Alle Beiträge von Uwe Müller

Dipl.-Ing. (FH), Dr. rer. pol.; Autor

PETERS MUTTER ERKRANKTE IMMER MEHR AN DEMENZ

ANNA-2017.09.20

Peter regte sich über seinen Vater auf, der es nicht ertrug, dass seine Frau an Demenz erkrankt war.

„Und ich will ihn nicht verstehen“, entgegnete Peter.
„Aber du weißt doch, wie es bei meiner Mutter ist. Irgendwann verlierst du die Nerven, wenn sie dich immer wieder das gleiche fragt.“

„Das ist mir schon klar, doch bei meinem Vater ist das etwas völlig anderes. Er denkt nach wie vor, dass sich alles um ihn drehen muss und er es besonders schwer hat.

Dabei hat meine Mutter genauso unter ihrer Krankheit zu leiden und zusätzlich kommt eben ihre Demenz hinzu.“

„Ja schon“, Klara ließ nicht locker, „du weißt selbst wie es ist, wenn du hintereinander, immer und immer dasselbe gefragt wirst.“

„Es gibt einen Unterschied“, sagte Peter, nämlich, den, dass du irgendwann genervt bist. Das kann ich verstehen. Aber bei meinem Vater kommt noch etwas hinzu, etwas sehr Entscheidendes.

Mein Vater will die volle Aufmerksamkeit für sich und ansonsten in Ruhe gelassen werden. Solange Mama ihm alles besorgt hat, da war sie gut genug, durfte ihm das Essen kochen, die Wäsche waschen und das ganze Gedöns im Haushalt bewerkstelligen.“

„Ja, ja, das ganze Gedöns, so denkst du auch!“, erwiderte Klara.
„Also immerhin sauge ich am Freitag, fege den Carport und habe alles im Blick.“ Peter hatte keine Lust, darauf einzusteigen.

„Weißt du, mein Vater hat mir schon als vierzehnjährigem Jungen bei einem Ausflug in Leipzig gesagt, dass er mich nicht mehr sehen kann. Kannst du dir vorstellen, wie weh das tut, wenn dein Vater so etwas zu dir sagt?“

„Ja und wie bist du von Leipzig nach Dresden gekommen?“, fragte Klara.

„Mit dem Zug natürlich. Der Schnellzug fuhr damals schon in knapp zwei Stunden nach Dresden. Ich brauchte aber fünf Stunden.“

„Warum?“ „Ich war in den falschen Zug gestiegen, in den, der wirklich an jedem Dorfbahnsteig hielt und die Milchkannen mitnahm.“

„Und was hat das jetzt mit deiner Mutter zu tun?“, Klara blickte ihn fragend an.

„Heute, im Pflegeheim, wenn meine Mutter ihn in seinem Zimmer besucht, dann sagt er, dass sie wieder auf ihr Zimmer gehen soll, verstehst du, was mich wütend macht?“

Klara schwieg, sie wusste, es hatte jetzt keinen Sinn weiterzureden. Zu tief waren die Wunden und sie schmerzten wieder, weil sein Vater sich mal wieder in seiner unnachahmlichen Art zeigte.

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ANNA KANN SICH NICHT AN DAS ‚KAUENDE KAMEL‘ ERINNERN

2017.09.20

Anna vergißt die Namen ihrer entfernten Verwandten und, dass diese sie besucht haben.

„Stell dir vor, Mutti wusste heute nicht mehr, dass sie gestern Gundula und ihren Mann zu Besuch hatte!“
Klara war empört und traurig zugleich.

„Wer ist Gundula?“, fragte Peter.
„Da haben wir gerade vor einer Stunde gesprochen – Gunduuulahh aus Stuttgart!“

„Ach ja, Gundula, das kauende Kamel, ich erinnere mich. Ich dachte jetzt auch schon, bei mir fängt es an mit der Vergesslichkeit.“

„Ja, nicht nur mit der Vergesslichkeit, auch mit deinen Ohren. Also sei schön still.“

„Ich sag ja gar nichts mehr“, beschwichtigte Peter.
„Aber du musst doch zugeben, wenn Gundula den Mund öffnet und lacht, dann sieht sie aus wie ein Kamel, das die Zähne bleckt“, setzte Peter nach.

Klara antwortete darauf nicht. Ein Zeichen, dass sie es irgendwie satt hatte, mit den Spötteleien. Aber Peter setzte noch einen drauf.

„Ich denke, es war sooooh schön mit dem Kaffee trinken?“

„War es bestimmt auch. Nur Mutti weiß nichts mehr.“
„Und wie kommst du darauf, dass sich Anna nicht mehr erinnert?“
„Mutti sagte am Telefon, sie verstehe nicht, warum sich Gundula nicht bei ihr meldet.“

Jetzt schwieg Peter. Es war schon traurig und ein sicheres Zeichen, dass die Krankheit bei Anna weiter fortschritt.

 

AMBULANTER PFLEGEDIENST EPIS STELLT SICH VOR

Der ambulante Pflegedienst EPIS ist vorrangig im Duisburger Stadtgebiet tätig. Die Geschäftsführung hat Maria Spellier inne.
Wichtige Ansprechpartner sind:
Barbara Wenders, Pflegedienstleitung.
Birgit Thyssen – Fett – examinierte Krankenschwester, Pflegedienstleiterin, Justine Weiße, Wundmanagerin, Nicole Reinders, examinierte Altenpflegerin, Fachkraft für Gerontopsychiatrie, Praxisanleiterin, Maria Spellier, Beauftragte für das Qualitätsmanagement, Verwaltung, Stefanie Wenders, Praxisanleiterin, Melanie Addioui, Leitung der Wohngemeinschaft und Praxisanleiterin.

Das Leistungsspektrum beinhaltet Pflege-und Krankenversicherungsleistungen.

Über Kooperationspartner:
Betreuungs- und Entlastungsleistungen, stundenweise Verhinderungs- und Kurzzeitpflege; hauswirtschaftlichen Versorgung, Hausnotruf und Menüsysteme.

Wohngemeinschaft „Die Herbstzeitlosen“:
Die Wohngemeinschaft „Die Herbstzeitlosen“ befindet sich in der Weidmannstraße 15 in 47 166 Duisburg. Sie wird betreut durch den ambulanten Pflegedienst EPIS, Tiergartenstraße 27, 47053 Duisburg. Die Wohnung kann 7 an Demenz erkrankte Bewohner – beiden Geschlechts- aufnehmen. Die Betreuung wird tagsüber von je zwei Mitarbeitern aus dem Pflegedienst EPIS wahrgenommen. Nachts ist ein Mitarbeiter vor Ort. Die medizinische Behandlungspflege wird von Pflegefachkräften durchgeführt.

 

INTERVIEW MIT BARBARA WENDERS

 

MENSCHEN IN DER PFLEGE (2)

SENIORENBETREUUNG LEHMANN

VON DER TECHNISCHEN ASSISTENTIN ZUR LEITERIN EINER SENIORENWOHNGEMEINSCHAFT

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Die Seniorenbetreuung Lehmann betreut in Wohngemeinschaften in Potsdam an Demenz erkrankte Senioren.
6 bis 8 Bewohner leben in je einer Wohngemeinschaft.
 Die Inhaberin, Viola Lehmann, setzt konzeptionell auf die individuelle Betreuung der einzelnen Bewohner im Alltag: die Pflege und Hilfe im Alltag sowie die Unterstützung bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen, Betreuungs– und Entlastungsleistungen.
Die Betreuung erfolgt 24 Stunden. Die Pflegekosten werden über die Pflegekasse - je nach Pflegegrad - abgerechnet.

Kontakt:
 Seniorenbetreuung Lehmann, Viola Lehmann
 Inhaberin: Viola Lehmann
 Berliner Straße 32
 14467 Potsdam
 Telefon: 0331 – 2702019
 Mobil: 0175 – 1530138
 Telefax: 0331 – 2005883
 E-Mail: info@seniorenbetreuung-lehmann.de www.seniorenbetreuung-lehmann.de

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ANNA IST DEMENT (18)

ICH RUF MAL DEINEN VATER AN

Peters Vater ist im Pflegeheim und unzufrieden mit seiner Situation

„Nichst ist prima“ – schnaubte Peters Vater am Telefon. Bei Anna in Stralsund schien alles in Ordnung zu sein. Peter freute sich auf einen ruhigen Abend.

Und vor allem keine langatmigen Telefonate mit Anna, warum zum Beispiel der Werbebrief, den Anna vor einigen Tagen erhalten hatte, nichts als heiße Luft war. „Sie haben sich die Belohnung von 5000,00 Euro redlich verdient, liebe Frau Sturm!“, stand dort drin.

Klara konnte ihre Mutter überzeugen, dass sie alles zerreißt und direkt in die Papiertonne schmiss. „Mutti, dir schenkt keiner was. Glaub‘ es mir doch einfach“, beschwor Klara am Telefon Anna.

Naja, Anna wollte ihrer Tochter schon glauben. Doch auf der anderen Seite war die Verlockung: Da schrieb jemand an sie persönlich und sprach sie mit „Liebe Frau Sturm“ an. Wer kümmerte sich schon noch so liebevoll um sie. „Ach weißt du, Klara, ich bin so allein“, jammerte Anna am Telefon.

„Mutti, ich weiß. Aber schmeiß jetzt den Brief weg“, Klara konnte kaum noch an sich halten. Dabei war sie die Gutmütigkeit in Person.

„Ja, ja, ich mach‘ das jetzt. Alles kommt weg. Ich will nicht, dass die mir schreiben!“, sagte Anna entschlossen. „Mutti, die werden dir wieder schreiben.“ „Ach ist das nicht scheußlich!“, seufzte Anna.

Klara war am Ende ihrer Kraft und verabschiedete sich von Anna.
Jetzt waren ein paar Tage ins Land gegangen. Anna hatte keine weitere Post bekommen. Es war ruhig und Anna erzählte am Telefon lediglich von ihren Spaziergängen – zum Friedhof oder zu ihrem Sohn Lukas.

Der wohnte Gott sei Dank im Ort.
Also alles im grünen Bereich. Peter legte die Füße hoch. Wahrscheinlich musste er aber gleich hochschnellen und Teller für das Abendbrot in das Wohnzimmer tragen. Aktivität und Engagement waren angesagt. Aber solange Klara noch mit Anna telefonierte und ihm nichts sagte, konnte er sich ja mal nach hinten lehnen, mit der Fernbedienung in Windeseile die Programme durchsurfen und sich den nötigen Überblick für den Abend verschaffen.

„Ich ruf‘ heute Abend mal deinen Vater an!“, ruft Klara Peter zu, bevor sie das Wohnzimmer in Richtung Küche verlässt.

„Mach‘ das bloß nicht.“ Peter war sofort aufgescheucht. Er kannte seinen Vater, der gleich wieder losschimpfen würde über das Heim, über Getrud, die Mutter von Peter.

„Warum jetzt schon wieder eine weitere Baustelle aufmachen?“, fragte Peter Klara.

„Ach, das ist doch nicht schlimm“, versuchte Klara ihn zu beschwichtigen.

Peter seufzte. Er hatte es aufgegeben, dagegen zu reden. Er bewunderte Klara dafür, dass sie sich so rührend kümmerte. Dabei waren ihre Schwiegereltern nicht wirklich nett zu ihr in den vergangenen Jahrzehnten gewesen.

Aber das stand auf einem anderen Blatt.
Manfred und Gertrud Gerber waren jetzt beide im Pflegeheim in Dresden.

Das Heim gehörte Peters Schwester, Helga Geiger. Helga hat das Heim aber verkauft. Nur ihr Name stand noch am Schild.
„Du, das Telefon ist abgeschaltet. Ob dein Vater im Krankenhaus ist?“

Klara schaute Peter besorgt an. Jetzt ging es schon wieder los.
Peter wurde unruhig. Er wollte sich nicht damit befassen. Die Familienbande waren zu zerrüttet, als dass Peter überhaupt noch Interesse an einer engen Verbindung hatte.

Doch konnte er einfach darüber hinwegsehen, dass vielleicht etwas passiert war? Lag Vati im Krankenhaus? Peter schwang sich aus dem Sessel hoch und ging in sein Arbeitszimmer. Er versuchte Helga zu erreichen. Sie ging nicht an das Telefon. Also musste er die Telefonnummer vom Heim heraussuchen. Peter wählte schließlich die Nummer.

„Ja bitte?“, fragte eine Stimme mit russischem Akzent.
„Bitte entschuldigen Sie die Störung“, aber ich kann meinen Vater nicht telefonisch erreichen. Ist etwas passiert?“

„Nein, nein. Ich war vor einer halben Stunde im Zimmer Ihres Vaters. Es ist alles in Ordnung“, antwortete die Schwester.

„Oh, vielen Dank! Auf Wiederhören.“ Peter war erleichtert, dass alles in Ordnung zu sein schien. Für ihn war die Sache erst einmal erledigt.

Peter ging nach unten und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen.
Plötzlich klingelte das Telefon. Peter ging ran: „Gerber.“ „Ja hier auch“, erklang es in der gewohnt strengen Weise. Manfred Gerber war 87.

Immer wenn sein Vater ihn ansprach, fühlte er sich wieder zum kleinen Kind degradiert. Das würde wohl nie aufhören. Obwohl er jetzt selbst bald Großvater sein würde.

„Was gibt’s?“ Manfred Gerber schien nicht gut drauf zu sein.
„Was soll es geben? Wir haben uns Sorgen gemacht, ob alles mit dir in Ordnung ist“, entgegnete Peter. Ihm schmeckte der barsche Ton seines Vaters nicht.

Er merkte, wie seine Schilddrüse anschwoll. Es kochte schon wieder in ihm.

„Aber wenn es nichts gibt, dann ist es ja prima“, schob Peter deshalb hinterher. „Nichts ist prima!“, schnaubte sein Vater zurück.
Manfred Gerber wollte von seinem Sohn bedauert werden.

Er wollte ihm ein schlechtes Gewissen einreden, so wie er es immer getan hatte. Schon als er noch klein war.
Peter schwieg einfach. Am Telefon entstand eine Stille, die zum Zerreißen war. Wer jetzt als erster sprach, der war vor dem anderen eingeknickt.

„Mit Mama ist es furchtbar!“, begann sein Vater das Gespräch fortzusetzen.
Peter schwieg. Es versetzte ihm einen Stich, wenn sein Vater so über Mama redete. Sie war 88 Jahre und litt inzwischen an schwerer Demenz.
Trotzdem, sie blieb seine Mutter und doch auch die Frau seines Vaters.

„Ich kann deinen Vater schon ein wenig verstehen“, sagte Klara, nachdem Peter das Telefonat beendet hatte.

Interview mit Daniel De Paola

Daniel De Paola ist Inhaber der Firma PROMEDICA PLUS Erkrath
Das Interview mit ihm wurde am 26. Juli 2016 geführt.

Herr De Paola, wie verlief Ihr beruflicher Werdegang vor der Gründung Ihres Pflegeunternehmens?
Ich habe nach meiner Schulzeit eine Ausbildung im Einzelhandel absolviert. Anschließend war ich in verschiedenen Positionen tätig – als Marktleiter eines Discounters oder stellvertretender Abteilungsleiter in einem großen Warenhaus.

Wie lange waren Sie in diesen Bereichen tätig?
Insgesamt ca.15 Jahre. Für mich war das eine tolle Phase. Ich habe an den Entwicklungsprozessen teilhaben können. Vor allem habe ich erlebt, wie präzise Ablaufprozesse in einem Discounter organisiert werden.

Warum hat es Sie dann rausgetrieben?
Ich wollte tatsächlich raus. Einfach mehr mit Menschen direkt zu tun haben, das war mein Wunsch. Über einige Umwege bin ich dann auf die Pflege gestoßen.

Welche Umwege waren das?
Nun, ich habe mich von einem Franchise- Berater in der Suche unterstützen lassen.

Warum Franchise?
Da waren zwei Aspekte. Zum einen hatte ich ja die Erfahrung aus dem Einzelhandel, dass vorkonfigurierte Prozesse und Abläufe ihre Vorteile haben – du kannst all die Erfahrungen mitnehmen, die dort enthalten sind.
Des Weiteren: Ich musste zwar investieren, aber ich wusste genau, worauf ich mich einlasse. Das war für mich finanziell ja auch nicht ganz unwichtig. Schließlich wollte ich davon leben und meine Familie ernähren.

Und wie sind Sie auf die Pflege gekommen?
Auch das hatte wieder mehrere Gründe. Mein Großvater hat zu mir gesagt:“ Junge arbeite in einem Bereich, in dem du immer gebraucht wirst.“ Der Pflegemarkt wird sich weiter entwickeln. Die Nachfrage nach guter Pflege und Betreuung ist in den letzten Jahren weiter gestiegen. Und damit das Problem der Nachfrage nach guten Pflegekräften. Aber den Ausschlag hat etwas Anderes gegeben.

Nämlich?
Ich komme aus einer Familie, in der der christliche Glaube eine große Rolle spielt. Der Gedanke, anderen Menschen zu helfen, geboren aus der Überzeugung der christlichen Nächstenliebe, das war es, was mich letztlich dazu gebracht hat, etwas in diesem Bereich zu tun. Bei Promedica Plus kam begünstigend hinzu, dass alle Prozesse zertifiziert sind – zum Beispiel die vertraglichen Inhalte geklärt sind und ich nicht bei null in diesem Zusammenhang beginnen musste.
Außerdem: Ich wollte etwas mitentwickeln. Und das konnte ich in der Pflege sehr gut.

Haben Sie Ihren Weg bereut?
Nein. Ich mache heute das, was ich mir immer gewünscht habe. Ich kann wirklich Gutes tun für Menschen, die es allein nicht schaffen in der Versorgung und Betreuung von Pflege- und Hilfsbedürftigen, und das zu einem fairen Preis -Leistungsverhältnis.
Ich wohne heute in Nord-Rhein-Westfalen, einem Bundesland, in dem ich mich sehr wohl fühle, mit den Menschen gut klar komme.
Meine Frau selbst stammt ebenfalls aus dieser Gegend – aus Düsseldorf.

Was macht denn das Besondere aus bei diesem Menschenschlag?
Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Sollten Sie mal nach Köln kommen und gehen abends in die Kneipe um die Ecke, könnten Sie erleben, dass diese brechend voll ist. Und dann kommt das, was den Unterschied macht: Woanders machen sich die Menschen breiter, damit sich bloß keiner an ihren Tisch setzen kann.
In Köln rücken die Gäste zusammen, winken Sie an den Tisch und Sie dürfen sicher sein: Sie erleben einen fröhlichen Abend.

Was ist Ihnen am Anfang leicht gefallen und wo mussten Sie sich richtig reinknien, als es um Ihr Unternehmen ging?
Leicht fiel mir der Kontakt mit Menschen, ihnen das Leistungsportfolio zu erklären und die Vorteile der 24 Stunden Betreuung aufzuzeigen.

Und was ging nicht so von der Hand?
Ich musste mich daran gewöhnen, Personalverantwortung zu tragen, und zwar bis zur letzten Konsequenz. Das ist ja doch noch etwas Anderes, als das bei einer Führungskraft in Anstellung der Fall ist.

Würden Sie sich heute wieder für Ihren Weg entscheiden?
Ich denke schon. Natürlich: Manches würde ich im Detail vielleicht anders angehen. Aber grundsätzlich kann ich auf Ihre Frage nur mit einem klaren „Ja“ antworten. Es wird stets neue Herausforderungen geben, Weggabelungen sozusagen, an denen sich die Frage stellt:
„Ist es richtig, weiterzugehen?“

Und, ist es richtig?
Ja. Ich habe investiert, ich glaube an das Konzept, mein Herzblut steckt in dem Projekt. Zum Schluss zählt für mich, dass der Kunde sagt: „Danke für Ihre Hilfe, Ihre Fürsorge, einfach Ihre Zeit.“
Dann habe ich alles richtig gemacht und ich bin selbst auch zufrieden.

Worauf richten Sie heute besonders Ihre Aufmerksamkeit?
Ich bin viel ruhiger geworden. Dafür konzentrierter und fokussierter, einfach zielführender. Meine Erfahrung ist, dass ich heute mit der nötigen Ruhe und manchmal auch Gelassenheit viel mehr erreiche. Und darauf kommt es an.
Also auf den Punkt gebracht: Mit möglichst überschaubarem Einsatz, viel erreichen; einfach alles für die Kunden zu tun, da zu sein, wenn sie Hilfe brauchen.
Und ich richte meine Aufmerksamkeit auch auf meine Familie. Sie ist mir wichtig. Für sie arbeite ich und strenge mich täglich an.
Im September dieses Jahres feiern wir unser fünfjähriges Bestehen. Und: Wir wachsen weiter. Ich bin ja für die Bereiche Erkrath Hilden, Haan und Umgebung tätig. Neben einem Büro in Erkrath, dem zweiten Büro in Haan – übrigens auch gleichzeitig mein Wohnsitz – kommt im September das dritte Büro in Hilden hinzu.

Also genau passend zu Ihrem ersten runden Jubiläum?
Ja, genau. Das ist etwas, was mich sehr stolz macht.

Herr De Paola, was ist für Sie persönlich Glück?
Mein Alltag ist so, dass ich keinen Urlaub brauche.

Also müssen Sie gar nicht in den Urlaub fahren?
Doch, natürlich schon. Irgendwann muss ich mich auch zurückziehen, erholen und frische Kräfte sammeln. Keinen Urlaub zu brauchen – das habe ich gesagt, weil es mein inneres Lebensziel wiedergibt, weil ich einfach meinen Job unheimlich gern tue.
Aber ich bin schon glücklich – im Beruf und privat.
Ich werde noch einmal Vater – ein wunderbares Gefühl.

Herr De Paola, ein sehr schöner Abschluss.
Vielen Dank für das Gespräch.

Kontakt:
PROMEDICA PLUS Erkrath
Kirchstraße 26
40699 Erkrath
Tel. +49 (0) 211 – 43 63 63 06
Fax +49 (0) 211 – 43 63 63 07
E-Mail: erkrath@promedicaplus.de
Web-Site: http://www.promedicaplus.de/erkrath
Inhaber: Daniel De Paola

 

INTERVIEW MIT MARTINA LIPPERT IM AUGUST 2017

MENSCHEN IM ALLTAG-2017.09.01

Martina Lippert ist die Gründerin des Pflegedienstes Martina Lippert GmbH. Sie ist heute die geschäftsführende Gesellschafterin.  

Frau Lippert, Sie haben im Interview  – des vergangenen Jahres folgenden Satz gesagt, als es darum über die Hürden Ihrer beruflichen und privaten Entwicklung zu sprechen: Ich war wie ein Segelboot – immer mit den Wellen und gegen den Wind. Sehen Sie das heute noch genauso?

Ja, natürlich.

Der Umkehrschluss dieses Gedanken ist doch folgender: Wer nicht den Wind spürt, die Anstrengungen des Ringens mit ihm, der fühlt auch nicht, wie schön es ist, wenn die Wellen gegen die Bordwand schlagen, wie toll Wasser riecht, wie schön es überhaupt ist, sich für einen Kurs zu entscheiden, die nötigen Anstrengungen dafür unternehmen, dass wir nicht von ihm abkommen und dann eben die Früchte zu ernten.

Das ist ein wenig literarisch angehaucht, doch gibt vielleicht ganz gut meine Sicht auf die Dinge wieder, die ich erlebt habe.

Worauf sind Sie besonders stolz, wenn Sie heute zurückdenken an Ihren Weg, den Sie zurückgelegt haben?

Ich habe mich viel mit meinen Ängsten auseinandersetzen müssen, weil ich ja einen sicheren Arbeitsplatz für meine Selbstständigkeit aufgeben musste.

Damals haben mich die Gemeindeschwestern in der evangelischen Sozialstation für verrückt erklärt, als ich sagte, ich wolle mich selbstständig machen.

Heute gibt es die Sozialstation nicht mehr – die damals sicher geglaubten Arbeitsplätze sind nicht mehr da. Ich bin vor allem stolz darauf, dass ich durchgehalten habe.

Ist das eine Stärke von Ihnen?

Ich glaube schon. Ich beiße mich quasi in Sachen rein, beiße mich fest, und zwar solange, bis ich es so habe, wie ich es mir vorstelle.

Natürlich kommen auch mal die Phasen der Depression, Zeiten, in den Zweifel an mir nagen und ich nicht weiß, wie es weitergehen soll.

Was machen Sie dann?

Wissen Sie, dazu kann man unendlich viel sagen. Die Situationen sind ja verschieden. Und manchmal kommt eben alles zusammen – es gibt Schwierigkeiten im Beruf und im Privaten läuft es mitunter eben nicht glatt.

Deshalb ist es in solchen Momenten für mich wichtig, dass ich meine Selbstzweifel überwinde, wieder zur alten Stärke zurückfinde.

Und in der Anfangszeit, als ich den Pflegedienst gerade gegründet hatte, da stürzte wirklich viel auf mich ein.

Ich musste Kunden finden, Ärzte überzeugen, dass ich die richtige Ansprechpartnerin für sie in Sachen Pflege bin und vieles mehr.

Kurz um: Ich habe mir gesagt – du bist ins kalte Wasser gesprungen, unter Wasser gewesen, aufgetaucht, und also muss du Luft holen und schwimmen.

Wie wichtig ist es heute für Sie, einer Mitarbeiterin, einem Mitarbeiter die Balance zwischen eigenverantwortlichen Handeln und teamorientierten Denken vorzuleben?

Sehr wichtig! Ich denke, jeder sollte die Chance bekommen, seinen Weg zu erkennen und diesen dann zu gehen. Dabei gebe ich Hilfestellung, bin ich der Coach. Natürlich geschieht das ebenfalls im Teamwork.

Was glauben Sie ist der Kern dessen, was eine gute Pflegekraft ausmacht?

Darüber sind ja schon ganze Abhandlungen verfasst worden. Im Kern geht es mir darum, dass derjenige, der bei uns arbeitet, die Menschen wirklich mag, die er pflegt und betreut.

Das soll keine erzwungene, von außen bestimmte Liebe sein. Vielmehr sollte es der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter Spaß machen, wenn sie sich den ganzen Tag mit Pflege und Betreuung befassen. Immerhin ist das ja gleichzeitig Lebenszeit.

Übrigens für beide – die Pflegenden und die zu Pflegenden. Schon deshalb hilft die innere Einstellung, aus Lebenszeit parallel Lebensqualität zu generieren.

Das ist mir wichtig. Ich gehe zum Beispiel heute noch ins Pflegeheim zu ehemaligen Kunden, spreche mit ihnen, schaue, dass es ihnen gut geht. Nur so bekommst du selbst ein gutes Gefühl, spürst den echten Reichtum, den dir diese vielleicht kleine Situation, das Gespräch mit dem Pflegebedürftigen, verschafft.

Man kann darüber viel reden. Es ist besser, man tut was, fragt sich, warum gerade die Situation jetzt so gut ist, also in dem Moment, in dem ich mit dem Patienten spreche.

Übrigens: Genauso ist es, wenn man über den Umgang mit den Flüchtlingen nachdenkt. Es sind stets die kleinen Gesten, die Hilfe ausmachen. Ich bin eine Zeit lang in einen Unterstützerkreis für Flüchtlinge gegangen und habe Deutschkurse für Flüchtlinge gegeben.

Aber Deutsch im Alltag – das, was so schwer zu lernen ist. Das lernt man vor allem durch sprechen, immer und immer wieder.

Was haben Sie daraus gelernt?

Durch Kommunikation werden Distanzen durchbrochen, imaginäre Ängste abgebaut. Und: Du lernst die Menschen kennen, erfährst, was sie hierhergeführt hat, wovon sie träumen, wie sie gelebt haben, was sie aufgeben mussten, mit ihrer Flucht.

Ich habe zum Beispiel zusätzlich mit Flüchtlingen darüber gesprochen, wie diese ihren Haushalt organisieren, also faktisch mitgeholfen, den Flüchtlingsalltag in Deutschland zu meistern.

Was hat Ihnen das für die Pflege gebracht?

Es geht stets um Menschen. Menschen, denen du hilfst und sie kennen lernst, durch sie genauso etwas lernst. Wir brauchen für die nächsten Jahrzehnte gut ausgebildete Fachkräfte. Warum sollte darunter nicht jemand sein, der heute noch dabei ist, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren?

 Da gebe ich Ihnen Recht. Was glauben Sie, warum sind Sie eine gute Unternehmerin?

Das werde ich so nicht sagen. Das können nur andere entscheiden. Ich denke, dass ich sehr genau die Fäden ziehe und gleichzeitig da bin für die Mitarbeiter, wenn es Fragen gibt. Wir führen ein offenes Büro. Meine Tür steht immer auf.

Ich bin stets ansprechbar. Dieses Gefühl brauchen meines Erachtens nach die Mitarbeiter, nämlich das Vertrauen, dass in schwierigen Situationen jemand da ist, der hilft, einen Rat gibt, unterstützt.

Wenn Sie in einem Satz zusammenfassten müssten, was den Kern individueller Pflege ausmacht, was würden Sie sagen?

Menschen zugestehen, in ihrer Wohnung so zu leben, wie sie es selbst wollen.

Frau Lippert, Sie engagieren sich im gesellschaftlichen Leben, sind gewählte Vertreterin der Stadt Lingen. Was treibt Sie an?

Wenn ich ehrlich bin: Es gibt Tage, da treibt mich gar nichts an. Da will ich mich am liebsten nur um meine Firma kümmern.

Doch es ist ja so: Wir können nicht nur den Tag rauf und runter sprechen, wie wichtig Pflege ist. Da stimmt jeder zu. Aber sich für bestimmte Probleme einsetzen, darum kämpfen, dass sich etwas verändert, das ist mir wichtig.

Was soll sich denn ändern?

Zuerst die Einstellung zur Frage der Pflege und Betreuung. Wir alle sind davon betroffen. Zudem hat in der Regel jeder in der Familie jemanden, um den man sich kümmern muss.

Wenn wir es schaffen, hier das Denken zu verändern, dann bewirken wir  mehr Handeln, mehr Engagement.  

Sie sind aktives SPD-Mitglied. So kurz vor den Wahlen: Hat die SPD schon alles getan in Sachen Pflege und Betreuung?

Nein. Sicher nicht. Das ist aber nicht der Punkt.  

Sondern?

Dass wir die richtigen Probleme herausfiltern, analysieren, Konzepte entwerfen und abgleichen mit der Wirklichkeit, also auch den finanziellen Möglichkeiten.

Dafür bin ich aktiv. Ich will genauso meiner Enkeltochter zeigen, dass es nicht reicht zu reden, sondern dass man was tun muss für die Verwirklichung seiner Ziele und der gesellschaftlichen Vorhaben.

Frau Lippert, das ist ein gutes Schlusswort.

Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Kontakt:
Pflegedienst Lippert GmbH
Martina Lippert
Geschäftsführende Gesellschafterin
Lindenstraße 1a
49808 Lingen
Tel.: 0591 / 80740990
Fax: 0591 / 67674
E-Mail: info@pflegedienst-lingen.de
http://www.pflegedienst-lingen.de

 

 

 

 

 

INTERVIEW MIT MARTINA LIPPERT

PFLEGEDIENST MARTINA LIPPERT

Frau Lippert wie haben Sie in der Pflege angefangen?
Ich habe 1986 als Aushilfe in der Ambulanten Krankenpflege in einer Diakonie in Lingen angefangen. Und das war auch schon ein sogenannter Knackpunkt für mich.

Was meinen Sie?
Nun, ich wurde nur stundenweise beschäftigt, hatte kein Auto und wurde gerufen, wenn es Arbeit gab.

Das war anfangs für mich in Ordnung, jedoch später hätte ich gern eine Festanstellung gehabt.

In Lingen gab es 5 Gemeindekrankenschwestern der evangelischen Kirchengemeinden.

Die Stimmung untereinander war sehr gut; was fehlte, das war die Kundenorientierung. So erinnere ich mich, dass mal eine Mitarbeiterin fragte, ob sie auch am Wochenende Patienten besuchen müsse.

Damit waren ja die Patienten und die Angehörigen faktisch am Wochenende sich überwiegend selbst überlassen – mussten sich also selbst versorgen.

Für mich aber war es selbstverständlich, die Patienten abends und am Wochenende weiter zu versorgen.

Diese Einstellung haben heute ebenso meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unserem Unternehmen. Anders ist ja individuelle Pflege gar nicht machbar.

Oder ein anderes Beispiel: Wenn ich gerufen wurde, musste ich ja zu den Patienten kommen. Also brauchte ich einen Dienstwagen. Der wurde mir aber als Aushilfekraft nicht bewilligt.

Dabei waren es ja ca. 16 Patienten, die ich zu versorgen hatte – zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten.
Schließlich bekam ich doch noch ein Dienstauto.

Da hatte ich etwas Glück, denn der Zuschuss dafür war wohl schon bewilligt und so musste in ein Fahrzeug investiert werden, wenn die Gelder nicht verfallen sollten.

Übrigens, als ich das Auto hatte, führte mich meine erste Dienstreise nach Hannover.

Dort fand ein Kongress der DMSG – Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft. Ich erinnere mich, dass Rita Süssmuth die Präsidentin des Verbandes war.

Aber was ich auch tat: Es gelang mir nicht, in eine Festanstellung zu kommen.

Damals hörte ich stets den Satz: Sie sind verheiratet, haben drei Kinder und sind damit versorgt. Ich wollte eigentlich nur eine 20- Stunden- Stelle, aber es führte kein Weg dorthin.

Wann haben Sie eigentlich die Ausbildung zur Krankenschwester absolviert?
Von 1976 bis1979.
Ich war in der Zeit das erste Mal schwanger und habe trotzdem keinen Tag gefehlt.

Wie ging es weiter?
1979 bin ich mit meinem Lebensgefährten und späteren Ehemann nach Lübeck gezogen.

Ich habe dort für ein halbes Jahr auf einer Intensivstation in einem Diakonissenkrankenhaus gearbeitet – ich war für diese Arbeit aber noch zu jung.

1980 bin ich dann in eine Facharztpraxis für Psychiatrie und Psychologie gegangen.
Das waren tolle und vor allem wertvolle Jahre.

Das war also eine sehr lehrreiche Zeit für Sie, oder?
Ja, auf jeden Fall. Dort habe ich vieles an Wissen und Erfahrung mitgenommen, was ich heute noch gut im Umgang mit Demenzkranken nutzen kann.

Und ich habe zum Beispiel in der Zeit der Infusionstherapie viele Lebensgeschichten von Menschen gehört.
1983 bin ich nach Kiel mit meinem Mann gezogen.

Dort war ich hochschwanger und viel allein auf mich gestellt.
14 Tage vor der Geburt unserer Tochter musste mein Mann dienstlich nach München, um dort zu arbeiten.

Also keine leichte Zeit für Sie?
Nein, das nicht. Aber ich war wie ein Segelboot- immer quer gegen die Wellen und habe mich durchgebissen.

Im Oktober 1983 ging es ins Emsland, nach Lingen.
Lingen, das ist eine tolle Stadt, ruhig und familienfreundlich. Mitte 1986 habe ich dort begonnen, als Aushilfe zu arbeiten.

Wie gesagt, ich habe mich viel beworben, wollte festangestellt in meinem Beruf arbeiten. Im Sommer 1986 bewarb ich mich zum Beispiel auf eine vom Arbeitsamt ausgeschriebene Stelle für eine katholische Sozialstation.

Ich war allerdings evangelisch, und so bekam ich die Stelle nicht.
Aber: Ich war ein Jahr lang in einem katholischen Krankenhaus in Meppen als Aushilfe in der Nachtwache tätig.

Anfang 1992 bin ich in einen ambulanten Pflegedienst gegangen und habe dort als Pflegedienstleitung gearbeitet – bei der Bürgerhilfe e.V in Lingen.

Wann kam bei Ihnen der Gedanke auf, sich selbstständig zu machen?
Der kam schon ziemlich früh, nachdem mir klar wurde, dass ich keine Festanstellung bekam. Da erfuhr ich, dass ein ehemaliger Kollege aus dem Krankenhaus Lingen die Zulassung zu einem privaten Pflegedienst erhielt.

Und das, obwohl er keine Erfahrung in der ambulanten Pflege besaß. Also ging ich ebenfalls zur Krankenkasse, um einen Antrag auf einen Pflegedienst zu stellen. Die Krankenkasse hat das zunächst abgelehnt.

Was gab die Kasse als Grund an?
Ich hätte für zwei Jahre Vollzeit innerhalb der letzten zwei Jahre in einem Krankenhaus arbeiten müssen.

Dann habe ich mir aber die Unterstützung von der damaligen Frauenbeauftragten der Stadt Lingen geholt.

Wir gingen noch einmal zur Krankenkasse, legten unseren Standpunkt da, und siehe da, wenig später hatte ich die Genehmigung, einen eigenen Pflegedienst zu eröffnen.

Wann war das?
Ich bekam am 01.10.1994 die Zulassung und am 01.11. 1994 habe ich den Pflegedienst eröffnet.

Was war die Initialzündung dafür, dass Sie sich selbstständig machen wollten?
Die Ungleichbehandlung in der damaligen Zeit von Mann und Frau hat mich darauf gebracht. Ich wollte immer eine festangestellte Tätigkeit als Krankenschwester ausüben.

Tatsächlich bekam ich aber immer wieder das Argument zu hören, dass ich ja eine Familie hätte, einen Mann und Kinder und so versorgt war.

Was fiel Ihnen leicht am Anfang Ihrer Selbstständigkeit und was war schwer für Sie?
Ich musste mir natürlich erst einmal einen Namen machen. Ich habe also Ärzte in Lingen aufgesucht, mich vorgestellt und ihnen erklärt, dass ich auch abends und am Wochenende Patienten unterstützen will.

Kurzum: Ich habe meine Hilfe und Unterstützung angeboten – da, wo sie gebraucht wurde. Wichtig war für mich, betriebswirtschaftlich das Fundament für meine Firma zu schaffen.

Ich habe mich also auch auf diesem Gebiet fortgebildet. Mehrere Jahre lang betrieb ich faktisch Selbstausbeutung, habe alle Pflege- und Betreuungsaufgaben selbst wahrgenommen, und ich habe neben meiner Pflegetätigkeit verschiedene Fortbildungen absolviert.

Was verstehen Sie unter individueller Pflege?
Individuell pflegen bedeutet für mich, fachlich gut ausgebildet zu sein. Ich muss zum Beispiel rechtzeitig Gefahrenpotenzial erkennen, Maßnahmen dagegen beim Patienten einleiten und entsprechende Hilfe und Unterstützung anbieten.

Wichtig ist auch, nicht allein zu agieren, sondern sich rechtzeitig Hilfe zu holen.

Und: Man muss sich fachlich abgrenzen. Es gibt keine Alleskönner. Vielmehr geht es darum, die fachlichen Stärken und Kompetenzen anderer Kollegen mit in die Pflege und Betreuung einzubinden.

Ein weiteres Merkmal individueller Pflege ist, den Pflegebedürftigen die Zeit zu widmen, die für Sie vorgesehen ist, und ihnen die ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, ihnen einfach zuhören, mit ihnen über ihre Sorgen und auch Freuden sprechen.

Frau Lippert, was ist für Sie Glück?
Wenn ich zufriedene Mitarbeiter habe. Inzwischen bin ich froh, dass ich meine Tochter an meiner Seite in der Geschäftsführung habe. Sie ist ein echtes Organisationstalent.
Das entlastet mich natürlich sehr. Außerdem: Für mich gehört zum persönlich Glück die Gesundheit und frei entscheiden zu können.

Es läuft also gut in der Geschäftsführung?
Auf jeden Fall. Natürlich hat alles seine Zeit. Meine Tochter, Anne-Christine Lippert, musste sich ja auch in den vergangenen Jahren einarbeiten, sich zur PDL qualifizieren, sich betriebswirtschaftlich weiterbilden.

Sie ist heute die Mitgesellschafterin und stellvertretende Pflegedienstleitung und leistet eine verlässliche Arbeit.

Würden Sie den Weg so noch einmal gehen?
Die Frage ist so schwer mit ja oder nein zu beantworten. Auf jeden Fall habe ich die Bürokratie unterschätzt, die mit dem Beruf der Pflege verbunden ist.

Mir wäre daran gelegen, dass die eigentliche fachliche Seite der Pflege wieder mehr in den Vordergrund rückt. Aber grundsätzlich gesagt, ist die Pflege schon mein Leben.

Ich besuche zum Beispiel heute noch Leute, die wir gepflegt haben, und die jetzt im Pflegeheim leben.

Mich interessieren die Menschen, für die ich die Arbeit mache, deren Wohlergehen. Insofern ist das schon eine sehr schöne Arbeit.
Frau Lippert, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Kontakt:
Pflegedienst Lippert GmbH
Martina Lippert
Geschäftsführende Gesellschafterin
Lindenstraße 1a
49808 Lingen
Tel.: 0591 / 80740990
Fax: 0591 / 67674
E-Mail: info@pflegedienst-lingen.de
http://www.pflegedienst-lingen.de

 

 

 

Interview mit Roselinde Hartmann

Roselinde Hartmann ist die Inhaberin des Pflegedienstes AMISTAD  im Raum Stutensee und Bruchsal

Frau Hartmann, wie verlief Ihr beruflicher Werdegang?

Nach dem Schulabschluss in der mittleren Reife habe ich mich 1978 um eine Ausbildung zur Krankenschwester beworben.
Ich wollte schon immer Krankenschwester werden. Damals war das gar nicht so einfach. 1978/1979 herrschte ein großer Andrang in diesem Berufszweig. Auf ca.300  Bewerbungen kamen ca. 25 Ausbildungsplätze. Schließlich hatte ich Erfolg. Ich bewarb mich im Städtischen Klinikum  Karlsruhe und bekam eine Zusage. Im Oktober 1979 habe ich die Ausbildung begonnen und sie 1983 beendet. Das war ein halbes Jahr später, als sonst üblich.

Warum?
Weil ich zwischendurch mein erstes Kind bekommen hatte und im Mutterschutz war.  Nach dem Abschluss habe ich weiter im Städtischen Krankenhaus gearbeitet, auf der Dialysestation. Aber für mich war schon immer klar, dass ich in die ambulante Pflege will.

Was waren das für Gründe?

Nun, ich wollte ganzheitlich pflegen. Das ist im privaten Umfeld am besten mit der ambulanten Pflege umzusetzen, also dort, wo sich der Pflege- und Hilfsbedürftige am wohlsten fühlt.

 Dann müssten Sie ja für den generalistischen Ansatz in der Pflegeausbildung sein, oder?

Ja, ganz genau. Ich bin dafür, erst einmal in der Ausbildung einen generalisierenden Ansatz zu haben. Danach kann man sich dann immer noch spezialisieren, zum Beispiel in Richtung Krankenpflege, Kinderkrankenpflege oder Altenpflege.

 Warum?

Sie bleiben so stets auf dem neuesten Stand, und zwar in vielen Bereichen. Das ist zum großen Teil im Krankenhaus anders. Dort arbeiten Sie mitunter jahrelang oder jahrzehntelang auf einer Station, in einer speziellen fachlichen Richtung. Das haben Sie in der ambulanten Pflege nicht so.

Da müssen Sie sich in allen Bereichen der Medizin ständig auf dem Laufenden halten. Und wenn es nötig ist, dann eignen Sie sich spezielles Wissen an oder frischen es wieder auf. Und das ist es, was die ambulante Pflege so spannend macht.  Eine solide und breit gefächerte generalistische Ausbildung zunächst, und später eine Spezialisierung, je nachdem, in welche Richtung es gehen soll – in die Altenpflege oder eben in ein Krankenhaus, auf eine spezielle Station. Ich glaube, da kommt die Reform der Pflegeausbildung gerade richtig.

 Wie lange haben Sie im Städtischen Krankenhaus gearbeitet?

Zwei Jahre.

Und dann?

Danach war ich auf zwei Sozialstation der Evangelischen Kirche, insgesamt 10 Jahre. Ich habe auch lange in Teilzeit gearbeitet, weil ich ja für meine Kinder da sein wollte.

Bis 1995?

Richtig. Dann kam die Zeit, wo der Gesetzgeber wollte, dass mehr Angebote für die zu Pflegenden auf den Markt kamen. Der Markt wurde also geöffnet für private Anbieter. Da habe ich die Chance genutzt und mich selbstständig gemacht. In die Zeit fiel ebenfalls meine Ausbildung zur Pflegedienstleitung. Das war ja eine Auflage vom Gesetzgeber zur Selbstständigkeit, nämlich in einem bestimmten Zeitraum diese Weiterbildung und Qualifikation zu durchlaufen.

Also war die Einführung der Pflegeversicherung 1995 quasi das Initialzeichen für Sie, Ihren eigenen Weg zu gehen?

Ja, so kann man das sagen. Ich wollte einfach raus aus der Fließbandarbeit, sowohl im Krankenhaus als auch in der Pflege. Ich liebte meinen Beruf und ich wollte mehr herausholen – für die Menschen, denen meine Fürsorge galt. Also den Patienten eben nicht unter Zeitdruck abfertigen, sondern ihn wirklich als ganzen Menschen zu sehen, in seinen physischen, psychischen, sozialen Aspekten – ihn wahrnehmen nicht nur als jemanden, der Hilfe braucht, sondern als einen Menschen, den ich verstehe und dem ich so viel besser helfen kann. Man sieht eben auch das private Umfeld, weiß, was dem Pflegebedürftigen wichtig ist.

Und wie ließ sich das vereinbaren mit den Vorgaben der Kranken- und Pflegekassen hinsichtlich der Minutenpflege?

Ich war von Anfang gegen die Minutenpflege.  Der Mensch ist ja schließlich keine Ware. Keiner von meinen Mitarbeitern sollte gegen die Stoppuhr arbeiten.

 Aber wie haben Sie das in der Praxis durchhalten können?

Das lief bei mir auf eine Mischkalkulation hinaus. Für manche Tätigkeiten brauchten wir eben weniger Zeit und für andere Dinge haben wir uns dann mehr Zeit genommen, zum Teil in der Pflege oder auch für ein Gespräch mit dem Patienten.  Das macht das Menschliche in der Pflege aus. Das habe ich einfach auf meine Kappe genommen und bin gut damit gefahren.

Dann muss es ja eine innere Bestätigung für Sie gewesen sein, als mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz die individuelle Pflegebedürftigkeit noch stärker in den Fokus gerückt worden ist, oder?

Ja, natürlich. Aber wissen Sie, man braucht auch die Mitarbeiter dazu, die sich vorstellen können, so zu pflegen. Ich gebe noch heute jedem die Chance, so zu arbeiten, dass er sich die nötige Zeit für gute Pflege nehmen kann. Daraus ergibt sich auch, dass trotz guter Bezahlung keine zusätzlichen Vergütungen wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld gezahlt werden können. Dafür hat der Mitarbeiter einfach mehr Zeit zur Verfügung.

Schätzen Ihre Mitarbeiter das?

Ja, sie sehen, dass es nicht mit dem monetären Aspekt allein getan ist.

Sondern?

Die Möglichkeit, sich zu entfalten, nicht in Stress zu verfallen, eigene Vorstellungen im Pflegealltag umzusetzen, kreativ zu sein – all das wird inzwischen als ein hohes Gut geschätzt, als eine geldwerte Leistung angesehen. Das war nicht gleich der Fall. Gerade in den letzten zwei, drei Jahren hat sich das Team so gut entwickelt, dass es die Bezeichnung „Top-Team“ zurecht verdient. Ich bin auf meine Mitarbeiter sehr stolz. Ohne sie hätte ich meine Vorstellungen nicht verwirklichen können und könnte das auch heute nicht.

Wenn Sie ein oder zwei Beispiele herausgreifen müssten, die die Kernkompetenzen Ihres Pflegedienstes aufzeigen, welche wären das?

Zum einen haben wir uns auf das Wundmanagement spezialisiert. Unsere Wundexpertin ist Carmen Hammer, die auch die stellvertretende Leitung inne hat. Das ist schon einmalig, was wir hier in unserem Team leisten können. Frau Hammer ist vor Ort beim Patient in der Wundversorgung tätig und zuständig für alle Fragen bezüglich Wunden, die in der Pflege auftreten. Das finden Sie nicht so oft, dass in einem kleinen Pflegedienst wie unserer einer ist, gleichzeitig eine Wundexpertin mit dem fachlichen Hintergrundwissen zu finden ist. Und ein zweiter Bereich, in dem wir sehr gut sind, ist der Umgang mit an Demenz erkrankten Patienten. Wir haben hier einen Mitarbeiter, der sich darauf ganz besonders spezialisiert hat und der auch viele Erfahrungen aus diesem Bereich mitbringt.

 Wer ist das?

Das ist Dieter Gericke. Er ist Altenpfleger, fachlich sehr qualifiziert. Herr Gericke hat 15 Jahre lang Pionierarbeit geleistet, beim Aufbau von Demenz-und Betreuungsgruppen.

Was macht Ihr Team besonders?

Das ist die gegenseitige Wertschätzung, die wir füreinander haben. Diese Einstellung, dieses Gefühl tragen wir ebenso nach draußen. Die Pflegebedürftigen merken, dass wir gut miteinander umgehen, die Arbeit des anderen schätzen.  Wir haben hier sehr flache Hierarchien. Natürlich trage ich als Inhaberin die Gesamtverantwortung. Doch für mich ist Leitung eine Sache des Teamworks. Dafür tragen neben mir Carmen Hammer und Sandra Wutschka mit die Verantwortung. Sie beide sind examinierte Krankenschwestern. Ich lasse jedem Mitarbeiter gerne Freiräume, gebe ihm das Gefühl, dass er wichtig für mich ist, wichtig ist für uns alle. Nur so können wir überhaupt unsere Philosophie umsetzen. Wir leben einfach davon, dass sich jeder einbringt, sich jeder wohlfühlt.

Suchen Sie neue Mitarbeiter?

Inzwischen suchen uns bereits Mitarbeiter. Das ist schon eine komfortable Situation, die wir uns aber hart erarbeitet haben.

Und wenn jemand kommt, der in ihr Team passt?

Dann ist er willkommen.

Was gibt den Ausschlag dafür?

Die fachliche Eignung vorausgesetzt, ist der Wille des Bewerbers maßgebend dafür, wirklich menschenwürdig und mit Hingabe pflegen zu wollen. Das sollte einfach passen. Denn Sie müssen ja bedenken: Die Leute gehen raus, die Pflegebedürftigen spüren sofort, wenn sich jemand wohlfühlt in einem Team oder eben nicht. Und jetzt gibt es schon einen gewissen Stolz, dass ein Mitarbeiter sagt: „Ich arbeite bei AMISTAD.“

Kurzum: Ohne meine Mitarbeiter wäre ich nichts. Mir ist einfach wichtig, dass sie sich wohlfühlen und meine Wertschätzung für ihre Arbeit spüren. Dann bringt sich auch jeder ein. Das ist einfach ein „Geben und Nehmen“.

Frau Hartmann, sind Sie ein glücklicher Mensch?

Ja, das bin ich. Ich bin sogar sehr glücklich, weil ich das gefunden habe, was mich glücklich macht: meine Familie und meine Arbeit, die ebenso zu meinem persönlichen Glück beigetragen hat. Ich bin das geworden, was ich immer sein wollte.

Wie viel Kinder haben Sie?

Vier Kinder und bereits vier Enkelkinder.  Ich bin schon sehr dankbar für alles.

Übrigens: Ich bin sehr christlich eingestellt. Der Segen Gottes ist mir wichtig. Ein Leitspruch ist für mich: So wie du willst, das dir die Leute tun, so tue ihnen auch. Und so hat AMISTAD eben feste christliche Wurzeln, trägt diesen Glauben in sich.

Frau Hartmann, ich danke Ihnen für das Gespräch.

 

© Dr. Uwe Müller

 

 

 

 

PFLEGEKRÄFTE ZWISCHEN HERAUSFORDERUNGEN UND SELBSTZWEIFELN

Wer heute in der Pflege tätig ist, den packen mitunter Zweifel, ob er das Richtige tut, ob er selbst richtig ist in der Branche. Besonders jüngeren Pflegekräften kommen diese Selbstzweifel: 'Mach ich das alles so, wie es vorgeschrieben ist? 
Nehme ich genügend Rücksicht auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Pflegebedürftigen, bei dem ich gerade bin? Wo will ich eigentlich in zehn Jahren sein?'

Das ist nur ein Ausschnitt dessen, was mir Mitarbeiter erzählen, wenn sie von ihren Erlebnissen, Ihren Zweifeln an der Richtigkeit ihrer Berufswahl sprechen.

Jeder von uns kennt solche Gedanken und sie werden auch solange in uns sein, wie wir arbeiten.

Es gibt keine generellen Rezepte, wie man die sogenannte Balance für sich findet.

Geschrieben wird darüber viel.

Aber: Es gibt genügend Literatur, in der mal mehr und mal weniger gute Ratschläge erteilt werden.

Mir kommen in diesem Zusammenhang drei Gedanken:

ERSTER GEDANKE: Sich nicht permanent unter Druck zu setzen, sich selbst überfordern – im Pflegealltag ist wichtig.

Professionell agieren heißt auch,  fundiertes Selbstmanagement und  professionelle Selbstmotivation zu betreiben

Klar ist aber auch: Es gibt niemanden auf diesem Erdball, der alles kann, alles weiß und nichts mehr in der eigenen Persönlichkeitsentwicklung tun muss.

Insofern: Ein Stück Distanz zu den Dingen, die am Tag passieren und vielleicht auch mal nicht gelingen, das hilft.

ZWEITER GEDANKE:
Unsere Vorhaben sollten dergestalt sein, dass wir sie auch erreichen können.  Nichts demotiviert mehr, als Ziele, die von vornherein zu hochgesteckt sind.

DRITTER GEDANKE:
Trau‘ dir ruhig etwas zu, denke also nicht zu klein.

Nimm deine Pflegedienstleitung oder den Inhaber des Pflegedienstes mit ins Boot – in dein Boot, denn in seinem hältst du dich ja den ganzen Tag auf.

Was heißt das? Sprich über das, was du erreichen willst, wann du wo sein willst und welche Hilfe du dafür brauchst.

Wenn du nicht fragst, dann hast du auch nicht die Chance, deine Ziele zu erreichen oder wirst vielleicht sogar scheitern.
Teamwork ist wichtig.

Das heißt aber auch: Du hast deinen Platz im Team und einen moralischen und faktischen Anspruch auf Hilfe – jeder im Pflegedienst hat letzlich was davon.

Friedrich Nietzsche schreibt: „Ein Beruf ist das Rückgrat des Lebens.“
(Quelle: 2012 Anaconda Verlag GmbH, Köln, S. 339)

Also stärke dein Rückgrat.

FACHKRÄFTEMANGEL IN DER PFLEGE – BEÄNGSTIGENDE DIMENSIONEN

Die Zahlen der Fachkräfteengpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Juni 2017 alarmieren: Die sogenannte durchschnittliche Vakanzzeit für examinierte Altenpflegekräfte beträgt 167 Tage.

Nahezu ein halbes Jahr dauert es, bis eine freie Stelle neu besetzt werden kann.

Das liegt mit 67 Prozent über der durchschnittlichen Vakanzzeit, bezogen auf alle Berufe.

32 Arbeitssuchenden stehen im Pflegebereich 100 gemeldete Stellen gegenüber.

Oder in absoluten Zahlen:
Auf 10.100 freie Stellen kommen 3200 Arbeitssuchende.
Nicht gerechnet sind hier die Stellen für Zeitarbeit.

Die Zahlen schrecken auf – angesichts der Tatsache, dass bis 2030 sogar noch über 500.000 Pflegekräfte zusätzlich für den wachsenden Bedarf benötigt werden.

Quelle: 
https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Fachkraeftebedarf-Stellen/Fachkraefte/BA-FK-Engpassanalyse-2017-06.pdf, abgerufen: 14.07.2017, 05.15 Uhr

 

Peter Kuhn im Interview

Peter Kuhn ist der Inhaber des Ambulanten Pflegedienst Peter Kuhn im Landkreis Regen, Straubing und Cham.

Herr Kuhn, wie verlief Ihr beruflicher Werdegang vor der Gründung des Pflegedienstes?
In den Jahren von 1991 bis 1994 habe ich meine Ausbildung zum Krankenpfleger absolviert – im St. Elisabeth – Stift in Straubing.
Nach dem Abschluss bin ich ins Katholische Krankenhaus der „Barmherzigen Brüder“ nach Regensburg gegangen und war dort in den Fachbereichen Onkologie, Kardiologie und in der Notaufnahme tätig.

Wie lange haben Sie dort gearbeitet?
Bis zum Oktober 1996. Danach habe ich mich dann selbstständig gemacht.

Gab es weitere Weiterbildungen und Qualifizierungen?
Ja. Und zwar: 2001 Weiterbildung zur Pflegedienstleitung.
2015/ 2016 folgte eine Qualifizierung zur Palliativfachkraft.

Sind Sie damit schon fertig?
Ja, im April 2016 habe die Weiterbildung erfolgreich abschließen können.

Was war denn der entscheidende Anlass für Sie, sich 1996 selbstständig zu machen?
Ich sah in den Krankenhäusern, dass das Arbeitsaufkommen immer mehr wurde. Aber die Zahl derjenigen, die für die Pflege zuständig waren, blieb gleich. Das hatte Auswirkungen auf die Arbeitsbelastung der Pflegefachkräfte – sie stieg stetig.
Und das merkten natürlich diejenigen, für die wir ja da waren, nämlich die Pflege- und Hilfsbedürftigen.
Ich wollte ein individuelleres Herangehen, die Möglichkeit, sich wirklich um die Bedürfnisse und Wünsche der zu Pflegenden kümmern.

Herr Kuhn, was verstehen Sie unter individueller Pflege?
Wir verstehen darunter das, was auch in unserem Pflegeleitbild steht. Nämlich: Die pflege- und hilfsbedürftigen Menschen dort zu versorgen, wo sie sich am wohlsten fühlen – in ihrem eigenen häuslichen Umfeld. Und das solange es möglich ist.
Hinzukommt: Wir gehen sehr stark auf die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des einzelnen Menschen ein. Nur wenn wir wissen, was er möchte, was für ihn angenehm ist, können wir uns auch auf ihn einstellen. Das ist ein immer währender Prozess – an dem wir natürlich dranbleiben.

Welche Rolle spielt denn die Kommunikation in diesem Zusammenhang?
Das Reden mit dem Patienten ist sehr wichtig. Es ist ein Ausdruck der sozialen Zuwendung mit ihm. Er fühlt sich ernstgenommen und aufgehoben zugleich. Wir tauschen uns auch im Team aus, was dem Einzelnen wichtig ist. Sie wissen ja: Manchmal ist ein liebevoll gesprochenes Wort genauso wichtig wie die Tablettengabe.

Würden Sie den gleichen Beruf heute noch einmal ergreifen?
Auf jeden Fall. Ich würde heute vielleicht noch etwas mehr Erfahrungen sammeln, bevor ich selbst einen Pflegedienst gründe. Ansonsten fiele aber die Entscheidung gleich aus.

Herr Kuhn, zum Abschluss noch eine Frage: Was ist für persönliches Glück?
Ganz sicher ein intaktes Familienleben – meine Frau und meine Kinder sind mir schon sehr wichtig.
Und natürlich macht glücklich, wenn wir im Team gut zusammenarbeiten, uns auf die Hauptsache konzentrieren können – die Pflege und Betreuung unserer Patienten auf möglichst hohem Niveau zu realisieren.

Herr Kuhn, ich danke Ihnen für das Gespräch.

 

 

 

 

 

PORTRÄT – FREIE ALTEN-UND KRANKENPFLEGE e.V.

05.08.2020
FAK e.V.- ANSPRUCHSVOLLE PROJEKTE UND EIN TEAM, IN DEM ES SPASS MACHT, ZU ARBEITEN
https://uwemuellererzaehlt.de/2020/08/05/menschen-im-alltag-10/

 

Die soziale Idee der Freien Alten- und Krankenpflege e.V. reicht schon drei Jahrzehnte zurück. Alte und kranke Menschen sollten in ihrem häuslichen Umfeld verbleiben können, dort versorgt und gepflegt werden, wo sie sich am liebsten aufhalten.  Michael Jakubiak ist einer der Wegbereiter für diese Konzeption:  "Das war damals eine völlig neue Alternative zu den bisher bekannten Strukturen und Auffassungen in der Alten- und Krankenpflege, und so mussten wir so manchen Widerstand überwinden, viel Überzeugungsarbeit leisten."

Heute betreibt die FAK e.V. ein Stadthaus für das „Betreute Wohnen“ sowie zwei Frauen – Wohngemeinschaften und eine Wohngemeinschaft für demenziell erkrankte ältere Mitbürger.
Im Interview bekräftigt M. Jakubiak den konzeptionellen Grundgedanken:
„Unsere Bewohner kommen hier nicht her, um zu sterben oder verwahrt zu werden. Vielmehr: Sie kommen, um zu leben und für die Stärkung ihrer Lebensqualität Hilfe und Unterstützung von unserer Seite zu erfahren.“

Neue Projekte in Essen:
Im Dezember 2017 ist die Fertigstellung des „Lebens- und Erlebenshauses“ in Essen in der Altendorfer Straße geplant.
Im Gebäude stehen für zwei Wohngruppen 24 Apartements bereit.
Gemeinschaftsräume und Küche sind für jeweils eine Gruppe vorgesehen. Ein älteres Haus wird dafür freigezogen.
Ein weiteres Projekt ist geplant – für zwei betreute Wohngemeinschaften mit Plätzen für jeweils 12 Bewohner.
Die Bauvorhaben werden realisiert von der GEWOBAU Essen EG.

INTERVIEW MIT MICHAEL JAKUBIAK

STELLENANZEIGE – FREIE ALTEN-UND KRANKENPFLEGE e.V.

FAK e.V. – TRADITION UND PFLEGE UNTER EINEM DACH

ÜBER DEN MENSCHEN MICHAEL JAKUBIAK

BEI UNS TUT SICH WAS – ÜBER DIE BAUVORHABEN DER FAK e.V.

Kontakt:
Freie Alten- und Krankenpflege
FAK e.V. Essen
Krablerstr. 136
45326 Essen
Fon: 0201. 83 52 80
Fax: 0201. 83 52 855
E-Mail: info@fak.de
Internet: www.fak.de
Geschäftsführer:
Michael Jakubiak
Jörg Blaschke

 

KATHRIN DÖLLE IM INTERVIEW

Kathrin Dölle ist die Inhaberin der Seniorenhilfe Dölle in Gotha.
Frau Dölle, wie verlief Ihr beruflicher Werdegang vor der Gründung des Pflegedienstes?

Nach dem Abitur 1982 habe ich Gärtnerin gelernt und auch in dem Beruf gearbeitet.

Anschließend habe ich noch Gartenbau studiert. Dann kam die Wende. Faktisch bin ich per Zufall in die Pflege hineingerutscht. Mir gefiel, dass ich älteren Menschen helfen konnte.

Was ist Ihnen am Anfang schwer gefallen und was leicht?

Schwer war für mich, die fachliche Seite zu verstehen.

Das war ja auch komplett neu für mich. Leicht ist mir die Organisation gefallen und die kaufmännische Seite.

Was macht Ihrer Meinung nach die Stärke Ihres Teams aus?

Die Stärke unseres Teams? Unterschiedliche Charaktere unterschiedlichen Alters arbeiten gemeinsam an unseren Zielen: gute Pflege und Betreuung der Patienten.

Ein Team muss belastbar und tolerant sein. Und unsere Mitarbeiter sind das. Das macht es ein wirklich starkes Team aus.

Wo sehen Sie die Gründe für den mitunter schlechten Ruf von Pflegediensten in der Öffentlichkeit?

Ich glaube, die falsch verstandene Konkurrenz untereinander.

Und: ein mangelndes Selbstwertgefühl einzelner Mitarbeiter von Pflegediensten, einfach die fehlende Stärke zu dem zu stehen, was man tut. Sozial agieren heißt nicht, sich selbst zu verleugnen.

Es gehört auch dazu, den Wert der eigenen Arbeit zu schätzen und zu sagen, dass die Dienstleistungen finanziell entgolten werden müssen.

Was hat sich geändert gegenüber Ihrem Anfang, wenn Sie heute die Pflege und Betreuung ansehen?

Die Unbekümmertheit hat sich geändert. Ich habe heute noch mehr Respekt vor der Pflege und den Pflegenden, seien es Angehörige oder Mitarbeiter.

Es gibt viel mehr Angebote und Möglichkeiten in der Pflege. Für die Betroffenen ist es manchmal nicht einfach, nachzuvollziehen, wie Pflege funktioniert.

Was macht für Sie individuelle Pflege aus?

Kurzfristig besondere Wünsche von Pflegebedürftigen und Angehörigen realisieren; es zumindest zu versuchen.

Für die Betroffenen wirksame Hilfe zu organisieren, auch mit einem gut funktionierenden Netzwerk an Kooperation.

Was sagen Sie zur Generalistik in der künftigen Pflegeausbildung?

Ich bin dagegen. Ich glaube, die tiefgreifende fachliche Ausbildung bleibt auf der Strecke zu Gunsten einer breit angelegten Wissensaneignung.

Auf den Punkt gebracht: eine breitgefächerte oberflächliche Ausbildung, die zu lange dauert.
Da muss noch viel an dem Gesetz überarbeitet werden.

Was ist für Sie persönlich Glück?

Wenn am Ende des Tages alles gelöst ist, alle zufrieden sind und jeder hat dabei ein Stückchen gewonnen, keiner hat das Gesicht verloren.

Frau Dölle, vielen Dank für das Gespräch.

Mehr lesen:

https://uwemuellererzaehlt.de/2022/01/02/menschen-im-alltag-2017-2021/

 

 

 

 

 

 

INTERVIEW MIT MICHAEL JAKUBIAK

 Die Freie Alten- und Krankenpflege e.V. verfügt über eine 30-jährige Erfahrung in der Pflege und Betreuung. Michael Jakubiak ist ihr Gründungsvater und heute einer der beiden Geschäftsführer. Im Interview berichtet er über seine Erfahrungen, die ethischen Wurzeln des Vereins und wie er heute die neuen Herausforderungen in der Pflege sieht.

Herr Jakubiak, wie verlief Ihr beruflicher Werdegang vor der Pflege?
Ich komme aus dem Zeitungswesen. Ich war Verlagskaufmann und im Vertrieb tätig – für die Ruhrzeitung.

Dann begann das große Zeitungssterben und ich musste mich umorientieren.

Es gab für mich zwei Möglichkeiten: Zum einen bot mir das Arbeitsamt an, in den EDV-Bereich zu gehen oder in einen Sozialberuf zu wechseln.

Ende der 1970 – iger Jahre wurden die ersten Ausbildungsgänge für Altenpfleger angeboten. Ich war in diesem Beruf zu dieser Zeit noch ein recht „seltenes Exemplar“.

Meine Karriere lief aber ganz gut an. Ich qualifizierte mich schnell zum Pflegedienstleiter in einem großen Pflegeheim. Gleichzeitig wurde ich stellvertretender Bundesvorsitzender der „Grauen Panther“.

Und: Ich begann mir Gedanken darüber zu machen, wie wir mehr pflege- und hilfsbedürftigen Senioren helfen konnten.

Was war das Motiv?
Ich merkte schnell im Pflegeheim, dass wir sehr stark eingeschränkt darin waren, wirklich individuell und persönlich zu pflegen.

Es fehlten die Arbeitskräfte und die dafür nötige Zeit.
Also begann ich mit 7 weiteren Kollegen ein Berufskolleg zu initiieren.

In dieser Zeit gab es noch keine ambulanten Pflegedienste. Die Pflegekassen waren strikt dagegen, dass wir einen privaten Pflegedienst gründeten und sie wollten auch keinen Verein zulassen.

Wir mussten uns für den Verein erst einmal vom Kartell-Gericht freiklagen lassen. In die Zeit fiel ebenfalls die Gründung des Bundesverbandes Ambulanter Dienste, dessen Vorsitz ich über 20 Jahre innehatte.

Würden Sie das alles heute so wieder tun?
Von der Philosophie her ja. Als Gesellschaftsform hätten wir heute sicher eine GmbH gegründet.

Was war die Initialzündung für Sie, die Freie und Alte Krankenpflege e.V. zu gründen?
Nun, ich habe das ja bereits angedeutet: Wir wollten den alten Menschen einfach bessere Leistungen geben.

Was ich in den Pflegeheimen sah, das widersprach ja schon vom Konzept her dem, was wir in der Altenpflegeschule gelernt hatten.
Es gab dort viele Hilfskräfte.

Die Mitarbeiter waren generell im Heim überfordert – physisch und psychisch. Ein System also, das sich brutal anfühlte und gegen die gerichtet war, die diese Hilfe und Pflege eigentlich brauchten.

Ich lernte in der Zeit einen Pflegekritiker kennen, der mir aus der Seele sprach. Im Unterschied zu ihm wollte ich aber nicht nur die Probleme benennen. Ich wollte verändern.

Was zum Beispiel?
Ich bin bis heute davon überzeugt, dass die Mitarbeiter zufrieden sein müssen, mit dem, was sie tun. Das strahlt aus auf die Atmosphäre in der Pflege.

Und ich wollte unbedingt eine Zeit für die Bewohner eine Pflege und Betreuung in Würde; einen Umgang, der die Biografie des Einzelnen respektiert.

Es war für mich ebenso klar, dass ich kein eigenes Heim gründen und führen wollte.

Warum nicht?
Weil die Rahmenbedingungen dergestalt waren, dass das Personal permanent überfordert wurde.

Meine Grundidee ist: Unsere Bewohner kommen hier nicht her, um zu sterben oder nur verwahrt zu werden.

Vielmehr: Sie kommen, um zu leben und für die Stärkung ihrer Lebensqualität Hilfe und Unterstützung von unserer Seite zu erfahren.

Das ist ein sehr ethischer Gedanke
Ja. Und wir leben diesen Wert. Bei uns müssen die Menschen auch nicht ausziehen – sie können in den Wohnungen und Wohngemeinschaften solange bleiben, wie sie es wollen.

Wir unterstützen die Entwicklung von Strukturen, die eine familiäre Atmosphäre im Zusammenleben fördern, die einfach den Lebensauffassungen und den Bedürfnissen der Bewohner entsprechen.

Wir haben zum Beispiel eine Wohngemeinschaft, in der nur Frauen leben. Es war anfangs schwer, dort eine von mir soeben beschriebene Atmosphäre zu kreieren.

Schließlich haben wir es aber doch geschafft – mit individuellen Gesprächen und spezifischen Aktivitäten.  Zu uns kommen ja zum Teil Menschen, die alles verloren haben – ihre Wohnung, ihre Einrichtung.

Und da geht es zunächst darum, ihnen wieder ein Zuhause zu geben, indem sie sich wohlfühlen, das zu ihrer Heimat wird.  Dazu gehört, sich das Apartment so einzurichten, wie es dem Geschmack und den Vorstellungen des Bewohners entspricht. Sicher – es sind nicht mehr so viel Möbel wie in der früheren eigenen Wohnung und es ist alle ein wenig kleiner.

Aber wir wissen: Wenn der Einzelne mitreden darf, seine Vorstellungen äußert und ein Stückchen seiner Erinnerungen in das neue Domizil mitnimmt, dann ist er auch zufrieden, beginnt sich wohlzufühlen.

Was ist Ihnen am Anfang leicht gefallen und wo hatten Sie Schwierigkeiten, hineinzuwachsen?
Das ist nicht leicht zu beantworten – was mir leicht fiel und was nicht. Das ist ja doch eher ein sehr komplexer Prozess.

Vielleicht können Sie das mal anhand eines Beispiels auflösen.
Ich komme aus der linken Bewegung. Für mich waren basisdemokratische Entscheidungen sehr wichtig.
Und so mussten sich die einzelnen Bewerber im Team vorstellen.

Erst wenn die Mehrheit zustimmte, dass jemand bei uns anfangen kann, haben wir den Arbeitsvertrag mit dem Bewerber geschlossen.
Irgendwann haben wir das anders gestaltet werden und diejenigen, die auch die Führungsverantwortung innehatten, entschieden über die Bewerbung. Insofern haben sich die Entscheidungsprozesse schon den Herausforderungen in der Pflegebranche angepasst.

Haben Sie das also bereut, anfangs so gehandelt zu haben?
Auf keinen Fall. Das waren wichtige Schritte und Lernprozesse.
Nur, wir konnten ja nicht stehenbleiben.

Wir wussten: Jeder im Team musste das tun, worauf er spezialisiert war und wofür er die Verantwortung trug. Das ging gar nicht anders, angesichts der wachsenden Nachfrage nach Pflege und Betreuung.

Eine wesentliche Schwierigkeit am Anfang war, dass wir keine Pflegekasse hatten, die mit uns Verträge eingehen wollte. Wir haben also unsere Leistungen privat angeboten und uns gegen Rechnung für den privaten Service bezahlen lassen.

Schließlich entschloss sich eine Kasse, mit uns Leistungsverträge abzuschließen. Nach und nach kamen weitere Kassen hinzu.

Außerdem: Wir haben im gesamten Bundesgebiet Seminare durchgeführt und mit Unterstützung des Bundesverbandes Ambulanter Dienste Menschen gewonnen, die sich in der Pflege selbstständig machen wollten.

Was macht Ihrer Meinung nach ein starkes Team aus?
Wir arbeiten in der Einrichtung schon sehr lange zusammen. Ich denke die Kontinuität, mit der wir hier Pflege und Betreuung betreiben, das macht uns stark.

Wir kennen uns sehr lange untereinander, wissen, wo wir den Anderen am besten unterstützen können. Und wir gehen in einer herzlichen, ja familiären Atmosphäre miteinander um. Da gibt es auch Kritik.

Nur ist die an Veränderungen orientiert und auf Lösungen gerichtet. Und weniger darauf, Kritik um der Kritik willen zu äußern.

Des Weiteren: Wir haben keine hierarchischen „Denke“. Wir denken und handeln mehr im Geiste der Verantwortung und dessen, was jeder für Aufgaben zu erledigen.

Also keine Anweisungen?
Doch. Die gehören dazu. Nur wir stärken die Teams darin, möglichst sehr stark eigenverantwortlich zu handeln. Das ist die beste Möglichkeit zu führen.

Führen heißt für mich, auch Dienstleister für meine Mitarbeiter zu sein.

Was macht für Sie individuelle Pflege aus?
Individuell pflegen heißt, vom Kopf und vom Herzen her zu pflegen.
Die Hilfe richtet sich nach der Anamnese – in Gesundheit und von der sozialen Komponente her.

Und: Wir lassen den Bewohnern die Freiheiten, die sie wollen und brauchen. Will jemand um 06.00 Uhr aufstehen, dann steht er 06.00 Uhr auf. Und wenn er länger schlafen will, dann respektieren wir das. Individuell betreuen heißt für die Bewohner ebenfalls: gutes Essen zu bekommen.

Wir hatten lange Zeit eine Auswahl von bis zu 7 Gerichten am Tag. Trotzdem waren die Bewohner nicht zufrieden. Und dann spielte uns der Zufall in die Hand.

Eine Bewerberin wurde als Köchin eingestellt. Sie hat den persönlichen Draht zu den Bewohnern; sie kocht weniger Gerichte, dafür aber das, was die Bewohner vorher bestimmt haben.

Was ist für Sie persönlich Glück?
Die Familie – die Kinder, die Enkel, meine Reisen; eine gute Partnerschaft, selbst gesund sein. Das gehört für mich zu meinem Glück. Ich selbst bleibe offen für Neues.

Ich empfinde es heute als ein viel größeres Glück, jemandem etwas zu schenken, als selbst beschenkt zu werden.

Meine Leben, mein Beruf – das ist für mich immer noch das größte Geschenk.

Herr Jakubiak, vielen Dank für das Gespräch.

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INTERVIEW MIT SANDRA NABER

2017.06.14

Sandra Naber ist die Inhaberin des Pflegedienstes „Schwester Andrea Berkner“ in Templin.

Schwester Sandra, wir führen heute das zweite Interview miteinander. Deshalb möchte ich sofort einsteigen, darf ich?
Ja, natürlich.

Würden Sie den Pflegedienst „Schwester Andrea Berkner“ noch einmal kaufen, vorausgesetzt, Sie bringen die Erfahrungen von heute mit?
Nein, ich würde den Schritt nicht noch einmal so gehen.

Was sind die Gründe?
Ich bin examinierte Krankenschwester und ich liebe meinen Beruf, vor allem den Umgang mit Menschen. Also will ich möglichst viel bei meinen Patienten sein und auf diese Weise ebenfalls meine Mitarbeiter unterstützen.

Aber das kann ich immer weniger, weil ich im Büro so viel zu tun habe.  Die Bürokratie frisst mich auf. Und genau in solchen Momenten kommt der Gedanke, ob dieser Schritt vor über zehn Jahren richtig war.

Was sind das für Arbeiten im Büro?
Nun, die Pflegedokumentation führen, die kaufmännischen und steuerlichen Angelegenheiten im Blick haben.

Hinzukommen die Personalverantwortung und die Tätigkeiten, die sich aus der Pflegedienstleitung heraus ergeben – zum Beispiel den Tourenplan erarbeiten, mit Angehörigen sprechen, auf die Einhaltung der Qualitätsstandards achten. Insgesamt ist das manchmal solch ein Berg an Arbeit, dass es Kraft kostet, dabei positiv zu bleiben.

Wo liegt aktuell der Schwerpunkt in der Pflege bei Ihnen?
Ganz eindeutig darauf, die Anforderungen aus der Grund – und Behandlungspflege zu bewältigen.

Welche Rolle spielt bei Ihnen der Umgang mit an Demenz erkrankten Patienten?
Das spielt eine sehr große Rolle. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass der Anteil derjenigen Pflegebedürftigen, die unter Demenz leiden, zugenommen hat.

Für uns ist das natürlich eine zusätzliche Herausforderung – zeitlich und im täglichen Umgang.

Wie meinen Sie das?
Wenn wir jemanden haben, der bei uns zum Beispiel in der Grundpflege ist, dann müssen wir ihn sensibel ansprechen, mit ihm so kommunizieren, dass er versteht, was wir machen.

Letztlich stellen wir uns darauf ein, indem wir für ihn bekannte Strukturen im Tagesablauf nutzen, also zur gleichen Zeit die nötigen Aktivitäten durchführen, möglichst die gleichen Mitarbeiterinnen vor Ort sind.

Das klappt nicht immer, weil ja mal jemand ausfällt, weil er zum Beispiel krank ist. Auf jeden Fall haben wir auch einen sehr engen Draht zu den Angehörigen, die uns sagen, was wir beachten sollen.

Schaffen Sie es noch, so individuell zu pflegen, wie Sie es sich vorstellen?
Die Messlatte legen wir hier selbst schon sehr hoch an. Wir ringen um eine kontinuierliche Verbesserung, weil wir das als einen Prozess sehen, bei dem die Qualität jeden Tag aufs Neue errungen werden muss.

Im Klartext: Individuell pflegen ist anstrengend, und: Wir strengen uns an, Tag für Tag.

Können Sie mal ein Beispiel nennen, damit wir das besser verstehen?
Wir haben es ja überwiegend mit Menschen zu tun, die aus einer Generation kommen, in der die Vorstellungen von Hygiene mitunter noch ganz andere waren und mitunter auch noch sind.

Wenn wir also heute mit jemandem sprechen, der vielleicht 85 Jahre alt ist, so kennt dieser Pflegebedürftige es schlicht nicht, dass man die Unterwäsche täglich wechselt; zumindest war das vor über 60 Jahren noch anders.

Das hat er also über Jahrzehnte einmal in der Woche getan. Deshalb versuchen wir hier einzuwirken, einfühlsam natürlich, und erklären, warum es durchaus sinnvoll sein kann, die heutigen Anforderungen in der Hygiene zu beachten – im eigenen Interesse des Patienten natürlich.

Und, gelingt das?
Ja, sicher. Aber man muss dranbleiben, die Besonderheiten, die sich aus der Persönlichkeitsstruktur ergeben, beachten.
Der übergroße Teil der Pflegebedürftigen und der Angehörigen nimmt unsere Ratschläge dankbar an. Das ist einfach den gewachsenen Vertrauensverhältnis geschuldet und macht vieles leichter.

Wenn Sie mit wenigen Worten sagen sollten, warum Ihnen Ihr Team ans Herz gewachsen ist, was würde Ihnen spontan einfallen?
Die Mädels sind für mich die Besten. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis untereinander.

Das ist nicht vordergründig geprägt durch ein Angestellten- und Chefverhältnis. Vielmehr gehen wir sehr familiär miteinander um, verbringen die Freizeit auch mal miteinander.

Also ist das eine Art natürlicher Autorität, die Sie genießen?
Ja, so kann man das sagen.

Was würden Ihre Mitarbeiter über Sie sagen, wenn es darum geht zu erklären, was Ihre positiven Seiten sind?
Also, das fällt mir schwer.

Was fällt Ihnen schwer?
Über mich zu sprechen.
Darauf kann mal eine Kollegin antworten, wenn sie mag.

Oh, das ist eine gute Idee!

Darf ich Ihren Namen wissen?
Ich bin Heike Adolph.

Frau Adolph, was schätzen Sie an Schwester Sandra?
Sie hat ein Herz für uns. Sie ist sehr verständnisvoll, wenn es um die Termine im privaten Bereich geht.
Da kommt sie uns stets entgegen, wenn wir auf sie zugehen und darum bitten, dass sie unsere Interessen berücksichtigt.

Gibt es bei ihr etwas, wo Sie sich wünschen, dass es anders würde?
Na ja, es gibt immer Dinge, die verbessert werden können.

Manchmal ist es schon eine Herausforderung, alle Zeiten einzuhalten, dass jeder Patient zu seinem Recht kommt und wir ihn auch so pflegen können, wie es die Patienten von uns gewöhnt sind.

Da diskutieren wir dann im Team drüber wie wir alle Anforderungen unter einen Hut bekommen. Und da hat Schwester Sandra stets ein offenes Ohr.

Frau Adolph, danke, dass sie hier mit eingesprungen sind.
Bitte, gern.
Frau Naber, an Sie vielen Dank für das Interview.

 

 

 

Anna kann sich nicht an das kauende Kamel erinnern

Anna ist dement (15)

„Stell dir vor, Mutti wusste heute nicht mehr, dass sie gestern Gundula und ihren Mann zu Besuch hatte!“
Klara war empört und traurig zugleich.
„Wer ist Gundula?“, fragte Peter.
„Da haben wir gerade vor einer Stunde drüber gesprochen – Gunduuulahh aus Stuttgart!“
„Ach ja, Gundula, das kauende Kamel, ich erinnere mich. Ich dachte jetzt auch schon, bei mir fängt es an mit der Vergesslichkeit.“
„Ja, nicht nur mit der Vergesslichkeit, auch mit deinen Ohren. Also sei schön still.“
„Ich sag ja gar nichts mehr“, beschwichtigte Peter.
„Aber du musst doch zugeben, wenn Gundula den Mund öffnet und lacht, dann sieht sie aus wie ein Kamel, das die Zähne bleckt“, setzte Peter nach.
Klara antwortete darauf nicht. Ein Zeichen, dass sie es irgendwie satt hatte, mit den Spötteleien. Aber Peter setzte noch einen drauf.
„Ich denke, es war sooooh schön mit dem Kaffee trinken?“
„War es bestimmt auch. Nur Mutti weiß nichts mehr.“
„Und wie kommst du darauf, dass sich Anna nicht mehr erinnert?“
„Mutti sagte am Telefon, sie verstehe nicht, warum sich Gundula nicht bei ihr meldet.“
Jetzt schwieg Peter. Es war schon traurig und ein sicheres Zeichen, dass die Krankheit bei Anna weiter fortschritt.

© Uwe Müller

KLARA KOMMT AUS STRALSUND ZURÜCK

2017.06.07

Peter ist froh, dass Klara zurück ist und er sich wieder ganz seiner Arbeit widmen kann, ohne zusätzliche Hausarbeiten.

Klara saß im Zug zurück nach Berlin. Sie war froh, dass sie abends wieder in ihrem Bett liegen konnte.

„Ich bin im letzten Waggon“, flötete Klara fröhlich durchs Telefon.
„Ist gut“, brummte Peter. Er war schon auf dem Weg nach Bernau zum Bahnhof. Von dort aus war es am bequemsten, mit dem Auto nach Hause zu fahren.

„Laura kommt auch. Sie ist schon unterwegs hierher“, sagte Peter noch.

„Ach, das ist ja schön“, erwiderte Klara.
„Oh Gott, haben wir denn genug eingekauft?“, fragte Klara gleich weiter.

„Du kannst alle Nachbarn am Wochenende einladen. Wir haben genug im Kühlschrank“, antwortete Peter.

„Na gut, dann bis gleich.“
Peter drückte auf den Telefonknopf im Auto und bog in die Straße zum Bahnhof ein. Er fand schnell einen Parkplatz, stieg aus und überlegte kurz, ob er einen Parkschein lösen sollte.

Er ließ es und ging das Risiko ein, dass er erwischt wurde.
Peter schlenderte auf das Bahnhofsgebäude zu. Es dauerte nicht lange und Laura begrüßte ihn freudig. Sie war für ihn wie aus dem Nichts gekommen.

Aber Peter hatte wie immer die Orientierung verloren, was die Bahnsteige anbetraf, auf denen die S-Bahnen einfuhren. Dabei gab es nur einen, der dafür vorgesehen war.

Peter konnte auch keinen Fahrschein allein lösen. Er fuhr nur mit dem Auto. Und wollte er dann mal ein Ticket selbst kaufen, dann dauerte es Klara und Laura meist zu lange, bis er begriffen hatte, wie das mit dem Fahrscheinautomaten lief. Peter stellte sich gern dumm. Es half ihm.

Aber wehe, wenn er mal allein dastand und es schnell gehen musste.
Peter wusste auch nicht, wie die Waschmaschine anging.

Ein Frevel, wie er selber fand. „Was ist nur, wenn ich krank bin“, sagte einmal Karla. „Ja, dann haben wir ein Problem mit der Waschmaschine“, antwortete Peter.

Er konnte es nicht lassen, Klara oder Laura zu ärgern oder auch beide.

„Das sollte doch eine Überraschung sein“, Papa. Laura hatte ihn aus seinen Gedanken gerissen.

„Ist es ja auch. Jetzt kann Mama sich ein wenig von dem Schrecken erholen und ist darauf eingerichtet“, scherzte Peter.

Laura und Peter stiegen fröhlich die Treppen zum Bahnsteig hinauf.
Peter schnaufte und war froh, dass er die letzte Stufe nehmen konnte.

„Lass uns da hinsetzen“, sagte Laura und zeigte auf eine freie Bank, die mit ihrem silbernen Metall in der Sonne glänzte.
Sie saßen kaum, da bewegte sich ein Bettler auf sie zu.

Ein Rumäne, vermutete Peter. Der Mann schlurfte an sie heran und schüttelte seinen Becher. Ein Coffee-to-Go – Becher. Wenigstens ist das jetzt ein Mehrweggefäß, dachte Peter bei sich.

Der junge Mann schüttelte den Becher und schaute wie ein Hund, der um eine leckere Wurst bettelte. Aber Laura und Peter blieben hart. Irgendetwas stimmte mit dem Mann nicht.

Er zog unverrichteter Weise wieder ab und setzte sich auf die Bank, die hinter Laura und Peter befestigt war.
Peter fühlte sich unbehaglich. Zuviel hatte er schon von den Taschendiebstählen gehört. Doch dieser junge Mann schien nichts Derartiges im Schilde zu führen.

Der lümmelte sich auf die Bank, krachte die Beine mit den dreckigen Schuhen darauf und begann Musik abzuspielen. Nicht leise. Nein, er drehte die Musik auf, dass sie unter dem Hallendach stark widerhallte.

Ein Gemisch aus orientalischer Tönen und anderen nicht näher zu bestimmenden Rhythmen drang zu den beiden rüber. Peter drehte sich um. Der junge Mann schaute ihn provozierend an. Na gut, dachte Peter bei sich.

Er hat kein Geld bekommen. Dann soll er die Musik dudeln. Eine Ansage kam durch den Lautsprecher: „Bitte Vorsicht an den Bahnsteigen, zwei durchfahrende Züge.“

Es vergingen Sekunden und aus der einen Richtung rauschte der Zug heran. Die Güterwagen rumpelten und schepperten, als würden sie gleich aus den Schienen springen.

Da war die Musik von nebenan ein Ohrenschmaus gegen den Höllenlärm. Jetzt donnerte der Zug aus der anderen Richtung über die Schienen. Wieder hatte Peter das Gefühl, die Waggons brechen gleich durch in die untere Bahnhofshalle hinein, so einen Lärm machten sie.

Endlich Stille. Leise Musik drang an Peters Ohren – es war immer noch die gleiche aus dem Player des jungen Mannes.
Endlich. Der Zug aus Stralsund lief ein. Klara stieg aus und freute sich, dass Laura auch auf dem Bahnhof war.

„Und, was sagt Anna?“ Peter schaute Klara an.
„Ach, lass uns doch erst einmal nach Hause fahren.“
Klara mochte jetzt nicht darüber reden. Peter konnte das verstehen.
Sie stiegen ins Auto und fuhren nach Hause. Alle freuten sich auf ein paar schöne Tage zu Pfingsten. Es war ja genug Zeit, über alles zu sprechen.

„Ach übrigens, Gundula und ihr Mann besuchen heute Anna.“
„Wer?“
„Na Gundula und Hans – Georg“, sagte Klara.
„Ach du meinst das kauende Kamel?“, fragte Peter.
Peter nannte Gundula so. Irgendwie waren sie mal darauf gekommen. Gundula hatte ein großes Gesicht und noch größere Zähne.

„Ich finde das nicht schön, dass du so etwas sagst.“
„Du hast Recht“, antwortete Peter, denn Gundula war ein herzensguter Mensch. Nur ein wenig sparsam. Aber das konnte ja nie verkehrt sein. Schließlich waren sie Schwaben. Aber das war wieder ein anderes Feld.

 

 

 

INTERVIEW MIT MECHTHILD BRUCHHÄUSER EBELING

MENSCHEN IM ALLTAG-2017.06.06
Mechthild Bruchhäuser-Ebeling ist Inhaberin und Geschäftsführerin des ambulanten Pflegedienstes Pro Cura Pflegedienst Rietberg GmbH.

Frau Bruchhäuser – Ebeling, was haben Sie beruflich gemacht, bevor Sie in die Pflege eingestiegen sind?
Nach dem Abitur habe ich Industriekauffrau gelernt und vier Jahre in dem Beruf gearbeitet.

Danach studierte ich Wirtschaftswissenschaften.
In dieser Zeit bekam ich auch meine Kinder.

Nach dem Studium stand ich vor der Herausforderung, Beruf und Kindererziehung unter einen Hut zu bekommen.
Es gab in der Zeit noch nicht genügend Kita- Plätze. So konnte ich also nicht arbeiten, wie ich es eigentlich vorhatte.

Ich entschloss mich, aus der Not eine Tugend zu machen. Gemeinsam mit einer Mutter haben wir eine Spielgruppe gegründet.

Dort waren meine Kinder gut aufgehoben und andere Mütter konnten ihre Kinder dort auch hinbringen.

Überhaupt war ich damals sozial und gesellschaftlich sehr aktiv. Immer wenn meine Kinder nicht die Möglichkeiten vorfanden, die sie brauchten, ließ ich mir etwas einfallen.

So habe ich zum Beispiel eine Schwimmgruppe initiiert  oder auch eine Ferienzeit geleitet. Nachdem die Kinder in den Kindergarten gingen, begann ich wieder zu arbeiten.

In dieser Zeit erfuhr ich über eine Freundin, dass es die Möglichkeit gab, in eine Pflegefirma einzusteigen.

Ich sah die Chance, die Firma so zu führen, wie es meinen Ideen und beruflichen Erfahrungen entsprach sowie ethischen und moralischen Grundsätzen genügte.

Also habe ich 2008 diese Firma gemeinsam mit meiner Freundin gekauft. Seit 2015 leite ich die Firma allein.

Welche Berufserfahrungen bringen Sie aus anderen Branchen mit, die in der Pflege nützlich sind?
Oh, das ist schwer, über sich selbst zu sprechen. Ich denke da an folgende Dinge: die kaufmännische Gründlichkeit, strukturiert zu denken und zu handeln, Prioritäten zu setzen, Dinge einfach anzupacken und einsatzbereit zu sein, aber auch zuhören zu können.

Was haben Sie anderes gemacht, nachdem Sie die Firma übernommen haben?
Ich wollte von Anfang an, dass es den Mitarbeitern besser geht. Sie sollten zum Beispiel weniger Doppelschichten leisten.

Also haben wir zusätzliche Pflegekräfte eingestellt.
Des Weiteren: Ich habe die kaufmännischen Belange geprüft, neue Vergütungsvereinbarungen geschlossen – alles mit dem Ziel, die Firma auf gesunde Beine zu stellen.

Außerdem: Mir ging es darum, schnell ein stabiles Leitungsteam zu schaffen.
Deshalb habe ich die Pflegedienstleitungen gewechselt.

Am 01.11.2010 begann Frau Degener neu als Pflegedienstleitung. Sie war zu dem Zeitpunkt schon über 8 Jahre im Unternehmen und hat sich dann qualifiziert. Frau Morgenstern kam am 15.10.2012 als eine weitere Pflegedienstleitung hinzu.

Stand Ihr Team von Anfang an hinter Ihnen?
Als ich anfing, bestimmten zwei Faktoren die Situation:
Zum einen kannten die Mitarbeiter mich nicht. Sie wussten nicht, was auf sie zukommt.

Zum anderen waren natürlich auch Hoffnungen damit verknüpft, dass es besser wird – vor allem im kaufmännischen Bereich.

Also habe ich erst einmal im wahrsten Sinne des Wortes die Ärmel hochgekrempelt und mich von unten in die Materie hineingearbeitet.

So sind wir ja dann eben zusammengewachsen. Ich habe viel gefragt, mir die Dinge erklären lassen. Und so ging es vorwärts. Vor allem: Wir wurden ein Team, indem sich der eine auf den anderen verlassen konnte.

Was glauben Sie, sagen Ihre Mitarbeiter heute über Sie?
Das ist natürlich nicht leicht zu beantworten.
Ich glaube, die Mitarbeiter schätzen, dass ich sie die Prozesse in der Firma mitgestalten lasse.

Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang folgendes: Als ich in der Firma anfing, habe ich überlegt, wie ich von meinem Arbeitgeber behandelt werden wollte.

Und genau das versuche ich bis heute zu beherzigen – mich einfach in die Mitarbeiter hineinzuversetzen und sie  entsprechend zu führen und zu motivieren.

Nach all den Jahren großer Anstrengungen –  der strukturellen Anpassung, des ständigen Wachstums, der Erweiterung der Tagespflege und der Schaffung neuer Veranstaltungsräume möchte ich dieses Jahr mehr für die Mitarbeiter tun.

Was meinen Sie konkret?
Zu den Verbesserungen für die Mitarbeiter zählen: eine transparente Gehaltsstruktur, die Erweiterung der betrieblichen Altersversorgung und der Gesundheitsvorsorge.

Und: Ich kümmere mich um weitere soziale Belange der Mitarbeiter.
Ich stelle gerade Räumlichkeiten zur Verfügung, dass Mütter ihre Kinder dort bei Tagesmüttern lassen können.

Stammt die Idee aus der Zeit, als Sie selbst keinen Kita- Platz für Ihre Kinder hatten?
Ja, genauso ist es.

Was macht für Sie individuelle Pflege aus?
Die Leistungen müssen abgestimmt sein auf die Bedürfnisse und Wünsche der Patienten. Ein Beispiel: Ein ehemaliger Bäcker ist es gewohnt, früh aufzustehen. Also findet auch der Besuch bei ihm früh statt.

Haben wir jemanden, der länger schlafen möchte, dann kommen wir später. Der Ablauf der Pflege verläuft nach den Wünschen der Kunden. Wir befinden uns ja auch in seinen privaten Räumen.

Die Empathie ist in der Pflege ganz wichtig. Sich hineinfühlen in den anderen Menschen. Unser Motto lautet: Pflege ist Vertrauenssache.

Frau Bruchhäuser- Ebeling, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Kontakt:
Am Bahnhof 19 33397 Rietberg
Telefon / Fax
Ambulanter Pflegedienst , Verwaltung: 05244 – 1463
Tagespflege: 05244 – 904431
Fax: 05244 – 928790
E-Mail: info@pro-cura.com

 

 

 

PETER IST ALLEIN

ANNA

2017.06.04

Peter war nicht mitgefahren, zu Dr. Silberfisch nach Stralsund. Er konnte nicht von seinem Schreibtisch weg.

Er wollte noch einige Artikel fertigstellen. Trotzdem: Er war es nicht gewohnt, allein zu sein.

Dann musste er ja alles selber machen – das Frühstück, abwaschen und was eben sonst noch so im Haushalt anfiel.

Peter war nicht faul. Er schrieb, arbeitete ununterbrochen. Na gut, auf jeden Fall fühlte es sich so für ihn an.

Und wenn er jetzt vor dem Schreiben noch etwas tat, was körperlich anstrengend war, so fiel er danach erschöpft auf seinen Schreibtischstuhl und mochte nicht mehr arbeiten.

Die Kreativität ist dann weg, bildete er sich ein. Er pflanzte sich in dem Fall schon lieber vor den Fernseher, sah sich eine Talkshow an und fluchte über die, die meinten, das Leben, die Politik und die Menschen zu verstehen.

„Du kannst aufhören, in den Fernseher hineinzureden, denn dich hört keiner“, pflegte Klara zu sagen, wenn sie zufällig dabei war.

Heute musste Peter eine Entscheidung treffen – gleich an den Schreibtisch oder zuerst die ungeliebten Arbeiten im Haus?

Peter gab sich einen Ruck. Er ging in den Garten, holte den Rasenmäher heraus und wollte Klara mit einem frisch gemähten Rasenstück überraschen.

Also rollte er das Kabel von der Trommel und steckte den Stecker in die Steckdose am Rasenmäher. So, jetzt konnte es ja gleich losgehen. Doch es bewegte sich nichts.

Peter schlurfte in den Schuppen und schaute, ob er dort einen Schalter umlegen musste.

Er probierte es und knipste den Hebel auf die andere Seite. Aber jetzt. Peter ging schwungvoll zurück. Er drückte auf den Knopf am Mäher. Wieder nichts.

Hatte er etwa den falschen Hebel umgelegt? Davon waren ja zwei an der Steckdose. Peter probierte es noch einmal. Wieder nichts. Verdammt, Klara hatte bestimmt irgendeinen Trick, den sie ihm nicht verraten hatte.

Eigentlich wollte Klara gar nicht, dass Peter den Rasen quälte. Er mähte ihr immer zu viel vom Rasen weg, und außerdem mussten auch ein paar Blumen daran glauben, wenn er sich ans Werk machte.

Aber das kam ja nicht allzu oft vor. Peter kam nicht weiter, der Mäher sprang nicht an, obwohl er nun schon gefühlt einen kleinen Marathon zurückgelegt hatte – zwischen der Steckdose im Schuppen und dem Rasenmäher.

Peter überlegte. Kurzerhand schloss er die Wohnungstür auf, schleifte das Kabel hinter sich her und steckte es in die Steckdose im Gäste–WC. Die Kabeltrommel platzierte er im Waschbecken. Klara sah das ja nicht.

Der Mäher sprang sofort an und schnurrte. Peter konnte beginnen. Doch dann sah er die beiden Liegestühle.

Verdammt, die mussten auch noch beiseite geräumt werden. Schließlich kam er vorwärts und mähte entschlossen Streifen für Streifen.

Als er an den Kirschbaum kam, stieß er sich den Kopf und fluchte. Er hatte sich das nicht so vorgestellt. Eine kleine Rasenfläche und tausend Hindernisse. Peter vergaß, die Fläche hinter dem Baum zu mähen.

Er stellte die Liegestühle wieder an ihren Platz und begutachtete sein Meisterwerk.

Jetzt bemerkte er es: Er hatte eine kleine Ecke vergessen. Das Stück genau hinter dem Baum. Aber nun war der Mäher schon weggestellt, das Kabel aufgerollt.

Das ist nicht so schlimm, sagte sich Peter. Aber es ärgerte ihn trotzdem. Abends rief Klara an. „Na, wie hast du den Tag verbracht?“
„Och, ich habe den Rasen gemäht.“

„Was, das solltest du doch gar nicht!“ „Und ich dachte, du freust dich.“
„Ja, ich freue mich schon“, lenkte Klara ein.

„Aber, sag mal“, fragte Peter, „wo ist der Hebel für den Strom?“
„Welcher Hebel und welcher Strom?“ „Na, damit der Mäher anspringt, wenn ich das Kabel in die Steckdose am Schuppen stecke.“

„Da musst du im Wohnzimmer, hinter der Gardine den einen Schalter anmachen. Dann geht es.“

„Stimmt ja“. Jetzt ärgerte sich Peter, dass er nicht allein darauf gekommen war. „Und wie war es bei Dr. Silberfisch?“
„Das erzähle ich dir morgen.

 

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ANNA

 

WIEDER MAL BEI DR. SILBERFISCH

ANNA

2017.06.03

 Klara war bei Dr. Silberfisch, gemeinsam mit ihrem Bruder Lukas.
Sie erzählte dem Arzt von Anna letzten Bankbesuch.

„Ich habe es auch schon bemerkt, dass Ihre Mutter nicht immer mehr auf der gedanklichen Höhe ist.“

Ja, da hatte er recht. Klara fuhr fort: „Herr Doktor, Sie müssen vielleicht ein paar Dinge wissen, die für uns eindeutige Zeichen einer beginnenden Demenz sind.“

„Was meinen Sie genau?“, hakt Dr. Silberfisch nach.
„Da war die Sache mit der Bank. Meine Mutter ist dort über Jahrzehnte Kundin. Eigentlich schon zu Ostzeiten.

Nur dass die Bank damals anders hieß und eine andere war.“
Dr. Silberfisch schaute sie schweigend an. Man merkte ihm an, dass er sich auf das konzentriert, was nun kam.

„Also um es kurz zu machen – meine Mutter hatte sich nach einer Beratung damit einverstanden erklärt, dass ihr gesamtes Erspartes in verschiedenen Fonds angelegt wird; insgesamt mehrere Tausend Euro.“

„Wirklich?“ „Ja, wirklich.“
„Können Sie sich vorstellen, wie geschockt wir waren?“
„Ja, durchaus.“ „Aber wie haben das denn die Berater angestellt?“

„Herr Doktor“, Klara blickte den Arzt fest an:  „können Sie sich vorstellen, wie sich ein älterer Mensch fühlt, dem eine Mitarbeiterin mit entschlossener Energie einen Fonds verkauft, und sie ihr zudem versichert, dass es das Beste für meine Mutter sei, was sie mit Geld anstellen könnte?“

„Ja, schon. Ich kann mir das vorstellen. Aber da gibt es doch eine ethische Komponente.“

„Sehen Sie Herr Doktor, da sind wir ganz einer Meinung. Aber meiner Mutter haben sie gesagt, dass es für eine große und auch ziemlich sichere Sache sei, wenn sie das Geld in verschiedene Aktien – und Immobilienfonds geben.“

„Was hat denn Ihre Mutter geantwortet?“
Sie meinte: „Na gut, dann machen Sie das.“

Und während die Mitarbeiterin die Anträge ausfüllte, da hat meine Mutter ihr erzählt, dass ihr Vater früher in der gleichen Bank gearbeitet hätte, und sie wüsste, was für eine schwere Arbeit die Mitarbeiterin jetzt beim Ausfüllen der Anträge leisten müsste.“
Dr. Silberfisch sagte nichts. Er war sprachlos.

ANNA

 

INTERVIEW MIT ANTJE GEHRMANN IM JAHR 2017

INTERVIEW (11)

Antje Gehrmann hat im Pflegedienst Gehrmann GbR die Geschäftsleitung inne.
Der Pflegedienst ist im Raum Oranienburg/ Brandenburg tätig.

Frau Gehrmann, wie verlief Ihr beruflicher Werdegang vor der Gründung des Pflegedienstes?
Ich bin in der Pflege eine Quereinsteigerin. Ursprünglich war ich mal Imkerin. Das war mir in die Wiege gelegt worden. Mein Großvater hat mir 30 Völker vererbt, also ein ganzes Bienenhaus. Doch dann war 1992 eine schwere Bombendetonation – keine 100 Meter von unserem Haus entfernt. Die Druckwelle zerstörte die Traube. Die Bienen haben dadurch in der Mehrzahl nicht überlebt.

Wie ging es bei Ihnen weiter?
Ich habe in Bernburg begonnen, Agraringenieurwesen für Bienenwirtschaft zu studieren. Doch die Schule wurde nach der Wende aufgelöst. Ich bin dann zurück nach Oranienburg gegangen und habe an der Oberschule meinen Abschluss als Betriebswirt mit Abitur gemacht. Das war 1993. Danach gab es einen kleinen Abstecher in die Museologie. Parallel zum Studium habe ich Ausstellungen mitorganisiert.

Wie sind Sie dann zur Pflege gekommen?
Meine Mutter, Christine Gehrmann, hat sich 1994 selbstständig gemacht. Ich habe von Anfang an in der Pflege mitgeholfen – in der Verwaltung, beim Vorbereiten von Verträgen oder in der Abrechnung.  Der ambulante Pflegedienst hieß damals noch „Schwester Christine“.

Und wann sind Sie richtig eingestiegen?
Im Jahr 1999. Gemeinsam mit meiner Mutter bilde ich seitdem die Geschäftsleitung. Gleichzeitig wurde die Firma in „Pflegedienst Gehrmann GbR“ umbenannt.

Worauf sind Sie heute besonders stolz?
Auf das Wachstum und unser Mitarbeiterteam.

Was macht Ihre Stärken aus?
Das ist für mich schwierig, darauf zu antworten.

Was glauben Sie denn?
Ich denke Vielseitigkeit spielt eine Rolle. Und: Ich kann mich gut auf neue Situationen einstellen. Ich trage auch eine gewisse Ruhe in mir, verliere nicht gleich den Kopf, wenn es mal stressig oder unübersichtlich wird.

Was macht Ihrer Meinung nach ein starkes Team aus?
Nun, ich kann nur von dem sprechen, was ich sehe und erlebe.
Bei uns ist es so, dass der eine für den anderen einspringt. Wir teilen die Aufgaben fair unter uns auf. Einer hilft wirklich dem anderen. Ich denke, das ist es, was uns stark macht.

Wie ist das bei Ihnen im Haus?
Wir setzen auf Langfristigkeit. Der Idealfall für uns wäre: Jemand beginnt seine Ausbildung oder sein Praktikum hier und bleibt möglichst lange bei uns. Zum Beispiel kommen bei uns die Mitarbeiter auch nach der Elternzeit wieder. Natürlich manchmal nur eingeschränkt, aber sie kommen wieder.

Was hat sich geändert, wenn Sie heute die Pflege und Betreuung ansehen und das mit den Bedingungen vor etwa zwanzig Jahren vergleichen?
Die Bürokratie hat zugenommen. Wir dokumentieren immer mehr. Was geblieben ist: Die Arbeit ist schon schwer – körperlich und psychisch.

Was macht für Sie individuelle Pflege und Betreuung aus?
Der Klient entscheidet, was gemacht wird, wie und wann es gemacht wird. Für uns ist ganz wichtig: Die Pflegeperson darf nicht ständig wechseln. Wir haben da eine gute Kontinuität.

Wie sieht bei Ihnen die Pflegeberatung aus?
In den meisten Fällen machen wir einen Termin in der   Häuslichkeit. Die Pflegedienstleitung schaut direkt vor Ort, was nötig ist, was die Familie sagt. Natürlich kann der Klient uns auch erst einmal in unserem Haus zu einem allgemeinen Gespräch besuchen. Die Information und Beratung, unabhängig von der Entscheidung danach – das macht unseren Service aus.

Was ist für Sie persönlich Glück?
Ich bin glücklich. Vor allem unser super Team hat viel mit meinem persönlichen Glück zu tun. Der Beruf stimmt. Für mich ist er zur wirklichen Berufung geworden.

Frau Gehrmann, vielen Dank für das Gespräch.

Kontakt:
Pflegedienst Gehrmann GbR
Weimarer Str. 3 – 5
16 515 Oranienburg
Telefon: 03301 – 677 47 0
E-Mail: hkp.gehrmann@t-online.de
„Tagespflege Süd“
Berliner Straße 177 – 179
16 515 Oranienburg

http://www.oranienburger-pflegedienst.de

© Dr. Uwe Müller

 

ANNA IM HAFEN

2017.05.30

KRISTINA MÜLLER – GASTBEITRAG

In Anna kommen die Erinnerungen hoch, wenn sie im Hafen ist.

Anna saß auf einer Bank im Hafen und schaute gedankenverloren auf die Schiffe, die träge auf dem Wasser schaukelten.

Touristen in kurzen Hosen, Röcken und T-Shirts liefen an ihr vorbei und machten hier und dort ein Foto, während andere sich an einem der letzten Kutter ein Fischbrötchen holten.

Hier am Wasser war es bei der Hitze noch am ehesten auszuhalten, da immer etwas Wind ging. Doch Anna beachtete die vielen Menschen gar nicht.

Sie schwelgte in Erinnerungen an ihre Kindheit, als es hier noch viele Kutter und kleine Fischerboote gab, die früh morgens auf die Ostsee schipperten und mit mehr und manchmal weniger Beute zurückkehrten.

Ihr Stiefvater Wolf und ihr Onkel Gottfried waren Fischer. Auf dem Hof ihres Onkels und ihrer Großmutter, nur Öming genannt, war Anna aufgewachsen und spielte oft in dem alten Schuppen, wo Gottfried die Netze für die Ausfahrten aufbewahrte.

Sie erinnerte sich zu genau an den Geruch und ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen.

Ihre Mutter Heide und Öming saßen im Hof an eben solchen warmen Sommertagen wie heute und nahmen die Fische aus, welche nicht in den direkten Verkauf gingen.

Allein für den Zweck gab es einen Tisch, der nach all den Jahren auch nach gründlicher Reinigung immer wieder Spuren von Blut und Schuppen aufwies. Andere Kinder hätte solch ein Anblick vielleicht verstört, aber Anna war so aufgewachsen und daher behielt sie solche Details in guter Erinnerung.

Sie hatte trotz Kriegszeiten und dem Weggang ihres Vaters eine wirklich schöne Kindheit ohne viele Sorgen verbracht, an die sie zu gern zurück dachte.

Sie seufzte leicht und ließ den Blick wandern, ehe er an einem Eisverkäufer hängen blieb. Sie nickte innerlich und erhob sich von ihrem Ausguck.

Langsam ging sie zu dem Stand und ließ sich ein Leckeis, wie sie es nannte, geben.

So konnte sie der Hitze wenigstens etwas entgegen wirken, ehe der kalte Ostwind in ein paar Monaten wieder Schnee und Eis in den Hafen wehte.

RÜCKBLICKE-ANNA IST DEMENT

DIE BETREFFZEILE

ANNA IST DEMENT- 30.05.2017

Anna bekam einen Brief von einer Behörde.
„Rentenanpassung“, stand dort in der Betreffzeile. Anna verstand nicht, was das sollte und rief Klara an.

Anna begriff den Inhalt der Briefe nicht mehr und geriet deshalb schnell in Panik.

Klara hatte sich zwar eine Vollmacht von Anna geben lassen, damit die Briefe bei Lucas eintrafen und nicht mehr bei Anna, aber die Post kam zum Teil trotzdem noch bei ihr an.

Anna rief bei Klara an.
„Hier ist ein Scheißbrief angekommen“, schoss es gleich aus Anna heraus.

„Was für ein Brief?“, fragte Klara schon leicht gereizt, denn sie befürchtete, dass es ein längeres Telefonat werden würde.

„Ihr Ansprechpartner: Frau Sammredt. Jetzt die Adresse…“
„Mutti!“, unterbrach Klara Anna beim Vorlesen.

„Du musst mir jetzt nicht alles vorlesen. Lies doch einfach die Betreffzeile vor.“

„Betreffzeile?“

„Mutti, wir wollen dir helfen, zu verstehen, was du für Post bekommst und dann gemeinsam entscheiden, was wir damit tun.“
„Warum?“ Anna wollte nicht verstehen.

„Ich lese dir doch die Post immer vor, abends, wenn ich anrufe.“
Klara konnte Anna nicht sagen, wie sehr sie genervt war davon, wenn ihre Mutter begann, die Briefe vorzulesen.

„Ja. Dort steht doch irgendwo ‚Betreff‘, und den Text danach, den kannst du mir ja immer noch vorlesen.“

„Ich finde das nicht!“
„Aber Mutti“, Klara war verzweifelt, „schau doch einfach die Zeilen von oben nach unten durch!“

Jetzt war Anna völlig durcheinander.

„Ich versteh‘ gar nicht, warum die mir diesen Scheiß schicken.“
Briefe mit behördlichem Inhalt oder von der Bank, ja das war wirklich ein Scheiß. Anna empfand das so.

Die andere Post, die mit den bunten Briefumschlägen, die war viel angenehmer. Die schrieben so nett – „Liebe Frau Sturm, wir freuen uns…“

Ja, da freute sich Anna auch.
„Lass doch deine Mutter alles vorlesen. Und danach sortierst du für dich, was wichtig und unwichtig ist“, mischte sich jetzt Peter ein.

„Du hast mir mit deinen Ratschlägen gerade noch gefehlt. Willst du jeden Abend mit Mutti telefonieren?“

Das wollte Peter nicht. Er schwieg jetzt besser.
„Ruf mal Lucas an, der soll sich den Brief durchlesen und dann sehen wir weiter“, sagte Klara zu Anna.

„Was hat der damit zu tun?“
„Mutti, bitte mach‘ das einfach!“, sagte Klara entnervt.
„Der versteht doch sowieso wieder nur Bahnhof“, entgegnete Anna trotzig.

„Na, dann seid ihr ja schon zwei“, antwortete Klara pampig und bereute es sofort wieder.
„Mutti, ich spreche mit Lucas, der soll dann bei dir vorbeikommen!“, sagte Klara nun.
„Ach ja, das wäre schön. Aber ich habe gar kein Bier mehr für ihn hier stehen. Ich muss gleich mal in den Keller und gucken, ob da noch was ist.“

„Ja, mach‘ das“, sagte Anna, verabschiedete sich von ihrer Mutter und legte den Hörer mit einem hörbaren Seufzer auf.
Peter sagte nichts, denn er wusste, dass nichts davon richtig sein konnte.

 

 

DIE ANZEICHEN MEHREN SICH

2017.05.29

Werbebriefe, die nimmt Anna für bare Münze, denkt, sie müsse diese unbedingt beantworten. Dort stand ja: „Liebe Frau Sturm, wir freuen uns auf Sie.

Schicken Sie die  Rückantwort noch heute ab. Ein wunderschönes Gratis-Geschenk wartet darauf, von Ihnen in Empfang genommen zu werden, liebe Frau Sturm!“

„Da muss man doch antworten“, meint Anna. Und sie wird böse, wenn man ihr nicht zustimmt.

Klara geht in das Hauptpostamt in der Friedrichstrasse und schildert ihre Situation. „Meine Mutter gibt ununterbrochen Geld aus, kauft eine Bluse nach der anderen.  Was soll ich nur tun?“

„Ich weiß genau, wovon Sie sprechen.“ Die Schalterangestellte zeigt viel Verständnis.

„DIE MACHT DER GUTEN GEFÜHLE: WIE EINE POSITIVE HALTUNG IHR LEBEN DAUERHAFT VERÄNDERT“
(FREDRICKSON/NUBER/HÖLSKEN)

„Mein Vater hat die Post versteckt. Er hat keine Briefe, keine Mahnungen mehr geöffnet.  Nur durch Zufall kamen wir dahinter.

Und das nur deshalb, weil uns der Stromanbieter informiert hat, dass sie den Strom bei ihm abstellen wollen.“

„Und was haben Sie daraufhin getan?“

„Wir haben uns von meinem Vater eine Vollmacht geben lassen, dass wir die Post zu uns umleiten können und ihm danach die Briefe aushändigen.“

„Was hat er gesagt?“
„Ihr wollt mich alle betrügen und ruinieren. Wenn das eure Mutter noch erlebt hätte! Schämt euch!“ Klara schaute ungläubig. „Das ist ja furchtbar.“

„War es auch. Schließlich aber hat er eingewilligt“, sagt der Postbeamte.

IM WARTEZIMMER VON DR. SILBERFISCH

ANNA

ANNA-2017.05.28

Klara fährt nächste Woche nach Stralsund. Sie will es ihrer Mutter vorher nicht sagen.

Sondern: Sie will – gemeinsam mit ihrem Bruder Lukas – zu Dr. Silberfisch.

Sie wollen ihn um Rat fragen, was sie tun können wegen ihrer Mutter Anna, wie es weitergehen soll, wie lange sie noch in ihrer Wohnung bleiben kann.

Die Praxis von Dr. Silberfisch steht bei Anna hoch im Kurs.
Das liegt nicht nur am Arzt, wenngleich sie schon lange Patientin bei ihm ist.

Da, wo die Praxis heute ist, da war früher eine Drogerie, Annas ehemaliger Arbeitsplatz.

Für Anna ist es schon deshalb ein Höhepunkt, wenn sie in die Praxis gehen kann.

Sie kennt sich dort immer noch gut aus.
Und Anna kommt heute noch ins Schwärmen.

Sie fängt gleich im Wartezimmer an zu erzählen, was dort früher war und wie die einzelnen Räume aufgeteilt waren.

„Und da oben, da haben wir immer Mittag gemacht, Schwester.“
„Ach ja?“, fragt Schwester Erika und verdreht die Augen verstohlen zu ihrer Kollegin.

Anna weiß nicht, dass sich die Schwestern heute Praxishelferinnen nennen.

Und das stört sie auch nicht im Geringsten.
„Manchmal, da haben wir dort auch Kaffee getrunken und Kuchen gegessen“, fährt Anna unbeirrt fort.

„Ach, das war schön.
Und die Kunden, die in die Drogerie hineinkamen, die mochten uns“, meinte sie.

„Frau Sturm, der Doktor wartet jetzt auf Sie. Bitte gehen Sie doch durch.“

„Ja, das mach‘ ich doch glatt.“
Anna ist im Arztzimmer verschwunden.

„Sooo…“, sagt Schwester Erika – also die Praxishelferin Erika.
„Das hätten wir jetzt wieder. Na ja, wer weiß, wie wir mal werden.“
„Meinst du?“, fragt ihre Kollegin.
„Na ja“, seufzt Erika, „wer kann das heute schon wissen?“

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ANNA

BERTA HAT AUFGELEGT

Anna kann sich die Namen ihrer Freunde und Bekannten nicht mehr merken.

Anna ruft an: „Es war schön gestern bei der Diamantenen Hochzeit.“
Anna hatte vergessen, dass Klara zur Arbeit gefahren war und dachte, sie träfe sie am Telefon an.

Jetzt musste sie mit ihrem Schwiegersohn vorlieb nehmen.

„Hattet ihr denn auch Musik?“, fragte Peter.
„Ja, Berta hat aufgelegt.“ „Oh, Donnerwetter!“, staunte Peter und musste schmunzeln.

Aufgelegt – war das nicht ein Begriff, der längst vergangen war? Oder ist er gerade hip, wenn man an die heutigen Veranstaltungen denkt, wo der DJ auflegt?

Jedenfalls: Anna sprach und dachte modern.
Trotzdem: Wahrscheinlich war das ein ganz normaler Recorder, auf dem die Musik spielte und zwischendurch die CD’ s gewechselt wurden.

Und das tat eben Berta. Sie war die beste Freundin von Anna, schon von Kindesbeinen an, und so wusste Berta auch, welche Musik Anna mochte.

„Waren denn Gäste da, die wir kennen?“, fragte Peter weiter. Anna überlegte kurz und sagte: „Nein, keine.“

Da war er wieder, der Gedächtnisverlust. Peter und Klara kannten bestimmt über die Hälfte derjenigen, die dort Gäste waren.

„Wie heißt noch gleich die Tochter von Berta, ich komme einfach nicht drauf“, fragte Peter jetzt.

„Na, Cornelia, das musst du doch wissen?“, sagte Anna vorwurfsvoll.
Ja, Anna hatte Recht. Peter musste und konnte es wissen.

Anna konnte es im ersten Anlauf nicht wissen, dass es jemand war, den Peter und Klara kannten, und sie musste es vielleicht auch nicht mehr.

Wie sollte man das alles werten?
War es ein schlechtes Zeichen, dass Anna erst nach dem zweiten Anlauf auf die Namen kam?

Oder sollte man es so nehmen, wie es eben war. Anna fiel es schwerer, auf die Namen von Freunden zu kommen, selbst auf die der engsten Freundin?

Peter und Klara entschlossen sich, es positiv zu sehen und Anna dabei zu helfen, sich zu erinnern.

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