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Von der Begegnung mit Michi, einem Menschen, den ich zufällig morgens beim Sport getroffen habe, den ich nicht groß kenne und trotzdem eines weiß: Er hat ein großes Herz.
Es war kurz nach fünf Uhr, als ich aufwachte und dachte: ‚Bis halb sechs kannst du noch liegenbleiben.‘
Also drehte ich mich wieder um und versuchte wieder einzuschlafen.
Es klappte nicht.
Ich schob die Decke beiseite und hievte missmutig die Beine aus dem Bett.
Soweit erst einmal gut. Im gleichen Moment überlegte ich, warum ich mir das überhaupt antat.
‚Jetzt bloß nicht schwächeln‘, dachte ich bei mir.
Also begann ich mir ein bisschen Wasser ins Gesicht zu tupfen, legte die Hand unter den Wasserstrahl und anschließend ins Genick.
Ich schüttelte mich und merkte, dass der Motor in Gang kam.
Es dauerte nicht lange und ich war im Keller, um mir meine Wander-Stiefel anzuziehen.
Ich trug sie im Sommer und im Winter.
Bewaffnet mit einem Rucksack, den Nordic-Walking-Stöcken in der Hand sah ich aus, als wollte ich die Zugspitze erklimmen.
Ich wollte aber nur bis zum Stadtpark.
Als ich dort angekommen war, da schnallte ich die Stöcke um und lief los.
Der Anfang war schwer. Es ging leicht nach oben und ich keuchte bereits nach den ersten Schritten.
Ich biss die Zähne zusammen und ging weiter.
Aus der Ferne war ein Martinshorn zu hören, wahrscheinlich ein Krankenwagen.
Ich lief bis zum zweiten Teich im Park oder wie Krümel sagte: ‚bis zum zweiten ‚Fluss‘.
Auf der Rücktour kämpfte ich mich am Mauerwall entlang und fühlte mich bereits ein wenig besser.
Endlich. Ich war im Park, lief bis zum Spielplatz und bog dann in eine zweite Runde ein.
Diesmal aber lief ich nur bis zur Treppe. Es ging bis dahin noch einmal etwas bergan, und ich zog das Tempo zum letzten Mal an.
Als ich an der Treppe war, stieg ich die wenigen Stufen hinunter und suchte die erste Bank, auf der ich mich ein wenig ausruhen konnte.
Ich machte den Rucksack auf, holte die Wasserflasche raus und nahm einen kräftigen Schluck.
Ich streckte die Beine von mir und schaute auf die gegenüberliegende Seite.
Herrlich, so zu sitzen und in den Park zu schauen.
Ich sah, wie Michi gemeinsam mit seinem Hund Pepe den Weg entlangkam und auf mich zusteuerte.
Das war das Zeichen, mit der zweiten Übung zu beginnen.
Ich hatte das Treppengeländer als ideales Übungsgerät ausgemacht.
Ich konnte dort das Telefon rauflegen und auch die Liegestütze absolvieren.
Zum Schluss bewegte ich die Fersen auf und ab und konnte mich dabei am Geländer festhalten, damit ich das Gleichgewicht hielt.
„Ich dachte schon, Sie kommen heute nicht, bei dem regnerischen Wetter“, rief Michi schon von Weitem.
Wir waren das erste Mal am Dienstag aufeinandergetroffen.
Er sprach mich an, als ich dabei war, Kniebeuge zu machen.
„Das finde ich toll, dass Sie sich schon zu so früher Stunde überwinden können“, rief er mir freundlich zu.
Ich freute mich über diese Motivation.
Wer sagte so etwas schon zu einem wildfremden Menschen?
„Das muss ein guter Mensch sein, mit einem großen Herzen“, schoss es mir durch den Kopf.
„Oh danke, das freut mich sehr“, antwortete ich.
„Wir sind viel zu wenig freundlich zueinander“, sagte er mir.
„Es stimmt“, antwortete ich und wusste, wovon er sprach.
Wie oft begegneten mir Menschen mit finsteren Mienen, die da besagten: ‚Lass mich bloß in Ruhe.‘
Ich ließ die Leute in Ruhe, nur wenn mir jemand ins Gesicht sah, ja dann nickte ich oder sagte einfach ‚hallo‘.
Aber Michi war gutgelaunt und er wollte vor allem freundlich sein.
Freundlich sein, auf Menschen zugehen, das ist ein Zeichen von Stärke, eine Geste des Respekts, der gegenseitigen Wertschätzung.
Als ich nun Michi heute wiedertraf, da fragte ich ihn nach seinem Vornamen.
Ich musste einfach über so einen Menschen ein paar Worte verlieren, ein paar Zeilen schreiben.
Michi ist dreiunddreißig, ich bin inzwischen 73 Jahre.
Uns trennen vom Alter her Welten, aber von der Einstellung, da gleichen wir einander.
Ich habe ihn gefragt, ob ich über unsere Begegnung schreiben dürfte.
Michi nickte, was ich als Zustimmung wertete.
„Wie heißt der Hund?“, habe ich ihn noch zum Schluss gefragt.
„Das ist Pepe.“
Pepe guckte mich an, so als wollte er sagen: ‚Dicker, was hältst du mein Herrchen hier mit deinem Geschwätz auf, wir wollen nach Hause, zum Fressnapf.‘
Wir haben uns verabschiedet.
Michi lief mit Pepe weiter und ich habe noch meine Übungen zu Ende gemacht.
Ich lief mit einem guten Gefühl nach Hause.
Vielleicht treffe ich ihn ja mal wieder, und dann freue ich mich, wenn wir ein paar Worte wechseln, jeder wieder mit ein bisschen mehr Motivation in den Tag geht, einfach positiv gestimmt ist.
„Michi und Pepe – danke, dass ich Euch kennenlernen durfte.“
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