Alle Beiträge von Uwe Müller

Dipl.-Ing. (FH), Dr. rer. pol.; Autor

JEEPY (51)

JEEPY IN SCHWERIN

Was bisher war (Folge 50): 
Jeepy hat es geschafft. Er steht genau vor dem Haus, in dem meine Oma lebte und ich, Jeepys Fahrer, habe ihm davon so manches Mal erzählt.
Oma Martha war die Lieblingsoma von mir, Jeepys Fahrer.

Oma Martha lebte über 50 Jahre in einem dunklen Haus, im ersten Stock. Die Treppen waren aus Holz und sie knarrten, wenn man sie hinabging, um zum Klo im Erdgeschoss zu gelangen.

Oma Martha liebte es, die Holztreppen sauberzumachen. Sie haute dann mit dem Besen so gegen die Stufen, dass der dadurch entstandene Lärm im ganzen Haus widerhallte.

Sie sprach in ihrem unverwechselbaren Platt mit den Leuten, die an ihr vorbeiliefen. Und zwischendurch kam sie nach oben, in ihre Wohnung, setzte sich auf den Stuhl in ihrem im Wohnzimmer. Das Zimmer war klein und schmal. Gleich am Eingang war eine Nähmaschine und dahinter stand an der Wand das Sofa.

Wenn ich zu Besuch war, dann legte ich mich darauf und schaute zu, wie Oma Martha auf der Singer-Maschine nähte und das Rad so gleichmäßig surrte, dass ich meist auf der Couch einschlief. Wenn wir alle bei Oma Martha zu Besuch waren, schlief Vati auf dem Tisch, wir Kinder vor der Standuhr am Fenster und Mama lag auf der Couch.

Oma Martha schlief in ihrem Bett im anderen Zimmer, das genauso ein Schlauch war. „Geduldige Schafe ‚gahn väl in enen Stall'“, sagte sie, wenn Vati murrte, dass es zu eng war.

Wir Kinder aber fanden es schön, wenn nachts die Uhr schlug und draußen die Straßenbahn quietschend vorbeifuhr. Aber von alledem hatte ich Jeepy nichts erzählt, nur eben von Dackel Hannemann.

Nächste Folge: ‚Dackel Hannemann‘- JEEPY (52), 
Samstag, 28.03.2020

 

 

SCHREIBEN IN ZEITEN VON CORONA

SCHREIB-ALLTAG

Das Schreiben in der kontaktarmen Zeit von Corona
kann ich auch als Chance begreifen.

Die Bilder im Fernsehen über das Fortschreiten der Pandemie jagen mir einen Schauer über den Rücken.

Ich weiß, dass es kaum ein Entrinnen gibt, auch für mich nicht. Und trotzdem, ich hoffe, dass ich wenigstens glimpflich davonkomme. Das wünsche ich meiner Frau, meiner Tochter, meiner Enkelin, im Grunde genommen allen Menschen. Einfach, dass es irgendwie an uns vorüberzieht.

Aber wird es so sein? Mein Bauchgefühl sagt mir das Gegenteil.
Was soll ich tun? Nur am Schreibtisch sitzen und darüber philosophieren?

Nein. Ich ordne mein Leben neu, gedanklich jedenfalls.
Ich will weiterschreiben. Es gehört einfach zu mir dazu.
Gestern Abend, da lag ich auf der Couch und ließ mich von einem mittelklassigen Thriller berieseln.

„Eigentlich brauchtest du doch nur noch ein wenig Sport machen, lesen und das Schreiben ganz wegfallen lassen. Dafür gehst du eben arbeiten, aufwischen zum Beispiel und das reicht dann.“

Ich finde den Gedanken gut. Und ein paar Stunden hält sich diese Stimmung auch. Aber dann schlägt sie wieder um.
Was will ich wirklich? Was macht mein Leben aus?

Es ist genau das, worüber ich sehr oft fluche, nämlich das Schreiben.
Wie kann ich das attraktiver gestalten, was gibt es für Chancen, trotz der Corona-Krise, oder gerade wegen ihr?

BELLETRISTISCHES SCHREIBEN IM FOKUS

Ich werde mich auf das belletristische Schreiben konzentrieren. Etwas Anderes kann ich jetzt ohnehin nicht tun.
Also schreibe ich, Blogbeiträge, Texte für E-Books.
Ich merke immer stärker, dass ich noch nicht fokussiert genug an die Sache herangehe.

Bisher habe ich überlegt, wie ich dem Leser gefallen kann.
Die großen Marketingexperten sagen dir das.
„Interessiere dich für deine Zielgruppe, schreibe darüber, was sie interessiert.“

Das habe ich nun lange genug gemacht. Obwohl ich auf Keywords bei der Recherche geachtet und mir Themen gesucht habe, die leserfreundlich sind, hat das alles nichts genützt.

Jetzt in dieser aktuellen Zeit werde ich mich neu aufstellen.
Zum einen mache ich mich nicht mehr abhängig davon, ob ich ein E-Book verkauft bekomme oder nicht.

Und: Ich schreibe ausschließlich kleine Geschichten, die aus dem Alltag sind, so wie ich es schon längst wollte.

Wie ich das nun wirklich mal intensiver voranbringe, darüber denke ich im nächsten Beitrag nach.

 

SCHREIB-ALLTAG

Mehr lesen:

https://uwemuellererzaehlt.de/schreiballtag/

ANNA WEISS NICHTS VON CORONA UND SCHON GAR NICHTS VOM EINKAUFSZETTEL

ANNA IST DEMENT (58)

Lukas sitzt in seiner Garage, ganz hinten, an der Rückseite. Vor ihm auf dem Tisch steht eine Flasche Bier, alkoholfrei versteht sich.
Aus dem Fernsehapparat tönt Schlagermusik.

„Anita…“, intoniert der Sänger und hampelt dabei hemmungslos auf der Bühne herum, während seine Fans verzückt die Melodie im Rhythmus mitklatschen.

Aber das sieht Lukas nicht. Er schaut nicht hin.
In der Ecke liegt die Katze im Körbchen. Sie hat sich zusammengerollt, die Augen zusammengekniffen und schnurrt leise vor sich hin. Ein gutes Zeichen. Für sie ist alles so, wie es sein soll.

Lukas bewegt sich kaum auf seinem Stuhl. Die Katze hat ihr Fressen bekommen, die Musik plätschert harmlos aus dem Fernseher und warm ist es auch.

Es ist die Art von Gemütlichkeit, die manch einer nicht in sein Wohnzimmer bekommt.
Klara und Peter sitzen dort auch gern und reden für einen Moment, wenn sie mal in Stralsund sind, lachen oder kraulen einfach die Katze.

„Krümel hätte längst fröhlich nach ihrer ‚Datze‘ gerufen, vorausgesetzt, sie wäre ebenfalls hier“, sagt Peter dann mit einem gewissen Seufzen.

Lukas hat einen ruhigen Tag hinter sich. Zu ruhig.
„Was soll das noch alles werden?“, denkt er im Stillen und schüttet Bier ins Glas nach.“

Corona hat Stralsund und Rügen erreicht, die Urlauber sind von hier weg und ebenfalls runter von der Insel. Die Eigentümer der Ferienwohnungen machen sich so ihre Gedanken, wie das alles weitergehen soll und die macht sich Lukas auch.

Noch vor ein paar Wochen wollte er sich von einigen Objekten
trennen. „Das wird mir langsam alles ein wenig zu viel“, hatte er gesagt. Und weiter: „Ich gehe ja auch allmählich auf die Rente zu, brauch‘ einfach mehr Ruhe.“

Die Ruhe hat er jetzt. Mehr als ihm lieb ist, weil die Einnahmen durch die fehlenden Buchungen in den von ihm betreuten Ferienanlagen in Stralsund und Rügen faktisch ganz weggebrochen sind. Keiner will groß drüber reden, aber die Angst, was sein wird, die geht doch um.

Nur Anna, die hat keine Angst. Die kennt nicht die Gefahren von Corona.

„Mutti, was sagst du zu den ganzen Bildern im Fernsehen, zu den vielen Kranken in Italien. Macht dir das nicht Angst?“, fragte Klara sie vor einigen Tagen.

„Mir? Warum? Was meinst du?“, fragte Anna daraufhin.
„Was machst du gerade, Mutti?“, lenkte Klara das Gespräch in eine andere Richtung.

„Ach, ich hab‘ ein bisschen den Fernseher an und kaue gerade einen Apfel. Weisst, du ich esse so gerne mal einen Apfel. Und der hier, der schmeckt mir besonders. Den habe ich mir gerade vom Netto geholt.“

„Vom Netto? Mutti! Wann warst du das letzte Mal im Netto?“
„Da kauf‘ ich doch immer ein“, sagte nun Anna wieder.
Klara gab es auf, verabschiedete sich und rief Lukas an.

„Mutti war wieder mal einkaufen, sie hat sich die Äpfel geholt, die so gern isst“, sagte Klara zu Lukas.

„Na gut, dass du mir das sagst“, meinte Lukas. „Ich hätte doch glatt gedacht, dass ich die Äpfel für Mutti aus dem Netto mitgebracht hätte.“

Anna kennt nur noch ihren Balkon, weil sie nicht mehr rausgeht. Auf dem stand sie aber, als Lukas heute Nachmittag mit seinem Auto vorfuhr. Anna erkannte ihren Sohn und winkte ihm freudig zu.
Lukas musste lächeln.

Es war ein ehrliches leises Lachen, denn er wollte natürlich, dass es seiner Mutter gut ging und sie sich noch freuen konnte, wenn er kam. Aber es mischte sich ein Gefühl ins Unterbewusstsein, dass sich dieses freundliche Lachen wohl nicht lange halten würde, wenn er erst einmal die Treppen zu ihr hinaufgestiegen war.

„Ach Lukas kommt einfach gern zu mir“, sagt Anna manchmal abends zu Klara.
„Mutti, ja, er kommt gern zu dir. Das stimmt. Aber er kommt, weil er dir helfen will“, antwortet Klara dann.

„Wieso helfen?“, fragt Anna dann verwundert.
„Na Mutti, was glaubst du, wer dir deinen Kühlschrank wieder mit den Lebensmitteln aufgefüllt hat und wer deine Post aus dem überfüllten Briefkasten heute Vormittag genommen hat?“, fragt Klara dann.

Früher hätte sie nicht so energisch dagegengehalten, aber inzwischen stieg schon eine leise Empörung in ihr hoch, wie Anna alles gedanklich von sich schob.

Doch das war nun mal Annas Krankheit, die ihr Wesen so veränderte hatte, und die lichten Momente nutzte sie zunehmend dafür, die Ungereimtheiten, die ihr selbst auffielen, mit blumigen Worten zu überdecken.

Schon mittags hatte Lukas gemerkt, dass Anna gar nicht so gut drauf war.
„Mutti, denkst du bitte daran, dass du den Einkaufszettel schreibst? Ich komme später bei dir vorbei und gehe danach einkaufen“, erinnert Lukas Anna am Telefon.

„Wieso Einkaufszettel? Ich hab‘ das schließlich im Kopf, was ich brauche“, sagt sie schnippisch zu Lukas.

„Muuttii, du gehst doch gar nicht einkaufen, ich mach‘ das seit Monaten für dich. Früher bist du noch mitgekommen, aber selbst das willst du nicht mehr. Du gehst ja nicht mal mehr zum Briefkasten“, entgegnete Lukas nun.

Er merkte, wie innerlich sein Blutdruck langsam nach oben ging.
„Also, dass du mir das sagst, das finde ich ja unerhört. Das muss ich mir nicht sagen lassen.“

Anna hatte nun auf Konfrontation umgeschaltet.
Lukas setzte das Glas Bier an, während er an den telefonischen Disput mit Anna zurückdachte.

Er bereute es hinterher stets, dass er sich nicht mehr im Zaun hatte.
„Du musst immer daran denken, dass es Annas Demenz ist, die sie so reagieren lässt“, sagt Peter in solchen Momenten zu ihm.

„Ja, ne klar“, antwortet Lukas dann.
„Ich weiß, ich würde wahrscheinlich viel eher ausflippen, wenn ich sehen würde, wie deine Mutter die Lippen nach unten zieht, eine Mimik aufsetzt, so als hätte sich alles schlecht Gelaunte auf dieser Welt in ihren Gesichtszügen festgesetzt“, gab Peter zu.

NÄCHSTE FOLGE: 
ANNA VERTEIDIGT HELDENHAFT IHREN KÜHLSCHRANK
….vor allem die darin gehorteten Lebensmittel, mit weit überschrittenem Verfallsdatum…
ANNA IST DEMENT (59)
MITTWOCH, 01.APRIL 2020

DAS SCHLECHTE GEWISSEN IM HOMEOFFICE IST ALLGEGENWÄRTIG

WAS DIR WICHTIG IST, DAS ZÄHLT

Jetzt ist die Zeit, den Vorteil ‚Homeoffice‘ voll auszunutzen. Aber ist das alles wirklich so toll?
Ich habe da nicht nur positive Erfahrungen in den letzten Jahren gemacht.

Gestern Vormittag klingelte ein sehr guter Freund bei mir durch.
„Du musst doch jetzt sehr gut zurechtkommen, im Homeoffice, mit deinem Schreiben“, meinte er.

Natürlich wusste ich sofort, worauf er anspielte, nämlich auf die Tatsache, dass ich nahezu schon ein Jahrzehnt von Zuhause aus arbeite, vom heimatlichen Schreibtisch aus mein Geld verdiene.

„Ja, ich bin sehr gut trainiert darin allein zu sein, für mich zu arbeiten, wenige soziale Kontakte in der Arbeitszeit zu pflegen“, gab ich ihm recht.

Allerdings ist das, was sich auf den ersten Blick wie ein Vorteil anhört, letztlich nur möglich, wenn du sehr selbstdiszipliniert arbeitest, dich wenig ablenken lässt.

Und die Versuchungen sind groß: Da locken eine Talkshow, ein Thriller, den ich noch gern zu Ende sehen will oder aber ich surfe einfach im Internet herum.

Es ist eben gar nicht so leicht, am Arbeitsplatz im Homeoffice zu bleiben, weil dich hier ja keiner beobachtet, dich keiner auffordert, nicht so viel Kaffee zu trinken, nicht endlos zu quatschen und nicht andere Mitarbeiter von der Arbeit abzuhalten.

Das ist wohl die größte Herausforderung dabei, am Schreibtisch sitzenzubleiben, obwohl dich keiner daran gefesselt hat.
Jetzt wäre die Zeit, das zu trainieren, aus der Not geboren, sozusagen eine Tugend zu machen, natürlich immer vorausgesetzt, man bleibt in dieser Zeit gesund.

Klar, wer noch kleine Kinder hat, die viel Aufmerksamkeit wollen, dem fällt es zudem noch viel schwerer, nicht den roten Faden zu verlieren. Das will ich gern zugeben.

Überhaupt, ich könnte eine Wette eingehen:
Viele werden sich zurücksehnen, an ihren Arbeitsplatz, weit weg vom eigenen Homeoffice. Sie werden sich wieder darauf freuen, den Kollegen zu sehen, ihm freundschaftlich auf die Schulter zu klopfen und danach konzentriert die nötigen Aufgaben abzuarbeiten.

Und dann? Ja dann, freust du dich auf den Feierabend, darauf, dass du alles hinter dir lassen kannst, bis zum nächsten Tag.
Und im Homeoffice?
Das hast du fast 24 Stunden vor deinem Auge, und wenn du nach dem Abendbrot nicht weitermachst, dann drückt dich das schlechte Gewissen.

Die gute Seite daran: Schaust du einen Film, obwohl du eigentlich noch was erledigen wolltest, so genießt du ihn viel intensiver, weil du ja weißt, dass du dir es eigentlich gar nicht leisten dürftest.

EIN SCHEINBAR NICHTSSAGENDER MORGEN

05.30 Uhr. Es ist still.
Es ist immer still um diese Zeit, aber mir scheint heute Morgen ist es irgendwie eine gespenstische Ruhe.

Ich sitze bereits am Schreibtisch, nachdem ich Klara gerade zum Bahnhof gebracht habe.

Sonst fahren wir ja gemeinsam nach Mitte rein.
Sie zur Arbeit, ich auch.
Naja, ich zur körperlichen Tätigkeit, dem Fitnesstraining.
Und nun ist das erst einmal vorbei.

Jetzt habe ich um diese Zeit schon die Texte fertig, die ich noch für die Homepage eines Pflegedienstes durchsehen wollte.
Eigentlich mag ich gar nichts tun.

Ich bin wie paralysiert, denke daran, was vielleicht noch auf uns zukommt.
Ich versuche Klara zu überreden, im Homeoffice zu arbeiten.
Das ist leichter gesagt, als es getan ist.

Sie braucht zwei Bildschirme, und ich sehe mich schon unter dem Schreibtisch liegen und fluchen, weil ich nicht weiß, welche Kabel wo angeschlossen werden müssen.

Das lenkt mich ein bisschen ab, wenn ich über so etwas nachdenke und verhindert, dass die Angst zu schnell und zu stark in mir hochsteigt, vor dem, was vielleicht noch kommt.

Ich kenne Katastrophen nur aus dem Fernsehfilm oder aus dem Kino.
Da, wo Menschen leiden, möglicherweise wegen einer sich rasant ausbreitenden Epidemie, und sie sterben, während du vor dem Fernseher sitzt und lustlos auf einer Salzstange herumkaust und dich ärgerst, weil du danach erneut die Zähne putzen musst.

Aber jetzt ist es anders. Wir sind selbst die Hauptdarsteller, in einem Film, den du auf keinen Fall sehen und deshalb auch nicht so richtig wahrhaben willst.
Ich versuche, mich abzulenken, ich plane, strukturiere, schreibe.
Und dann denke ich an Krümel, die ich jetzt nicht sehen kann.
Sie fehlt mir, vor allem, wenn ich sie frage:

„Na, soll ich dir was vorsingen?“
Sie hat aber gerade in dem Moment einen kleinen Bock, weil ihre Mama ihr mal wieder den Nuckel nicht geben will.
Sie sagt ja nicht im Stil eines Erwachsenen zu mir:

„Oh, lieber Opa, das ist ganz reizend von dir, dass du mir was vorsingen willst, aber gerade jetzt bin ich ein wenig unpässlich, vielleicht später, ja? Aber trotzdem lieben Dank.“

Nein, so viel Umwege macht sie nicht.
Sie sagt einen Satz, einen Halbsatz: „… in Ruhe!“
Das war’s.

Möglich ist das jetzt die Zeit, wo man ohne Umschweife sagen sollte, was man denkt.

Zum Beispiel zu Klara:
„Ich liebe dich von ganzem Herzen, und ich habe Angst um dich, dass du dich auf Arbeit mit dem Virus infizierst.“
Aber das kriege ich nicht über die Lippen, obwohl es genau das auf den Punkt bringt, was ich fühle.

Ich denke dann aber: „Na, sie vermutet doch, dass ich schon wieder irgendwas verbockt habe.
So wie gestern Morgen, als ich den Kaffee aufgesetzt habe und mir der Wasserbehälter umgekippt ist.

Das Wasser lief vom Küchentisch herunter, auf die Erde und schon hatte ich die schönste Sauerei in der Küche.
Ich habe den Wischmopp aus der Ecke herausgezerrt, blieb dabei am Staubsauger hängen. Der fiel auf den Boden, auf die Fliesen, mit einem lauten Knall.

Das Teil, was die Sogstärke regelt, ging dabei kaputt.
„Das musst du kleben“, sagte ich abends zu Klara.
„Ja, das muss auch geklebt werden!“, sagte sie mit vorwurfsvollem Unterton.

„Aber bitte nicht ganz zukleben, sonst ist der Sog zu stark an der Bürste und es saugt sich so schwer.“
„Doch, genau das mach'“, sagte sie darauf entschieden.
Ich schwieg, obwohl es mir schwerfiel, in dem Moment den Mund zu halten.

Den Rest habe ich gestern mit den Socken trockengewischt.
Die waren danach feucht, meine Füße auch.
Na gut.

„Hast du eigentlich bemerkt, dass ich gestern noch abgewaschen habe?“, frage ich so scheinbar ganz nebenbei heute beim Frühstück.
Dabei will ich schon gewürdigt werden, für meine kleinen Heldentaten im Alltag.

Obwohl, bei Klara käme ich gar nicht auf die Idee.
Höchstens, dass ich nach dem Saugen meine: „Da liegt noch ein Fussel.“

Oder dass ich beim Essen sage: „Schmeckt prima, ich nehme noch einen Nachschlag.“
Klara antwortet auf meine Frage, ob sie das Abwaschen bemerkt hätte mit einem „Hm, ja, schön.“
Ich bin ein wenig enttäuscht.

Wir steigen ins Auto und fahren los. Es wird jetzt schon hell.
Der Morgennebel verhüllt die Dorfkirche, ihre Umrisse schimmern aber bereits durch.
Die Straßen sind menschenleer.
Es wirkt unheimlich, dass keiner zu sehen ist.

Nur der Mann mit den vier Buchstaben auf dem Rücken geht in Richtung Bahnhof, er wankt mehr. Ich möchte ihm am liebsten aus dem Auto zurufen: „Hallo, schön dich zu sehen.“

„Ich freue mich, wenn die Sonne rauskommt“, sage ich stattdessen zu Klara.
„Und ich freue mich in der Bahn auf mein Sudoku“, antwortet sie.

Wir sagen nichts, aber wir genießen die kleinen, scheinbar nichtssagenden Momente und hoffen darauf, dass es morgen auch noch so sein wird.

 

FSV BASDORF – EIN KLEINES TEAM GANZ GROSS

ES SIND OFT DIE KLEINEN DINGE DES ALLTAGS, DIE EINEN BERÜHREN
DER FSV BASDORF HILFT

04.00 Uhr früh, meine Frau muss zur Arbeit, also tue ich das, was ich jeden Morgen erledige, bevor ich mich selbst an meinen Schreibtisch schwinge: Ich mache das Frühstück, und ich hole vorher die Zeitung von draußen rein.

Die Zeitung war nicht da, dafür lag aber ein zusammengefalteter Zettel im Briefkasten.

„Der FSV Basdorf geht für Sie einkaufen, damit Sie sicher zuhause bleiben können!“, steht dort drauf.

Es war Montagmorgen, und eine Zeit, zu der ich mich nur schlecht zu guter Laute aufraffen kann.

Aber jetzt bekam ich beim Lesen ein gutes Gefühl, schlagartig legte sich bei mir der Schalter auf positive Energie um.

Ich musste mich dazu nicht durchringen, es mir nicht abquetschen. Nein, mein Unterbewusstsein sendete mir ganz von allein diese guten Signale: Menschen, die wir nicht kennen, und die uns nicht kennen, machen sich Sorgen um uns, bieten vorsorglich Hilfe an.

Klar, meine Frau ist über 60 Jahre, ich auch. Wir arbeiten aber beide noch und noch können wir alles gut organisieren.

Allein die Tatsache, dass sich Menschen für andere Menschen engagieren wollen, das freut mich einfach sehr.

Eigentlich sollte an dieser Stelle ein anderer Text stehen, einer, der etwas über die Stärken in uns selbst aussagt, und wie wir sie mobilisieren können.

Aber dieses Flugblatt ist ja bereits der praktische Beweis für diese Motivation, die man aus sich selbst heraus erzeugen kann. Ich will mich also einfach für diese Geste, für das Hilfsangebot bedanken. Ich lebe schon lange in Basdorf, seit 1993, habe einiges hier mitaufgebaut.

Und nun merke ich wieder, was es hier für engagierte Persönlichkeiten gibt. Späte Erkenntnis? Ja. Zu spät? Nein.
Also, lieben Dank für diese Initiative, liebes Team des FSV Basdorf!
Uwe Müller

ZUR HOMEPAGE DES FSV BASDORF:

https://www.fsvbasdorf.de/

JEEPY (50)

JEEPY IST IN SASSNITZ ANGEKOMMEN UND DENKT DARAN, WIE ER AUF DER FAHRT DORTHIN NOCH EINEN ABSTECHER NACH SCHWERIN MACHTE

Jeepy steht auf dem Hof in Sassnitz, bei Fischer Gottfried. Er ist erschöpft und denkt an den Tag, den er heute erlebt hat. Noch früh morgens stand er im Carport, ist dann allein nach Sassnitz aufgebrochen und hat vorher noch einen Umweg über Schwerin gemacht.

Jeepy saust über die Autobahn, ganz allein. Wohl ist ihm nicht dabei.
Er ist einfach losgefahren, ohne seinen Fahrer zu fragen.

Aber jetzt will er hoch zur Ostsee, nach Sassnitz auf Rügen. Vorher aber, da möchte er noch einen Abstecher nach Schwerin machen, da, wo sein Fahrer herkommt.

Der hat ihm viel erzählt von dieser Stadt, in der er seine Kindheitsjahre verbracht hat.
Also will Jeepy mit eigenen Augen sehen, was in dieser Stadt heute so los ist.

Doch er hat nicht so viel Zeit, denn er möchte noch nach Sassnitz fahren und dann auch wieder nach Hause, in seinen Carport.
Es ist dunkel geworden und Jeepy hat inzwischen die Stadtgrenze von Schwerin erreicht.

„Hey, Navi, sag‘ mir, wo ich langfahren muss, damit ich auf dem Obotritenring ankomme“, ruft Jeepy.

„Warum ausgerechnet Obotritenring?“
„Sei nicht so neugierig, oder machst du das etwa auch, wenn mein Fahrer im Auto sitzt und dir das Ziel vorgibt?“

„Nein, natürlich nicht, da flöte ich nur mit lieblicher Stimme, wo er langfahren soll, zum Beispiel – die Straße geradeaus und dann linkshalten“, antwortet das Navigationsgerät.

„Naja wenigstens hast du heute eine angenehme Stimme. Früher, da hat in deinem Gerät ein Mann gesessen und der rief ‚liiinkshaaalten!‘. Da ist mein Fahrer bald vor Schreck aus dem Auto gefallen.“

„An der nächsten Kreuzung, da biegst du nach rechts ab, fährst die Anhöhe hoch und dann bist am Obotritenring, besser gesagt, in der Goethestraße. Da hat nämlich die Oma von deinem Fahrer gewohnt.“

„Donnerwetter, was du alles weißt. Also gut, so machen wir das.“
Jeepy hat es geschafft. Er steht genau vor dem Haus, in dem die Oma von seinem Fahrer gelebt hat. Oma Martha war seine Lieblingsoma.

FORTSETZUNG – JEEPY (51): JEEPY LERNT IN SCHWERIN DEN DACKEL HANNEMANN KENNEN

PODCAST – ALLTÄGLICHES (40)

EIN SCHEINBAR NICHTSSAGENDER MORGEN

Es ist still.
Es ist immer still um diese Zeit, aber mir scheint heute Morgen ist es irgendwie eine gespenstische Ruhe.
Ich bin wie paralysiert, denke daran, was vielleicht noch auf uns zukommt.
Ich kenne Katastrophen nur aus dem Fernsehfilm oder aus dem Kino.
Da, wo Menschen leiden, möglicherweise wegen einer sich rasant ausbreitenden Epidemie, und sie sterben, während du vor dem Fernseher sitzt und lustlos auf einer Salzstange herumkaust und dich ärgerst, weil du danach erneut die Zähne putzen musst.
Aber jetzt ist es anders. Wir sind selbst die Hauptdarsteller, in einem Film, den du auf keinen Fall sehen und deshalb auch nicht so richtig wahrhaben willst.
PODCAST

AUF ALTE STÄRKEN ZURÜCKBESINNEN

Das Corona Virus zwingt mich dazu, mein Leben neu zu ordnen.

Kann ich einfach so weitermachen, wie ich es bisher getan habe?
Nein, bestimmt nicht.

Nachdem ich lange darüber nachgedacht habe, bin ich zu dem Entschluss gekommen, meine täglichen Trainingseinheiten im Fitness-Studio aufzugeben.

Es ist ja nicht damit getan, dass du lediglich die Geräte nach dem Training mit einem Tuch säuberst. Du triffst ja im Verlaufe der Woche auf viele Menschen, sehr viele.

Dass ich nicht weitermachen kann, das schmerzt mich. Die tägliche Überwindung, das Dranbleiben an den Übungen, das hat mich geformt.

Aber was lerne ich nun daraus?
Ich muss gerade jetzt die Kehrseite der Risiken sehen.

Welche können das sein?
Einmal die Tatsache, dass ich seit über 8 Jahren aus dem Arbeitszimmer, dem Homeoffice, mein Geld verdiene.

Ich hatte schon vergessen, was mich dazu gebracht hat, wirtschaftlich zu überleben.
Du musst nämlich sehr diszipliniert sein, sehr ausdauernd und auch ein wenig kreativ.

War ich das immer? Bestimmt nicht!

Aber ich rufe mir diese Primärtugenden des freiberuflich Tätigen jetzt wieder stärker ins Gedächtnis.

Was bleibt, das ist das Risiko. Meine Frau muss ja trotzdem jeden Tag nach Berlin reinfahren, um im Zeitungsviertel zu arbeiten.

Aber oder gerade deshalb wollen wir nicht, dass uns der Mut verlässt, wir bleiben humorvoll und zuversichtlich. Und diesen Mut, der bleibt, den wünschen wir allen.

JEEPY (49)

JEEPY FÄHRT ALLEIN NACH SASSNITZ

Jeepy ist von Zuhause ausgerissen, kann autonom fahren und schafft es bis auf den Hof von Onkel Gottfried, dem Fischer aus Sassnitz

Hallo Krümel, heute meldet sich nicht Jeepy bei dir, sondern ich, dein Opa und gleichzeitig der Fahrer von Jeepy. Aber das weißt du ja längst.

Du willst wissen, wo Jeepy hin ist? Ja, gestern hätte ich das auch gern gewusst.

Aber dann meldete sich ein Fischer aus Sassnitz. Dieser Fischer heißt Gottfried Taube und ist schon sehr alt, über 80 Jahre. Und trotzdem fährt er noch jeden Tag mit seinem kleinen Boot aufs Meer hinaus und fängt Fische.

Ich kenne ihn gut, und ich mag ihn sehr, wegen seiner brummigen, aber sehr ehrlichen Art. Onkel Gottfried, so haben wir ihn stets genannt.

Onkel Gottfried hat uns nun angerufen. Er telefoniert sehr ungern. Er hat zwar ein Handy, aber das liegt in einer Kommode und wird von ihm nicht vermisst.

Also schrillte Onkel Gottfrieds altes Telefon im Flur. Onkel Gottfried war schon vor dem Fernsehapparat eingeschlafen. Er erhob sich ächzend aus dem Sessel und zur gleichen Zeit sprang seine Katze Minka von seinem Schoß auf. Sie miaute.

„Muss der mich hier einfach in meiner Ruhe stören?“, fauchte sie. Onkel Gottfried aber konnte sie nicht hören. Nur die Tiere untereinander können sich in dieser Sprache verständigen. Es war die Tiersprache mit einem plattdeutschen Dialekt, in der Minka ihren Unmut zum Ausdruck brachte.

„Onkel Gottfried, weißt du wo Jeepy abgeblieben ist?“, fragte ich ihn.
Ich war nämlich am anderen Ende des Telefons, und weil ich mir Sorgen um Jeepy machte, hatte ich eben Onkel Gottfried angerufen.
„Wie kann Jeepy, ein Auto, hier bei mir sein? Ohne seinen Fahrer? Was für ein Quatsch!“, brummte Onkel Gottfried.

„Hast du schon mal etwas von einem autonomen Fahren gehört?“, fragte ich ihn.
„Nö“, sagte Onkel Gottfried.

„Ein autonomes Auto kann alles allein. Es fährt auf der Straße allein, steuert selbstständig, reagiert im Notfall auf sich gestellt, kann allein durch den Kreisverkehr fahren, sieht die Ampeln, sieht den Gegenverkehr und vieles mehr.“

„‘Dunnerwetter‘“, erwiderte Onkel Gottfried auf platt.
„Ja, und sprechen kann Jeepy auch.“

„Willst du ‚mi veräppeln‘?“, fragte da Onkel Gottfried.
„Nein, ganz bestimmt nicht. Denkst du, mir macht es Spaß, dass Jeepy so einfach über die Autobahn düst, ohne mich zu fragen? Also schau doch mal durchs Fenster, ob Jeepy bei dir auf dem Hof steht.“

Onkel Gottfried legte den Hörer beiseite und tatsächlich, mitten auf dem Hof, da leuchtete das fröhliche Rot von Jeepy.
„Dein Jeepy steht bei mir auf dem Hof und Minka liegt schon darunter“, sagte Onkel Gottfried, nachdem er mich erneut angerufen hatte.

„Ich ruf dich zurück, wenn ich mit Jeepy gesprochen habe“, sagte er noch und legte auf.

Ja, Krümel, und wie diese Geschichte weitergeht, und wie Jeepy den Dackel Hannemann, Minka, Onkel Gottfrieds Katze, und den Bobtail Bobby kennenlernt, und was er vor allem mit ihnen für Abenteuer erlebt, das erzähle ich dir die nächsten Male.
Bis dahin grüßt dich ganz herzlich der Fahrer ohne ‚Jiiipi‘.

SCHREIB-ALLTAG (15)

WIE AM BESTEN SACHVERHALTE UND THEMEN EINDRUCKSVOLL SCHILDERN?
Sachverhalte lassen sich besser erhellen, wenn man sie nicht nur trocken beschreibt, sondern Figuren mit ins Spiel bringt und Situationen detaillierter schildert.

„Es regnete, als der Mann aufstand und zur Arbeit ging“, ist eine Möglichkeit, einen einfachen Sachverhalt wiederzugeben.

Besser: „Er kam mit Mühe aus dem Bett. Und als er schließlich vor die Tür trat, da schauderte es ihn zum zweiten Mal an diesem Morgen. Der Regen prasselte auf das Vordach des Hauses. Er schlug den Kragen des Mantels hoch und trat ins Freie. Im Nacken spürte er vereinzelt Regentropfen und seine Füße wateten durch die Pfützen. Er hätte im Bett bleiben sollen.“

Sicher, nicht immer ist die Zeit da, so ausführlich zu schreiben, aber wenn ich mir zum Beispiel Themen der Pflege vornehme, dann reicht es für mich nicht zu sagen: „Die Pflege und Betreuung von Demenzkranken verlangt den pflegenden Angehörigen alles ab.
Nein, ich will Situationen schildern, in denen das besonders deutlich wird.

„Anna vergaß alles“ ist eine Möglichkeit, den Zustand eines an Demenz erkrankten Menschen zu beschreiben.
„Anna rief heute zum sechsten Mal bei Lukas an, und zwar im halbstündlichen Takt nach acht Uhr abends“, eine andere; eine Möglichkeit, die nicht nur Annas Zustand verdeutlicht, sondern auch zeigt, wie pflegende Angehöriger davon betroffen sind.

DIE KRÄFTE BÜNDELN

ANNA-2020.03.11

LUKAS, KLARA, PETER SIND EIN TEAM BEI DER UNTERSTÜTZUNG VON ANNA

Lukas ist krank, erkältet. Er krächzt am Telefon und es strengt ihn sehr an, neben seiner Arbeit noch bei Anna vorbeizuschauen.
Sie überschüttet ihn zudem mit Anrufen, nicht tagsüber, sondern abends.

Genau dann, wenn er sich ein wenig erholen und seine Erkältung auskurieren will.

„Mutti, warum meldest du nicht am Tag bei mir und nicht erst abends, nach 20.00 Uhr?“, fragt Lukas sie mal wieder kurz vor 21.00 Uhr, als es bei ihm klingelt.

„Das werde ich ja nie wieder tun!“, sagt Anna beleidigt.
Am nächsten Tag meldet sie sich nicht bei ihm, erst am späten Abend klingelt wieder das Telefon.
Lukas hat sich bereits ins Bett gelegt. Es geht ihm immer noch nicht gut.

„Ich wollte nur mal hören, wie es dir geht“, sagt Anna.
„Mutti, ich liege bereits im Bett, du kannst mich doch tagsüber viel besser erreichen“, sagt Lukas.

„Ich ruf‘ ja nie wieder bei dir an“, antwortet Anna. Ihre Stimme klingt verärgert.

Klara kommt abends aus Berlin zurück. Die Arbeit nimmt sie derzeit sehr in Anspruch. Und trotzdem muss sie mit Anna besprechen, wie es mit den Lebensmitteln bei ihr im Haus aussieht, um Lukas anschließend bei der Zusammenstellung einer optimalen Einkaufsliste für Anna zu unterstützen.

„Achte bitte darauf, dass Mutti die Lebensmittel aus dem Kühlschrank nimmt, deren Verfallsdatum abgelaufen ist“, sagt Klara zu Lukas.

„Mach‘ ich“, antwortet Lukas knapp. Sie verstehen sich nahezu blind.
Peter sitzt am Computer und flucht. Er wollte eigentlich längst seinen Text fertiggeschrieben haben. Stattdessen schlägt er sich mit den neuen Versicherungspolicen von Anna herum, die Lukas in ihrer Wohnung entdeckt hat.

„Das Schlimme ist, dass wir deine Mutter nicht einmal danach fragen können, ob bei ihr jemand in der Wohnung war, um Verträge abzuschließen“, sagt Peter zu Klara, die den Kopf in sein Arbeitszimmer steckt.

„Aber ich kriege das schon wieder hin“, murmelt Peter noch.
„Ich weiß“, sagt Klara und geht nach unten ins Wohnzimmer, um mit Anna zu telefonieren.

Sie alle eint nur ein Gedanke, nämlich mit ganzer Kraft für Anna dazu sein, auch wenn jeder mitunter an seine Grenzen kommt.
Zusammen aber, da bauen sie sich gegenseitig wieder auf und machen am nächsten Tag weiter, denn Anna braucht auch künftig ihre Hilfe und Unterstützung.

MEINE INNEREN STIMMEN SIND WIEDER DA

PROBEZEIT IST VORBEI
Wie mich ‚KeinBock‘, ‚DerBeißer‘, ‚JammerLappen‘ und ‚DerPlaner‘ versuchen zu beeinflussen.

Es ist mal wieder soweit. Ich muss aufstehen und mit mir meine inneren Stimmen. Ich habe ihnen neue Namen gegeben.
Ich weiß nicht, wieviel Stimmen oder Protagonisten es am Ende sein werden.

Heute Morgen sind es jedenfalls ‚KeinBock‘, ‚DerBeißer‘, ‚JammerLappen‘ und ‚DerPlaner‘.

KeinBock ist grundsätzlich gegen alles, hat nicht wirklich zu etwas Lust. So wie heute Morgen, als der Wecker des Handys anfing Krach zu machen.

„Warum?“, fragte KeinBock.
„Darum!“, sagte DerBeißer, wie immer mit leicht verkniffenem Gesicht.

„Los, heb deinen Hintern aus dem Bett“, schnaufte er noch.
Das erinnerte mich an meine Marinezeit, als morgens die Trillerpfeife ertönte und der Maat vom Dienst schrie:

„Reise, Reise, nach alter Seemannsweise, ein jeder weckt den Nebenmann, der letzte stößt sich selber an.“
„Ich kann nicht so früh aufstehen, ich bin Rentner“, versuchte JammerLappen zaghaft einzuwenden.

„Heul‘ woanders, du arbeitest ja auch noch und da willst du gar nichts davon wissen, dass du Rentner bist, such‘ dir nicht immer die Rosinen raus.“

„Lass ihn doch mal in Ruhe, er muss sich erst einmal zurechtfinden und entscheiden, ob die Energie ausreicht, damit er endlich aufsteht“, murrte KeinBock.

„Schwing‘ doch die Beine erst einmal aus dem Bett und dann sitzt du auf jeden Fall schon mal. Dann hockst du so ein bisschen, kannst ja mit JammerLappen gemeinsam noch ein wenig herumheulen und danach stehst du mit einem Schwung auf“, sagte DerBeisser.

Jetzt mischte sich DerPlaner ein: „Komm, mach schnell. Du musst noch den Kaffee kochen, die Wasserflasche füllen. Außerdem habe ich gerade den Zeitungsmann gehört. Wie ich dich kenne, willst du auch noch einen Blick in die Zeitung werfen, damit du nachher im Auto schön wieder Klara die Ohren vollsülzen kannst.“

Ich hatte genug von dem Summen im Ohr, schwang mich aus dem Bett, rückte die Bettdecke zurecht, knipste das Licht an und schlurfte ins Bad, um mir erst einmal ein paar Wassertropfen in die Augen zu schmieren und einen kalten Schwapp ins Genick. Danach war ich etwas munterer.

Der Tag hatte unwiderruflich begonnen, egal, was die Stimmen mir noch einflüstern wollten.

MIT DEM EIGENEN BLICK RUHIG MAL DURCH DAS FENSTER DES ANDEREN SCHAUEN

Was in der Streitkultur zwischen Ost und West helfen kann.

Wir waren mal wieder im Theater, im Deutschen Theater. Ich bin ehrlich, hätten uns unsere Freunde nicht ‚mitgeschleppt‘, wir wären von allein wohl nie gegangen.

Klara ist am Wochenende fertig von der Arbeit, ich vom Schreiben und vom Training im Fitness-Studio.
Wir haben es dennoch nicht bereut, dort gewesen zu sein.

Das Stück hieß ‚Hasta la Westler, Baby!‘
Wir waren begeistert. Es hat die Befindlichkeiten zwischen Ost- und Westdeutschen aufgegriffen.

Aber auf humorvolle Weise, teilweise mit beißendem Spott, aber auch damit, wie man im Osten mitunter larmoyant agiert, berechtigt und unberechtigt.
Kurzum, irgendwie hat das Stück meinen Nerv getroffen.

Schon lange habe ich den Eindruck, dass die Gefühls- und Gedankenwelt der Menschen im Osten nur sehr einseitig abgebildet wird – in Gesprächen, in der Presse, in Talkshows.
Das Leben so wie es war, wie ich es selbst erlebt habe, dass fehlt mir bisher in unserer ‚medialen Ablichtung‘.

Die Wirklichkeit mit all ihren Facetten abzubilden, ehrlich, ungeschminkt und ohne gleich dem sogenannten Mainstream nachzugeben, das ist den Künstlern an dem Abend sehr gut gelungen, nach meinem Empfinden jedenfalls.

Es gibt da noch viel zu bereden. Ich glaube, das Wichtige an dem Diskussionsprozess zwischen Ost und West ist, dass man ‚durch das Fenster des jeweils anderen schaut‘ und von da aus Dinge beurteilt, meinetwegen auch verurteilt, aber eben erst nach diesem Blick.

JEEPY (48)

MEINE ZÄHNE

Hallo Krümel, hier ist wieder Jeepy, wie jeden Freitag.
Das war eine schöne Woche für mich. Ich konnte dich sehen, weil mein Fahrer, dich besucht hat, gemeinsam mit deiner Oma.

Du hast vor Freude aufgeschrien, als du mich erkannt hast. Ich glaube, deine Freude rührt daher, dass dein Opa dir schon so viele Abenteuergeschichten über mich erzählt hat.

Du wolltest eigentlich nach dem Besuch von deiner Oma und deinem Opa noch mit deiner Mama zu Fuß zum Drogeriemarkt laufen, um ein paar kleinere Dinge einzukaufen.

Doch dann hat es mein Fahrer nicht fertiggebracht, dich so einfach stehenzulassen, nur zu winken und wegzufahren.

Also haben deine Mama, mein Fahrer und deine Oma beschlossen, dich und deine Mama ein Stück mitzunehmen. Du hast dich gefreut und im Auto gerufen: „Opa lauter?“

Du meintest das Radio, dass dein Opa lauter stellen sollte.
Dann seid ihr noch alle gemeinsam im Drogeriemarkt gewesen.
Du bist im Einkaufswagen durch die Halle gerollt und mein Fahrer hat dich durch die Gänge geschoben.

„Opa, Brille“, hast du gesagt, als du am Sonnenbrillenständer vorbeikamst.
Du wolltest auch gleich zugreifen, aber dein Opa hat dich schnell daran vorbeigeschoben.

Schließlich hat deine Mama dir noch eine neue Zahnbürste gekauft.
Als du nach dem Bezahlen glücklich mit der Zahnbürste in der Hand zum Ausgang gestürmt bist, da piepte es, als du die Kontrollschranke passiert hast.

Die Verkäuferin hat dir deshalb die Zahnbürste wieder weggenommen, um sie noch einmal zu scannen, obwohl sie bereits bezahlt war.

Du hast das alles nicht verstanden und gerufen: „Meine Zähne…“
Die Verkäuferin musste lachen, stand auf und ging mit dir gemeinsam durch die Kontrollschranke.
„Meine Zähne“ hast du wiederholt und die Verkäuferin vorwurfsvoll angeschaut.

Die musste lachen und hat sich von dir sehr nett verabschiedet.
Danach hast du die Zahnbürste ganz stolz in den Händen gehalten.
Dein Opa hat schon auf dich gewartet und du hast ihm fröhlich zugerufen: „Opa, meine Zähne“, und ihm zugleich die Zahnbürste entgegenstreckt.

„Ja, Krümel, deine Zähne und damit sie es auch bleiben, putze sie sehr gründlich“, hat dein Opa gesagt.

„Sonst hast du nicht mehr deine, sondern fremde Zähne“, hat er noch gemurmelt.

Naja, aber das kannst du nicht verstehen, noch nicht.
Bis zum nächsten Mal grüßt dich ganz herzlich
Dein ‚Jiiiipiii‘.

SCHREIB-ALLTAG-14

DER ALLWISSENDE AUKTORIALE ERZÄHLER

Der allwissende auktoriale Erzähler lässt den Leser in die Köpfe aller Figuren hineinschauen. Besonders häufig wurde diese Art des Erzählens im sogenannten viktorianischen Roman angewandt (vgl. James N. Frey, „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“, Emons Verlag GmbH, ISBN 978-3-89-705-32-1, S. 126 ff).

Der Leser sollte ein möglichst detailgetreues Abbild der damaligen Gesellschaft erhalten.
Beispiel: Jo traute seinen Augen nicht, als er das Buch in den Händen hielt. Er hatte es durchgeblättert und sofort erkannt, dass er auf dem Foto mitabgebildet war.
Er musste unwillkürlich die 30 Jahre zurückdenken. (Perspektive von Jo).

Klara blieb still und freute sich, ohne es groß nach außen zu zeigen. (Perspektive von Klara).

In diesem Fall sind es nur zwei Figuren. Der Nachteil aber bei vielen Figuren besteht darin, dass der Autor in jeden Kopf hineinschlüpft, die Gedanken und Gefühle jeder einzelnen Figur beschreibt.
Das macht es für den Leser nicht gerade, sich mit einer dieser Figur wirklich nachhaltig zu identifizieren.

Die moderne Form ist der sogenannte eingeschränkte auktoriale Erzähler.
Dazu mehr im nächsten Beitrag.

ANNA IST DEMENT (56)

LUKAS FREUT SICH AUF SEIN FEIERABENDBIER

Es ist spät geworden an diesem Dienstag. Lukas war noch bei einem Eigentümer einer Ferienwohnung. Die Wohnung ist begehrt, sie hat einen direkten Blick auf den Stralsunder Hafen und den Sund. Im Hintergrund kann man die Brücke sehen, die nun schon seit fast anderthalbhalb Jahrzehnten Stralsund mit Rügen verbindet.

„Ist das nicht ein fantastischer Blick“, empfängt der Eigentümer ihn in der Ferienwohnung.

Lukas kümmert sich um die Gäste der Wohnung, regelt die An- und Abreisen, sorgt dafür, dass die Wohnungen sauber sind, führt kleinere Reparaturen durch oder kümmert sich um Handwerker, wenn größere Aufgaben anfallen.

Lukas hat alles im Griff und im Blick. Nur der Blick dafür, was die Schönheiten ausmacht, wenn man aus dem Fenster schaut, der geht ihm mitunter im Trubel verloren.

„Wir sollten reden, wie wir es den Urlaubern noch angenehmer machen, damit sie unseren Service voll genießen können“, sagt Lukas stattdessen zum Eigentümer.

„Was meinen Sie mit noch mehr Service?“, fragt der Eigentümer zurück. Sein Blick verrät, dass er augenblicklich nicht noch mehr Geld in den Standard der Wohnungsausrüstung stecken will.

„Ach, die Urlauber sind stets sehr zufrieden, es sind also nur Kleinigkeiten“, meint Lukas und kramt einen Zettel aus seiner für ihn so typischen Handwerkerhose.

Das Gespräch dauert länger, als Lukas es gedacht hätte, aber schließlich ist alles besprochen und beide verabschieden sich zufrieden voneinander.

Lukas schaut auf die Uhr und will noch schnell bei Anna vorbeischauen. Eigentlich war der Tag stressig genug und das Bier wartet auf ihn, die Katze, seine stille Wegbegleiterin über den Tag, ebenfalls.

„Wo kommst du denn jetzt her?“, empfängt Anna ihn an der Tür.
„Mutti, ich wollte nur schauen, ob bei dir alles in Ordnung ist“, sagte Lukas und ließ sich erschöpft in einen der Sessel fallen. Dabei fiel ihm ein Schreiben auf, das auf der Anbauwand neben der Couch lag.
Er nimmt das Papier in die Hand und beginnt zu lesen.

„Liebe Frau Sturm, wir bestätigen den Eingang Ihres Schreibens und bedauern es zugleich sehr, dass Sie
unser Vertragsverhältnis kündigen wollen.“
Lukas sitzt nun mit einem Schlag kerzengerade im Sessel.

„War wieder jemand hier, der deine Versicherungsverträge durchgesehen hat, Mutti?“

„Wo denkst du hin, natürlich nicht“, sagt Anna barsch.
Lukas steht auf, verabschiedet sich und beeilt sich nach Hause zu kommen.

Er will nachdenken, wie er herausbekommt, wieso schon wieder von einer Versicherungsgesellschaft ein Schreiben vorlag, in der Annas schriftliche Kündigung bestätigt wurde.
Anna kann nicht mal mehr einen Einkaufszettel selbstständig schreiben.

Die Freude auf das alkoholfreie Feierabendbier ist Lukas vergangen.

50 KILO ABNEHMEN (25)

INTERVALLFASTEN – MEINE NEUE STRATEGIE

Ich weiss gar nicht, warum ich so spät mit dem intensiven Training im Fitness-Studio angefangen habe.

War es Trägheit, der Stress, alles unter einen Hut zu bekommen oder einfach nur lange Zeit der Glaube, dass ich so etwas nicht brauche?
Welche Gründe auch immer eine Rolle gespielt haben, es war ein fataler Fehler, es solange nicht zu tun.

Aber nun halte ich schon seit über einem halben Jahr daran fest, und es tut mir gut- nicht nur physisch, sondern auch mental.
Jetzt muss ich nur mit dem Essen nachziehen.

Das Gewicht will nicht weiter runtergehen. Ich hake fest bei 124 kg.
Ich habe zwar zwischendurch Teilerfolge zu verzeichnen, die ich aber oft wieder durch undiszipliniertes Essverhalten zerstöre.

In der vergangenen Woche zum Beispiel habe ich abends noch Reste von kleinen Tüten entdeckt, in denen Gummitiere verpackt waren.
Ich habe drei Tüten mit der Schere aufgeschnitten und mir den Mund vollgestopft.

Ich konnte kaum kauen, so voll war mein Mund.
Am nächsten Morgen war ich auf der Waage und konnte das Ergebnis meiner ungezügelten Schwäche ablesen.

Jetzt bin ich auf das Fasten aufmerksam geworden.
Das Intervallfasten habe ich ja bereits erfolgreich ausprobiert, aber eben noch nicht hinreichend konsequent genug daran festgehalten.

Es gibt noch viel zu tun. Am Sonntag habe ich 16.00 Uhr das letzte Mal was gegessen, am Montag erst wieder nach 13.00 Uhr.
Der erste Schritt ist getan.

DER FILM „1917“

MAL SCHNELL ERZÄHLT

Samstag im Kino im CineMotion in Berlin Hohenschönhausen.
Vor den Kassen haben sich riesige Schlangen gebildet. Das habe ich noch nie erlebt. Das gab es nur zu Ostzeiten, wenn Bananen oder Apfelsinen verkauft wurden.

Vielleicht hängt es aber auch mit der Berlinale zusammen, dass mehr Leute ins Kino gehen.

Wir wollen den Film ‚1917′ ansehen. Er ist Oscarprämiert und erzählt die spannende Geschichte zweier Soldaten im ersten Weltkrieg, und das künstlerisch in sogenannte ‚Echtzeit‘ gepackt.

Ich genieße es, im Vorraum des Kinos zu sitzen und mir die Leute anzuschauen, die vorübergehen, manche mit Bechern, die randvoll mit Popcorn gefüllt sind.

Ich schaue mir die Plakate an der Wand an und stelle fest, dass es noch den Film ‚Lassie‘ in Neuauflage gibt. Darum also die vielen Kinder, die im Foyer des Kinos aufgeregt umherschnattern.
Jetzt entdecke ich auch noch das Plakat zu ‚Ruf der Wildnis‘ mit Harrison Ford in der Hauptrolle.

Deshalb also die Ansammlung vor den Kassen. Und ich dachte anfangs, dass es wegen unseres Films ist, in den wir hineingehen.
Wir sitzen im Kinosaal, der Film beginnt.

Man sieht ein Schlachtfeld im ersten Weltkrieg, Gräben, in denen Soldaten hocken, schlafen, vor sich hindämmern.
Ich stelle mir vor, was diese Menschen aushalten mussten und konzentriere mich auf das, was passiert.

Es ist unheimlich und faszinierend zugleich, dem Eindruck zu erliegen, man sei direkt am Ort und in der Zeit des Geschehens. Ich werde trotzdem froh sein, wenn ich danach wieder nach Hause fahren und in meinem Bett schlafen kann, und ich vorher vielleicht noch ein Stück von dem Juror einer Castingshow sehe, der gerade sagt: „Du kannst ja überhaupt nicht singen, Mensch.“

‚Wir jammern den ganzen Tag, wie schlecht wir es haben‘, geht mir noch durch den Kopf, und wir können das aber nur, weil es uns richtig gut geht.
Dann nimmt mich der Film vollends gefangen.

WANN TAUSCHT DEIN OPA MICH GEGEN EIN ELEKTROAUTO EIN?

JEEPY

Hallo Krümel,
ich war beim Arzt, oder genauer gesagt zur Durchsicht in der Autowerkstatt, schauen, ob alles mit mir in Ordnung ist.
Mir geht es super und ich will auf jeden Fall noch zwei Jahre mit meinem Fahrer, deinem Opa, zusammen sein.

Und mit dir und mit Oma natürlich. Aber wie lange ich das wirklich noch darf, das ist die große Frage. Wenn du groß bist, dann gibt es mich, deinen geliebten Jeepy, nicht mehr.

Denn dann fahren die Autos mit Batterie oder mit Wasserstoff, der Umwelt zur Liebe. Und das ist ja wichtig, dass sich das Klima weiter verbessert.

Wir müssen noch viel mehr tun, sagen alle. Ich sage das auch. Ich überlege ja schon, ob dein Opa mir einen Elektroantrieb einbaut, doch das ist wohl Quatsch und viel zu teuer. Dein Opa sagt: „Du, Jeepy, bleibst noch ein bisschen bei uns, fährst Krümel durch die Gegend.

Und vielleicht kauft dein Opa ja später mal ein Auto aus der Fabrik, die gerade nicht weit weg von uns entsteht.

Aber bis dahin, lieber Krümel, wollen wir alle noch ein bisschen Spaß zusammen haben. Immerhin haben wir ja schon den ganz großen Geländewagen, meinen Vorgänger, gegen mich, ein viel kleineres und damit sparsameres Auto eingetauscht.

Also ein bisschen werde ich noch bei dir sein und dich hören, wenn du freudig rufst: „Jiiiiipiiii…“
Dein Jeepy

SCHREIB-ALLTAG (13)

WAS IST SPANNEND AM SCHREIBEN?

Mir tut mein Nacken weh vom Schreiben, mein Rücken auch. Trotzdem ist das Schreiben wie eine Droge.

Selbst wenn du Schmerzen hast, machst du weiter.
Oder wenn du doch mal längere Zeit aussetzt, willst du wieder weiterschreiben.

Was ist faszinierend an diesem Schreibprozess?

Auf den ersten Blick gar nichts, auf den zweiten siehst du die Anstrengungen. Und erst dann, langsam begreifst du, dass du viel intensiver über dein Leben nachdenkst, über Sinn und Unsinn von vielen Dingen.

Du musst viel sensibler beobachten, dich selbst und auch andere.
Du kannst nicht über den Kopf von jemandem hinwegschreiben, du musst durch seinen Kopf hindurch, in die Gedanken deines Protagonisten rein. Ich glaub‘, das ist das Spannende am Schreiben.

ANNA IST DEMENT – (55)

GLAUB‘ MAL NICHT, DASS ICH NICHT MEHR RAUSGEHE

Anna sträubt sich dagegen, mit Hilfe von Klara eine Einkaufsliste zu schreiben. Sie will nicht wahrhaben, dass sie gar nicht mehr allein vor die Tür geht, schon gar nicht bis zum Supermarkt.

„Mutti, ich ruf‘ dich morgen Vormittag an und dann schreibst du die Einkaufsliste für Lukas.“
„Einkaufsliste für Lukas? Wieso Einkaufsliste für Lukas?“
„Mutti, Lukas geht doch einkaufen für dich. Er muss wissen, was du brauchst.“

„Wieso muss der wissen, was ich brauch‘?“
„Weil Lukas für dich einkauft, damit du alles hast.“
„Das mach‘ ich doch allein“, sagte Anna.
„Du gehst seit Wochen schon nicht mehr raus“, antwortete Klara. Sie hatte Mühe, sich zu beherrschen.

„Also das ist ja das letzte, dass du so etwas sagst.
Lukas war noch nie für mich einkaufen. Das mach ich immer noch allein.“

„Aber Mutti, du gehst nicht einmal mehr zum Briefkasten runter.“
„Dass du das zu mir sagst, das hätte ich nicht gedacht.“
„Ich auch nicht, Mutti“, sagte Klara jetzt schon ein wenig erbost.

Doch sie bereute ihren Ton im selben Moment.
„Mutti, wir alle wollen doch, dass es dir gut“, sagte Klara jetzt wieder versöhnlicher.
„Das weiß ich doch. Aber glaub‘ mal nicht, dass ich nicht mehr rausgehe!“

‚Ich weiß aber, dass du nicht mehr rausgehst‘, dachte Klara jetzt.
„Mutti, das ist ja schön, dann helfe ich dir, deine Einkaufsliste zu schreiben“, sagte Klara stattdessen laut.

„Ja, in Ordnung“, meinte Anna nun.
Am nächsten Tag rief Klara erneut bei Anna an.

„Hallo Mutti, wollen wir mal schnell deine Einkaufsliste durchgehen?“, fragte Klara sie.

„Welche Liste? Ich brauch‘ keine Liste!“, antwortete Anna mürrisch. Eine Stunde später war die Liste trotz Annas erneuten anfänglichen Widerstandes geschrieben.

„Und was soll ich jetzt damit?“, fragte Anna.
In dem Moment klingelte es bei Anna an der Tür.

Es war Lukas. Er holte die Liste und ging zum Supermarkt, ohne Anna. Wie jeden Samstag.

50 KILO ABNEHMEN – (24)

JEDEN TAG SICH NEU ÜBERWINDEN

Es erzählt sich so wunderbar, was du für ein Held bist, weil du ja jeden Tag früh ins Fitness-Studio reinfährst. Den Wecker morgens aber interessiert das nicht - er klingelt 3.40 Uhr, und zwar erbarmungslos.

Es sind nun schon vier Tage, an denen ich nicht im Fitness-Studio war. Am Freitag hatte ich einen Termin und gestern auch.

Samstag und Sonntag fahre ich grundsätzlich nicht nach Berlin rein.
Ich bin ehrlich, ich hätte trotzdem vorher ins Studio fahren können, aber ich habe mir die Ausreden so zurecht- gelegt, als könnte ich angeblich nicht die Zeit für das Training aufbringen.

4.15 Uhr heute Morgen. Ich sitze seit einer halben Stunde in der Küche, der Kaffee läuft durch, die Zeitung ist mal wieder nicht im Briefkasten, ich habe schlechte Laune, aber ich sitze und schreibe auf dem Handy.

Um 5.00 Uhr geht es nach Berlin Mitte, erst Klara absetzen, dann ins Fitness-Studio.

Ich habe das täglich gleichablaufende Procedere gestern am Tresen im Autohaus einer Mitarbeiterin erzählt, als ich das Auto von der Durchsicht abholte.

Sie hat es mir nicht geglaubt. Und ehrlich, ich glaube es ja selbst kaum, dass ich hier in der Küche herumhänge und schon wieder schwadroniere.

Aber es ist wahr und es liegt ein gewisser Zauber darin.
Gestern Abend habe ich noch zu Klara gesagt: „Ich glaub‘, ich komme morgen früh nicht mit.“

„Wehe!“, hat sie nur gesagt.

Naja, und deshalb bin ich jetzt hier. Nun ist es so, als würdest du in einem Flugzeug sitzen, angeschnallt. Das Flugzeug rollt bereits und du kommst nicht auf die Idee, aussteigen zu wollen. Also packen wir’s an.

DAS DRAMA UM DEN KAUF EINER LEUCHTSTOFFRÖHRE

MAL SCHNELL ERZÄHLT
TEASER:
Peter verhielt sich beim Einkauf im Baumarkt ungeschickt und wurde von Klara barsch vor den Leuten gerüffelt.

Es begann bereits dunkel zu werden, als der Regionalzug aus Berlin am Bahnsteig einlief. Er hielt kaum, da drängten die Menschen aus den Türen heraus und hasteten im Eiltempo in Richtung Parkplatz, dorthin, wo Peter bereits mit seinem Auto stand und auf Klara wartete.

Peter schaute fasziniert zu, wie sich die Leute verhielten.
Ein Mann fiel Peter an diesem Tag besonders auf. Er nannte ihn den Mann mit den vier Buchstaben, weil er stets die gleiche Jacke trug, und weil auf der Rückseite vier Buchstaben prangten, der Name seiner Firma, in die er jeden Tag fuhr.

Morgens, da sahen Klara und Peter ihn schon von weitem, weil die Buchstaben auf dem Rücken im Dunkeln weiß leuchteten. Der Mann ging nicht, er wankte von einem Bein auf das andere, langsam, so als müsse er sich dahinschleppen.

Abends hingegen, da hatte er einen recht flotten Schritt angenommen und beeilte sich, nach Hause zu kommen. Und das beobachtete Peter bei den meisten Menschen, die er früh sah und abends wieder. Es waren die gleichen Menschen, aber mit einem unterschiedlichen Schritttempo, je nach Tageszeit.

Klara war inzwischen an seinem Auto angekommen. Sie öffnete die Tür, stieg ein und fragte gleich:
„Wollen wir noch in den Baumarkt?“
„Können wir machen“, brummte Peter ziemlich lustlos.

Aber was sollte er tun, denn in der Küche war eine Leuchtstoffröhre kaputt. Sie flackerte zwar noch, doch es machte ihn wahnsinnig, wenn er morgens dort stand und die Kaffeemaschine anstellte.
Klara hatte Peter diese Aufgabe übertragen, weil er seine Wasserflasche für das Fitness-Studio fertigmachte.

„Da kannst du doch gleich den Kaffee aufsetzen“, schlug Klara vor.
Peter übernahm immer mehr Aufgaben im Haus, obwohl er das gar nicht wollte. Aber er war nun mal derjenige, der seinen Schreibtisch zuhause stehen hatte.

„Irgendwann kommt sie noch und sagt, dass ich die Waschmaschine anstellen soll“, dachte Peter. Aber er schob diesen Gedanken gleich beiseite.

Jetzt ging es also erst einmal in den Baumarkt in Richtung Bernau.
Als sie auf den Markt zusteuerten und einen Stellplatz suchten, verlor Klara die Geduld: „Immer schön in die entlegenste Ecke fahren, die am weitesten weg ist vom Baumarkt“, motzte sie.

Peter antwortete nicht. Was verstand Klara schon davon. Er fuhr zwar einen kleinen Jeep, aber er war noch so eingestellt, als müsste er den großen Mercedes-Geländewagen in eine Parklücke steuern.
Schließlich hielt er an, sie stiegen aus dem Jeep aus und gingen zum Eingang des Marktes.

„Schau mal hier“, sagte Peter und öffnete seine Jacke.
Darunter kamen Hosenträger zum Vorschein, die an einer Trainingshose befestigt waren. Er kam sich vor, wie Krause, der Schauspieler, der stets die Hosenträger offen über dem Hemd trug.

„Mach bloß wieder die Jacke zu“, sagte Klara und schaute sich um, ob auch niemand zu ihnen hinsah.

Peter war das egal. Im Gegenteil, er fand es klasse, dass er vom Schreibtisch aufstehen konnte, in die Schuhe schlüpfte, deren Schnürsenkel er auch nur noch selten aufmachte, die Jacke überschmiss, den Autoschlüssel schnappte und schon abfahrbereit war.

Schließlich wollte er ja nicht ins Theater. Aber Klara sah es lieber, dass er wenigstens seine Jeans anzog.
Doch Peter blieb da eisern und trug seine Trainingshosen.
Peter ging auf die Kasse im Eingangsbereich zu, wo oben drüber das Schild ‚Information‘ aufgehängt war.

„Sagen Sie, können Sie mir kurz erklären, wo wir hier diese Leuchtstoffröhren finden“, fragte er die Kassiererin, die ihn unfreundlich musterte und besonders auf seine Wollmütze schaute, die er tief über den Kopf bis fast ins Gesicht gezogen hatte.

Vielleicht dachte sie ja, dass Peter die Mütze im nächsten Augenblick ganz über das Gesicht zog und nach dem Kleingeld in der Kasse fragte.

„Gang 22“, sagte sie kurz angebunden.
„Oh, wunderbar, vielen Dank“, flötete Peter fröhlich und zeigte Klara mit dem Arm den Weg.

„Gang 22, da ist er“, sagte er und schritt die Regale ab.
Aber Peter sah nicht, wo die Lampen waren.
Da war Klara besser.
„Hier, schau mal, da sind sie!“.

Klara hatte schon eine Leuchtstoffröhre in der Hand.
„900 mm, 30 Watt, das passt“, sagte sie und drückte sie Peter in die Hand.

Der nahm sie und wandte sich in Richtung Kasse.
„Sollen wir die alte entsorgen?“, fragte die Kassiererin?
„Oh, das ist aber nett“, meinte Peter und gab ihr die alte Leuchte in die Hand.

Klara war noch beim Bezahlen, während Peter übermütig die verpackte Leuchtstoffröhre hin- und herschwenkte.
Plötzlich gab es einen lauten Knall. Peter schaute sich um, weil er nicht mitbekam, woher der Lärm kam.

Doch dann sah er auf dem Fußboden die neue Röhre liegen, zerschellt in winzige Teile.
Peter schaute verdattert, die Augen der Kassiererin richteten sich auf ihn, die von Klara auch und einige Kunden schauten ebenfalls neugierig herüber.

Offenbar hatte sich eine Seite der Verpackung gelöst und die Leuchtstoffröhre war herausgerutscht.
„Was hast du denn nun schon wieder gemacht?“, fragte Klara ihren Mann, so als wäre der ein kleines Kind, das wieder etwas ganz Schlimmes angerichtet hatte.

Ihr Blick sagte: „Oh, es tut mir leid, das ist zwar mein Mann, aber er ist in Wirklichkeit ein großer Trottel.“
Peter war es peinlich, dass er nun diesen Lärm verursacht hatte, doch noch mehr ärgerte ihn, dass Klara ihn nun erst recht wie einen ungeschickten, zu nichts zu gebrauchenden, lediglich mitgekommenen Ehepartner aussehen ließ.

„Gehen Sie schnell zum Regal und holen sich eine neue Röhre, wir kümmern uns hier“, sagte eine Angestellte versöhnlich.
Peter nickte, lief zum Regal und holte die neue Leuchtstoffröhre.

„Sie müssen nicht noch einmal bezahlen“, sagte die Kassiererin.
Peter und Klara bedankten sich und gingen stumm zum Ausgang.
Sie stiegen wortlos ins Auto und schwiegen eine Weile auf der Fahrt nach Hause.

„Warum hast du mich wie einen Trottel behandelt?“, fragte Peter schließlich.

„Ach, das war doch nicht so gemeint“, lachte Klara.
„Darüber kann ich nicht lachen!“, empörte sich Peter und schwieg, bis sie am Carport angekommen waren.

JEEPY (46)- MEIN FAHRER SCHAUT KINDERFERNSEHEN

Weil Krümel den Kinderkanal liebt, liebt ihn mein Fahrer auch.

Hallo Krümel, hier ist wieder Jeepy, dein zweitbester Freund – nach meinem Fahrer, deinem Opa.

Eines Abends lag dein Opa auf der Couch und schaute den Fernsehkanal ‚KiKa‘, du weißt schon, deinen Lieblingssender. Früher, ja da hätte mein Fahrer nicht eine Sekunde darauf verschwendet, dort zu verweilen. Er wäre einfach mit der Fernbedienung darüber hinweggezappt, hin zu einem Nachrichtensender, wo unten die Eilmeldungen laufen und du ständig neue Werbeblocks aufs Auge gedrückt bekommst.

Nach nur wenigen Augenblicken, bist du schon meschugge und weißt gar nicht mehr, was los ist.
Aber seit dein Opa weiß, dass du so gern den Kinderkanal siehst, findet er diesen Sender ebenfalls gut.

Und dann kam auch noch eine Serie mit Tilda Apfelkern.
Du weißt doch Krümel, die Geschichten aus dem Buch, aus dem mein Fahrer dir manchmal vorliest.

Es ist so schön ruhig, wenn du die Geschichte siehst. Jede der handelnden Personen darin – oder besser wohl die Tiere – sprechen die Sätze in Ruhe aus.

Du kannst folgen und es entsteht eine ruhige und gemütliche Atmosphäre.
„Ach wenn doch Krümel hier bei mir wäre, dann würde ich mit ihr die ganze Zeit ‚Tilda Apfelkern‘ sehen“, seufzte dein Opa.

„Das würde Krümels Mama gerade zulassen, dass sie so lange in den Fernseher schaut“, meinte Oma.

„Ja, das stimmt“, aber wenn ihre Mama nicht da ist, dann machen wir den Fernseher an, Krümel bekommt was zu naschen und wir machen es uns auf der Couch gemütlich.“

„Auch noch zu naschen?“, fragte da Krümels Oma.
„Du glaubst ja wohl nicht im Ernst, dass Laura so etwas duldet!“, schob sie gleich hinterher.

„Dann sagen wir zu Laura das, was Krümel in solchen Momenten immer sagt.“

„Was denn?“, fragt Krümels Oma.
„Na, ‚in Ruuuhe‘…“, meinte mein Fahrer.

Krümel, ich glaub‘ dein Opa träumt sich die Welt zusammen.

Also lassen wir ihn in dem Glauben, während du draußen an der frischen Luft spielst, dann müde nach Hause kommst und deine Mama dir noch eine Geschichte vorliest.

Oder dich vielleicht noch für zehn Minuten den Kinderkanal schauen lässt. Hab‘ viel Spaß dabei, was du auch immer tust.
Dein Jeepy.

ICH BIN EIN SCHREIB-GESELLE

SCHREIB-ALLTAG – (12)

Schreiben kann man lernen, wenn man dranbleibt.

Schreiben ist vor allem eines: Handwerk. Das jedenfalls sagen diejenigen, die damit tagtäglich umgehen.

Klar, ohne Inspiration, ohne einen kreativen Einfall kannst du mit dem Handwerk auch nichts anfangen.
Selbst der Tischler muss eine Idee haben, welchen Stuhl oder Tisch er zimmern will.

Aber selbst bis zu diesem Punkt kannst du dich ‚durchackern‘, wenn dir rein gar nichts einfällt.

Ich schreibe jeden Morgen für 10 Minuten mit dem Bleistift auf dem Papier. Ich überlege dabei nicht, nein, ich schreibe, was mir in den ‚Stift hineinfällt‘.

Das bringt meine Gedankenwelt in Schwung und erst danach gehe ich an meine Tagesaufgaben.
Training ist wichtig: üben, schreiben, üben, lernen, das ist ein wiederkehrender Prozess.

Ist das die Garantie für Erfolg? Überhaupt nicht. Aber ich kann danach sagen, dass ich alles tue, eben in meinen Möglichkeiten alles gebe, um erfolgreich zu sein.

Ich war stets ein guter Redner. Doch reden ist etwas völlig anderes, als wenn ich das Gesagte aufs Papier bringen soll.
Beim Sprechen habe ich ein Gegenüber, ich kann sofort sehen, wie er auf meine Worte reagiert. Ich selbst kann mit Gesten, mit dem Tonfall meine Worte noch besser zur Geltung bringen.

Deshalb lerne ich stets aufs Neue, wie ich meine eigenen Gesten, die Mimik des Gesprächspartners in geschriebene Worte ummünzen kann.

Sicher, ich bin kein Schriftsteller, werde das auch nicht mehr, aber ich bin ein Schreibgeselle, der sein Handwerk ernst nimmt.
Ich übe weiter

ANNA KANN NIRGENDWO MEHR ALLEIN HINGEHEN

ANNA IST DEMENT (54)

Anna ist bei ihrer Schulfreundin zum Geburtstag eingeladen und kommt dort nicht an.

„Findest du dort auch allein hin, Mutti?“, fragte Klara Anna. Sie wollte sichergehen, dass Anna nicht nur rechtzeitig ankam, sondern auch wusste, welchen Weg sie gehen musste.

Annas Schulfreundin hatte sie zum Geburtstag eingeladen, wie jedes Jahr.

Die Zeit am Sonntag war heran, Anna müsste längst bei ihrer Freundin angekommen sein.

Das Telefon klingelte. Klara schreckte aus dem Halbschlaf, sie war vor dem Fernsehapparat eingenickt.

„Mutti ist noch nicht eingetroffen, sie müsste aber längst hier sein“ Es war Annas Schulfreundin, die sich sorgte.

„Lukas hätte Anna begleiten müssen“, sagte Peter zu Klara.
Er wusste, dass diese Worte in dem Moment wenig hilfreich waren.
Doch er hatte es vorher schon gedacht und wollte es nur nicht sagen, um nicht als der Besserwisser dazustehen.

„Lukas und ich dachten, dass sie doch nur ein paar Schritte zu laufen hätte“, sagte Klara.
In diese Worte hinein schrillte das Telefon.

„Sie ist angekommen und hatte nur ihre Brille vergessen. Deshalb konnte sie die Hausnummer an der Tür nicht erkennen.“

Die Stimme von Annas Schulfreundin klang erleichtert.
Klara war es auch. Sie wusste nun mit Bestimmtheit, dass sie Anna nirgendwo mehr allein hinlassen konnte.

ABSTINENZ VOM SPORT

50 KILO (23)

Eine Woche kein Laufband, keine Trizepsmaschine, kein Rückenstrecker... – das kann nicht gut sein.

Ich war über eine Woche nicht im Fitness-Studio. Klara war bei ihrer Mutter, schaute dort nach dem Rechten, und so brauchte ich sie nicht nach Mitte zur Arbeit zu bringen.

Ich merke jetzt, dass ich faul geworden bin, mehr gegessen habe, abends lange den Fernseher anhatte.

In dieser Woche habe ich zum ‚Pfad der Aufrechten‘ zurückgefunden.

Ich gehe wieder ins Fitness-Studio, esse abends weniger und fühle mich gleich besser.

Am Montag, also gestern, war ich wieder kurz vor 6 Uhr auf dem Laufband.

„Wie willst du das bloß heute durchhalten?“, habe ich bei mir gedacht, als ich anfangs so langsam  vor mir dahinschlurfte.

Doch dann wurde ich immer schneller und alles begann sich besser anzufühlen. Allerdings machte sich der Muskelkater ebenfalls nach anderthalb Wochen Nichtstun bemerkbar.

Aber heute, am Dienstag, ja da bin ich wieder drin, und meine gute Laune steigt.

DREI ROSEN FÜR KLARA

WAS DIR WICHTIG IST, DAS ZÄHLT
Eisiger Wind auf dem Bahnhof in Bernau und drei Rosen für die Ankunft von Klara.

Freitagmittag, es ist kalt in der Vorhalle des Bernauer Bahnhofs. Ich sitze auf einer Bank, gefertigt aus Metall. Ich habe das iPhone herausgeholt und schreibe ein wenig zum Zeitvertreib darauf. Die Hände sind klamm.

Es zieht vom Aufgang zum S-Bahnsteig und durch die Haupteingangstür weht ebenfalls kalter Wind herüber.
Klara kommt aus Stralsund zurück. Sie war bei Anna. Sie ist bestimmt froh, dass sie wieder nach Hause kommt und ich bin es auch.

Vor dem Eingang ist auf der rechten Seite ein Blumenladen. Eine ältere Vietnamesin fragt mich, was ich möchte.
„Drei Rosen bitte“, sage ich.

„Grün dazu?“, fragt sie mich noch und ich nicke zustimmend.
Es ist ein kleiner Laden und heute am Valentinstag drängen sich die Leute vor den Blumenregalen. Trotzdem läuft es entspannt ab. Vietnamesische Wortfetzen sind zu hören, ich verstehe nichts, aber meine Verkäuferin spricht ja auch gut deutsch.

„Abschneiden?“, fragt sie mich noch.
„Ja, bitte ein wenig kürzen“, sage ich.

Die Verkäuferin wickelt die Blumen ein, ich bezahle und verlasse den Laden. Nun sitze ich hier auf der Bank und die Fingerkuppen schmerzen vom Schreiben und dem kalten Wind, der durch die Halle weht.

Ich werde mal in den Buchladen gehen, um mir die Hände zu wärmen.

Und in 10 Minuten ist der Zug aus Stralsund da.
Ich freue mich auf Klara, und ich bin gespannt, was sie zu den Rosen sagt.

PLÖTZLICH EIN HERRLICHER TAG

2020.02.13

Hallo Krümel, hier ist Jeepy.
Das war vielleicht ein Tag. Weißt du noch, als wir vorgestern gemeinsam Eis essen waren?

Du hast mich umarmt und ‚Jiiiiipi‘ gerufen, als du mich gesehen hast. Dabei war ich so dreckig und du hast dich trotzdem mit deinem Ski-Anzug an mich herangeschmissen.

Es fing ja damit an, dass du und deine Mama einen Ausflug zu mir und meinem Fahrer ins Dorf gemacht habt, aus der großen Stadt Berlin. Und da musstet ihr eine Weile fahren und laufen. Aber ihr wolltet uns ja unbedingt überraschen.

Und mein Fahrer, dein Opa, war auch sehr erstaunt, als du plötzlich allein vor der Tür gestanden hast.
Es klingelte, dein Opa telefonierte, er unterbrach das Telefonat und ging die Treppen hinunter.

Da stand ein kleines Mädchen und schaute durch die Scheiben. Ja, dein Opa, der hatte wieder eine lange Leitung. Bevor der begriff, dass es sein Krümel war, da vergingen ein paar Sekunden.

Aber dann war die Freude groß. Mein Fahrer ließ sofort alle Stifte fallen, machte den Computer aus und hat mit dir gespielt.
Später fragte er: „Wollen wir Eis essen fahren?“
Und du hast gleich gerufen: „Ja, Eis.“

Also sind wir ins Auto gestiegen, in das Linden-Center nach Hohenschönhausen gefahren. Dort haben wir uns große Eisbecher bestellt.
‚Wir‘ ist hier nicht richtig, nicht ganz jedenfalls. Ich musste ja in der Hochgarage stehen und warten.
Aber es war wohl lustig. Jedenfalls habt ihr ganz schönen Krach gemacht, laut gelacht und ein bisschen gespielt.

Danach sind wir noch Rolltreppe gefahren, weil du das so gern magst.

Schließlich seid ihr wieder alle zu mir ins Auto gestiegen und mein Fahrer hat uns alle nach Hause gesteuert.

Als er bei sich im Dorf war, da sagte er vor sich hin: „Ich habe heute nichts geschafft, aber es war ein herrlicher Tag.“
Das finde ich auch, Krümel. Und ich freue mich, wenn wir das mal wieder mal machen.

Mach’s gut bis dahin.
Dein Jeepy oder wie du mich rufst: ‚Jiiiipi‘

MEHR LESEN: 
https://uwemuellererzaehlt.de/jeepy/