ZWEI TAGE MIT KRÜMEL – ZWEI GLÜCKSTAGE

 So, wie Kinder sich zu einer Geburtstagstorte freuen können, so kannst du es nie mehr in deinem Leben.

‚Ich bin Krümel und wohne…‘, stellt sich Krümel in der Tankstelle dem Verkäufer vor, während die anderen mit mürrischem Gesicht darauf warten, dass sie bezahlen und wieder losfahren können. 

‚Gibt es Haie im See?‘, fragt Krümel den Angler ganz selbstverständlich und schuld daran bin ich, der ihr das in einer Fantasiegeschichte erzählt hat. 

‚Tschüss Petri Heil‘ sagt Krümel zu dem Angler, dem ich auf diese Weise einen guten Fang wünschen wollte. 

Endlich. Der Tag war heran, wo wir Krümel wieder einmal in die Arme schließen konnten, um mit ihr im kleinen Rahmen ihren fünften Geburtstag nachzufeiern.

Es schien, als sei es erst gestern gewesen: Wir saßen beim Frühstück in der Küche und bekamen den Anruf, dass Laura ein Mädchen geboren hatte.

Mir liefen die Tränen das Gesicht herunter, obwohl ich es nicht wollte.

„Ich bin erkältet“, sagte ich zu Klara.
Jetzt waren bereits fünf Jahre vergangen und es ist, als ob die Kleine schon immer auf der Welt war.

Freitag. Ich stapfte die Treppen in der Kita hoch, um Krümel abzuholen. Sie ist gerade im Waschraum und stürmte auf mich, sprang mir in die Arme und ich war glücklich.

„Das ist mein Opa“, sagte sie stolz zu den anderen Kindern, die mich neugierig anschauten.

Wir fuhren nach Hause und Krümel fragte, wann wir endlich da wären und sie die Geschenke auspacken konnte.

„Jetzt noch einmal links um die Ecke und dann um den Kreisel, danach haben wir es geschafft“, sagte ich zu ihr, ohne den Blick von der Straße zu lassen.

„Es gibt gar keinen Kreisel, Opa“, antwortete sie.
Mit Kreisel war der Kreisverkehr gemeint, ein kleiner Kreis, in dessen Mitte ein Baum stand und drumherum Wiese war, auf der im Sommer sich die Bienen aufhalten sollten.

Ich fuhr einfach ganz um den Kreisverkehr herum.
„So, jetzt bist du im Kreis gefahren“, sagte ich zu Krümel.
„Krümel ist schlecht“, sagte nun vorwurfsvoll Laura, die hinten mit im Auto saß.

Sie hatte Angst um Krümel, weil ihr so leicht übel bei zu schnellem Fahren um die Kurven wurde.
Wir kamen zu Hause an, Krümel stürmte Oma entgegen und die Welt war wieder in Ordnung.

Sie konnte nicht schnell genug die Sachen ausziehen, schmiss die Stiefel in die Ecke und durfte nun endlich in die Wohnstube, wo der Kuchen stand, mit den brennenden Kerzen drauf und wieder mal viel zu vielen Geschenken.

Ich hatte das Handy herausgeholt, um das Ganze per Video aufzunehmen. Ich filmte und als mir der Arm wehtat, nahm ich das iPhone herunter, um festzustellen, dass ich vor Aufregung gar nicht auf die Taste gedrückt hatte.

Krümel pustete die Kerzen aus und war glücklich.
„Oma, wann essen wir die Torte?“, fragte sie Klara.
„Nachmittags zum Kaffee, nach dem Spaziergang“, antwortete Klara.

Wir fuhren nach dem Essen los und ich hielt kurz an der Tankstelle,
„Opa darf ich mitkommen?“, fragte mich Krümel.
„Aber nur, wenn du meine Hand anfasst und an meiner Seite bleibst“, sagte ich zu ihr.

Krümel nickte kurz und hatte schon die hintere Tür vom Auto auf.
Beim Bezahlen stand sie neben mir und sagte zu dem Verkäufer: „Ich bin Krümel und wohne in der ‚Rüü..ickkenstrasse‘, sagte sie ungefragt zu ihm.

„Ich habe die Hälfte davon verstanden und dafür kannst du dir hinten einen Lutscher herausnehmen“, sagte er lachend.
‚Kinder erobern die Herzen der Menschen, selbst in dieser schweren Zeit‘, dachte ich bei mir.

Wir machten einen schönen Spaziergang am Rahmer See entlang. Die Sonne schien, das Laub raschelte unter den Füssen und wir fühlten uns in eine andere Welt versetzt, eine, in der es nicht die ganzen Alltagsprobleme gab.

Auf dem Rückweg hielt es Krümel nicht mehr aus, sie wollte endlich die Torte anschneiden.
Klara saß mit ihr hinten im Auto.

„Oma, hörst du nicht wie der Kuchen ruft? ‚Wo ist meine kleine süße Maus, die mich aufisst?‘, spielte sie mit verstellter Stimme das nach, was angeblich die Torte ausrief.

Wenige Augenblicke später durfte sie die Wunderkerze ansehen, die auf der Torte brannte und dann endlich ein Stück vom Kuchen abschneiden.

Du kannst dich als Erwachsener nie wieder so freuen, wenn du Geburtstag hast.
Im Gegenteil, du bist vielleicht noch traurig, weil du wieder ein Jahr älter geworden bist.

Am nächsten Tag waren wir wieder an einem See, diesmal am Strehle-See in Prenden.

Am Ufer saß ein Angler und wir sprachen ihn an.
„Was gibt es hier für Fische?“, fragte Klara ihn.
„Aale, Hechte und viel mehr“, antwortete der.
„Auch Haie?“, fragte Krümel.
„Nein, Haie nicht“, sagte der Angler leicht verdutzt.

Krümel war enttäuscht. Ich hatte ihr so oft abends vor dem Schlafengehen oder morgens beim Frühstück erzählt, dass wir gemeinsam Angeln gehen und aus dem See einen Hai fangen.

„Na, dann Petri Heil“, sagte ich zu ihm.
„Petri Dank“, antwortete der Angler.
„Tschüss Petri Heil“, rief Krümel und lief auf den Weg zurück.

Montagmorgen. Wir sind früher als gewöhnlich aufgestanden und zum Discounter gefahren. Es gab Winterstiefel für Krümel.

Ich würde niemals für mich selbst morgens schon beim Supermarkt stehen, um nach Stiefeln zu schauen. Für Krümel aber schon.

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