Ich sitze am Sonntagmorgen am Schreibtisch, neben mir steht ein kleiner Tannenbaum, der leuchtet und etwas vorweihnachtliche Stimmung verbreitet.
Es ist noch nicht so richtig hell geworden, obwohl es bereits nach zehn Uhr morgens ist. Auf den Dächern der gegenüberliegenden Häuser liegt Schnee und ich bin froh, dass ich hier drinnen sein kann.
Wie wird es mir wohl einen Tag weiter ergehen, am Montag?
Werde ich da auch so gut gelaunt sein, obwohl es draußen ziemlich düster aussieht?
Ich lege mir schon heute etwas zurecht, warum ich am Wochenanfang motiviert sein werde.
Mir hilft das Schreiben dabei, auch wenn es anstrengend ist, laufend etwas in die Tasten zu hauen. Aber wenn du ‚schwarz auf weiß‘ machen kannst, wie es mal Maupassant gesagt hat, dann sieht die Welt schon weniger fürchterlich aus, selbst am Montag.
Ich muss beim Schreiben genauer darüber nachdenken, was mir an dem Tag alles gefallen wird.
Klar, mir fällt sofort ein, was alles nicht gut ist, und was mir auf die Nerven gehen wird.
Denke ich morgen nach dem Aufstehen darüber nach, so fällt mir gleich ein: „Das wird ein Scheißtag, ich habe keine Lust!“
Oder: Klara will am Montag mit mir in zwei Möbelhäuser fahren, obwohl ich am Dienstag ein Vorgespräch habe, auf das ich mich vorbereiten muss.
Also sitze ich heute und habe bereits schlechte Laune, weil ich noch fertig werden muss, mit meinen Vorbereitungen für das Gespräch, denn Morgen geht es ja nicht – da ist Möbel anschauen gefragt.
Doch am Montag kann ich mich wieder freuen, weil ich ja bereits gestern, so werde ich einen Tag weiterdenken, bereits das Vorgespräch strukturiert habe.
Das ist Dialektik. Gut, dass ich darin so gründlich ausgebildet bin.
Dem Alltag mehr positive Energie abringen - darüber schreibt der Autor Max Krone in seinem Buch 'Positive Psychologie für ein glückliches Leben'
Aber die blöde Dialektik, denn gleich fällt mir wieder ein, warum ich viel zu viel Bücher in meinem Leben gelesen habe und weniger irgendetwas gemacht habe, womit man auch Geld verdienen kann.
Nach der Wende, da dachte ich, ich gebe den ganzen kapitalistischen Kram mit dem Verkauf von Immobilien auf und widme mich nur noch dem Schreiben.
Ja, und was ist dabei herausgekommen? Ich bin fast Pleite gegangen und muss heute noch als Rentner arbeiten.
Aber der Dialektik sei Dank, ich tue das, was ich jetzt mache, nämlich Reden auf Trauerfeiern halten, unheimlich gern.
Es bringt meine ganzen Fähigkeiten in einem Punkt zusammen – ich verdiene Geld, ein bisschen wenigstens, ich berühre Menschen, spende ihnen Trost, ich kann meine rhetorischen Talente ausreizen und Anerkennung bekomme ich auch noch.
Also ist es wirklich gut, die Dinge von zwei Seiten zu betrachten.
Bei einer dieser Seiten ist zwar stets etwas dabei, was ich nicht so gut finde, dafür aber ist die andere wiederum hervorragend. Auf jeden Fall tue ich dann alles, dass wenigstens die eine Seite heller erstrahlt, als die andere.
Gut, dass ich in Dialektik geschult bin.
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