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Manchmal sehe ich im Fernsehen Reportagen über berühmte Maler und ihre Bilder, die auf einen Wert von über einer Million Euro geschätzt und gehandelt werden.
Ich schaue dann darauf und denke: ‚Was bist du nur für ein Einfaltspinsel, dass dich die Striche des Künstlers nicht in Verzücken versetzen?‘
Wahrscheinlich bin ich zu unsensibel, zu ungebildet auf diesem Gebiet dafür.
Doch das änderte sich, als Krümel letztes Wochenende bei uns zu Besuch war und ich sie fragte: „Kannst du nicht ein Bild für mich malen, es fehlt noch eins in meiner Galerie?“
„Mal sehen, Opa, wenn ich Lust habe“, sagte sie und verschwand wieder in meinem Zimmer.
Es ist mein Arbeitszimmer, in dem eine Couch steht, die Spielsachen von Krümel aufbewahrt werden – für die Zeit, wo sie bei uns zu Besuch ist.
Wir teilen uns also das Zimmer, aber wenn sie da ist, dann nimmt sie es vollständig in Beschlag.
Ich komm‘ dann kaum an meinen Schreibtisch ran.
Aber ich finde das gut und schiebe die Arbeit auch in diesen speziellen Tagen beiseite, im wahrsten Sinne des Wortes.
Wir hatten im Flur die alte Bücherwand stehen, die nach dem Umzug dort Platz gefunden hatte.
Das alles wirkte ein bisschen langweilig, und auch nicht so hell.
„Ich hänge hier noch Fotos von Krümel auf“, sagte Klara.
Und schon sah die Wand viel freundlicher aus, weil uns gleich ein kleines Wesen anlachte, wenn wir von draußen kamen und die Wohnungstür aufmachten.
Wenn ich aus dem Arbeitszimmer in den Flur ging, dann musste ich dort auch vorbei und schon musste ich lächeln, wenn ich Krümel mit ihrem lustigen Gesicht sah, mit ihrer Energie, die pure Lebensfreude ausdrückte.
Nach und nach brachten wir zusätzlich zu den Fotos Zeichnungen von Krümel an, die wir einfach aufklebten.
Jetzt war noch ein kleiner Platz frei, genau richtig für ein Bild von Krümel. Sie musste es nur noch zeichnen.
Krümel saß in meinem Zimmer und staunte über die vielen Buntstifte, die ich zu meinem letzten Geburtstag von Klara geschenkt bekommen hatte.
„Opa, du musst mal in deiner Kiste aufräumen, damit du alles wiederfindest.
Soll ich das für dich machen?“
„Oh ja, das wäre wunderbar“, sagte ich zu ihr.
Krümel begann sofort damit und reihte die Stifte emsig aneinander.
„Opa, kannst du mir ein weißes Blatt geben?“, fragte sie mich unvermittelt.
Ich zog eins aus dem Drucker und reichte es ihr.
Sie kniete sich auf den Fußboden und fing an zu malen.
Sie hätte es auch auf dem Tisch tun können, aber das war ja langweilig.
Sie nahm die Stifte wieder aus dem Kasten, den sie gerade eingeräumt hatte und zog eine Linie nach der anderen, malte Flächen aus, immer mit wechselnden Farben – rot, gelb, blau, dann wieder rot.
„So Opa, es ist fertig.“
Ich schaute auf das Bild und war begeistert.
Ich verstand sofort die Linien, die Farben – sie gingen direkt ins Herz und leuchteten dort.
Ich habe noch den Namen der Künstlerin daruntergesetzt, und das Datum.
Es hängt nun an der wertvollsten Galeriewand – in unseren Herzen, und ja, es ist Millionen wert, für uns auf alle Fälle.
BEITRÄGE AUS DER VERGANGENEN WOCHE
https://uwemuellererzaehlt.de/2023/09/09/das-wars-fuer-diese-woche/
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