Archiv der Kategorie: MEIN FREUND, DER ALLTAG

Dem Alltag als Freund begegnen, das heißt für mich:
die eigene Lebensphilosophie im Alltag begreifen und sich mit ihr auseinandersetzen;
mehr Erfüllung finden, indem man die guten und schönen Seiten des alltäglichen Lebens sieht – beruflich und privat – und: sie auch bewusst annimmt;
die Faszination des Bibellesens entdecken; die Worte der Bibel als persönlichen Kraftquell nutzen, daraus eigene Lebensenergie und Lebensfreude für den Alltag schöpfen;
Erlebnisse und Beobachtungen im Alltag für sich nutzbar machen; erkennen, dass in den alltäglichen Dingen oft die großen Momente einer anhaltenden Lebensqualität zu finden sind;
die kleinen Geschichten aus dem Alltag erzählen, sie wertschätzen als etwas, das sehr kostbar und oftmals unwiederbringlich ist.

JEEPY (50)

JEEPY IST IN SASSNITZ ANGEKOMMEN UND DENKT DARAN, WIE ER AUF DER FAHRT DORTHIN NOCH EINEN ABSTECHER NACH SCHWERIN MACHTE

Jeepy steht auf dem Hof in Sassnitz, bei Fischer Gottfried. Er ist erschöpft und denkt an den Tag, den er heute erlebt hat. Noch früh morgens stand er im Carport, ist dann allein nach Sassnitz aufgebrochen und hat vorher noch einen Umweg über Schwerin gemacht.

Jeepy saust über die Autobahn, ganz allein. Wohl ist ihm nicht dabei.
Er ist einfach losgefahren, ohne seinen Fahrer zu fragen.

Aber jetzt will er hoch zur Ostsee, nach Sassnitz auf Rügen. Vorher aber, da möchte er noch einen Abstecher nach Schwerin machen, da, wo sein Fahrer herkommt.

Der hat ihm viel erzählt von dieser Stadt, in der er seine Kindheitsjahre verbracht hat.
Also will Jeepy mit eigenen Augen sehen, was in dieser Stadt heute so los ist.

Doch er hat nicht so viel Zeit, denn er möchte noch nach Sassnitz fahren und dann auch wieder nach Hause, in seinen Carport.
Es ist dunkel geworden und Jeepy hat inzwischen die Stadtgrenze von Schwerin erreicht.

„Hey, Navi, sag‘ mir, wo ich langfahren muss, damit ich auf dem Obotritenring ankomme“, ruft Jeepy.

„Warum ausgerechnet Obotritenring?“
„Sei nicht so neugierig, oder machst du das etwa auch, wenn mein Fahrer im Auto sitzt und dir das Ziel vorgibt?“

„Nein, natürlich nicht, da flöte ich nur mit lieblicher Stimme, wo er langfahren soll, zum Beispiel – die Straße geradeaus und dann linkshalten“, antwortet das Navigationsgerät.

„Naja wenigstens hast du heute eine angenehme Stimme. Früher, da hat in deinem Gerät ein Mann gesessen und der rief ‚liiinkshaaalten!‘. Da ist mein Fahrer bald vor Schreck aus dem Auto gefallen.“

„An der nächsten Kreuzung, da biegst du nach rechts ab, fährst die Anhöhe hoch und dann bist am Obotritenring, besser gesagt, in der Goethestraße. Da hat nämlich die Oma von deinem Fahrer gewohnt.“

„Donnerwetter, was du alles weißt. Also gut, so machen wir das.“
Jeepy hat es geschafft. Er steht genau vor dem Haus, in dem die Oma von seinem Fahrer gelebt hat. Oma Martha war seine Lieblingsoma.

FORTSETZUNG – JEEPY (51): JEEPY LERNT IN SCHWERIN DEN DACKEL HANNEMANN KENNEN

PODCAST – ALLTÄGLICHES (40)

EIN SCHEINBAR NICHTSSAGENDER MORGEN

Es ist still.
Es ist immer still um diese Zeit, aber mir scheint heute Morgen ist es irgendwie eine gespenstische Ruhe.
Ich bin wie paralysiert, denke daran, was vielleicht noch auf uns zukommt.
Ich kenne Katastrophen nur aus dem Fernsehfilm oder aus dem Kino.
Da, wo Menschen leiden, möglicherweise wegen einer sich rasant ausbreitenden Epidemie, und sie sterben, während du vor dem Fernseher sitzt und lustlos auf einer Salzstange herumkaust und dich ärgerst, weil du danach erneut die Zähne putzen musst.
Aber jetzt ist es anders. Wir sind selbst die Hauptdarsteller, in einem Film, den du auf keinen Fall sehen und deshalb auch nicht so richtig wahrhaben willst.
PODCAST

AUF ALTE STÄRKEN ZURÜCKBESINNEN

Das Corona Virus zwingt mich dazu, mein Leben neu zu ordnen.

Kann ich einfach so weitermachen, wie ich es bisher getan habe?
Nein, bestimmt nicht.

Nachdem ich lange darüber nachgedacht habe, bin ich zu dem Entschluss gekommen, meine täglichen Trainingseinheiten im Fitness-Studio aufzugeben.

Es ist ja nicht damit getan, dass du lediglich die Geräte nach dem Training mit einem Tuch säuberst. Du triffst ja im Verlaufe der Woche auf viele Menschen, sehr viele.

Dass ich nicht weitermachen kann, das schmerzt mich. Die tägliche Überwindung, das Dranbleiben an den Übungen, das hat mich geformt.

Aber was lerne ich nun daraus?
Ich muss gerade jetzt die Kehrseite der Risiken sehen.

Welche können das sein?
Einmal die Tatsache, dass ich seit über 8 Jahren aus dem Arbeitszimmer, dem Homeoffice, mein Geld verdiene.

Ich hatte schon vergessen, was mich dazu gebracht hat, wirtschaftlich zu überleben.
Du musst nämlich sehr diszipliniert sein, sehr ausdauernd und auch ein wenig kreativ.

War ich das immer? Bestimmt nicht!

Aber ich rufe mir diese Primärtugenden des freiberuflich Tätigen jetzt wieder stärker ins Gedächtnis.

Was bleibt, das ist das Risiko. Meine Frau muss ja trotzdem jeden Tag nach Berlin reinfahren, um im Zeitungsviertel zu arbeiten.

Aber oder gerade deshalb wollen wir nicht, dass uns der Mut verlässt, wir bleiben humorvoll und zuversichtlich. Und diesen Mut, der bleibt, den wünschen wir allen.

JEEPY (49)

JEEPY FÄHRT ALLEIN NACH SASSNITZ

Jeepy ist von Zuhause ausgerissen, kann autonom fahren und schafft es bis auf den Hof von Onkel Gottfried, dem Fischer aus Sassnitz

Hallo Krümel, heute meldet sich nicht Jeepy bei dir, sondern ich, dein Opa und gleichzeitig der Fahrer von Jeepy. Aber das weißt du ja längst.

Du willst wissen, wo Jeepy hin ist? Ja, gestern hätte ich das auch gern gewusst.

Aber dann meldete sich ein Fischer aus Sassnitz. Dieser Fischer heißt Gottfried Taube und ist schon sehr alt, über 80 Jahre. Und trotzdem fährt er noch jeden Tag mit seinem kleinen Boot aufs Meer hinaus und fängt Fische.

Ich kenne ihn gut, und ich mag ihn sehr, wegen seiner brummigen, aber sehr ehrlichen Art. Onkel Gottfried, so haben wir ihn stets genannt.

Onkel Gottfried hat uns nun angerufen. Er telefoniert sehr ungern. Er hat zwar ein Handy, aber das liegt in einer Kommode und wird von ihm nicht vermisst.

Also schrillte Onkel Gottfrieds altes Telefon im Flur. Onkel Gottfried war schon vor dem Fernsehapparat eingeschlafen. Er erhob sich ächzend aus dem Sessel und zur gleichen Zeit sprang seine Katze Minka von seinem Schoß auf. Sie miaute.

„Muss der mich hier einfach in meiner Ruhe stören?“, fauchte sie. Onkel Gottfried aber konnte sie nicht hören. Nur die Tiere untereinander können sich in dieser Sprache verständigen. Es war die Tiersprache mit einem plattdeutschen Dialekt, in der Minka ihren Unmut zum Ausdruck brachte.

„Onkel Gottfried, weißt du wo Jeepy abgeblieben ist?“, fragte ich ihn.
Ich war nämlich am anderen Ende des Telefons, und weil ich mir Sorgen um Jeepy machte, hatte ich eben Onkel Gottfried angerufen.
„Wie kann Jeepy, ein Auto, hier bei mir sein? Ohne seinen Fahrer? Was für ein Quatsch!“, brummte Onkel Gottfried.

„Hast du schon mal etwas von einem autonomen Fahren gehört?“, fragte ich ihn.
„Nö“, sagte Onkel Gottfried.

„Ein autonomes Auto kann alles allein. Es fährt auf der Straße allein, steuert selbstständig, reagiert im Notfall auf sich gestellt, kann allein durch den Kreisverkehr fahren, sieht die Ampeln, sieht den Gegenverkehr und vieles mehr.“

„‘Dunnerwetter‘“, erwiderte Onkel Gottfried auf platt.
„Ja, und sprechen kann Jeepy auch.“

„Willst du ‚mi veräppeln‘?“, fragte da Onkel Gottfried.
„Nein, ganz bestimmt nicht. Denkst du, mir macht es Spaß, dass Jeepy so einfach über die Autobahn düst, ohne mich zu fragen? Also schau doch mal durchs Fenster, ob Jeepy bei dir auf dem Hof steht.“

Onkel Gottfried legte den Hörer beiseite und tatsächlich, mitten auf dem Hof, da leuchtete das fröhliche Rot von Jeepy.
„Dein Jeepy steht bei mir auf dem Hof und Minka liegt schon darunter“, sagte Onkel Gottfried, nachdem er mich erneut angerufen hatte.

„Ich ruf dich zurück, wenn ich mit Jeepy gesprochen habe“, sagte er noch und legte auf.

Ja, Krümel, und wie diese Geschichte weitergeht, und wie Jeepy den Dackel Hannemann, Minka, Onkel Gottfrieds Katze, und den Bobtail Bobby kennenlernt, und was er vor allem mit ihnen für Abenteuer erlebt, das erzähle ich dir die nächsten Male.
Bis dahin grüßt dich ganz herzlich der Fahrer ohne ‚Jiiipi‘.

SCHREIB-ALLTAG (15)

WIE AM BESTEN SACHVERHALTE UND THEMEN EINDRUCKSVOLL SCHILDERN?
Sachverhalte lassen sich besser erhellen, wenn man sie nicht nur trocken beschreibt, sondern Figuren mit ins Spiel bringt und Situationen detaillierter schildert.

„Es regnete, als der Mann aufstand und zur Arbeit ging“, ist eine Möglichkeit, einen einfachen Sachverhalt wiederzugeben.

Besser: „Er kam mit Mühe aus dem Bett. Und als er schließlich vor die Tür trat, da schauderte es ihn zum zweiten Mal an diesem Morgen. Der Regen prasselte auf das Vordach des Hauses. Er schlug den Kragen des Mantels hoch und trat ins Freie. Im Nacken spürte er vereinzelt Regentropfen und seine Füße wateten durch die Pfützen. Er hätte im Bett bleiben sollen.“

Sicher, nicht immer ist die Zeit da, so ausführlich zu schreiben, aber wenn ich mir zum Beispiel Themen der Pflege vornehme, dann reicht es für mich nicht zu sagen: „Die Pflege und Betreuung von Demenzkranken verlangt den pflegenden Angehörigen alles ab.
Nein, ich will Situationen schildern, in denen das besonders deutlich wird.

„Anna vergaß alles“ ist eine Möglichkeit, den Zustand eines an Demenz erkrankten Menschen zu beschreiben.
„Anna rief heute zum sechsten Mal bei Lukas an, und zwar im halbstündlichen Takt nach acht Uhr abends“, eine andere; eine Möglichkeit, die nicht nur Annas Zustand verdeutlicht, sondern auch zeigt, wie pflegende Angehöriger davon betroffen sind.

MEINE INNEREN STIMMEN SIND WIEDER DA

PROBEZEIT IST VORBEI
Wie mich ‚KeinBock‘, ‚DerBeißer‘, ‚JammerLappen‘ und ‚DerPlaner‘ versuchen zu beeinflussen.

Es ist mal wieder soweit. Ich muss aufstehen und mit mir meine inneren Stimmen. Ich habe ihnen neue Namen gegeben.
Ich weiß nicht, wieviel Stimmen oder Protagonisten es am Ende sein werden.

Heute Morgen sind es jedenfalls ‚KeinBock‘, ‚DerBeißer‘, ‚JammerLappen‘ und ‚DerPlaner‘.

KeinBock ist grundsätzlich gegen alles, hat nicht wirklich zu etwas Lust. So wie heute Morgen, als der Wecker des Handys anfing Krach zu machen.

„Warum?“, fragte KeinBock.
„Darum!“, sagte DerBeißer, wie immer mit leicht verkniffenem Gesicht.

„Los, heb deinen Hintern aus dem Bett“, schnaufte er noch.
Das erinnerte mich an meine Marinezeit, als morgens die Trillerpfeife ertönte und der Maat vom Dienst schrie:

„Reise, Reise, nach alter Seemannsweise, ein jeder weckt den Nebenmann, der letzte stößt sich selber an.“
„Ich kann nicht so früh aufstehen, ich bin Rentner“, versuchte JammerLappen zaghaft einzuwenden.

„Heul‘ woanders, du arbeitest ja auch noch und da willst du gar nichts davon wissen, dass du Rentner bist, such‘ dir nicht immer die Rosinen raus.“

„Lass ihn doch mal in Ruhe, er muss sich erst einmal zurechtfinden und entscheiden, ob die Energie ausreicht, damit er endlich aufsteht“, murrte KeinBock.

„Schwing‘ doch die Beine erst einmal aus dem Bett und dann sitzt du auf jeden Fall schon mal. Dann hockst du so ein bisschen, kannst ja mit JammerLappen gemeinsam noch ein wenig herumheulen und danach stehst du mit einem Schwung auf“, sagte DerBeisser.

Jetzt mischte sich DerPlaner ein: „Komm, mach schnell. Du musst noch den Kaffee kochen, die Wasserflasche füllen. Außerdem habe ich gerade den Zeitungsmann gehört. Wie ich dich kenne, willst du auch noch einen Blick in die Zeitung werfen, damit du nachher im Auto schön wieder Klara die Ohren vollsülzen kannst.“

Ich hatte genug von dem Summen im Ohr, schwang mich aus dem Bett, rückte die Bettdecke zurecht, knipste das Licht an und schlurfte ins Bad, um mir erst einmal ein paar Wassertropfen in die Augen zu schmieren und einen kalten Schwapp ins Genick. Danach war ich etwas munterer.

Der Tag hatte unwiderruflich begonnen, egal, was die Stimmen mir noch einflüstern wollten.

MIT DEM EIGENEN BLICK RUHIG MAL DURCH DAS FENSTER DES ANDEREN SCHAUEN

Was in der Streitkultur zwischen Ost und West helfen kann.

Wir waren mal wieder im Theater, im Deutschen Theater. Ich bin ehrlich, hätten uns unsere Freunde nicht ‚mitgeschleppt‘, wir wären von allein wohl nie gegangen.

Klara ist am Wochenende fertig von der Arbeit, ich vom Schreiben und vom Training im Fitness-Studio.
Wir haben es dennoch nicht bereut, dort gewesen zu sein.

Das Stück hieß ‚Hasta la Westler, Baby!‘
Wir waren begeistert. Es hat die Befindlichkeiten zwischen Ost- und Westdeutschen aufgegriffen.

Aber auf humorvolle Weise, teilweise mit beißendem Spott, aber auch damit, wie man im Osten mitunter larmoyant agiert, berechtigt und unberechtigt.
Kurzum, irgendwie hat das Stück meinen Nerv getroffen.

Schon lange habe ich den Eindruck, dass die Gefühls- und Gedankenwelt der Menschen im Osten nur sehr einseitig abgebildet wird – in Gesprächen, in der Presse, in Talkshows.
Das Leben so wie es war, wie ich es selbst erlebt habe, dass fehlt mir bisher in unserer ‚medialen Ablichtung‘.

Die Wirklichkeit mit all ihren Facetten abzubilden, ehrlich, ungeschminkt und ohne gleich dem sogenannten Mainstream nachzugeben, das ist den Künstlern an dem Abend sehr gut gelungen, nach meinem Empfinden jedenfalls.

Es gibt da noch viel zu bereden. Ich glaube, das Wichtige an dem Diskussionsprozess zwischen Ost und West ist, dass man ‚durch das Fenster des jeweils anderen schaut‘ und von da aus Dinge beurteilt, meinetwegen auch verurteilt, aber eben erst nach diesem Blick.

JEEPY (48)

MEINE ZÄHNE

Hallo Krümel, hier ist wieder Jeepy, wie jeden Freitag.
Das war eine schöne Woche für mich. Ich konnte dich sehen, weil mein Fahrer, dich besucht hat, gemeinsam mit deiner Oma.

Du hast vor Freude aufgeschrien, als du mich erkannt hast. Ich glaube, deine Freude rührt daher, dass dein Opa dir schon so viele Abenteuergeschichten über mich erzählt hat.

Du wolltest eigentlich nach dem Besuch von deiner Oma und deinem Opa noch mit deiner Mama zu Fuß zum Drogeriemarkt laufen, um ein paar kleinere Dinge einzukaufen.

Doch dann hat es mein Fahrer nicht fertiggebracht, dich so einfach stehenzulassen, nur zu winken und wegzufahren.

Also haben deine Mama, mein Fahrer und deine Oma beschlossen, dich und deine Mama ein Stück mitzunehmen. Du hast dich gefreut und im Auto gerufen: „Opa lauter?“

Du meintest das Radio, dass dein Opa lauter stellen sollte.
Dann seid ihr noch alle gemeinsam im Drogeriemarkt gewesen.
Du bist im Einkaufswagen durch die Halle gerollt und mein Fahrer hat dich durch die Gänge geschoben.

„Opa, Brille“, hast du gesagt, als du am Sonnenbrillenständer vorbeikamst.
Du wolltest auch gleich zugreifen, aber dein Opa hat dich schnell daran vorbeigeschoben.

Schließlich hat deine Mama dir noch eine neue Zahnbürste gekauft.
Als du nach dem Bezahlen glücklich mit der Zahnbürste in der Hand zum Ausgang gestürmt bist, da piepte es, als du die Kontrollschranke passiert hast.

Die Verkäuferin hat dir deshalb die Zahnbürste wieder weggenommen, um sie noch einmal zu scannen, obwohl sie bereits bezahlt war.

Du hast das alles nicht verstanden und gerufen: „Meine Zähne…“
Die Verkäuferin musste lachen, stand auf und ging mit dir gemeinsam durch die Kontrollschranke.
„Meine Zähne“ hast du wiederholt und die Verkäuferin vorwurfsvoll angeschaut.

Die musste lachen und hat sich von dir sehr nett verabschiedet.
Danach hast du die Zahnbürste ganz stolz in den Händen gehalten.
Dein Opa hat schon auf dich gewartet und du hast ihm fröhlich zugerufen: „Opa, meine Zähne“, und ihm zugleich die Zahnbürste entgegenstreckt.

„Ja, Krümel, deine Zähne und damit sie es auch bleiben, putze sie sehr gründlich“, hat dein Opa gesagt.

„Sonst hast du nicht mehr deine, sondern fremde Zähne“, hat er noch gemurmelt.

Naja, aber das kannst du nicht verstehen, noch nicht.
Bis zum nächsten Mal grüßt dich ganz herzlich
Dein ‚Jiiiipiii‘.

SCHREIB-ALLTAG-14

DER ALLWISSENDE AUKTORIALE ERZÄHLER

Der allwissende auktoriale Erzähler lässt den Leser in die Köpfe aller Figuren hineinschauen. Besonders häufig wurde diese Art des Erzählens im sogenannten viktorianischen Roman angewandt (vgl. James N. Frey, „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“, Emons Verlag GmbH, ISBN 978-3-89-705-32-1, S. 126 ff).

Der Leser sollte ein möglichst detailgetreues Abbild der damaligen Gesellschaft erhalten.
Beispiel: Jo traute seinen Augen nicht, als er das Buch in den Händen hielt. Er hatte es durchgeblättert und sofort erkannt, dass er auf dem Foto mitabgebildet war.
Er musste unwillkürlich die 30 Jahre zurückdenken. (Perspektive von Jo).

Klara blieb still und freute sich, ohne es groß nach außen zu zeigen. (Perspektive von Klara).

In diesem Fall sind es nur zwei Figuren. Der Nachteil aber bei vielen Figuren besteht darin, dass der Autor in jeden Kopf hineinschlüpft, die Gedanken und Gefühle jeder einzelnen Figur beschreibt.
Das macht es für den Leser nicht gerade, sich mit einer dieser Figur wirklich nachhaltig zu identifizieren.

Die moderne Form ist der sogenannte eingeschränkte auktoriale Erzähler.
Dazu mehr im nächsten Beitrag.

50 KILO ABNEHMEN (25)

INTERVALLFASTEN – MEINE NEUE STRATEGIE

Ich weiss gar nicht, warum ich so spät mit dem intensiven Training im Fitness-Studio angefangen habe.

War es Trägheit, der Stress, alles unter einen Hut zu bekommen oder einfach nur lange Zeit der Glaube, dass ich so etwas nicht brauche?
Welche Gründe auch immer eine Rolle gespielt haben, es war ein fataler Fehler, es solange nicht zu tun.

Aber nun halte ich schon seit über einem halben Jahr daran fest, und es tut mir gut- nicht nur physisch, sondern auch mental.
Jetzt muss ich nur mit dem Essen nachziehen.

Das Gewicht will nicht weiter runtergehen. Ich hake fest bei 124 kg.
Ich habe zwar zwischendurch Teilerfolge zu verzeichnen, die ich aber oft wieder durch undiszipliniertes Essverhalten zerstöre.

In der vergangenen Woche zum Beispiel habe ich abends noch Reste von kleinen Tüten entdeckt, in denen Gummitiere verpackt waren.
Ich habe drei Tüten mit der Schere aufgeschnitten und mir den Mund vollgestopft.

Ich konnte kaum kauen, so voll war mein Mund.
Am nächsten Morgen war ich auf der Waage und konnte das Ergebnis meiner ungezügelten Schwäche ablesen.

Jetzt bin ich auf das Fasten aufmerksam geworden.
Das Intervallfasten habe ich ja bereits erfolgreich ausprobiert, aber eben noch nicht hinreichend konsequent genug daran festgehalten.

Es gibt noch viel zu tun. Am Sonntag habe ich 16.00 Uhr das letzte Mal was gegessen, am Montag erst wieder nach 13.00 Uhr.
Der erste Schritt ist getan.

DER FILM „1917“

MAL SCHNELL ERZÄHLT

Samstag im Kino im CineMotion in Berlin Hohenschönhausen.
Vor den Kassen haben sich riesige Schlangen gebildet. Das habe ich noch nie erlebt. Das gab es nur zu Ostzeiten, wenn Bananen oder Apfelsinen verkauft wurden.

Vielleicht hängt es aber auch mit der Berlinale zusammen, dass mehr Leute ins Kino gehen.

Wir wollen den Film ‚1917′ ansehen. Er ist Oscarprämiert und erzählt die spannende Geschichte zweier Soldaten im ersten Weltkrieg, und das künstlerisch in sogenannte ‚Echtzeit‘ gepackt.

Ich genieße es, im Vorraum des Kinos zu sitzen und mir die Leute anzuschauen, die vorübergehen, manche mit Bechern, die randvoll mit Popcorn gefüllt sind.

Ich schaue mir die Plakate an der Wand an und stelle fest, dass es noch den Film ‚Lassie‘ in Neuauflage gibt. Darum also die vielen Kinder, die im Foyer des Kinos aufgeregt umherschnattern.
Jetzt entdecke ich auch noch das Plakat zu ‚Ruf der Wildnis‘ mit Harrison Ford in der Hauptrolle.

Deshalb also die Ansammlung vor den Kassen. Und ich dachte anfangs, dass es wegen unseres Films ist, in den wir hineingehen.
Wir sitzen im Kinosaal, der Film beginnt.

Man sieht ein Schlachtfeld im ersten Weltkrieg, Gräben, in denen Soldaten hocken, schlafen, vor sich hindämmern.
Ich stelle mir vor, was diese Menschen aushalten mussten und konzentriere mich auf das, was passiert.

Es ist unheimlich und faszinierend zugleich, dem Eindruck zu erliegen, man sei direkt am Ort und in der Zeit des Geschehens. Ich werde trotzdem froh sein, wenn ich danach wieder nach Hause fahren und in meinem Bett schlafen kann, und ich vorher vielleicht noch ein Stück von dem Juror einer Castingshow sehe, der gerade sagt: „Du kannst ja überhaupt nicht singen, Mensch.“

‚Wir jammern den ganzen Tag, wie schlecht wir es haben‘, geht mir noch durch den Kopf, und wir können das aber nur, weil es uns richtig gut geht.
Dann nimmt mich der Film vollends gefangen.

WANN TAUSCHT DEIN OPA MICH GEGEN EIN ELEKTROAUTO EIN?

JEEPY

Hallo Krümel,
ich war beim Arzt, oder genauer gesagt zur Durchsicht in der Autowerkstatt, schauen, ob alles mit mir in Ordnung ist.
Mir geht es super und ich will auf jeden Fall noch zwei Jahre mit meinem Fahrer, deinem Opa, zusammen sein.

Und mit dir und mit Oma natürlich. Aber wie lange ich das wirklich noch darf, das ist die große Frage. Wenn du groß bist, dann gibt es mich, deinen geliebten Jeepy, nicht mehr.

Denn dann fahren die Autos mit Batterie oder mit Wasserstoff, der Umwelt zur Liebe. Und das ist ja wichtig, dass sich das Klima weiter verbessert.

Wir müssen noch viel mehr tun, sagen alle. Ich sage das auch. Ich überlege ja schon, ob dein Opa mir einen Elektroantrieb einbaut, doch das ist wohl Quatsch und viel zu teuer. Dein Opa sagt: „Du, Jeepy, bleibst noch ein bisschen bei uns, fährst Krümel durch die Gegend.

Und vielleicht kauft dein Opa ja später mal ein Auto aus der Fabrik, die gerade nicht weit weg von uns entsteht.

Aber bis dahin, lieber Krümel, wollen wir alle noch ein bisschen Spaß zusammen haben. Immerhin haben wir ja schon den ganz großen Geländewagen, meinen Vorgänger, gegen mich, ein viel kleineres und damit sparsameres Auto eingetauscht.

Also ein bisschen werde ich noch bei dir sein und dich hören, wenn du freudig rufst: „Jiiiiipiiii…“
Dein Jeepy

SCHREIB-ALLTAG (13)

WAS IST SPANNEND AM SCHREIBEN?

Mir tut mein Nacken weh vom Schreiben, mein Rücken auch. Trotzdem ist das Schreiben wie eine Droge.

Selbst wenn du Schmerzen hast, machst du weiter.
Oder wenn du doch mal längere Zeit aussetzt, willst du wieder weiterschreiben.

Was ist faszinierend an diesem Schreibprozess?

Auf den ersten Blick gar nichts, auf den zweiten siehst du die Anstrengungen. Und erst dann, langsam begreifst du, dass du viel intensiver über dein Leben nachdenkst, über Sinn und Unsinn von vielen Dingen.

Du musst viel sensibler beobachten, dich selbst und auch andere.
Du kannst nicht über den Kopf von jemandem hinwegschreiben, du musst durch seinen Kopf hindurch, in die Gedanken deines Protagonisten rein. Ich glaub‘, das ist das Spannende am Schreiben.

50 KILO ABNEHMEN – (24)

JEDEN TAG SICH NEU ÜBERWINDEN

Es erzählt sich so wunderbar, was du für ein Held bist, weil du ja jeden Tag früh ins Fitness-Studio reinfährst. Den Wecker morgens aber interessiert das nicht - er klingelt 3.40 Uhr, und zwar erbarmungslos.

Es sind nun schon vier Tage, an denen ich nicht im Fitness-Studio war. Am Freitag hatte ich einen Termin und gestern auch.

Samstag und Sonntag fahre ich grundsätzlich nicht nach Berlin rein.
Ich bin ehrlich, ich hätte trotzdem vorher ins Studio fahren können, aber ich habe mir die Ausreden so zurecht- gelegt, als könnte ich angeblich nicht die Zeit für das Training aufbringen.

4.15 Uhr heute Morgen. Ich sitze seit einer halben Stunde in der Küche, der Kaffee läuft durch, die Zeitung ist mal wieder nicht im Briefkasten, ich habe schlechte Laune, aber ich sitze und schreibe auf dem Handy.

Um 5.00 Uhr geht es nach Berlin Mitte, erst Klara absetzen, dann ins Fitness-Studio.

Ich habe das täglich gleichablaufende Procedere gestern am Tresen im Autohaus einer Mitarbeiterin erzählt, als ich das Auto von der Durchsicht abholte.

Sie hat es mir nicht geglaubt. Und ehrlich, ich glaube es ja selbst kaum, dass ich hier in der Küche herumhänge und schon wieder schwadroniere.

Aber es ist wahr und es liegt ein gewisser Zauber darin.
Gestern Abend habe ich noch zu Klara gesagt: „Ich glaub‘, ich komme morgen früh nicht mit.“

„Wehe!“, hat sie nur gesagt.

Naja, und deshalb bin ich jetzt hier. Nun ist es so, als würdest du in einem Flugzeug sitzen, angeschnallt. Das Flugzeug rollt bereits und du kommst nicht auf die Idee, aussteigen zu wollen. Also packen wir’s an.

DAS DRAMA UM DEN KAUF EINER LEUCHTSTOFFRÖHRE

MAL SCHNELL ERZÄHLT
TEASER:
Peter verhielt sich beim Einkauf im Baumarkt ungeschickt und wurde von Klara barsch vor den Leuten gerüffelt.

Es begann bereits dunkel zu werden, als der Regionalzug aus Berlin am Bahnsteig einlief. Er hielt kaum, da drängten die Menschen aus den Türen heraus und hasteten im Eiltempo in Richtung Parkplatz, dorthin, wo Peter bereits mit seinem Auto stand und auf Klara wartete.

Peter schaute fasziniert zu, wie sich die Leute verhielten.
Ein Mann fiel Peter an diesem Tag besonders auf. Er nannte ihn den Mann mit den vier Buchstaben, weil er stets die gleiche Jacke trug, und weil auf der Rückseite vier Buchstaben prangten, der Name seiner Firma, in die er jeden Tag fuhr.

Morgens, da sahen Klara und Peter ihn schon von weitem, weil die Buchstaben auf dem Rücken im Dunkeln weiß leuchteten. Der Mann ging nicht, er wankte von einem Bein auf das andere, langsam, so als müsse er sich dahinschleppen.

Abends hingegen, da hatte er einen recht flotten Schritt angenommen und beeilte sich, nach Hause zu kommen. Und das beobachtete Peter bei den meisten Menschen, die er früh sah und abends wieder. Es waren die gleichen Menschen, aber mit einem unterschiedlichen Schritttempo, je nach Tageszeit.

Klara war inzwischen an seinem Auto angekommen. Sie öffnete die Tür, stieg ein und fragte gleich:
„Wollen wir noch in den Baumarkt?“
„Können wir machen“, brummte Peter ziemlich lustlos.

Aber was sollte er tun, denn in der Küche war eine Leuchtstoffröhre kaputt. Sie flackerte zwar noch, doch es machte ihn wahnsinnig, wenn er morgens dort stand und die Kaffeemaschine anstellte.
Klara hatte Peter diese Aufgabe übertragen, weil er seine Wasserflasche für das Fitness-Studio fertigmachte.

„Da kannst du doch gleich den Kaffee aufsetzen“, schlug Klara vor.
Peter übernahm immer mehr Aufgaben im Haus, obwohl er das gar nicht wollte. Aber er war nun mal derjenige, der seinen Schreibtisch zuhause stehen hatte.

„Irgendwann kommt sie noch und sagt, dass ich die Waschmaschine anstellen soll“, dachte Peter. Aber er schob diesen Gedanken gleich beiseite.

Jetzt ging es also erst einmal in den Baumarkt in Richtung Bernau.
Als sie auf den Markt zusteuerten und einen Stellplatz suchten, verlor Klara die Geduld: „Immer schön in die entlegenste Ecke fahren, die am weitesten weg ist vom Baumarkt“, motzte sie.

Peter antwortete nicht. Was verstand Klara schon davon. Er fuhr zwar einen kleinen Jeep, aber er war noch so eingestellt, als müsste er den großen Mercedes-Geländewagen in eine Parklücke steuern.
Schließlich hielt er an, sie stiegen aus dem Jeep aus und gingen zum Eingang des Marktes.

„Schau mal hier“, sagte Peter und öffnete seine Jacke.
Darunter kamen Hosenträger zum Vorschein, die an einer Trainingshose befestigt waren. Er kam sich vor, wie Krause, der Schauspieler, der stets die Hosenträger offen über dem Hemd trug.

„Mach bloß wieder die Jacke zu“, sagte Klara und schaute sich um, ob auch niemand zu ihnen hinsah.

Peter war das egal. Im Gegenteil, er fand es klasse, dass er vom Schreibtisch aufstehen konnte, in die Schuhe schlüpfte, deren Schnürsenkel er auch nur noch selten aufmachte, die Jacke überschmiss, den Autoschlüssel schnappte und schon abfahrbereit war.

Schließlich wollte er ja nicht ins Theater. Aber Klara sah es lieber, dass er wenigstens seine Jeans anzog.
Doch Peter blieb da eisern und trug seine Trainingshosen.
Peter ging auf die Kasse im Eingangsbereich zu, wo oben drüber das Schild ‚Information‘ aufgehängt war.

„Sagen Sie, können Sie mir kurz erklären, wo wir hier diese Leuchtstoffröhren finden“, fragte er die Kassiererin, die ihn unfreundlich musterte und besonders auf seine Wollmütze schaute, die er tief über den Kopf bis fast ins Gesicht gezogen hatte.

Vielleicht dachte sie ja, dass Peter die Mütze im nächsten Augenblick ganz über das Gesicht zog und nach dem Kleingeld in der Kasse fragte.

„Gang 22“, sagte sie kurz angebunden.
„Oh, wunderbar, vielen Dank“, flötete Peter fröhlich und zeigte Klara mit dem Arm den Weg.

„Gang 22, da ist er“, sagte er und schritt die Regale ab.
Aber Peter sah nicht, wo die Lampen waren.
Da war Klara besser.
„Hier, schau mal, da sind sie!“.

Klara hatte schon eine Leuchtstoffröhre in der Hand.
„900 mm, 30 Watt, das passt“, sagte sie und drückte sie Peter in die Hand.

Der nahm sie und wandte sich in Richtung Kasse.
„Sollen wir die alte entsorgen?“, fragte die Kassiererin?
„Oh, das ist aber nett“, meinte Peter und gab ihr die alte Leuchte in die Hand.

Klara war noch beim Bezahlen, während Peter übermütig die verpackte Leuchtstoffröhre hin- und herschwenkte.
Plötzlich gab es einen lauten Knall. Peter schaute sich um, weil er nicht mitbekam, woher der Lärm kam.

Doch dann sah er auf dem Fußboden die neue Röhre liegen, zerschellt in winzige Teile.
Peter schaute verdattert, die Augen der Kassiererin richteten sich auf ihn, die von Klara auch und einige Kunden schauten ebenfalls neugierig herüber.

Offenbar hatte sich eine Seite der Verpackung gelöst und die Leuchtstoffröhre war herausgerutscht.
„Was hast du denn nun schon wieder gemacht?“, fragte Klara ihren Mann, so als wäre der ein kleines Kind, das wieder etwas ganz Schlimmes angerichtet hatte.

Ihr Blick sagte: „Oh, es tut mir leid, das ist zwar mein Mann, aber er ist in Wirklichkeit ein großer Trottel.“
Peter war es peinlich, dass er nun diesen Lärm verursacht hatte, doch noch mehr ärgerte ihn, dass Klara ihn nun erst recht wie einen ungeschickten, zu nichts zu gebrauchenden, lediglich mitgekommenen Ehepartner aussehen ließ.

„Gehen Sie schnell zum Regal und holen sich eine neue Röhre, wir kümmern uns hier“, sagte eine Angestellte versöhnlich.
Peter nickte, lief zum Regal und holte die neue Leuchtstoffröhre.

„Sie müssen nicht noch einmal bezahlen“, sagte die Kassiererin.
Peter und Klara bedankten sich und gingen stumm zum Ausgang.
Sie stiegen wortlos ins Auto und schwiegen eine Weile auf der Fahrt nach Hause.

„Warum hast du mich wie einen Trottel behandelt?“, fragte Peter schließlich.

„Ach, das war doch nicht so gemeint“, lachte Klara.
„Darüber kann ich nicht lachen!“, empörte sich Peter und schwieg, bis sie am Carport angekommen waren.

JEEPY (46)- MEIN FAHRER SCHAUT KINDERFERNSEHEN

Weil Krümel den Kinderkanal liebt, liebt ihn mein Fahrer auch.

Hallo Krümel, hier ist wieder Jeepy, dein zweitbester Freund – nach meinem Fahrer, deinem Opa.

Eines Abends lag dein Opa auf der Couch und schaute den Fernsehkanal ‚KiKa‘, du weißt schon, deinen Lieblingssender. Früher, ja da hätte mein Fahrer nicht eine Sekunde darauf verschwendet, dort zu verweilen. Er wäre einfach mit der Fernbedienung darüber hinweggezappt, hin zu einem Nachrichtensender, wo unten die Eilmeldungen laufen und du ständig neue Werbeblocks aufs Auge gedrückt bekommst.

Nach nur wenigen Augenblicken, bist du schon meschugge und weißt gar nicht mehr, was los ist.
Aber seit dein Opa weiß, dass du so gern den Kinderkanal siehst, findet er diesen Sender ebenfalls gut.

Und dann kam auch noch eine Serie mit Tilda Apfelkern.
Du weißt doch Krümel, die Geschichten aus dem Buch, aus dem mein Fahrer dir manchmal vorliest.

Es ist so schön ruhig, wenn du die Geschichte siehst. Jede der handelnden Personen darin – oder besser wohl die Tiere – sprechen die Sätze in Ruhe aus.

Du kannst folgen und es entsteht eine ruhige und gemütliche Atmosphäre.
„Ach wenn doch Krümel hier bei mir wäre, dann würde ich mit ihr die ganze Zeit ‚Tilda Apfelkern‘ sehen“, seufzte dein Opa.

„Das würde Krümels Mama gerade zulassen, dass sie so lange in den Fernseher schaut“, meinte Oma.

„Ja, das stimmt“, aber wenn ihre Mama nicht da ist, dann machen wir den Fernseher an, Krümel bekommt was zu naschen und wir machen es uns auf der Couch gemütlich.“

„Auch noch zu naschen?“, fragte da Krümels Oma.
„Du glaubst ja wohl nicht im Ernst, dass Laura so etwas duldet!“, schob sie gleich hinterher.

„Dann sagen wir zu Laura das, was Krümel in solchen Momenten immer sagt.“

„Was denn?“, fragt Krümels Oma.
„Na, ‚in Ruuuhe‘…“, meinte mein Fahrer.

Krümel, ich glaub‘ dein Opa träumt sich die Welt zusammen.

Also lassen wir ihn in dem Glauben, während du draußen an der frischen Luft spielst, dann müde nach Hause kommst und deine Mama dir noch eine Geschichte vorliest.

Oder dich vielleicht noch für zehn Minuten den Kinderkanal schauen lässt. Hab‘ viel Spaß dabei, was du auch immer tust.
Dein Jeepy.

ICH BIN EIN SCHREIB-GESELLE

SCHREIB-ALLTAG – (12)

Schreiben kann man lernen, wenn man dranbleibt.

Schreiben ist vor allem eines: Handwerk. Das jedenfalls sagen diejenigen, die damit tagtäglich umgehen.

Klar, ohne Inspiration, ohne einen kreativen Einfall kannst du mit dem Handwerk auch nichts anfangen.
Selbst der Tischler muss eine Idee haben, welchen Stuhl oder Tisch er zimmern will.

Aber selbst bis zu diesem Punkt kannst du dich ‚durchackern‘, wenn dir rein gar nichts einfällt.

Ich schreibe jeden Morgen für 10 Minuten mit dem Bleistift auf dem Papier. Ich überlege dabei nicht, nein, ich schreibe, was mir in den ‚Stift hineinfällt‘.

Das bringt meine Gedankenwelt in Schwung und erst danach gehe ich an meine Tagesaufgaben.
Training ist wichtig: üben, schreiben, üben, lernen, das ist ein wiederkehrender Prozess.

Ist das die Garantie für Erfolg? Überhaupt nicht. Aber ich kann danach sagen, dass ich alles tue, eben in meinen Möglichkeiten alles gebe, um erfolgreich zu sein.

Ich war stets ein guter Redner. Doch reden ist etwas völlig anderes, als wenn ich das Gesagte aufs Papier bringen soll.
Beim Sprechen habe ich ein Gegenüber, ich kann sofort sehen, wie er auf meine Worte reagiert. Ich selbst kann mit Gesten, mit dem Tonfall meine Worte noch besser zur Geltung bringen.

Deshalb lerne ich stets aufs Neue, wie ich meine eigenen Gesten, die Mimik des Gesprächspartners in geschriebene Worte ummünzen kann.

Sicher, ich bin kein Schriftsteller, werde das auch nicht mehr, aber ich bin ein Schreibgeselle, der sein Handwerk ernst nimmt.
Ich übe weiter

ABSTINENZ VOM SPORT

50 KILO (23)

Eine Woche kein Laufband, keine Trizepsmaschine, kein Rückenstrecker... – das kann nicht gut sein.

Ich war über eine Woche nicht im Fitness-Studio. Klara war bei ihrer Mutter, schaute dort nach dem Rechten, und so brauchte ich sie nicht nach Mitte zur Arbeit zu bringen.

Ich merke jetzt, dass ich faul geworden bin, mehr gegessen habe, abends lange den Fernseher anhatte.

In dieser Woche habe ich zum ‚Pfad der Aufrechten‘ zurückgefunden.

Ich gehe wieder ins Fitness-Studio, esse abends weniger und fühle mich gleich besser.

Am Montag, also gestern, war ich wieder kurz vor 6 Uhr auf dem Laufband.

„Wie willst du das bloß heute durchhalten?“, habe ich bei mir gedacht, als ich anfangs so langsam  vor mir dahinschlurfte.

Doch dann wurde ich immer schneller und alles begann sich besser anzufühlen. Allerdings machte sich der Muskelkater ebenfalls nach anderthalb Wochen Nichtstun bemerkbar.

Aber heute, am Dienstag, ja da bin ich wieder drin, und meine gute Laune steigt.

DREI ROSEN FÜR KLARA

WAS DIR WICHTIG IST, DAS ZÄHLT
Eisiger Wind auf dem Bahnhof in Bernau und drei Rosen für die Ankunft von Klara.

Freitagmittag, es ist kalt in der Vorhalle des Bernauer Bahnhofs. Ich sitze auf einer Bank, gefertigt aus Metall. Ich habe das iPhone herausgeholt und schreibe ein wenig zum Zeitvertreib darauf. Die Hände sind klamm.

Es zieht vom Aufgang zum S-Bahnsteig und durch die Haupteingangstür weht ebenfalls kalter Wind herüber.
Klara kommt aus Stralsund zurück. Sie war bei Anna. Sie ist bestimmt froh, dass sie wieder nach Hause kommt und ich bin es auch.

Vor dem Eingang ist auf der rechten Seite ein Blumenladen. Eine ältere Vietnamesin fragt mich, was ich möchte.
„Drei Rosen bitte“, sage ich.

„Grün dazu?“, fragt sie mich noch und ich nicke zustimmend.
Es ist ein kleiner Laden und heute am Valentinstag drängen sich die Leute vor den Blumenregalen. Trotzdem läuft es entspannt ab. Vietnamesische Wortfetzen sind zu hören, ich verstehe nichts, aber meine Verkäuferin spricht ja auch gut deutsch.

„Abschneiden?“, fragt sie mich noch.
„Ja, bitte ein wenig kürzen“, sage ich.

Die Verkäuferin wickelt die Blumen ein, ich bezahle und verlasse den Laden. Nun sitze ich hier auf der Bank und die Fingerkuppen schmerzen vom Schreiben und dem kalten Wind, der durch die Halle weht.

Ich werde mal in den Buchladen gehen, um mir die Hände zu wärmen.

Und in 10 Minuten ist der Zug aus Stralsund da.
Ich freue mich auf Klara, und ich bin gespannt, was sie zu den Rosen sagt.

PLÖTZLICH EIN HERRLICHER TAG

2020.02.13

Hallo Krümel, hier ist Jeepy.
Das war vielleicht ein Tag. Weißt du noch, als wir vorgestern gemeinsam Eis essen waren?

Du hast mich umarmt und ‚Jiiiiipi‘ gerufen, als du mich gesehen hast. Dabei war ich so dreckig und du hast dich trotzdem mit deinem Ski-Anzug an mich herangeschmissen.

Es fing ja damit an, dass du und deine Mama einen Ausflug zu mir und meinem Fahrer ins Dorf gemacht habt, aus der großen Stadt Berlin. Und da musstet ihr eine Weile fahren und laufen. Aber ihr wolltet uns ja unbedingt überraschen.

Und mein Fahrer, dein Opa, war auch sehr erstaunt, als du plötzlich allein vor der Tür gestanden hast.
Es klingelte, dein Opa telefonierte, er unterbrach das Telefonat und ging die Treppen hinunter.

Da stand ein kleines Mädchen und schaute durch die Scheiben. Ja, dein Opa, der hatte wieder eine lange Leitung. Bevor der begriff, dass es sein Krümel war, da vergingen ein paar Sekunden.

Aber dann war die Freude groß. Mein Fahrer ließ sofort alle Stifte fallen, machte den Computer aus und hat mit dir gespielt.
Später fragte er: „Wollen wir Eis essen fahren?“
Und du hast gleich gerufen: „Ja, Eis.“

Also sind wir ins Auto gestiegen, in das Linden-Center nach Hohenschönhausen gefahren. Dort haben wir uns große Eisbecher bestellt.
‚Wir‘ ist hier nicht richtig, nicht ganz jedenfalls. Ich musste ja in der Hochgarage stehen und warten.
Aber es war wohl lustig. Jedenfalls habt ihr ganz schönen Krach gemacht, laut gelacht und ein bisschen gespielt.

Danach sind wir noch Rolltreppe gefahren, weil du das so gern magst.

Schließlich seid ihr wieder alle zu mir ins Auto gestiegen und mein Fahrer hat uns alle nach Hause gesteuert.

Als er bei sich im Dorf war, da sagte er vor sich hin: „Ich habe heute nichts geschafft, aber es war ein herrlicher Tag.“
Das finde ich auch, Krümel. Und ich freue mich, wenn wir das mal wieder mal machen.

Mach’s gut bis dahin.
Dein Jeepy oder wie du mich rufst: ‚Jiiiipi‘

MEHR LESEN: 
https://uwemuellererzaehlt.de/jeepy/

 

50 KILO ABNEHMEN (22)

FITNESS-STUDIO – WIE JEDEN TAG EBEN

 

Mit dem Training anfangen, dafür musst du einiges an Willensstärke und Selbstmotivation aufbringen. 
Zwei Stunden weiter aber bist du zufrieden damit, dass du dich wirklich aufgerafft hast. Es macht dich auch stolz, ein bisschen jedenfalls.

Heute Morgen war ich kurz vor sechs Uhr im Fitness-Studio.
Eine Viertelstunde später habe ich mit dem Training begonnen – erst eine halbe Stunde Laufband, danach waren die einzelnen Geräte dran.

Zweieinhalb Stunden, so gegen halb neun war ich fertig – mit den einzelnen Trainingsstationen und physisch.

Als ich wieder aus der Tür des Studios rausging, da stiegen in mir Glücksgefühle hoch.

Das war mein Lohn für die Anstrengungen.

Morgen dreht sich das Rad von vorn – erst sich überwinden, sich umziehen, einfach beginnen, dann den Ablauf einhalten, sich auch quälen und schließlich mit einem zufriedenen und glücklichen Lächeln aus der Tür gehen.

EIN BÄCKERLADEN – DEN MAN GERN BESUCHT

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Wie ein Gespräch mit dem Verkäufer vom Bäckerladen im Einkaufsmarkt in Basdorf nach dem Fitnesstraining gute Laune machen kann.

Freitag – noch vor der Corona-Krise
Ich war mit Klara nachmittags im großen Einkaufsmarkt von Basdorf. Klara kaufte dort das Brot, ein Heidebrot.

Und ein großes Stück Streuselkuchen. Am Wochenende genehmigten wir uns manchmal so ein Stück, obwohl ich eigentlich weiter an Gewicht verlieren wollte. Ich konnte noch so viel Sport treiben, ohne Reduzierung der Kalorien würde da nichts gehen.

„Bekommt Ihr Mann denn auch etwas von dem Kuchen ab?“, fragte der Verkäufer meine Frau.

„Ach, der isst doch am meisten davon“, antwortete sie prompt.
Ich schämte mich ein wenig. Sie hatte ja recht, aber musste sie das jetzt so sagen, wo ich doch um jedes Gramm weniger kämpfte.

„Dafür fahre ich aber auch jeden Morgen ab 5 Uhr ins Fitness-Studio nach Berlin rein“, verteidigte ich mich.
Der Verkäufer schaute mich prüfend an, ja er taxierte mich geradezu.

Sein Gesichtsausdruck sagte mir: „Ja, mein kleiner Dicker, du bist ganz bestimmt nicht jeden Tag im Fitness-Studio und schon gar nicht so früh – eh‘ du Fitness treibst, motiviere ich vorher eine Kuh zum Seilspringen“

Wir unterhielten uns noch ein wenig und ich erklärte ihm, dass meine Frau sehr früh in ihrer Behörde anfing zu arbeiten und dass wir deshalb das eine mit dem anderen verbanden.

Freitag vor einer Woche
Das Gespräch mit dem Verkäufer eine Woche zuvor ging mir nicht aus dem Kopf.
Klara riss mich jedoch aus meinen Gedanken:

„Holst du heute ein Brot aus dem Einkaufsmarkt, wenn du vom Sport kommst?“
„Na klar“, sagte ich. Vielleicht war ja der Verkäufer vom vergangenen Freitag da, denn dann würde ich ihn noch einmal ansprechen.

Ich rollte aus der Tiefgarage des Fitness-Centers in Mitte, war gut gelaunt wollte nun Klaras Auftrag abarbeiten.
Ich kam zügig voran, war schnell wieder in Basdorf und
stoppte am Einkaufsmarkt. Ich schnappte mir meine Tasche und steuerte zielstrebig auf den Bäcker im vorderen Teil des Gebäudes zu.

Tatsächlich: Der Verkäufer stand wieder hinter der Theke und bediente eine Kundin.

„Was darf’s denn für Sie sein?“, fragte er freundlich die Dame vor mir.
Überhaupt waren alle Mitarbeiter der Bäckerei freundlich, selbst wenn es am Freitagnachmittag voll und damit stressig wurde.

Solange ich wartete, überlegte ich, was ich alles kaufen wollte.
Das Brot schmeckte und der Kuchen auch. Der Streuselkuchen schmeckte sogar so gut, dass ich mit mir kämpfte, was ich tun sollte.

Ich wollte abnehmen und da passte der Kuchen nun gar nicht ins Konzept. Außerdem hatte ich bereits am vergangenen Freitag ‚gesündigt‘.

„Soll ich ein Stück Kuchen vom Bäcker mitbringen, wenn ich das Brot hole?“, hatte ich noch früh auf der Fahrt ins Fitness-Center gefragt.

„Das überlasse ich ganz dir“, antwortete sie.
Jetzt war der schwarze Peter bei mir. Ich konnte also nicht sagen, dass ich eigentlich keinen Kuchen mehr essen wollte, wenn alles aufgegessen war.

„Und was möchten Sie?“, holte der Verkäufer mich aus meinen Gedanken zurück an die Verkaufstheke.
„Ein Brot bitte.“
„Geschnitten?“
„Nein, danke.“
„Sonst noch etwas?“

Ich zögerte.
Doch dann sagte ich den Satz: „Ein Stück Streuselkuchen bitte“.
„Kann es gleich der hier oben sein?“, fragte der Verkäufer zurück.
„Ja, gern“, antwortete ich.

„Erinnern Sie sich eigentlich an unser Gespräch vom letzten Freitag in der vergangenen Woche?“, fragte ich ihn.

Der Verkäufer stutzte, doch dann sagte er: „Ja, Sie sind doch der, der immer um 5 Uhr früh ins Fitness-Center nach Berlin fährt.“
Donnerwetter, dass er sich das gemerkt hatte, dachte ich bei mir.

„Sie haben bestimmt gedacht: Der Dicke hier, kann mir viel erzählen, von wegen Sport, fit und schlank werden, oder?“, sagte ich.
„Um Himmelswillen nein, das habe ich nicht gedacht, sondern nur gestutzt, dass Sie so früh dort reinfahren“, antwortete er.

Ja, das war natürlich schwer zu vermitteln.
Was sollte ich dazu sagen? Dass ich Klara bis ins Zeitungsviertel hineinfuhr, dann wendete und auf das Fitness-Center zurückfuhr? Klara war froh, dass sie morgens nicht in die S-Bahn musste.

Oder dass ich ja auch noch am Tag arbeiten wollte und ich meistens keinen Sport mehr machte, wenn ich mich erst einmal am Schreibtisch festgebissen hatte?

„Ich mach‘ auch viel Sport und achte ebenfalls auf meine Ernährung. Ich habe in den letzten Wochen ein paar Kilo abgenommen, und ich werde wieder mit dem Sport anfangen“, sagte er zu mir.

Hinter mir stand eine Kundin, die schon ungeduldig wurde.
Eine angenehme Unterhaltung, dachte ich und freundliche Leute in dem Team, ja das waren sie.

„Aber wenn Sie morgens vom Sport kommen, dann können Sie doch hier eine Tasse Kaffee trinken“, meinte der Verkäufer noch. Ich überlegte, ob ich das sofort tun sollte, aber ich hatte beide Hände voll und wollte die Sachen nicht mehr ablegen.

„Das mache ich bestimmt mal“, antwortete ich und wandte mich endgültig zum Ausgang.

Bald ist wieder Freitag und Klara hat mich schon gefragt, ob ich ein Brot mitbringen würde, wenn ich aus der Stadt zurückkäme.
„Mach‘ ich“, gab ich zurück.
Ich freu‘ mich drauf.

50 KIL0 ABNEHMEN (21)

WIEDER MAL DIE EIGENEN REGELN GEBROCHEN

Die neue Woche läuft bereits, Montag ist schon vorbei und der Alltag hat mich wieder voll im Griff.

Und trotzdem: Ich hadere noch mit mir, dass ich mich am Wochenende nicht an das gehalten habe, was ich mir selbst an Regeln auferlegt habe.

Samstagabend gab es Wein, Sonntagnachmittag Kuchen – alles Dickmacher. Bereue ich, es getan zu haben?

Ja, weil ich dadurch wieder ein bisschen zugenommen habe.

Und nein, weil ich in dieser Woche wieder alles richtig machen kann und machen werde.

ANNA IST DEMENT (52)

VOM FLUCH DES VERGESSENS

Krümel ist krank und damit muss auch ihre Mama zuhause bleiben. Bisher war Krümel aufgrund ihres Fiebers noch nicht bereit, längere Gespräche oder gar Telefonate zu führen.

„Na, willst du denn mal den Opa am Telefon sprechen“, wurden von ihr kurz und knapp mit „ne“ beantwortet.
Jetzt geht es ihr wieder besser und nun reagiert und agiert sie auch wieder munterer.

„Wollen wir denn mal Uroma Anna anrufen?“, fragte Laura gestern.
„Ja“, sagte Krümel. Laura wählte die Telefonnummer und am anderen erklang die Stimme von Anna.

Dann war es eine Weile am Telefon still. Krümel hatte den Hörer in der Hand, aber sie sprach nicht. Wir kennen das schon, wenn wir mit ihr telefonieren. Ich singe dann einfach „la, la, la“, und Krümel stimmt ein.

Aber hier war es nun anders, Anna wartete darauf, dass sich jemand meldete, und Krümel dachte gar nicht daran auch nur ein Wort zu sagen.

„Ja, wer ist denn da?“, klang es nun schon ärgerlicher. Anna hatte keine Geduld. Sie hatte auf der Couch gelegen und ‚übergeschlafen‘, wie sie sagte.

Und das morgens um 09.00 Uhr. Aber Anna hatte überhaupt in den Vormittagsstunden Schwierigkeiten, sich zu aktivieren und ließ es schon gar nicht zu, wenn andere sie zu etwas überreden wollten.

„Oma ‚Kanna‘?“, fragte Krümel plötzlich. Sie konnte noch nicht Anna sagen.

„Ach du bist es, mein ‚Süssing‘, jetzt erkenne ich dich ja“, sagte Anna nun schon fast fröhlich.

„Wir ‚pielen‘“, sagte Krümel durch das Telefon und meinte, dass ihre Mama und sie am Tisch saßen und Blauklötze stapelten.

„Was macht ihr?“, fragte Anna.
„‘pielen‘“, meinte Krümel erneut.

„Ach weißt du Oma, Krümel ist krank, wir sind gerade zuhause und da dachten wir, dass wir dich mal anrufen“, mischte sich jetzt Laura ein.

„Das verstehe ich nicht“, sagte Anna.
„Was verstehst du nicht?“, hakte Anna nach. Und sie ergänzte: „Oma, Krümel ist krank und ich bin deshalb auch krankgeschrieben.“
„Wer ist Krümel?“, fragte Anna daraufhin.

IANA ERZÄHLT

Die Erste Solistin des Staatsballetts Berlin erzählt in ihrem Buch ‚Iana Salenko – Gespräche mit einer Prima Ballerina‘ zum ersten Mal ausführlich über ihre Kindheit und ihren Traum, eine große Balletttänzerin zu werden.

Das Buch ist als E-Book auf Amazon erschienen:

Hier geht’s zum E-Book

JEEPY (44)

KRÜMEL IST KRANK UND KANN NICHT MIT AN DIE OSTSEE

Hallo Krümel,
hier ist Jeepy – zum letzten Mal vor Weihnachten.
Mein Fahrer war heute ganz traurig.

Zuerst hat er mir mächtig wehgetan, denn er ist in der Tiefgarage vom Fitness-Center an der Wand entlanggeschrammt und hat mein ‚Ohr‘ verletzt.

Ich meine natürlich meinen Seitenspiegel an der Fahrerseite. Der Spiegel ist rausgesprungen und am Lack waren Kratzer zu sehen.
Er sagt, dass er unaufmerksam war.

„Ich bin traurig, weil Krümel krank ist und nicht mit an die Ostsee fahren kann“, hat er zu mir gesagt.

Siehst du Krümel, jetzt sollst du auch noch Schuld daran sein, dass mein Fahrer nicht aufpasst, wo er hinfährt.

Aber heute Abend hat er wieder bessere Laune. Er hat Oma geholfen, den Weihnachtsbaum aufzustellen.

Du wirst Augen machen, wenn du über Silvester hier bist und zum ersten Mal den Baum siehst.

Ich muss ja wieder leider draußen bleiben, unter meinem Carport.
Aber ich freu‘ mich trotzdem, wenn ich dein Juchzen höre und du den Baum anstaunst.

Also bis bald mal Krümel. Jetzt wird ja nichts aus dem Weihnachtssingen mit dir gemeinsam bei mir im Auto.
Wir denken an dich und singen trotzdem.
Dein Jeepy.

SCHREIB-ALLTAG (11)

TRAINING GEHÖRT ZUM SCHREIBEN

Wenn ich auf mein Lieblingsthema, das Schreiben zu sprechen komme, dann stöhnen alle auf. Manche leise, Laura hingegen hörbar: „Ach Papa, nicht schon wieder“, sagt sie dann.

„Kannst du auch mal über etwas Anderes reden?“, schiebt Klara hinterher.

„Nein, kann ich nicht“, antworte ich und bin beleidigt. Logisch.

Dabei will ich nur sagen, wie mühevoll es ist, am Schreiben dranzubleiben, sich jeden Tag wieder neu aufzuschwingen, sich etwas ‚abzuquetschen‘.

Also gehe ich nach diesen Bemerkungen in die innere Emigration, schweige und beteilige mich auch nicht an den Gesprächen der anderen am Tisch.

Und ich hätte so viel darüber mitzuteilen, über das Schreiben.

Zum Beispiel das: Wenn du dich zwingst, wenigstens einmal am Tag für zehn Minuten ein Blatt weißes Papier zu nehmen, einen Bleistift anzuspitzen und einfach drauflos zu fabulieren, dann wirst du sehen, wie es deine Gedanken in Fahrt bringt. Wichtig ist, die Tastatur beiseite zu lassen. Sie stört, ist im Weg beim schnellen Schreiben, im Moment, wo es nicht um formvollendete Sätze ankommt.

„Kann ich noch mal kurz was zum ‚automatischen Schreibtraining‘ sagen?“, frage ich.

„Nein!“, schallt es mir wieder von allen Seiten ins Ohr.

„Na dann eben nicht“, sage ich und fange an mit Krümel Quatsch zu machen. Sie hört mir wenigstens zu.

„Wollen wir singen?“, frage ich sie.

„Ja“, sagt sie und ich beginne, eine Melodie zu brummen.

Das haben die anderen nun davon. Jetzt müssen sie eben das ertragen. Und Krümel gefällt’s. Sie klatscht in die Hände, singt ein klein wenig mit und dreht sich im Kreis.

Das ist noch besser, als über das Schreiben zu reden.

 

 

 

 

50 KILO ABNEHMEN (20)

ES LÄUFT – NUR DER BAUCH, DER MUSS NOCH WEG

Ich habe gestern mein Trainingsprogramm straff durchgezogen. Dabei hat es mich zu Beginn enorm viel Überwindung gekostet.

Besonders wenn ich aus der Umkleidekabine zum Laufband gehe, dann muss ich an einem Spiegel vorbei. Und da sehe ich das Grauen in voller Breite. Der Bauch, den ich im Spiegel erblicke, der ärgert mich.

Wieder habe ich nicht konsequent am Wochenende auf die Diät geachtet.

Also was bleibt? Weitermachen!

Ich stellte mich auf das Laufband und begann meine Füße zu bewegen, einen Fuß vor den anderen. Und ganz allmählich kam ich in Fahrt.

Ich staune immer wieder aufs Neue, wie schnell die Zeit vergeht. Eine halbe Stunde ist schnell rum. Ich glaube, es liegt daran, dass ich viel auf den Fernseher schaue, der direkt vor mir an der Wand aufgehängt ist. Da siehst du Videos von sportlichen Leuten, meine Güte.

Ein paar Jungs springen über Mauern, überwinden Häuserschluchten, rollen federleicht ab, wenn sie unten ankommen und laufen weiter.

„Junge, Junge, bin ich froh, dass ich hier nur laufen muss“, sage ich mir dann in Gedanken und so vergeht die Zeit eben. Plötzlich taucht die Zahl dreißig auf, ich kann auf die Stopptaste drücken, einen Schluck Wasser nehmen und weitergehen – zum Rudern. Naja, da hatte ich gestern auch keine Lust zu.

Was habe ich gemacht?
Ich habe mich auf den Sitz gesetzt, die Schnallen um die Schuhe gelegt, sie festgezurrt, und angefangen zu rudern.

Und so ging es gestern von Station zu Station.
Wird es heute anders sein? Nein, es geht wieder von vorn los.

Ich merke, dass ich allmählich Muskeln bekomme. Nur der Bauch, der muss noch verschwinden.

JEEPY (43)

KAFFEE ALLE

Hallo Krümel,
hier ist Jeepy. Ich habe ja wieder was über meinen Fahrer gehört, das typisch für ihn ist.

Mein Fahrer, also dein Opa, und deine Oma haben dich besucht und du hast dich gefreut, dass sie dich vom Kindergarten abgeholt haben.

Während deine Oma später den Kaffeetisch deckte, hast du mit meinem Fahrer gespielt. Ihr habt bei Euch zuhause in der Küche gesessen.

Mein Fahrer sagte, er hätte auf der linken Seite des Tisches gesessen und du hast dich durch die Stühle hindurch zur rechten Seite hindurchgedrängelt und schließlich hat dir dein Opa noch hochgeholfen.

Anschließend holte dein Opa ein kleines Ponny hervor und führte es mit der Hand über den Tisch.

Dabei hat dein Opa immer ein bisschen gewiehert und er hat gesagt, dass du dem Ponny zuwinken sollst, was du auch emsig getan hast.

An der Tischkante hat mein Fahrer das Ponny fallen lassen, jedenfalls hat er so getan und zu dir gesagt:

„Ruf mal nach dem Ponny.“
„Pooonyyy!“, hast du gerufen und schwupp war es wieder auf dem Tisch.

Schließlich habt ihr alle zusammen Kaffee getrunken.
Mein Fahrer hat mir erzählt, dass du wohl schon ein paar Mal beobachtet hast, dass er stets den letzten Schluck aus der Kanne in seine Tasse gießt.

Das macht man ja nun wirklich nicht und so ist Oma stets böse geworden und hat gesagt: „Der Kaffee ist schon wieder alle. Hast du den letzten Rest bei dir eingegossen.“

Mein Fahrer tut in solchen Momenten so, als würde er schwer hören.

Das sagen ja alle zu ihm, also kann er ja mal tatsächlich nichts gehört haben.

Aber als du deinen Opa dabei beobachtest hast, dass er erneut den Rest des Kaffee‘s aus der Kanne in die Tasse gegossen hat, da hast ihn ganz empört angeschaut und mit deinem kleinen Finger auf die Kanne gezeigt.

„Opa, Kaffee alle!“
Zuerst hat mein Fahrer so getan, als würde er es ebenfalls nicht hören, dann aber musste er laut lachen und du hast trotzdem mit deinem kleinen Finger weiter auf die leere Kanne gezeigt.

„Weißt du Jeepy“, hat mein Fahrer später zu mir gesagt, „Krümel beobachtet alles ganz genau und mir war es ehrlich gesagt sogar ein bisschen peinlich, dass sie mich ertappt hat.

Das werde ich in Zukunft lassen, mir den Rest aus der Kaffeekanne einzugießen, ohne zu fragen.“

Siehst du Krümel, jetzt hast du deinen Opa schon ein wenig miterzogen.

Gut gemacht, lieber Krümel. Mit einer vollen Kaffeetasse auf der Motorhaube grüßt dich dein Jeepy.

EIN KLEINER FRISEURLADEN IN SASSNITZ GANZ GROSS

EIN KLEINER FRISEURLADEN IN SASSNITZ GANZ GROSS

Man sagt, demenzkranke Menschen können nicht mehr so denken, wie es vor ihrer Krankheit der Fall war.
Das ist wohl so. Doch sie können eines, nämlich mit dem Herzen sehen, fühlen, einfach wahrnehmen, ob ein Mensch es gut mit ihnen meint.

Und die Friseurin Ilka in dem kleinen Sassnitzer Friseurladen meinte es gut mit ihr.

Es sind oft nicht die großen Gesten, die uns berühren. Nein, es sind vielmehr die kleinen Dinge, die nur allzu oft im Gewirr des Alltags untergehen.
Umso wichtiger, dass wir auf sie aufmerksam werden, wenn sie uns geradezu in den Schoss fallen.
Gestern war so eine Gelegenheit.

Schwiegermutter hatte einen Termin beim Friseur, in Sassnitz, und nicht gerade um die Ecke für uns. Also ist meine Frau unruhig, ob alles klappt, ihre Mutter den Termin nicht vergisst, pünktlich im Friseurladen erscheint.

Das klingt nach ‚ist doch wohl normal, was ist da schon besonderes dran?‘ Im Prinzip ist das schon richtig. Doch was ist, wenn der Mensch, dem deine Fürsorge gilt, an Demenz erkrankt ist, und du selbst kannst das alles nur aus der Ferne gedanklich begleiten?

Na klar, meine Frau weiß, dass sie sich zu hundert Prozent auf ihren Bruder verlassen kann, der sich um seine Mutter liebevoll kümmert, wenn es sein muss, Tag und Nacht.

Und trotzdem weiss sie, dass jede alltägliche Unterbrechung für demenziell erkrankte Menschen Unruhe mit sich bringt.
An nichts hängen Demenzkranke mehr, als an einem möglichst gleichmäßig verlaufenden Tagesablauf. Jeder noch so kleine Termin bringt Unruhe und Unsicherheit.

Schwiegermutter kam trotz alledem zum geplanten Zeitpunkt im Friseurladen an und wurde gleich freundlich begrüßt.
Sie fühlte sich wohl in der Zeit, in der ihre Haare gewaschen, geschnitten, gefärbt und getrocknet wurden und die Friseurin sich noch mit ihr angeregt unterhielt.

Kurzum: Ilka schnitt und färbte nicht nur die Haare, sie tat mehr, sie betreute Schwiegermutter so, dass es für sie zu einem wirklich aktivierenden und angenehmen Aufenthalt wurde.

Abends schickte die Friseurin noch ein Foto von Schwiegermutter, mit der neuen Frisur.

Wir alle wissen nicht, was aus uns mal wird, wie wir in späteren Jahren zurechtkommen und vielleicht auch auf Hilfe und Fürsorge angewiesen sind.

Deshalb sind es diese kleinen Dinge, die Menschen untereinander brauchen  – Verständnis für den jeweils Anderen, die Empathie, auf ihn individuell einzugehen.

Gerade in der Zeit vor Weihnachten wird viel geredet über Nächstenliebe, Fürsorge, Unterstützung für die Hilfsbedürftigen.

Die Friseurin Ilka hat das einfach getan, ohne groß darüber zu reden, bescheiden und fast unbemerkt von uns.

Deshalb ist der kleine Friseurladen in Sassnitz für uns ganz groß.

Danke Ilka, danke liebes Team.

Die Angehörigen aus Sassnitz, Wandlitz und Berlin.