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DER KLEINE EMILIAN IST DA

19.11.2021

INTERVIEW MIT IANA SALENKO, PRIMA BALLERINA AM STAATSBALLETT BERLIN, ANLÄSSLICH DER GEBURT IHRES DRITTEN KINDES

Es ist Samstag, der 30. Oktober 2021. Ich habe mich mit Iana in ihrer Wohnung verabredet.
Marian, ihr Ehemann, sowie ihre Söhne Marley und William sind ebenfalls dabei.
Emilian liegt in seinem Bettchen und schläft.
Wir sprechen, manchmal sogar laut, lachen zwischendurch. Das alles stört das neue Familienmitglied nicht sonderlich.
Es scheint, als würde er die Liebe und Geborgenheit spüren, die ihn umgeben.
William, nun schon über zwei Jahre alt, sitzt mir am Tisch gegenüber und mustert mich aufmerksam. Ich erinnere mich: Als er geboren wurde, habe ich Iana danach ebenfalls interviewt.
Nun erfahre ich etwas mehr über die Geburt von Emilian.
Wie die Familie auf den Namen ‚Emilian‘ kam

Die Namenssuche begann bereits Wochen vorher. Die Idee für den Namen ‚Emilian‘, die hatte ursprünglich Marley.

„Ich wollte ihn zuerst Emilio nennen. Aber das hörte sich zu Italienisch an. Und dann kamen wir auf Emil, schließlich auf Emilian.

Der Name hat meiner Mama nicht so richtig gefallen. Papa auch nicht wirklich“, sagt er.

Er erklärt weiter: „Mama wiederum wollte ihn Gabriel nennen und Papa hatte sich außerdem den Namen Kilian einfallen lassen. Wir konnten uns nicht auf einen Namen einigen.

Deshalb sollte das Los entscheiden. Mama, Papa und ich schrieben also jeweils einen Namen auf einen Zettel“, sagt der dreizehnjährige Marley.

Iana ergänzt, dass ihre Mama die Verwirrung komplett machte, weil sie das Kind gern Andrew nennen wollte.

Die Familie einigte sich nach einigem Hin- und her auf ‚Emilian‘.
„So richtig war ich auch nach der Geburt nicht mit dem Namen ‚Emilian‘ zufrieden.

Er ist so schwer auszusprechen. Aber dann dachte ich wiederum, dass Emilian auch gut zu meinem Namen passen würde“, sagt Iana abschließend.

Der Tag der Geburt von Emilian

Emilian kam am 22. September 2021, 05.43 Uhr auf die Welt.
Iana ist dabei erst morgens gegen vier Uhr ins Krankenhaus gefahren.

„Ich war erkältet, hatte mich bei William angesteckt. Gegen 23.00 Uhr hatte ich starken Husten und ausgerechnet da begannen meine Wehen. Das alles zusammen war schrecklich.

Aber dann bin ich doch unter der warmen Decke eingeschlafen.
Ich dachte, ich könnte entspannen, der Husten war jedenfalls zurückgegangen.

Gegen halb vier Uhr morgens bin ich aufgestanden, weil die Fruchtblase geplatzt war.

Ich dachte noch: ‚Um Gottes Willen, bitte nicht jetzt, in der Nacht‘.“
Ich hörte staunend zu, dass Iana noch so viel Disziplin aufbrachte und sich zurechtmachte, obwohl ihre Wehen sogar noch stärker geworden waren.

Anschließend ging sie zu Marian, um ihn zu wecken.
„Hey, geht es wirklich los?“, fragte der Iana schlaftrunken und rieb sich verwundert die Augen, als ob er es nicht glauben konnte, was seine Frau ihm gerade gesagt hatte.

Die Wehen bei Iana verstärkten sich indes weiter.
Nun war Marian elektrisiert. Er rief seine Mutter an, um sie dazu bewegen, in der Nacht zu ihnen zu kommen.

„Oma sollte herkommen, weil ich ja allein war. Sie war auch gleich da“, sagt Marley.

Dann ging alles sehr schnell. Marian fuhr Iana zügig ins Krankenhaus.

„Faktisch bin ich von der Straße weg gleich in den Kreißsaal gekommen“, sagt Iana.

„Bei William war es nicht so, da bin ich noch in einem anderen Zimmer gewesen, sozusagen in Warteposition.

Aber die Geburt von Emilian verlief anders. Iana war kaum im Krankenhaus, da ging es schon los.

„Am Anfang war es schmerzhaft. Aber Marian war ja in meiner Nähe, und er hat mich gestreichelt.“

Die Situation veränderte sich, als Marian schwindlig wurde.
Iana hatte nun das Gefühl, sich mehr um ihren Mann kümmern zu müssen als um die eigene Geburt.

„Das war irgendwie komisch für mich und ich habe gefragt, ob es für Marian auch noch ein Bett gäbe.“

Es ging aber alles gut, Marian fing sich wieder. Emilian kam auf die Welt und die Eltern waren glücklich.

„Ich bin schon eine halbe Stunde nach der Geburt aufgestanden und habe die Koffer gepackt. Die Schwester bot mir noch Hilfe an, aber ich habe abgelehnt“, sagt Iana.

Sie wollte am liebsten gleich nach Hause. Aber das ging natürlich nicht.

Die Schwester setzte sie in einen Rollstuhl und fuhren sie in ein Krankenzimmer.

„Ich kann laufen“, hatte Iana vorher mit Bestimmtheit gesagt, aber das ließ die Schwester nicht zu.

„Ich war ja vorher schon umhergelaufen, hatte mit meiner Mutter telefoniert und sogar ein kleines Video mit dem Handy aufgenommen“, erklärt sie lachend.

Die größte Sorge, die Iana nach der Geburt hatte war, dass sie wieder Schwierigkeiten wegen ihrer Placenta bekam. Aber die blieben diesmal aus.

„Ich war deshalb doppelt glücklich. Einmal, weil alles mit der Geburt glatt gelaufen war und zum anderen, weil es keine Probleme in der Phase der Nachgeburt gab.“

Iana blieb noch für zwei Tage im Krankenhaus.
„Das war ganz gut, weil sie dort gleich die U2-Untersuchung machen konnte und nicht mit Emilian zum Kinderarzt musste“, sagt Marian.

Wieder Zuhause, nach der Geburt

Emilian hat die kleine Familienwelt komplett auf den Kopf gestellt.
„Mama steht morgens gegen vier Uhr auf“, sagt Marley.

Dafür geht sie mit William schon um acht Uhr abends schlafen. Er liegt mit im Ehebett, Emilian dagegen schläft im Kinderbett.
Zwischen vier und fünf Uhr früh stillt Iana Emilian.

Sie kann also die Hälfte der Nacht durchschlafen, in der Regel mindestens von abends acht Uhr bis morgens gegen zwei, drei Uhr.

„Ich bleibe länger auf, meist bis Mitternacht. Ich wickele Emilian noch und gebe ihm Milch, bevor ich selbst ins Bett gehe“, sagt hingegen Marian

Iana trainiert schon wieder

„Das Leben einer Balletttänzerin ist zu kurz aus beruflicher Sicht, als dass man lange warten kann, um weiterzumachen.

Außerdem: Ich fühle mich besser, wenn ich was mache“, begründet Iana ihren Willen, so schnell wie möglich zurück auf die Bühne zu gehen.

Am 23.12.2021 findet die Aufführung Don Quichote statt, wo sie das erste Mal nach der Schwangerschaft auftritt.

„Das ist nicht leicht, mich darauf vorzubereiten, aber ich schaffe das, und es ist auch eine große Motivation für mich, wieder dabei zu sein“, sagt sie.

Iana ist glücklich, wenn sie an ihre Familie denkt.
Sie macht sich nur Sorgen um Marian.

„Er ist zurzeit nicht richtig glücklich, weil er noch stark mit den Nebenwirkungen von Corona zu kämpfen hat“, sagt sie.

„Das Joggen hilft mir mental enorm“, mischt sich Marian ins Gespräch ein und erklärt, dass es ihm schon viel besser geht als noch vor einigen Monaten.

Die Familie wird auch diese schwere Zeit überstehen, da bin ich mir sicher.
William schmeißt sein Spielzeugauto durch das Wohnzimmer. Für ihn ist das Interview beendet.

Ich nehme das als Zeichen, bedanke mich für das offene und freundschaftliche Gespräch.



Mehr lesen:
2021: https://uwemuellererzaehlt.de/ueber-menschen-erzaehlen/menschen-im-alltag-2021/

2020:https://uwemuellererzaehlt.de/ueber-menschen-erzaehlen/menschen-im-alltag-2020/

2019: https://uwemuellererzaehlt.de/ueber-menschen-erzaehlen/menschen-im-alltag-2019/

2017: https://uwemuellererzaehlt.de/ueber-menschen-erzaehlen/menschen-im-alltag-2017/

 

PRIMA BALLERINA ERWARTET IHR DRITTES KIND

Iana Salenko

MENSCHEN IM ALLTAG-2021.08.05

Einführung:
Ich habe mit Iana Salenko, der Prima Ballerina vom Staatsballett Berlin, in der zweiten Hälfte Juli gesprochen - in ihrem Haus in Berlin.

Wir sprachen darüber, wie es ihr aktuell geht, was sie besonders glücklich macht und welche Neuigkeiten es gibt.

„Wir erwarten Ende September ein Kind und sind überglücklich, dass unsere Familie größer wird.“

Was mich immer wieder an der Persönlichkeit von Iana fasziniert: Sie ist bodenständig, bescheiden und herzlich in unseren Begegnungen.
Sie antwortet spontan, und sie ist ehrlich.

Iana ist eine Frau mit viel Charisma, es fällt nicht schwer, sich von ihrer Persönlichkeit in den Bann ziehen zu lassen.

Das ist das Interview, das ich mit ihr am 20. 07.2021 geführt habe.

Iana, du machst einen sehr fröhlichen Eindruck auf mich. Täusche ich mich da, oder geht es dir tatsächlich so gut?
Nein, du täuscht dich nicht. Es geht mir prima, körperlich und mental.

In welchem Monat bist du schwanger?
Im siebenten Monat.

Also kommt das Kind im September?
Ja, Ende September, Anfang Oktober.

Wie sehr freust du dich auf das Kind?
Ich freue mich natürlich sehr.
Immer wenn ich Kinder umhertollen sehe oder meinen eigenen Kindern, Marley und William, zuschaue, dann freue ich mich noch mehr auf das dritte Kind.

Ich bin auch ruhiger, weil ich wieder in das gleiche Krankenhaus wie vor zwei Jahren gehe, die Ärzte kennen mich. Ich vertraue dem medizinischen Personal dort sehr.

Wird es dein letztes Kind sein?
Ich denke, es ist das letzte Kind, das ich zur Welt bringe.
Aber ich will mich natürlich nicht generell festlegen. Das Leben ist ja deshalb spannend, weil es nicht bis ins letzte Detail vorhersehbar ist.

Ich will ja auch wieder in meinen Beruf rein und möchte mich noch weiterentwickeln.

Außerdem bin ich in einem Alter, indem ich wahrscheinlich mit der Familienplanung allmählich abschließen sollte. Also ist das für den gegenwärtigen Zeitpunkt erst einmal das letzte geplante Kind.

Und trotzdem: Alles, was die Familie ausmacht, das macht schon sehr viel Spaß.

Iana, wir haben oft ein Interview geführt, wenn du schwanger warst. Ein Zufall sozusagen.
Ist das nicht ein positives Omen?
Ja, das war 2008, 2019 so. Und jetzt wieder. Das stimmt und ich freue mich, dass wir wieder miteinander sprechen können.

Danke, das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Ich finde auch, dass du über die Jahre sehr viel lockerer geworden bist. Wie siehst du dich selbst?
Ich spreche die deutsche Sprache natürlich viel fließender, als es noch vor Jahren der Fall war.

Ich interessiere mich heute für die Philosophie der Kindererziehung, lese sehr viel, bin dadurch kommunikativer geworden. Alles zusammen, was hier hineinspielt hat mit dazu beigetragen, dass ich mich stärker geöffnet habe.

Ich denke ebenso an meine Kindheit zurück, überlege, was ich daraus an Positivem in die Erziehung meiner Kinder einfließen lassen kann und was ich an negativen Erlebnissen habe, die ich heute vermeiden will, wenn es um meine Kinder geht.

Woran denkst du da konkret?
Zum Beispiel, wie viel Freiraum ich meinen Kindern lasse und wann ich eingreifen will, also Grenzen setzen muss.

Wie geht es weiter, wenn das Kind da ist?
Ich bin nach der Geburt im Mutterschutz, ca. 8 Wochen und danach gehe ich zurück ins Ballett.

Und wer übernimmt dann die Versorgung und Betreuung der Kinder?
Diese Aufgabe teile ich mir mit Marian. Außerdem: Die ganze Familie steht bereit, um zu helfen – meine Mutter, Marians Mutter, die Tante. Wir haben sehr viele Familienmitglieder, die mich gern unterstützen wollen.

Marians Mutter ist dann in Rente, seine Tante ebenfalls und sie wollen auf jeden Fall helfen.

Meine Mutter möchte mich auch sehr gern unterstützen. Wir brauchen es nur zu sagen.
‚Ruft an, ich komme sofort‘, hat sie mir gesagt.

Bist du aktuell glücklich mit deiner Situation?
Ja, absolut. Allein die Tatsache, dass ich Kinder habe und noch eins dazukommt, das macht mich schon glücklich.

Meine letzte Schwangerschaft war sehr gefährlich, und so wusste ich nicht, ob ich noch einmal Kinder bekommen kann. Deshalb bin ich jetzt schon sehr froh, dass alles normal verläuft.

Was sagt Marian jetzt zu deiner dritten Schwangerschaft?
Er ist auch sehr glücklich und hilft, wo er kann. Er ist ein sehr guter Vater für unsere beiden Söhne, spielt mit ihnen. Sie haben Spaß zusammen, aber er kann ebenfalls streng sein, wenn es angebracht ist. Er ist liebevoll und streng zugleich.

Wenn alles gut läuft, dann könntest du ja im Dezember bereits wieder auftreten, oder?
Ich möchte so schnell wie möglich nach der Geburt meines Kindes wieder zurück an die Arbeit.

Ich bin bereit, wieder voll einzusteigen, aber ich will berücksichtigen, dass ich wahrscheinlich eine gewisse Zeit benötige, in der ich mich wieder an die Arbeit anpasse, an das Training und erst allmählich die Leistungen steigere.
Es braucht eben alles seine Zeit.

Iana, wie sehen für dich die nächsten Jahre aus, was stellst du dir vor?
Natürlich stehen die Kinder im Vordergrund, denn es macht ja viel Spaß, sie aufwachsen zu sehen.

Ich hoffe, dass ich entscheiden kann, was ich tanzen will.
Früher habe ich alle Aufträge angenommen, jede Gala, habe nicht auf meine Gesundheit geachtet.

Zwischen den Auftritten waren ja zusätzlich die Flüge, das Reisen überhaupt, und so war ich oft todmüde.
Das hat natürlich an meinem Körper gezerrt und es laugt dich dann ebenso mental aus.

Ich wollte immer mehr, ich war zum Teil wie im Rausch, und das geht nicht ein Berufsleben lang gut.

Jetzt möchte ich da mehr aussuchen, schauen, was am besten zu mir passt. Denn nur so kann ich zu Höchstleistungen gelangen. Das ist für das Staatsballett wichtig, für das Publikum und für mich selbst.
Ich möchte auf die Qualität achten und dann in weniger Vorstellungen mehr von meinem Können reingeben.

Wie lange willst du noch tanzen?
Mein Plan ist es, noch zehn Jahre zu tanzen.
Bis ich 50 Jahre alt bin, solange will ich noch aktiv sein. Klar, ich muss auf die Ernährung achten, gesund leben, damit ich die nötigen Leistungen abrufen kann.

Dabei spielt eine große Rolle, dass ich von Kindheitsbeinen an im Wettbewerb stand, schon an der Ballettschule in Donezk. Ich will gewinnen, ich will meine Ziele erreichen. Diese Haltung verfolgt mich schon mein ganzes Leben.

Dazu gehört, dass man bereit ist zu leiden, es gehören Schmerzen dazu. Und das erträgst du nur, wenn dein Kopf es will, dass du gewinnst.

Wie gehst du damit um, wenn du an deine Grenzen stößt?
Zunächst will ich bis an meine Grenzen kommen, sie austesten und möglichst noch überschreiten.

Aber ich möchte nicht ohne Rücksicht auf Verluste meine Ziele erreichen.
Wenn es absolut nicht geht, dann akzeptiere ich das.

Hat die Tatsache, dass du Kinder hast, jetzt ein drittes bekommst mit dazu geführt, dass du dich vielleicht mehr zurücknimmst?
Ja, schon. Man überlegt mehr, wo es sich lohnt, die Kräfte einzusetzen. Ich möchte mein Leben nicht nur dafür opfern, zu gewinnen, zu kämpfen, Geld zu verdienen.
Ich denke, das Leben hält mehr bereit.

Was zum Beispiel?
Früher bin ich von einem Termin zum nächsten gehastet. Jetzt arbeite ich ebenfalls hart, aber ich bin mehr bereit, das Erreichte zu genießen.

In den vergangenen Zeiten da kam es vor, dass ich einen Preis gewann und ihn nicht würdigen konnte, sondern ich wollte sofort zum nächsten Wettbewerb eilen, um noch mehr zu erreichen.

Meine Eltern haben mir manchmal gesagt, ich solle mich noch mehr anstrengen, um weitere Erfolge zu haben. Aber das ist verständlich, weil sie für mich das Beste wollten, dachten, ich müsste meine Zeit nutzen. Nur die Zeit, die Lebenszeit verstreicht dabei ebenso und das ist unwiederbringlich.

Was haben in deinem Leben deine Eltern für eine Erwartungshaltung an dich aufgebaut und wie siehst du das heute?
Bei meiner Mutter durfte ich vieles nicht. Sie fragte, warum ich etwas Bestimmtes so gemacht habe und nicht so, wie es sich meine Mutter vorstellte.

‚Du musst es so machen‘, hat sie mir in solchen Momenten gesagt.
Das war für mich ein großer Druck, der von ihr ausging.

Mein Vater hat mich zwar unterstützt, aber er hat oft gesagt: ‚Dein Bruder Jaroslaw ist besser als du.‘

Das demotiviert dich mit der Zeit. Vielleicht hat es aber auch geholfen, dass er das zu mir gesagt hat, um mich nach vorn zu treiben. Aber eine wirkliche anhaltende Motivation war das für mich nicht.

Meine Oma hat eine große Rolle in meiner Kindheit gespielt. Das ist bis heute in meinem Denken und Fühlen so.  Sie war gelassener.

Sie hat mich machen lassen, was ich machen wollte. Und was ich nicht wollte, das habe ich eben nicht gemacht. Sie gab mir das Gefühl frei zu sein. Das ist der beste Weg, um sich zu entfalten.

Was war das Schönste daran, dass du viel auf dem Dorf bei deiner Oma warst?
Ich war allein dort, kein Bruder war mit. Ich konnte im Baum sitzen, mir die Knie beim Runterspringen aufschlagen, frei herumtoben.

Für meine Mutter war es ja schwer, weil wir fünf Kinder zuhause waren. Ich war die kleinste und ein Mädchen. Die anderen waren alle Jungs und jeder in einem anderen Alter.

Das war schon schwierig für meine Mutter, das alles zusammenzuhalten. Und deshalb bin ich eben gern zwischendurch mal bei meiner Oma gewesen und für meine Mutter war dies ebenfalls eine Unterstützung, die meine Oma ihr gab.

Meine Oma war das Beste, was mir in meiner Entwicklung passieren konnte. Sie hat nie viel gesagt.
Aber sie war fröhlich, hat mir meine Wünsche von den Augen abgelesen.

Ich war dort einfach glücklich und konnte mich selbst entwickeln.
Es ist schon gut, wenn sich dein Kind ausprobieren kann und nicht gleich in die Schranken gewiesen wird.

Würdest du den Weg, den du als Kind und Jugendliche gegangen bist noch einmal gehen?
Ich wollte damals aus der Familie raus, wollte für mich sein. Das war ein wichtiger Beweggrund, warum ich so früh in der Ballettschule in Donezk angefangen habe.

Ich wollte einfach weg von meinem Zuhause und das war eine Möglichkeit, mit 12 Jahren rauszukommen aus der Familie, frühzeitig meinen Weg zu gehen. Ich denke, meine Kinder haben hier bei uns zuhause viel bessere Bedingungen, sodass man das nicht so vergleichen kann.

Welche Schlussfolgerungen ziehst du daraus für die Erziehung deiner Kinder?
Grundsätzlich kann ich viel Positives aus meiner Erziehung weitergeben.

Ich habe einen Beruf gelernt, den der Tänzerin, ich hatte ein gutes Elternhaus, die fürsorglich für mich waren. Aber ich mache das heute mit meinen Kindern mehr spielerisch, zum Beispiel bei Marley.
Er dreht gern Videos und ich mache ihm Mut, stärke ihn, dranzubleiben.

Dazu gehört auch, dass ich sage, wenn ich entdecke, dass ein Kind sich noch mehr entwickeln kann und vielleicht sogar schon mal weiter war.

Das ist stets eine Frage des Ausbalancierens und das Ganze ist verbunden mit der Liebe der Eltern zu ihrem Kind.

Was machst du, wenn du dich mal zurückziehen willst?
Ich schlafe dann und danach sehe ich die Welt schon wieder mit anderen Augen.

Manchmal ist mir etwas zu viel. Marian war an Covid-19 erkrankt, Marley kommt allmählich in die Pubertät und dann noch das Kleinkind, da gab es Phasen, wo ich mich zurückziehen wollte.

Nach dem Schlafen ist es besser für mich, ich bin dann wieder positiv drauf.

Was magst du an Marian besonders?
Er ist ein Familienmensch, ist für mich da, hilft mir, kann sich zurücknehmen.

Das ist für mich ganz besonders wertvoll in unserer Beziehung.
Wir haben 2005 geheiratet und unsere Liebe hat Bestand.

Wie geht Ihr mit Konflikten in dieser Zeit um?
Meine Erfahrung ist, dass ich in Konfliktsituationen loslasse.
Marian kämpft noch mit den Langzeitwirkungen aus seiner Covid-19-Erkrankung.

Das hindert ihn daran, aktuell richtig durchzustarten, sich wieder voll auf seine berufliche Karriere zu konzentrieren.

Er kämpft mit seinen Zweifeln, Träumen, Ängsten und daraus entstehen schon mal stressige Gespräche. Aber das ist es ja auch, was das Leben spannend macht.

Niemand kann ja ernsthaft von sich behaupten, dass er ohne Widersprüche und Konflikte durch das Leben kommt.

Sie sind ja gerade oft die eigentlichen Treiber dafür, dass man weiter vorangeht seinen Weg findet.

Kurzum, Konflikte gehören zum Leben einfach dazu, wir reden sie nicht herbei, aber wir gehen mit ihnen um und letztlich stärkt das unsere Liebe.

Bist du ein glücklicher Mensch?
Ja, bin ich. Ich liebe meinen Mann, meine Kinder, was für ein größeres Glück könnte man haben?
Ich bin natürlich auch stolz auf das, was ich erreicht habe.

Iana, ich wünsche dir alles Gute für dich und deine Gesundheit und das alles gut verläuft mit der Geburt.

 

VERA TOMASCHEWSKI – EIN MENSCH, DEM MAN IM ALLTAG GERN BEGEGNET

MENSCHEN IM ALLTAG – 2021.07.14

INTERVIEW MIT VERA TOMASCHEWSKI

INTRO:
Vera Tomaschewski ist Versicherungsfachfrau (BWV). Der Sitz ihrer Hauptvertretung – AXA-Versicherung AG – ist Bad Freienwalde, dort, wo sie auch mit ihrer Familie Zuhause ist.
Ich habe sie am 22.06.2021 interviewt.

Es hat ausgesprochen Spaß gemacht, mit Vera Tomaschewski zu reden, und nicht nur das, sondern auch ihr zuzuhören, was sie zu sagen hat.
Sie hat viel zu erzählen – von ihrem Beruf, den sie liebt, von ihrem Werdegang, der nicht ohne Rückschläge und Konflikte verlief.

Vera Tomaschewski machte auf mich am Telefon einen sympathischen und in sich ruhenden Eindruck.
Doch sie hat durchaus Humor, kann selber gut zuhören, darauf achten, was den anderen bewegt.

Du spürst, dass du dich öffnen kannst, ihr einfach sagen solltest, was dich im Leben umtreibt.

Und wenn du eine Frage zu Versicherungen hast, dann ist sie in der Beratung die erste Wahl.
Weil sie so viel Fachkompetenz mitbringt? Sicher.
Entscheidend aber ist, dass sie authentisch ist, nicht drumherum redet, die Dinge einfach lässt, so dass du folgen kannst.

Meine Lebenserfahrung hat mich mal wieder in einem zentralen Punkt bestätigt:
Vertraue dem, dem es ernst ist mit dem ethischen Handeln, der es zu seinem wichtigsten betriebswirtschaftlichen Kriterium erhebt.

27 Jahre übt Vera Tomaschewski nun schon ihren Beruf aus.
Sie kam vom Lehrerstudium, wurde über Umwege Erzieherin und fand schließlich ihre Bestimmung, nämlich Versicherungskauffrau zu sein.

Natürlich, vor über zwei Jahrzehnten hätte sie es wohl nicht für möglich gehalten, dass sie mal sagen würde, dass gerade dieser Beruf ihre eigentliche Berufung ist.

Sie hat es geschafft, weil sie mit Leidenschaft, mit viel Herz, und einem Rucksack an Fachwissen diesen steilen Berg hinaufgeklettert ist.

Das ist das Interview mit Vera Tomaschewski:

Frau Tomaschewski, was glauben Sie, was bringen Ihre Kunden mit Ihrer Person in Verbindung?
Ich behandle meine Kunden so,  wie auch ich behandelt werden möchte. Das ist übrigens mein Credo, dem ich von Anfang an treu geblieben bin.
Deshalb bin ich davon überzeugt, ja ich weiß es, dass sie sich von mir gut betreut fühlen.

Warum ist es Ihnen so wichtig, dass Ihre Kunden von Anbeginn zu Ihnen Vertrauen fassen?
Nun, zum einen ist mir dieses ethische Anliegen einfach menschlich wichtig.
Zum anderen gibt es noch einen weiteren Aspekt: Nach der Wende kamen in die damals neuen Bundesländer sehr viele Versicherungsvertreter, überwiegend aus dem Westen, denen es nicht um eine nachhaltige Beratung ging.

Sie waren darauf aus, schnelle Abschlüsse zu generieren. Da haben sich viele Ostdeutsche über den Tisch gezogen gefühlt, wie man das so umgangssprachlich formuliert.

Diesem Trend wollte ich etwas entgegensetzen. Also habe ich stets versucht, versicherungstechnisch die optimalen Bedingungen für meine Kunden herauszuholen.

Hinzukam, dass ich stets darauf geachtet habe, dass wir eine gute Gesprächsatmosphäre haben. Der Kunde sollte sich wohlfühlen, sich nicht gedrückt fühlen, sondern wissen, dass ich ihn verstehe und daran anknüpfend die auf ihn maßgeschneiderten Konditionen und vertraglichen Bedingungen heraushole.

Was war der Grund, warum Sie in die Versicherungsbranche gegangen sind?
Ein Motiv war, dass ich thematisch bereits angerissen habe. Wir bekamen nach der Wende von Beratern Versicherungsverträge rhetorisch ‚aufs Auge gedrückt‘, die wir gar nicht wollten und die wir auch nicht brauchten.

Zunächst habe ich noch gedacht: ‚Oh, das hört sich ja toll an.‘ Aber später, im Nachgang, da merkten wir, wie schwierig es war, wieder aus den Verträgen herauszukommen.

Irgendwann hatte ich einfach keine Lust mehr, so unwissend dazustehen, sondern ich machte mich kundig, wollte selbst wissen, was ich da abgeschlossen hatte.

Es kam noch ein weiteres Motiv hinzu. Mein Mann arbeitete in dieser Zeit bei der Wasserschutzpolizei.
Er wurde nach der Wende verbeamtet.

In seiner Behörde wurden Mitarbeiter gesucht, die nebenberuflich als Versicherungsverkäufer arbeiten wollten.

Mein Mann konnte so einer Tätigkeit nichts abgewinnen. Er war in dieser Zeit beruflich selbst viel unterwegs, nahm vor allem an zahlreichen eigenen Weiterbildungsmaßnahmen teil.

Ich hingegen interessierte mich für diese Tätigkeit, obwohl ich ja einen eigenen Beruf hatte und in meiner Tätigkeit voll ausgelastet war.

Dennoch, ich fragte nach, ob sich auch Frauen dafür bewerben konnten. Denn eigentlich war der Versicherungsmarkt nach der Wende mehr oder weniger eine Männerdomäne.

Also fragte ich denjenigen, der die sogenannten ‚Nebenberufler‘ betreute, ob ich mich ebenfalls bewerben konnte.

Die Idee für mich bestand zudem darin, die Weiterbildung zu nutzen, damit man selbst nicht so dumm dastand, wenn jemand kam, der einem etwas über Versicherungen erzählen wollte.

Und so begann meine Karriere in der Versicherungswirtschaft, neben meinem eigentlichen Beruf.

Wie ging es weiter?
Aus dem Rand von Berlin kam regelmäßig ein Mitarbeiter der Versicherung, der mit uns eine Produktschulung durchführte, in der Regel monatlich.

Das hat uns Teilnehmern allen sehr gut gefallen.
Es war ein kleiner Kreis, die Räume waren in einer Gaststätte und so saßen wir nach der Schulung zusammen und haben unsere Erfahrungen, unser Wissen ausgetauscht.

Nachdem die Schulungen zu Ende waren, wurde ich registriert und konnte so nebenberuflich meiner Tätigkeit nachgehen.

Haben Sie denn viele Verträge geschrieben?
Nein, das war anfangs sehr überschaubar. Meine Abschlüsse machte ich vor allem im Kollegenkreis, das waren für mich schon Erfolge, doch darüber hinaus ging es zunächst nicht, zumindest nicht in der Zeit von 1991 bis 1994.

1994 trat der damalige Chef der Versicherungsgesellschaft an mich heran und fragte, ob ich nicht hauptberuflich weitermachen wollte.

Die Fluktuation von Mitarbeitern war damals sehr groß. Ich entschied mich, ganz für die Versicherung zu arbeiten und gab meine frühere Tätigkeit auf.

Können Sie mal Ihren beruflichen Werdegang in den wichtigsten Abschnitten schildern?
Ich wurde 1968 eingeschult und habe die Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule besucht.

Anschließend bin ich in die Erweiterte Oberschule gewechselt, dem heutigen Gymnasium.

Mein Abitur habe ich 1980 gemacht. Ich wollte immer Lehrer werden, schon von der ersten Klasse an.

Ich hatte nie einen anderen Berufswunsch, und ich habe alles darangesetzt, diesen Beruf auch zu erlernen.

Ich ging 1980 folgerichtig an die Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald und habe dort in den Fächern Geografie und Mathematik studiert.

Geografie war mein Hauptfach, Mathematik das Nebenfach. Insgesamt hat mir das Studium einen riesigen Spaß gemacht.
Und trotzdem musste ich im dritten Studienjahr aufhören.

Wie kam es dazu?
Ich will es mal so ausdrücken: Wir hatten einen Professor, der etwas kompliziert war.

Der hat mir mein Studium regelgerecht verleidet. Im Ergebnis schaffte ich eine Prüfung in Mathematik nach dem zweiten Jahr nicht, obwohl ich mich sehr intensiv vorbereitet hatte.

Dieser Professor musste zwar ein Jahr nach mir ebenfalls die Universität verlassen, doch das half mir dann auch nicht mehr weiter.

Obwohl ich also bereits nachfolgende Prüfungen bestanden hatte, musste ich nach dem 5. Semester gehen. Das war bitter für mich, denn ein Lebenstraum von mir zerplatzte in dem Moment.

Gab es denn keine anderen Möglichkeiten als die Kombination von Geografie und Mathematik?
Geografie wollte ich unbedingt studieren. Es gab noch Geografie und Sport.
Aber im Sport hätten die Leistungen nicht ausgereicht. Es blieb nur die Alternative von Geografie und Mathematik.

Und das Kuriose an der Geschichte war, dass wir ja bereits vor Klassen gestanden und unterrichtet haben. Aber die Prüfungen in Mathe haben mir das Genick gebrochen.

Was haben Sie dann gemacht?
Ich musste andere Wege gehen, daran führte nichts vorbei. Hinzukam, dass ich in der Zwischenzeit schwanger geworden war. Ich hatte deshalb auch schon ein Zimmer für ‚Mutter und Kind‘.

Haben Sie Ihren Mann in Greifswald kennengelernt?
Nein, ich bin ja am Wochenende meistens nach Hause gefahren. Wir hatten eine sehr gute Zugverbindung von Bad Freienwalde nach Greifswald.
Mein Papa hat mich oft nach Eberswalde gefahren. Von da aus ging es direkt bis nach Greifswald durch.

Wann wurde Ihr Sohn geboren?
Im März 1983.

Also war es ja auch irgendwie schön, dass Sie ab 1983 wieder Zuhause waren, oder?

Ja, natürlich, aber ich musste überlegen, wie es weiterging.
Mein damaliger Direktor von der Erweiterten Oberschule wollte mir helfen. Er war inzwischen im Bereich Bildung in der Kreisverwaltung tätig.

Und so kamen wir auf die Idee, dass ich als Lehrerin in der Unterstufe in Frankfurt/Oder beginne, weil ich unbedingt etwas mit Kindern machen wollte.

Hat das geklappt?
Nein. Da waren genügend Bewerber, die zu Ende studiert hatten und so kam ich als Studienabbrecherin für eine Anstellung als Unterstufenlehrerin nicht infrage.

Also war wieder das große Fragezeichen, wie es weiterging.
Der ehemalige Direktor vermittelte mich dann in eine Kita in Bad Freienwalde.

Ich habe dort als Hilfskraft angefangen, denn das, was ich vorher studiert hatte, wurde nicht anerkannt.

Im ersten Jahr habe ich neben meiner Tätigkeit eine Ausbildung zur Erziehungshelferin gemacht.

Daran schloss sich eine Ausbildung zur Kindergärtnerin an, anderthalb Jahre im Fernstudium.

Insgesamt war ich dort elf Jahre, von 1983 bis 1994, eine wirklich schöne Zeit, auf die ich gern zurückblicke.

Das heißt, in diese Zeit fiel auch der Beginn Ihrer nebenberuflichen Tätigkeit in der Versicherung?
Ja, von 1991 bis 1994 habe ich noch hauptberuflich in der Kita als Erzieherin gearbeitet und nebenher mit der Tätigkeit in der Versicherung begonnen.

Was hat sie bewogen, den Beruf der Kita-Erzieherin an den Nagel zu hängen?
Ganz offen gesagt, ich hatte Angst, dass ich nach 30 Jahren in ein mentales Loch falle, irgendwie eine Macke bekommen würde.

Dass Sie mich nicht falsch verstehen: Ich habe meinen Beruf geliebt. Aber die Tätigkeit der Kita-Erzieherin hinterlässt Spuren.

Es sind ja nicht nur die Kinder, die gut betreut werden sollen. Nein, es sind ebenso die Eltern, deren Vorstellungen man gleichermaßen entsprechen will.

Liegt das nicht in der Natur der Sache, dass sich Eltern sorgen?
Schon, doch wenn es überhandnimmt und in Einzelfällen der Bezug zur Realität verlorengeht, dann schaden die Eltern nicht nur den eigenen Kindern, sondern sie beeinträchtigen auch das Erziehungspotenzial, das es in so einer Einrichtung gibt.

Das zerrt dann schon mal an den eigenen Nerven.
Ich habe in jener Zeit viel autogenes Training betrieben, zusammen mit anderen Kollegen.

Und trotzdem, manchmal spürte ich, dass ich abends nicht mehr die Kraft hatte, meinen eigenen Kindern die nötige Aufmerksamkeit zu schenken, die die anderen Kinder am Tag von mir bekommen haben.
Natürlich war ich die liebe Mama, aber mitunter habe ich auch geschimpft, weil ich ausgelaugt war, davon, dass ich tagsüber die Kinder anderer Eltern zu betreuen hatte.

Es war ein Traumberuf, aber ich begann darüber nachzudenken, wie es in den kommenden Jahren werden würde, ob ich es schaffen könnte – mental und physisch.

Aus vielen Mosaiksteinen ist das Bild bei mir entstanden und daraus wieder die Erkenntnis, dass ich nicht über Jahrzehnte als Erzieherin arbeiten wollte.

Sie sprechen von Ihren Kindern, gibt es noch mehr als Ihren Sohn?
Ja, 1985 wurde meine Tochter geboren.

In welche Versicherung sind Sie 1991 gegangen?
Das war die Deutsche Beamtenversicherung DBV. Die DBV ist dann in der AXA aufgegangen.

In den neunziger Jahren ging die DBV zunächst in der Winterthur auf, sodass wir ‚DBV-Winterthur‘ hießen. Danach hat die AXA die Winterthur übernommen.

Faktisch übernahm das eine weltweit agierende Unternehmen das andere.
Ich selbst bin aber all die Jahre im gleichen Unternehmen geblieben.

Waren Sie Anbeginn an in der Selbstständigkeit?
Nein, ich war anfangs angestellt und bin erst anderthalb Jahre später in die Selbstständigkeit gewechselt.

Ich habe jedoch schon immer in der Ausschließlichkeit für das Unternehmen AXA gearbeitet. Das heißt, ich arbeite auf selbstständiger Basis, aber nur für eine Versicherungsgesellschaft und deren dort integrierte Partner.

Was haben Sie für eine Ausbildung in der Versicherung durchlaufen?
Unsere Ausbildung lief über das Bildungswerk der deutschen Versicherungswirtschaft.

Wir sind dazu alle zwei Wochen in die Pfalz gefahren, in das wunderschöne Bad Dürkheim.
Am 09. Mai 1996 wurde mir dann die Abschlussurkunde überreicht und von da an durfte ich mich Versicherungsfachfrau nennen.

Wie war das bei Ihnen, haben Sie sogenannte Bestandskunden bekommen, damit der Start für Sie ein wenig leichter war?
Das war damals nicht üblich, leider.

Ich hatte einige wenige Kunden in meinem Bestand, die noch aus Verträgen in dem alten Kollektiv entstanden waren. Das waren vor allem Kollegen von meinem Mann – aus der Wasserschutzpolizei.

Aber wie sind Sie denn an Kunden gekommen, Sie mussten ja von irgendetwas leben?
Ja, natürlich. Ich kann nur sagen, dass ich nie ‚Klinken geputzt‘ habe. Das habe ich gehasst.

Was haben Sie stattdessen getan?
Ich habe versucht, persönliche Kontakte zu knüpfen, durch Bekannte das Feld zu erweitern.

Des Weiteren habe ich Flyer verteilt, persönlich und in Zeitungen. Ich erinnere mich noch gut, wie ich die Flyer in einem Nachbarort verteilt habe, bei gefühlten 60 Grad Celsius.

Kurzum, ich habe selber die Trommel gerührt. Die Leute sollten wissen, dass ich da bin für sie, wenn es um Versicherungsfragen ging.
Prinzipiell habe ich niemals aus der eigenen Verwandtschaft jemanden angesprochen.

Denn irgendwann hat sich das erledigt.
Erst viel später, nach zehn Jahren kamen auch mal Kontakte aus dem eigenen Verwandtenkreis zustande, auf Initiative meiner Verwandten.

Nach und nach kamen auch Empfehlungen aus dem allmählich anwachsenden Kundenstamm.

Können Sie von den Erträgen, die Sie erwirtschaften, leben?
Ja, inzwischen kann ich das.
Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang eine Sache: Für mich galt stets, dass der Beruf und die damit eng verknüpfte Berufung zusammengehören.

Das war in meiner Zeit als Erzieherin in der Kita so und jetzt genauso.
Im September werden es bereits 27 Jahre, wo ich den Beruf des Versicherungsberaters ausübe.

Sind Sie ein selbstbewusster Mensch?
Es ist schlecht, sich selbst einzuschätzen, aber ich denke schon, dass ich selbstbewusst bin.
Das Selbstbewusstsein wächst ja mit den Lebensjahren.

Was bedeutet es für Sie, individuelle Kundenbeziehungen zu entwickeln?
Individuelle, maßgeschneiderte Konzepte zu entwickeln, den Kunden so zu beraten, dass er wirklich das bekommt, was er braucht und auf der anderen Seite auch wegzulassen, was er nicht braucht, das verstehe ich unter individuellen, persönlichen Kundenbeziehungen.

Das hat sich bei mir über die Jahre entwickelt.
Klar, ich wollte nicht Versicherungsverträge verkaufen, die eigentlich keiner braucht, so wie es oft nach der Wende geschehen ist.

Das heißt deshalb, sich für den Menschen interessieren, seine Bedürfnisse kennen und von da aus die Lösung für ihn zuzuschneiden.

Das hieß auch, so manchen Kampf im Kundensinne mit der Zentrale zu führen, sich zu engagieren, damit es am Ende für alle passt.

Und wenn dann ein Kunde zu einem Feiertag einen Gruß schickt, zum Beispiel über WhatsApp, ja dann weiß ich, dass ich nicht alles falsch gemacht habe.

Über die Jahre haben sich so Freundschaften entwickelt, die bis heute halten.

Wie gehen Sie mit negativen Meinungen von Kunden um?
Ich gehe den Dingen stets auf den Grund. Ist was dran an einer Kritik, dann setze ich mich dafür ein, dass die Probleme gelöst werden, zur Zufriedenheit der Kunden.

Bei pauschalen geringschätzenden Bemerkungen nehme ich das alles mit Humor, versuche drüberzustehen. Wichtig ist für mich: Der Ruf der Versicherung steht und fällt mit demjenigen, der sie vertritt. Ich bin jemand, der sich kümmert, der so lange arbeitet, bis der Kunde zufrieden ist.

Das gibt mir die nötige Selbstsicherheit und das ist es auch, was die Kunden zum Schluss mit ihrer Wertschätzung mir gegenüber danken.

Wie sind Sie in der Anfangszeit finanziell klargekommen?
Anfangs war es wirklich nicht leicht, vor allem, weil nebenher noch meine Ausbildung lief.

Dadurch hinkte ich hinterher, was die Zielvorgaben für mich anbetraf. Ich war im Minus. Die Versicherungsgesellschaft bot mir in dieser Situation an, von der Festanstellung in die Selbstständigkeit zu wechseln, ohne dass ich Garantiebezüge erhielt.

Was haben Sie in der Zeit bekommen?
Nur den Gegenwert für das, was ich an Verträgen produziert habe.
Das diszipliniert ja, also strengst du dich mehr an.

Ich war zum Beispiel viel mehr im Außendienst, als das heute der Fall ist.

Auf der anderen Seite: Wo Schatten ist, da gibt es irgendwann auch wieder Licht.
Ich hatte zwar schwere Zeiten, doch dadurch, dass ich keine Garantiebezüge hatte, war ich nicht abhängig und nicht unter Druck.

Wie viel Spaß macht Ihnen Ihre Arbeit?
Sehr viel Spaß.
Bad Freienwalde ist eine Kleinstadt, und ich wollte nicht unbedingt die Straße wechseln, wenn mir ein Kunde entgegenkam. Da wollte ich mich schon von jenen Vertretern unterscheiden, die nach der Wende vor allem auf schnelle Abschlüsse aus waren.

Das ganze Drumherum, das macht mir wirklich einen riesigen Spaß.
Es ist ein Beruf, in dem man anderen Menschen zuhören muss.
Viele Kunden kommen und berichten von ihren Alltagssorgen.
Du bist dann schon fast ein Psychologe, gibst diesen oder jenen Ratschlag.

Und du erzählst selbst von dir, davon, was dich bewegt. So wächst man zusammen, fasst Vertrauen zueinander, weiß, dass man sich aufeinander verlassen kann.

Sind Sie ein glücklicher Mensch?
Ich bin zufrieden. Es gibt immer Sachen, wo man sagt, dass es noch anders laufen könnte.
Aber insgesamt: Ich bin gesund, wir wohnen auf dem Grundstück meiner Mutti.

Mein Papa ist leider schon verstorben.
Ich mach‘ es mir schön, soweit ich es mir schön machen kann.
Dazu zählt beispielsweise die Gartengestaltung, das ist für mich ein wirklich toller Ausgleich zu meiner Arbeit.

Warum verwenden Sie eher die Vokabel ‚zufrieden‘ als das Wort ‚glücklich‘?
Glücklich sein, dazu gehört für mich noch eine Nuance mehr.
Es gibt ja stets Dinge, die nicht so gut laufen.

Was meinen Sie?
Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Da musste zum Beispiel eine Kurzzeitpflege organisiert werden, ein Heimplatz für meine Tante – das alles sind Dinge, die einen erschöpfen, die Kraft rauben.
Insgesamt jedoch bin ich ein sehr positiver Mensch.

Woran haben Sie besonders Freude?
Ach, da gibt es so einiges. Ich bin gern am Meer, inhaliere die Seeluft, schaue zu, wie die Wellen am Strand aufschlagen und sich wieder zurückziehen – das bringt mich auf andere Gedanken, lässt mich Energie tanken.

Oder eben die Gartenarbeit, bei der ich alles um mich herum vergessen kann und mich einfach an den Blumen freue, daran, wie ich den Garten gestaltet habe.

Würden Sie alles wieder so machen, wenn Sie erneut vor der Wahl stünden?

Ja, ich denke schon. Die Arbeit mit den Kunden gibt mir viel an Positivem zurück. Hinzukommt, dass ich so Manches hätte ich gar nicht bewerkstelligen können, wenn ich in einer Festanstellung gewesen wäre.

Ich denke da nur daran, wie ich meine Tochter als Kind zur Orchesterprobe gefahren habe.

Klar, ist man festangestellt, so bekommt man ein dreizehntes Gehalt, hat andere Sicherheiten.

Aber ich bin insgesamt sehr zufrieden mit meinem Leben. Der Beruf ist zu einer wirklichen Berufung für mich geworden, und das macht mich auch ein klein wenig stolz.

Frau Tomaschewski, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Zum Firmenporträt: https://uwemuellererzaehlt.de/2021/07/14/firmenportraet-2021-07-14/

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

INTERVIEW MIT THOMAS RENNÉ

Thomas Renné ist der Inhaber des MEISTERBETRIEBES THOMAS RENNÉ in Bad Freienwalde. 

Es macht Spaß, sich mit Thomas Renné zu unterhalten – er ist humorvoll, offen und ehrlich. 

Diesen Eindruck habe ich während meines Interviews mit ihm gewonnen. 

Thomas Renné will, dass seine Kunden zufrieden sind, mehr noch, er möchte ihren Wünschen bis ins Detail entsprechen. 

Dazu gehört für ihn auch zu sagen, wenn er mal etwas nicht 1:1 umsetzen kann. 

Würde ich dort freien Herzens in die Werkstatt gehen und mich beraten lassen? 
Ja, das würde ich auf jeden Fall tun. 

Das Interview mit Thomas Renné habe ich am 23.09.2020 am Telefon geführt.

Mein besonderer Dank gilt Frau Dalmus, die mich sehr engagiert in der Umsetzung dieses kleinen Projektes unterstützt hat, die kleinsten Fehler entdeckte, und: die bei allem nie den Humor verlor.

 

Herr Renné, Sie sind in fünfter Generation Firmeninhaber. Ist das mehr Last oder mehr Lust für Sie?
Ich glaube, das ist beides. Zum einen bin ich natürlich stolz darauf, die Firma in 5. Generation weiterzuführen und von unseren Kunden als zuverlässiger Ansprechpartner wahrgenommen zu werden.

Zum anderen trage ich natürlich auch die Verantwortung dafür, dass alles gut läuft, die Kunden zufrieden sind und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls.

Woher kommt der Name Renné?
Unsere Familie stammt von den Hugenotten ab. 1792 gab es ein Schuhmachergeschäft in Bad Freienwalde, das von Michael Renné gegründet worden war.

Dessen Sohn, Ferdinand, war ebenfalls Schuhmachermeister. Und der Sohn von Ferdinand, August Renné, gründete wiederum 1872 die Bauschlosserei Renné.

Das ist ja wirklich eine stattliche Ahnengalerie, oder?
Ja schon. Der Bruder meines Vaters, Bruno Renné, war Lehrer in Frankfurt/Oder und hat sich damit schon intensiver beschäftigt und auch einiges darüber geschrieben.
Einen Teil davon finden Sie auch auf unserer Web-Site.

Können Sie ein paar Stationen aus Ihrer beruflichen Entwicklung nennen?
Ich war der erste in der Familie, der gleich Schlosser werden wollte. Mein Vater wollte zunächst Zimmermann werden.

Das war Anfang der 50er Jahre, und da war es gar nicht so leicht für ihn, in dieser Branche Fuß zu fassen.
Er machte dort jedenfalls nicht so gute Erfahrungen, als er seine Lehre begann.

Meine Oma riet ihm deshalb: „Vielleicht wirst du ja doch lieber Schlosser.“

Und so kam es dann auch.
Ich selbst aber habe zunächst den Beruf des Instandhaltungsmechanikers gelernt, von 1981 bis 1983.

Wo haben Sie gelernt?
In Eisenhüttenstadt. In der Zeit habe ich dort im Internat gewohnt.
Danach habe ich im Wohnungs- und Gesellschaftsbaukombinat in Eberswalde gearbeitet.

Wie lange?
Ein halbes Jahr, dann bin ich mit in die Firma eingestiegen.

Wann war das?
Das war am 01.01.1984. Ich habe übrigens mit meiner Mutter, Margrit Renné zusammen in der Firma angefangen. Sie hat im Büro gearbeitet.

Sie macht das heute noch und hilft ab und zu aus.
Meine Mutter wird nächstes Jahr 80.
1985/1986 war ich dann noch zum Wehrdienst.

Wie war das, mit Ihrem Vater als Chef zu arbeiten?
Mein Vater war ziemlich streng, also gab es auch mal Stress. Außerdem wohnte ich zu Beginn noch zu Hause, und das war nicht sehr förderlich für eine durchgehend gute Atmosphäre.

Es war wie in jeder Familie, wo mal Probleme und Konflikte auftreten. Und hier kam eben hinzu, dass ich den ganzen Tag in der Werkstatt war und mitgearbeitet habe.
Mein Vater war ein Workaholic. Er kannte hauptsächlich nur eines, nämlich nahezu ohne Unterbrechung zu arbeiten.

Können Sie darauf näher eingehen?
Nun, er fing morgens viertel vor sieben an und arbeitete bis kurz vor fünf Uhr nachmittags.

Da wir viel zu tun hatten, war es normal, dass wir uns zum Teil im Laufschritt bewegt haben, um die Arbeit zu schaffen.

Wir mussten als Kinder manchmal nach der Schule ebenfalls mithelfen, wenn Not am Mann war und irgendetwas fertig werden musste.

Meine Mutter packte zusätzlich mit an, als wir noch klein waren und darum noch nicht so schwer tragen konnten.
Kam mein Vater abends nach Hause, dann schliefen wir meistens schon.

Mein Vater war von der Arbeit so erschöpft, dass er in der Regel nicht mehr lange aufblieb, sondern sich gleich schlafen legte.

Am nächsten Tag ging es ja früh wieder von vorn los. Das war praktisch wie ein sich fortwährend ‚drehendes Hamsterrad‘, aus dem man nur ganz schlecht herauskam.

Wann haben Sie Ihre Meisterprüfung gemacht?
1986 bis 1989 habe ich am Meisterlehrgang teilgenommen.
Der Meistertitel wurde auch nach der Wende anerkannt.

Was war das für ein Meisterstück?
Ich habe ein Tor gebaut. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als der Obermeister aus der Prüfungskommission kam, um das Tor zu bewerten und abzunehmen.

Er war total niedergeschlagen, weil seine Kinder einen Tag zuvor in den Westen gegangen sind.
Haben Sie trotzdem bestanden?
Ja, na klar.

Haben Sie noch Geschwister?
Ja, zwei Brüder. Ich war der Mittlere. Matthias, der jüngere, hat studiert und sich mit Keramik befasst. Später ist er in den öffentlichen Dienst gewechselt.
Mein Bruder Lutz hat Maschinenbau studiert. Er arbeitet heute als Verkäufer in einer Firma für Beschläge, Eisen.

Was ist Ihnen im Umgang mit Kunden wichtig?
Der Kunde muss zufrieden sein – das ist mein oberstes Prinzip. Dazu gehört, dass man ihn gut berät, ehrlich zu ihm ist, wenn beispielsweise bestimmte Vorstellungen nicht umgesetzt werden können.

Die Herausforderung besteht des Weiteren darin, die genauen Wünsche des Kunden zu erfassen, ihn wirklich umfassend zu beraten.

Denn: nie ist ein Auftrag haargenau identisch mit dem, was man vorher gemacht hat. Es gibt stets Besonderheiten, neue Überlegungen, die angestellt werden müssen.

Können Sie mal ein Beispiel nennen?
Wir haben schon für die Kirchturmspitze eine Befestigung hergestellt, damit das Kreuz aufgestellt werden konnte.

Bei den Schlosserarbeiten – Tore, Zäune, ist jede Fertigung anders.
Und wenn wir ein Tor mit einem elektrischen Antrieb herstellen sollen, dann arbeiten wir mit Partnern zusammen, die dann den Antrieb ans Tor anbringen und entsprechend vor Ort die Arbeiten erledigen.

Warum machen Sie das mit den elektrischen Torantrieben nicht selbst?
Weil ich zum einen der Meinung bin, dass man nicht unbedingt einen elektrischen Torantrieb braucht. Wir können das Tor immer noch selber öffnen.

Hinzu kommt, dass die Wartungsarbeiten für den Kunden jährlich hinzugerechnet werden müssen.
Zum anderen baue ich lieber ein solides Schloss ein, das manchmal auch schon bei den Toren mit elektrischem Antrieb fehlt. Ein Schloss hält hundert Jahre.

Aber natürlich steht für uns der Kundenwunsch absolut im Vordergrund, und wenn er einen elektrischen Torantrieb haben will, dann bekommt er ihn geliefert, und zwar von unseren Partnern, die darin die Experten sind.

Wer gehört zu Ihrer Familie?
Meine Frau arbeitet im öffentlichen Dienst. Wir haben drei Kinder zusammen.
Der jüngste ist jetzt 23 und hat auch Schlosser gelernt. Seit März 2019 arbeitet er hier in der Firma mit. Er wohnt noch zuhause.

Na, Sie kennen ja aus eigenem Erleben, wie es ist, mit dem Vater zusammenzuarbeiten, oder?
Ja, aber das klappt schon ganz gut. Reibereien, Missverständnisse gibt es immer mal. Das liegt in der Natur des Zusammenlebens von Menschen. Das kann man aber alles lösen.

Was für ein Ton herrscht in Ihrem Unternehmen?
Freundlich, humorvoll. Ich bin eher der kumpelhafte Typ.
Wir können uns aufeinander verlassen.

Und es ist so, dass die meisten Mitarbeiter immer sehr lange bei uns gearbeitet haben und hoffentlich in Zukunft auch arbeiten werden.
Wir sind ein gutes Team – jeder weiß, was er zu tun hat, wir helfen einander und wir hören auch zu, wenn jemand von uns mal Sorgen hat.

Wie halten Sie sich fit?
Ich gehe ins Fitness – Studio, schon allein, um etwas für meinen Rücken zu tun.

Sind Sie ein glücklicher Mensch?
Glücklich sein, das ist ein weites Feld. Ich bin zufrieden. Mir ist die Familie wichtig, dass ich Freunde treffen kann und dass wir alle gesund bleiben.

Natürlich kann einen im Büro die Schreibarbeit schon einmal nerven, denn die Bürokratie wächst ja weiter.
Aber generell bin ich ein glücklicher und zufriedener Mensch.

Herr Renné, vielen Dank für das Gespräch.

Mehr über den Meisterbetrieb:

https://uwemuellererzaehlt.de/2020/11/04/firmenportraet-thomas-renne/

INTERVIEW MIT PATRICK BOLANZ

MENSCHEN IM ALLTAG-2017.12.19

Patrick Bolanz ist der Inhaber des Freiburger Pflegeservice.

Herr Bolanz, wie verlief Ihr beruflicher Werdegang vor der Gründung des Pflegedienstes?

Ursprünglich wollte ich gar nicht in die Pflege. Nach meinem Schulabschluss habe ich an einer weiterführenden Wirtschaftsschule eine kaufmännische Ausbildung absolviert – unter anderen in Rechnungswesen und Buchführung.

Das war 1989.
Danach war ich im Konzern Beiersdorf AG und habe im Einkauf gearbeitet. Das entsprach aber nicht so ganz meinen Vorstellungen. Es war einfach nicht mein Ding.

Was war denn Ihr Ding?

Das musste sich erst noch herausstellen. Über Empfehlungen von Freunden begann ich dann, in einem Pflegeheim zu arbeiten.
Das war schon eher mein Ding, um mal bei der Wortwahl zu bleiben.

Warum?

Hier ging es um Menschen, denen ich helfen konnte. Das machte mir Spaß. Also fing ich dort noch einmal eine Ausbildung zum examinierten Altenpfleger an, die ich Mitte der 90 – er Jahre abschloss.

Sind Sie danach im Pflegeheim geblieben?

Nein. Ich bin ziemlich direkt nach meiner Ausbildung in einen ambulanten Pflegedienst gewechselt. Das lag mir noch mehr.
Ich blieb in dem Pflegedienst ca. zwei Jahre und habe mir sehr viel praktisches Wissen aneignen können.

Übrigens: Vor allem in der Zeit der Ausbildung habe ich mich stark kulturell betätigt.

MENSCHEN IN DER PFLEGE

Was genau haben Sie gemacht?

Ich habe Techno – Veranstaltungen organisiert. Das war die Zeit, als die Love-Parade in Berlin sehr angesagt war.

Gemeinsam mit einem Partner konnten wir richtig große Live-Veranstaltungen auf die Beine stellen.

Organisation und Management dieser Konzertveranstaltungen waren schon eine Herausforderung. Das hat mir wiederum genutzt, wenn ich daran denke, wie wichtig zum Beispiel das Marketing ist, unabhängig davon, in welcher Branche man arbeitet.

Wenn ich heute zurückdenke, so sind es besonders drei Kernkompetenzen, in denen ich starke Fähigkeiten entwickeln konnte.

Welche sind das?

Im Marketing, Verkauf und in der Pflege.
Wo haben Sie das Verkaufen gelernt?

Ich habe für ein großes Unternehmen international gearbeitet und Kunden im Bereich der Werbung und des Marketings beraten. Das war sehr hart. Und es war sehr lehrreich.

Allerdings es eben auch sehr anstrengend. Ich war auf der ganzen Welt unterwegs, immer vor Ort – also dort, wo auch der Kunde war.
Es kam die Zeit, da wollte ich einfach wieder Zuhause sein, mich dort beruflich etablieren.

Wie kamen Sie darauf, Ihren eigenen Pflegedienst zu gründen?

Nun, ich hatte in der Zwischenzeit viele Erfahrungen sammeln können.

Unternehmerisch denken und handeln, das Marketing im Blick haben und das Wichtigste – den Menschen wirklich in den Mittelpunkt des Geschehens stellen.

Das wollte ich – mit meiner Konzeption von Pflege und Betreuung und meinem Team, das mit mir mitzieht.
Das war 2005 so weit. In dem Jahr habe ich meinen eigenen Pflegedienst gegründet.

Was ist Ihnen am Anfang leichtgefallen und wo hatten Sie Schwierigkeiten?

Ich formuliere es mal so: Die anstehenden Herausforderungen insgesamt bewältigen, die wirklich eigene Philosophie erarbeiten und umsetzen. Das hat schon gedauert.

Was macht Ihr Team aus?

Wir sind ein kleines Team. Uns treibt die persönliche kontinuierliche Betreuung um. Der Pflegebedürftige soll wirklich zu dem einzelnen Mitarbeiter einen persönlichen Bezug, bei dem Vertrautheit entsteht und schließlich daraus Vertrauen erwächst.

Wo sehen Sie Gründe für den mitunter noch schlechten Ruf von Pflegediensten?

Ich glaube, der Hauptgrund ist, dass die Betreuungskräfte zu oft wechseln. Besonders in den großen Einrichtungen. So kann nur schwer individuelle Pflege realisiert werden.

Das macht die Pflegebedürftigen, deren Angehörigen und auch die Mitarbeiter unzufrieden.

Was macht für Sie individuelle Pflege aus?

Den Menschen dorthin stellen, wo er tatsächlich hingehört – in den Fokus unseres Denkens und Handelns.

Die persönlichen Ansprüche des zu Pflegenden können so bestmöglich mit den Notwendigkeiten in der Pflege verknüpft werden. Wir haben eine Patientin, die wir bereits das elfte Jahr betreuen.

Wir machen dort alles – Pflege, den Einkauf, Behördengänge und vieles mehr. Kurzum: Wir kümmern uns individuell und persönlich.

Was hat sich für Sie geändert seit der Gründung Ihres Pflegedienstes?

Die größte Veränderung besteht wohl darin, dass wir mehr Anfragen haben, als wir tatsächlich zu leisten in der Lage sind.
Hier geht es darum, den Blick für die Qualität ganz besonders zu schärfen.

Was sagen Sie zum Vorhaben der generalistischen Pflegeausbildung in der Zukunft?

Ich habe mich mit dem Modell noch nicht tiefgründig beschäftigen können. Es steht jedoch eines fest: Wir brauchen sehr flexible Arbeitskräfte.

Insofern ist eine breite Ausbildung gut.
Andererseits stellen wir in der Praxis fest, dass manchmal eine Pflegefachkraft mit dem fachlichen Background einer ausgebildeten Krankenschwester überfordert ist von den Anforderungen in der täglichen Altenpflege. Hier gilt es also, den Fokus auf der Altenpflege zu belassen.

Was macht für Sie persönlich Glück aus?

Glück ist für mich, wenn ich morgens ins Büro gehe und sehe, was sich entwickelt hat.

Glück ist für mich auch zu sehen, wie eigenständig und eigenverantwortlich mein Team agiert – aufgrund der flachen Hierarchien und einer offenen und herzlichen Atmosphäre untereinander.

Das macht mich nicht nur glücklich, sondern auch stolz.

Herr Bolanz, vielen Dank für das Gespräch.

 

Mehr lesen:

https://uwemuellererzaehlt.de/2022/01/02/menschen-im-alltag-2017-2021/

https://uwemuellererzaehlt.de/ueber-menschen-erzaehlen/firmenportraets/

 

WARUM EIN INTERVIEW VIEL ÜBER EINEN MENSCHEN AUSSAGEN KANN – ANSTELLE VON VIELEN DATEN UND FAKTEN 

Was macht die Sogwirkung aus, wenn Menschen Geschichten über sich erzählen?

Menschen nehmen natürlich Fakten zur Kenntnis. Geschichten aber über Menschen, die überzeugen sie, sprechen sie auf der Gefühlsebene an.

Interviews fallen einfach auf im Dickicht der Informationsflut, sie wecken Emotionen.

Ein Leser erinnert sich besser an das Erzählte,  er spinnt sozusagen den Faden mit.

Die Personen,  die im Interview darüber berichten, wie sie zum Beispiel zur Pflege kamen,  was sie für Motive umtreibt und warum sie sich heute noch engagieren, das interessiert die Angehörigen.

Sie wollen, dass der Pflegedienst nicht nur auf der Homepage schreibt: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt.“

Vielmehr: Sie wollen, dass sich genau der Mensch ihrer Pflegebedürftigen annimmt, dem sie vertrauen können und der sie mit seiner Biografie, seinem Wissen und Handeln überzeugt.

Interviews bleiben auf dem Portal, können immer wieder aufgerufen werden.

Und sie erhöhen damit gleichzeitig die Sichtbarkeit des jeweiligen Unternehmens bei Google.

Die Suchmaschine von Google verknüpft die Informationen miteinander und der Leser wird auf der Suche nach einem geeigneten Pflegedienst zielgerichteter zu ihm geführt.

Außerdem: Pflegedienste werden in ihrem Ort gefunden. Es spielt also keine Rolle, ob dieser in einem Dorf in Bayern sein Zuhause hat oder in Berlin-Mitte.

Interviews geben eine erste Auskunft darüber, wie der gesuchte Pflegedienst „tickt“, ob er interessant für denjenigen ist, der  Unterstützung für seinen Angehörigen sucht.

VON DER TECHNISCHEN ASSISTENTIN ZUR LEITERIN EINER SENIORENWOHNGEMEINSCHAFT

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Interview mit Viola Lehmann - Inhaberin der Seniorenbetreuung in Potsdam.

Frau Lehmann, wie verlief Ihr beruflicher Werdegang vor der Gründung der Seniorenwohngemeinschaft?
Ich war chemisch- technische Assistentin im Ernährungsinstitut in Potsdam – Rehbrücke.

Nach der Wende musste ich mich – wie viele in Ostdeutschland- umorientieren. Ich bin in ein Seniorenheim nach Lietzensee als Pflegehelferin gegangen.

Das war 1991. Dort habe ich bis 1999 gearbeitet.  In dieser Zeit habe ich auch eine Altenpflegeausbildung absolviert – in Hermanns – Werder in der Hofbauerstiftung. Das gehört zu Potsdam.

Als ich examinierte Altenpflegerin war, fiel mir auf, dass die Ausbildung wenig mit dem zu tun hatte, was in der Praxis ablief.

Wie meinen Sie das?
Damals war es noch so, dass es vor allem darum ging, die Leute zu waschen, zu pflegen, ihnen Essen zu geben. Von individueller Betreuung konnte da keine Rede sein. In der Zeit lief im Verlaufe einer Weiterbildung ein Film.

Es ging um eine Seniorenwohngemeinschaft. Ich vergesse das nicht: Da saßen zwei ältere Damen am Tisch. Sie waren beide dement. Die Dame bot der anderen an, ihr Kaffee einzugießen.

Sie vergaß aber,  den Deckel der Kaffeekanne aufzuschrauben. Und so konnte sie auch keinen Kaffee eingießen. Also stellte sie die Kanne auf den Tisch zurück.

Normalerweise hätte jetzt die Betreuerin eingegriffen und den Deckel der Kaffeekanne aufgeschraubt. Hier war es anders.
Die ältere Dame überlegte und plötzlich griff sie erneut zur Kanne und schraubte den Deckel auf.

Sie hatte also die Zeit gehabt, zu überlegen. Eine einfache Geschichte. Aber wirkungsvoll aus Sicht der Aktivierung und der Möglichkeit, den Bewohnern die Zeit zu lassen, die sie brauchen. Das hat mich sehr beeindruckt.

Dr. Lucy Pollock"Das Buch über das Älterwerden"  

War das die Initialzündung dafür, als selbstständige Unternehmerin in die Pflege zu gehen?
Ich denke schon. Im Heim war es ja unmöglich, so etwas umzusetzen.

Ich habe danach ziemlich schnell mein eigenes Konzept geschrieben, wie ich eine Seniorenwohngemeinschaft gründen kann.
Den meisten Banken war mein Konzept aber nicht interessant genug.

Hätte ich eine Million gewollt, ich glaube, ich hätte sie eher bekommen als die Finanzierungsbewilligung für ein kleines Projekt der Seniorenwohngemeinschaft.

Ich war sogar in der Zeit zu einer Fernsehsendung eingeladen, in der der Politiker Elmar Pieroth mitdiskutierte. Es ging um Unternehmertum.

Die Berliner Volksbank war ebenfalls in der Sendung mit anwesend. Der Vertreter der Bank sprach davon, wie sie selbstständige Unternehmer bei ihren Vorhaben unterstützen.

Die gleiche Bank also, die mich abgelehnt hatte, sprach hier von großzügiger Unterstützung. Das habe ich dem Vertreter auch nach der Sendung direkt gesagt.

Und hat es geholfen?
Ja. Ich bekam die Gelegenheit, mein Konzept noch einmal einzureichen und erhielt eine Zusage.

Wie ging es weiter?
Dann habe ich sofort losgelegt. Ich habe eine entsprechende Wohnung gesucht, in der vier Bewohner untergebracht werden konnten.

Das war im November 2001. Es ging ja um eine24 – Stunden – Betreuung.  Ich habe mit einer Mitarbeiterin angefangen. Und zwar montags bis freitags hat meine Mitarbeiterin von 08.00 – 16.00 gearbeitet und die restliche Zeit ich.

Später kam die nächste Wohngemeinschaft. Zurzeit haben wir zwei Demenzgruppen mit insgesamt 14 Bewohnern und 14 Mitarbeiter.

Was ist Ihnen am Anfang leicht gefallen und wo hatten Sie Schwierigkeiten?
Es war anfangs schwer, Kunden zu finden. In meinem Haus wohnte eine Dame, die alleine nicht mehr klar kam.

Ihre Betreuerin hatte sich entschieden, mich mit der Versorgung und Pflege zu beauftragen. Das positive Feedback aus dieser Betreuung hat sich herumgesprochen.

Leicht gefallen ist mir die Pflege, die Freude daran, mit alten Menschen umzugehen. Und die Tatsache, dass ich keinen Zeitdruck mehr hatte, wirkte sich positiv auf die Qualität der Arbeit aus.

Was macht Ihrer Meinung nach ein starkes Team aus?
Die Mitarbeiter müssen sich nicht lieben und sie sollen  untereinander auch nicht heiraten.

Sie müssen aber miteinander klarkommen und die Probleme möglichst gemeinsam und nicht gegeneinander klären.  Das ist ein wichtiger Punkt, der ein starkes Team ausmacht.

Wo sehen Sie Gründe für den mitunter schlechten Ruf von Pflegediensten in der Öffentlichkeit?
Es  wird meines Erachtens noch zu wenig Positives berichtet und eher das Negative hervorgehoben – medial.

Was hat sich für Sie seit der Gründung Ihrer Seniorenwohngemeinschaft geändert?
Ich war vor 15 Jahren noch blauäugiger. Im Moment drückt die bürokratischen Auflagen, die sehr aufwändige Dokumentation.

Was macht für Sie individuelle Betreuung aus?
Sich um die Menschen kümmern heißt, sich individuell für sie zu interessieren, für sie persönlich zu sorgen.

Es darf keine Uhr dahinter sein, wenn wir unsere Bewohner betreuen. Zu mir kommen heute Interessenten, denen wir empfohlen wurden.

Das passiert nur bei einer sehr persönlichen Betreuung und Pflege – da sind Bewohner und die Angehörigen sehr zufrieden.

Was sagen Sie zur Generalistik in der Pflegeausbildung?
Ich glaube, das ist der falsche Weg. Wir sollten die Ausbildung getrennt lassen.

Warum?
Weil wir sonst gar keine Mitarbeiter mehr für die Altenpflege finden.

Was ist für Sie persönlich Glück?
Wenn es meinen Mitarbeitern gut geht.

Frau Lehmann, vielen Dank für das Gespräch.

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INTERVIEW MIT BARBARA WENDERS

MENSCHEN IM ALLTAG-2017.03.16

Barbara Wenders ist Mitinhaberin und Pflegedienstleiterin des ambulanten Pflegedienstes EPIS in Duisburg.

Frau Wenders, Sie gehen in das zwanzigste Jahr des Bestehens Ihres Pflegedienstes. Wann wurde der Pflegedienst genau gegründet?
Am 01.10.1996. Er wird also im Oktober (2016 der Autor) 20 Jahre alt.

Was ist Ihnen am Anfang leicht gefallen und wo hatten Sie Schwierigkeiten, hineinzuwachsen?
Am schwierigsten war es, die betriebswirtschaftlichen Abläufe zu beherrschen – mit den Steuern und Abrechnungen klarzukommen.
Überhaupt war die ganze Verwaltungssache etwas, wo ich noch recht unerfahren war.

Ich habe mich da autodidaktisch hineinbegeben müssen.
Das alles bekam für mich später einen strukturierten Hintergrund, nämlich als ich eine Ausbildung zur Pflegedienstleitung für ambulante Dienste absolvierte.

Da waren diese fachlichen Inhalte im Lehrprogramm mitenthalten.
Erschwerend kam damals hinzu, dass wir mit dem ersten Steuerberater erhebliche Probleme hatten.

Er kannte die Materie nicht. Wir haben dann zu einer anderen Steuerberatung gewechselt. Danach lief es gut und wir bekamen den kaufmännischen Part in den Griff.

Wie verlief Ihr beruflicher Werdegang vor der Gründung des Pflegedienstes?
Ich habe mit 16 Jahren die Schule verlassen, nach dem Abschluss der zehnten Klasse.

Danach war ich in einem katholischen Krankenhaus in Berlin –  Friedrichshagen.

Dort begann ich ein praktisches Jahr. Das musste sein, da ich sonst keine Ausbildung an einer staatlichen Schule für Krankenschwestern hätte absolvieren können.

Nach drei Jahren habe ich die Schule abgeschlossen.
Kurz danach wurde ich schwanger. Ich ging nach Neustrelitz und habe dort in dem städtischen Krankenhaus gearbeitet.

1982 wurde meine erste Tochter geboren. Wiederum später bin ich in ein städtisches Krankenhaus nach Berlin – Mitte gegangen.

Ich hatte inzwischen zwei Kinder und konnte nicht mehr im Schichtsystem als Krankenschwester arbeiten und bin in die Verwaltung eines Betriebsgesundheitswesens gewechselt.

Zur gleichen Zeit begann ich eine Fortbildung zum Ökonomen des Gesundheits- und Sozialwesens.

Wie ging es weiter?
Im Oktober 1989 bin ich aus der damaligen DDR in die Bundesrepublik geflohen – über die grüne Grenze.

Wir sind in Duisburg gelandet. Dort lebte eine Freundin von mir.
Zunächst begann ich  in einer Sozialstation zu arbeiten.

Dort war ich anderthalb Jahre. Die Arbeit hat mich einiges gelehrt.
Aber die Bedingungen waren schlecht.

Können Sie das erklären?
Ja. Wir haben faktisch im Akkord gearbeitet – 25 Patienten, die auf einer Tour zu versorgen waren. Deshalb gab es  auch eine hohe Fluktuation.

Es war immer jemand krank gemeldet. Der Stress war einfach zu groß. Und  jeder hat nur gewartet, bis ein anderer Kollege wieder da war und, um sich anschließend selbst krank zu melden.

Für mich waren das keine Zustände – weder für die Patienten noch für uns als Mitarbeiter. Schließlich habe ich gekündigt.

Und dann?
Ich ging zurück ins Krankenhaus und habe knapp zwei Jahre Nachtschichten gemacht.

Das war sehr hart für mich. Ich kam schwer damit klar. Deshalb wechselte ich wieder in einen ambulanten Pflegedienst. Dort lernte ich übrigens meinen zweiten Mann kennen.

Was war das ausschlaggebende Motiv, selbst einen Pflegedienst zu eröffnen?
Na ja, mein Mann und ich haben uns überlegt: Das können wir auch selbst organisieren. Also haben wir den Schritt im Oktober 1996 gewagt.

Wir begannen damit Patienten zu betreuen, die künstlich ernährt werden mussten. Das waren zum Beispiel Menschen mit einer HIV- Infektion, oder Krebspatienten.

Mit der Entwicklung unseres Pflegedienstes kamen andere Bereiche hinzu. Wir haben nach und nach alle wichtigen Leistungsbereiche in der Pflege angeboten,  waren sozusagen mit der Zeit ganzheitlich im Portfolio aufgestellt.

Was hat sich geändert gegenüber 1996, wenn Sie heute die Pflege und Betreuung ansehen?
Wenn ich noch an die Sozialstation denke, wo ich vor über zwanzig Jahren begonnen habe – und jetzt unsere Art zu pflegen und zu betreuen sehe, dann weiß ich – da liegen einfach Welten dazwischen.

Wir haben einen Familienbetrieb aufgebaut. Das macht schon stolz. Unsere beiden Töchter arbeiten hier.

Und wir haben eine sehr geringe Mitarbeiterfluktuation bei uns. Ich denke, das liegt daran, dass sich in den vergangenen Jahren ein sehr gutes Team zusammengefunden hat.

Mitarbeiter, die wie wir engagiert sind. Wir haben zum Beispiel eine Pflegedienstleiterin, Frau Thyssen – Fett: Sie ist echt eine Perle.

Wir haben schon manchmal scherzhaft gesagt: Wenn sie aufhört, dann machen wir unsere Einrichtung zu.Oder: Es gibt eine Mitarbeiterin, die bereits 19 Jahre mit uns zusammenarbeitet.

Andere sind ebenfalls bereits über 10 Jahre oder eben sehr lange bei uns. Das bekommen Sie doch nur hin, wenn das Klima stimmt, die Leute sich einfach wohlfühlen.

Die Firma ist heute der älteren Tochter überschrieben – Maria Spellier. Sie  hat inzwischen zusätzlich eine Ausbildung zur Qualitätsmanagerin gemacht.

Die jüngere Tochter Stefanie ist Altenpflegerin und macht gegenwärtig eine Ausbildung zur Praxisanleiterin.

Wie war die Zusammenarbeit mit Ihrem Mann?
Die Zusammenarbeit war sehr gut. Er war der Praktiker. Ihn hat nie die Verwaltung interessiert, sondern nur die Pflege und Betreuung.
Ich musste mich also darum allein kümmern.

Und es war nicht leicht am Anfang alles unter einen Hut zu bekommen – die Pflege, die Verwaltung, die Mitarbeiterführung und die Erziehung der Kinder.

Aber mein Mann war ein Fachexperte, ging einfach in seinem Beruf auf und hat mir auf seine Weise viel Kraft gespendet und den Rücken gestärkt. Heute ist er in Rente.

Was ist  aus Ihrer Sicht der Grund, dass es in anderen Einrichtungen und Pflegediensten nicht so klappt, der Ruf mitunter eher schlecht ist?
Wissen Sie, es gibt immer schwarze Schafe. Oft kann der einzelne Mitarbeiter dafür ja gar nichts.

Wenn zum Beispiel zu einem Kunden stets andere Mitarbeiter kommen.  Oder: Die Zeiten sind stets unterschiedlich, zu denen die Pflegebedürftigen besucht werden.

Dann bekommen die Pflegebedürftigen natürlich einen schlechten Eindruck von dem Pflegedienst, der dafür zuständig ist.

Was sagen Sie dazu, die Ausbildung jetzt generalistisch zu organisieren?
Es gibt Aspekte, die dafür sprechen und Argumente dagegen.

Welche?
Dafür spricht sicherlich, die Ausbildung in Gesundheit und Pflege weiter zu vereinheitlichen, sie stärker in der Gesellschaft aufzuwerten, junge Leute für den Beruf zu gewinnen.

Und dagegen?
Weiter diskutieren sollte man: Was ist zum Beispiel, wenn ein kleiner ambulanter Pflegedienst einem Auszubildenden die Pflege und Betreuung im Alltag nahe bringen will, der jedoch zum Praktikum ins Krankenhaus geht?

Wie ausgewogen wird das zum Beispiel organisiert? Müssen wir eventuell eine junge Fachkraft später nachqualifizieren,
weil die praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Pflege nicht ausreichen?

Das ist ja auch eine wirtschaftliche Frage.
Ich denke, hier brauchen wir noch mehr Klarheit.

Was macht für Sie individuelle Pflege und Betreuung aus?
Wichtig ist für uns die Bezugspflege – jeder Kunde soll wissen, wer für ihn zuständig ist. Das schafft Vertrauen.

Individuell pflegen und betreuen heißt für uns, die wirklichen Wünsche und Bedürfnisse der Menschen zu respektieren,
also das, was er an Hilfebedarf benötigt. Es sind ja nun auch zusätzliche Beratungsbesuche bei Veränderungen der Pflegesituation möglich.  Das war früher nicht so.

Es gibt mit der Einführung der neuen Begutachtungsrichtlinien ab nächstes Jahr ganz andere Möglichkeiten, die Situation der einzelnen Pflege-  und Hilfsbedürftigen spezifisch zu erfassen.

Allein die Eingangsfragen, die hier gestellt werden führen zielgenauer dorthin, wo die wirklichen Probleme der einzelnen Menschen liegen – zum Beispiel:  Was ist das Hauptproblem der Pflegesituation? Was würden Sie sofort ändern, wenn Sie es könnten? Welche Informationen könnten helfen?

Das sind nur einige wenige Beispiele. Wir werden das alles sehr genau in den nächsten Wochen und Monaten mitverfolgen
und in unserem Bereich umsetzen – für die weitere Verbesserung der Pflegequalität für unsere Kunden.

Frau Wenders, ich danke Ihnen für das Gespräch.