
Ich auch. Ich brauchte nur länger, um mir diese Freude auch einzugestehen.
„Was könntest du in dieser Zeit nicht alles schaffen? Die Rede im Rohentwurf fertigstellen, einen neuen Blogbeitrag schreiben.“
Mir fiel so einiges ein.
So war es immer.
Erst verhaltene Freude, dann allmähliche Begeisterung und schließlich anhaltende Motivation, sich wieder mehr für die Lebensgeschichten von anderen Menschen zu interessieren, und zwar auch dann, wenn sie noch lebten.
Ulrich Khuon ist Intendant am Deutschen Theater, wechselt aber im nächsten Monat nach Zürich.
Er ist eine Legende – in der Theaterwelt, beim Publikum. Gysi duzte ihn, irgendwie wunderte mich das nicht.
Bis ich auf dem roten Sessel im Theater Platz genommen hatte, wusste ich nicht viel von Ulrich Khuon.
Dann, als er anfing zu reden, in seinem Schwäbisch, einfache, kurze Sätze bildete,
seine Erinnerungen lebhaft schilderte, da wurde ich aufmerksamer, rückte mich so langsam gerader in meinem Sessel zurück.
Es war warm.
Mein Nachbar okkupierte skrupellos mit seinem linken Arm meine rechte Sessellehne, während ich mit meinem Oberschenkel ein wenig in seine Richtung ausscherte, so als wollte ich ihm sagen: ‚Entweder du gibst mir ein Stück von deiner Lehne ab oder ich nehme dir den Platz für deine Füße weg.‘
Doch das Gespräch zwischen den beiden Akteuren auf der Bühne lies das alles als kleine Nebensächlichkeiten erscheinen, die man eben hinnahm, wenn man sich ins Deutsche Theater am Sonntagvormittag begab.
Khuon gehörte zu den Menschen, den wenigen, die aus dem Westen kamen, daraus auch keinen Hehl machten, was ja auch aufgrund seines Dialekts schier unmöglich war – die du trotzdem schnell als einen betrachtest, der zu dir gehört, der dich versteht.
Er hatte mit solchen Regisseuren, wie Jürgen Gosch, Christoph Schlingensief oder Jürgen Kuttner zusammengearbeitet. Namen, die mir Respekt einflößten.
Meinen Respekt aber bekam Ulrich Khuon vor allem, weil er auf dem Podium saß und sprach, so als würdest du ihm im Café gegenübersitzen.
„Die Leute am Bodensee tun manchmal so, als gehörte ihnen der See. Dabei war der schon lange vor ihnen da“, sagte er, von Gysi angesprochen darauf, was für ihn der Inbegriff von Heimat sei.
Das gefiel mir.
Gysi warf zwischendurch den Witz ein, wo er über den Müggelsee läuft und die Berliner rufen: ‚Kieck mal, schwimmen kann er och nich‘.
Ich hatte den Witz schon gehört, aber es machte trotzdem Spaß, ihm erneut dabei zuzuhören, wie er ihn in der ihm eigenen Art erzählte.
Was mir besonders an dem Tag gefiel: Khuon wollte nicht belehren, er erzählte seine Geschichte und sprach darüber, dass er für sich das Leben der anderen interessierte, wirklich verstehen wollte, warum manches so und nicht anders gelaufen war.
Nach fast zwei Stunden gab es stehende Ovationen.
Ich stand ebenfalls auf und klatschte begeistert mit.
Anschließend führten uns unsere Freunde in die Gaststätte ‚Pasternak‘ in den Prenzlauer Berg‘ aus.
Auch nicht schlecht. Ein rundherum gelungener Tag also
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