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ESSEN AUF RÄDERN

Für Anna verlieren Tag und Nacht ihre Unterscheidbarkeit.
Sie kocht nur noch unregelmäßig.

„Guten Morgen, Mutti, wie geht es dir?“, fragte Klara am Telefon.

„Ich verstehe nicht, warum du fragst, denn ich will gerade ins Bett gehen.“

„Mutti, es ist jetzt halb zehn Uhr morgens, und du willst schon wieder ins Bett?“, fragt Klara mit leicht genervter Stimme.

„War denn die Schwester schon da und hat dich gespritzt?“, fragte sie weiter.

„Hier war keiner.“

„Hast du denn schon gefrühstückt?“

„Warum soll ich abends noch was essen?“, antwortete Anna ungerührt.

„Mutti, du musst jetzt wach bleiben, denn es ist jetzt nicht Abend, sondern der Tag beginnt erst.“

„Ach so, warum sagt mir das denn keiner?“

„Ich sag es dir ja jetzt!“, also lies doch ein bisschen Zeitung und löse ein Kreuzworträtsel, das machst du doch gern.“
Klara verabschiedete sich nach einigem hin- und her von Anna.

„Ich glaube, jetzt ist es soweit, dass wir etwas unternehmen müssen“, sagte Klara zu Peter, der an seinem Schreibtisch wieder mal eine neue Planungsvariante ausprobierte.

„Mutti denkt schon morgens, dass der Tag vorbei ist, sie kennt die Uhrzeiten nicht mehr und legt sich bereits wieder ins Bett, wenn die Schwester zum Spritzen da war.“

„Wie können wir das verhindern?“, fragte Peter, ohne von seinem Schreibtisch aufzusehen.

„Ich denke, es ist an der Zeit, dass Anna mehr Betreuung bekommt. Ich werde mal mit der Pflegedienstleitung in Sassnitz sprechen“, sagte Anna.

Und kaum hatte Peter darüber nachgedacht, da telefonierte Klara schon mit dem Pflegedienst.

„Ihre Mutter sollte mit Frühstück und Mittag durch uns versorgt werden“, sagte die Schwester.

„Meinen Sie denn, dass es schon so weit ist?“, fragte Klara mit leichten Zweifeln in der Stimme.

Sie wusste, dass es nicht aufzuhalten war und scheute sich dennoch, Anna ein weiteres Stück ihrer Eigenständigkeit im Alltag zu nehmen.

„Frau Sturm muss regelmäßig essen, damit wir auch regelmäßig die nötigen Medikamente verabreichen können“, erwiderte die Schwester.

Klara wusste, dass die Schwester recht hatte. Und sie war sich mit Lukas und Peter einig, dass etwas passieren musste.

Sie erinnerte sich daran, was ihre Hausärztin zu ihr gesagt hatte:

„Wenn Ihre Mutter sich nicht mehr selbst etwas zu Essen macht, dann rückt die Zeit heran, wo sie ins Pflegeheim muss.“
Klara seufzte und fragte Peter, ob er ihr dabei half, alles schriftlich vorzubereiten.

„Was bleibt mir übrig?“, brummte der und machte sich daran, den Pflegedienst offiziell anzuschreiben.

Wenige Tage später rief Klara Anna an.
„Mutti, wie schmeckt dir denn das Essen, das du mittags bekommst?“
„Ach, das ist wunderbar, dass die Schwester mir das Essen vorbeibringt.“

„Was hattest du denn heute Mittag?“, fragte Klara.
„Heute Mittag? Das habe ich vergessen. Aber es war schön, dass die Schwester da war.“

VOM BEGINN DES ERZÄHLENS ÜBER ANNAS DEMENZ UND ÜBER DIE FAMILIE, DIE UM ANNA HERUM WAR

2021.01.21

 2017 an einem Sonntag.

Klara sass an ihrem Schreibtisch und rechnete. Sie tat das, was sie gar nicht mochte – die Buchhaltung auf Vordermann bringen.

Und wenn sie damit fertig war, dann nahm die Unzufriedenheit bei ihr zu – die Zahlen stimmten zwar, aber sie waren im Minus, wie immer.

„Kommt da nächste Woche noch was rein?“, rief sie laut.
Nebenan saß Peter und murmelte etwas Unverständliches. Er lebte vom Schreiben.

Besser: Er dachte noch, dass er es eines Tages konnte. Dabei würde er nächstes Jahr in Rente gehen.

„Ein Artikel ist noch offen“, antwortet Peter.
„Was, mehr nicht?“ Klaras Stimme klang enttäuscht.
„Morgen klemm‘ ich mich ans Telefon.“

Klara schwieg und Peter sagte auch lieber nichts.
Sie konnten sich so freuen, denn sie würden bald Oma und Opa werden. Laura, ihre Tochter bekam im Herbst ihr erstes Kind, wahrscheinlich ein Mädchen.

Peter hatte sich immer eine Enkelin gewünscht. Dann könnte er mit ihr das nachholen, was er bei Laura nicht konnte, sich Zeit nehmen, Geschichten erzählen, einfach Quatsch machen.

Doch da war noch eine andere Sache, die alles überlagerte. Anna, die Mutter von Klara war dement.

VON DER SCHWIERIGKEIT, ANNAS KRANKHEIT IM ALLTAG ZU AKZEPTIEREN
„Ich gehe morgen zur Diamantenen Hochzeit“, sagte Anna zu Klara am Telefon.

„Mutti, schau doch einfach auf den Kalender – Charly und Berta haben doch erst nächste Woche ihren Hochzeitstag.“

Anna schwieg. Sie wohnte in Stralsund und ihre Tochter in der Nähe von Berlin. Abends, jeden Abend, rief Anna an.

Halb sieben, dann klingelte das Telefon. Peter sagte dann: „Das betreute Wohnen ist dran.“

Klara erwiderte darauf nichts. Doch es war ein Stich, der ihr ins Herz ging. Peter wusste das, und er hatte sich vorgenommen, es nicht mehr zu sagen.

Aber die Verführung war zu groß, zu sticheln und sich so zu wehren gegen die Anrufe, die nun schon über Jahre geführt wurden und nicht Substanzielles an Gesprächsinhalten mit sich brachten. Peter wusste, dass es selbst dumm war, so zu denken.

Doch seine Gefühle übermannten ihn in dem Moment. Nun war es anders. Schwiegermutter vergaß sehr viel. Sie verstand die Spitzen von Peter nicht mehr.

Gerade waren sie in Stralsund angekommen. Sie waren im Hafen an der Mole entlang gegangen in Richtung der Fahrgastschiffe. „Ich liebe Stralsund, meine Heimat“, sagte Anna ohne ersichtlichen Grund.

„Na, dann sind wir ja froh, dass wenigstens einer seine Heimat liebt“, erwiderte Peter bissig. Als würde die anderen nicht Stralsund lieben.
Klara warf ihm einen unmissverständlichen Blick zu. Peter stimmte trotzdem ein Lied an aus alten Zeiten an: „Unsere Heimat …“

Klara schäumte. Plötzlich stimmte Anna in das Lied mit ein.
Peter war geschockt. Was Spott sein sollte, das nahm Anna mit als Liebeserklärung an ihre Stadt.

„Ich darf das nicht mehr tun, ich muss mich anders verhalten. Anna ist dement“, dachte Peter und bekam ein schlechtes Gewissen, dass er Klara nicht mehr unterstützte.

Abends rief Anna an. Laura ging ran und sagte: „Hallo Omi!“ Am anderen Ende kam keine Antwort. Sie zögerte. „Wieso ist Laura dort? Die wohnt doch in Berlin?“

Anna brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass Laura zu Besuch war.

Ihr Koordinatensystem war durcheinandergebracht. „Wo ist denn dein Freund? Ist der nicht mit?“ Jetzt hatte Anna offensichtlich wieder den Durchblick.

PETERS FLUCHT IN DIE SCHORFHEIDE
Sonntagmorgen. Peter war in Richtung Schorfheide gefahren. Er liebte die Gegend. Kurz vor dem Ort, von wo aus er starten wollte, bog er nach links ab.

Er blieb mit dem Auto oben stehen, stieg aus und holte die Stöcke für Nordic Walking aus dem Kofferraum. Peter blickte aufs Wasser und bekam sofort gute Laune.

Die Sonne schien, es war ruhig, der Kiefernwald duftete. Neben ihm lag ein Plastiksack, den offensichtlich Leute dorthin verfrachtet hatten. Peter ärgerte sich.

Früher hätte er sich nicht darüber aufgeregt, jetzt aber schon. Er verstand nicht, dass manche Menschen so faul waren und den Müll nicht ordentlich entsorgten.

Peter legte die Schlaufen von den Stöcken an und lief los. Man müsste eher sagen, er latschte los. Er brauchte immer ein bisschen, bis er auf Betriebstemperatur war. Ihm entgegen kam ein Fahrradfahrer in kurzen Hosen und kurzem Hemd. Der starrte ihn an.

„Guten Tag!“ Peter grüßte jeden, wenn er jemanden traf.
Auf dem Fluss war ein Motorengeräusch zu hören. Er sah flussaufwärts ein Boot, dass langsam näherkam. Die Maschinen stampften.

Peter liebte diese Geräusche. Er kannte sie aus seiner Kindheit vom Schweriner See. Dort hatte er gern zugeschaut, wenn die großen Boote am Steg festmachten.

Am liebsten mochte er in einen Schuppen gehen, in dem ein Boot lag und ein wenig schaukelte und er konnte vom Rand aus auf das Boot steigen.

Das hatte was, auch wenn ihm die Boote nicht gehörten. Das Boot war an ihm vorbeigefahren, während er am Ufer entlanglief und mit den Stöcken in das Gras stieß und kleine Löcher hinterließ.

Hinten auf dem Deck des Bootes, das unten auf dem Wasser an ihm vorbeituckerte, lümmelten sich auf dem Deck ein Mann und eine Frau und ließen die Arme über die Bordwand hängen.

„Haben die es gut“, dachte Peter. Doch dann kam ihm in den Sinn, was alles zu tun wäre, wenn das Boot am Steg festgemacht hatte. Es gab immer etwas zu wischen, der Bootsmotor musste gewartet werden.

Peter erinnerte sich an den Schweriner See zurück und wie ihn sein Vater gepiesackt hatte, damit das Boot und der Motor zu Wasser gelassen werden konnten.

Und dabei handelte es sich nur um den „Delphin“, ein Boot, das von einer PVC-Haut überzogen wurde. Peter seufzte und war froh, dass er lediglich vom Ufer aus die vorbeituckernden Boote beobachten durfte und nichts mit der Arbeit an Bord zu tun hatte.

Für ihn war das Luxus, dass er am Tag einmal laufen konnte. Am Alltag lief er meist schon morgens, halb sechs, wenn er Klara zum Bahnhof gefahren hatte. Peter kehrte um.

Auf dem Rückweg konnte er besser auf das Wasser schauen und freute sich an der Ruhe, die ihn umgab. Am Auto zurück angekommen lag nun der schönste Moment vor ihm: Die Hecktür öffnen, sich in den Laderaum schwingen, Wasser trinken, die Beine baumeln lassen und ein wenig herumhängen.

Schließlich fuhr Peter zurück. Das Autotelefon klingelte. Laura war dran. „Wo steckst du?“

„Warum?“ „Ich bin auf dem Weg zu euch.“ Peter freute sich. Seine Tochter kam nur noch selten aus Berlin zu ihnen.

LAURA WAR ZU BESUCH
Peter rief Klara an: „Ich fahr‘ gleich durch zum Bahnhof und hole Laura ab.“

„Ist gut!“, erwiderte Laura. Jetzt kam Leben in die Bude. Die Regionalbahn lief in den Bahnhof ein, kurz nachdem Peter angekommen war.

Er fuhr mit Laura zurück. Laura stieg am Haus aus dem Auto und Peter kurbelte das Lenkrad herum, damit er in den Carport einparken konnte.

Die Sonne blendete ihn und er konnte nicht erkennen, ob zu beiden außenstehenden Pfosten genügend Platz wäre. Peter sah es nicht genau und fuhr trotzdem rückwärts in den Carport.

Es knirschte. Der Mercedes hatte am linken Pfosten angedockt. Peter war sauer. Der Schmutzfänger war ein Stück abgerissen. Peter ging nie zum Arzt, nur wenn es gar nicht mehr ging. Doch für Bobby tat er alles.

Bobby, das war kein Mensch und es war kein Hund. Es war sein Auto, das er nun schon das 14. Jahr fuhr. „Ich muss mit Bobby morgen in die Werkstatt. Und ich habe keinen Hunger mehr, ihr müsst ohne mich essen“. Für Peter war der Tag gelaufen.

Klara hatte noch einmal bei Anna angerufen. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter nun vielleicht durcheinander war, weil Laura am Telefon nicht richtig aufgeklärt hatte, dass sie unverhofft aus Berlin zu Besuch gekommen war.

Es war für keinen leicht, mit der Demenz von Anna umzugehen. Nicht für Klara, für Peter nicht und auch nicht für Laura.

„Du musst mit Oma gehirngerecht kommunizieren.“
„Papa, was ist das für ein Quatsch“, protestierte Laura.

„Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Was ich damit sagen will: Oma kann nicht mehrere Informationen gleichzeitig verarbeiten. Das verwirrt sie.“

„Was meinst du?“, fragte Laura.
„Nun, du gehst an unser Telefon.

Für Oma müsste jetzt Mama am Hörer sein. Stattdessen hört sie deine Stimme. Für sie wohnst du in Berlin und bist jetzt auch in Berlin.

Wir wiederum sind für sie da, wo sie jetzt anruft. Also solltest du erst einmal sagen, dass du bei uns spontan zu Besuch bist.“

„Spontan zu Besuch?“, fragte Laura dazwischen. „Das versteht sie doch erst recht nicht.“

„Aber stell dir vor, du würdest die Informationen per Rohrpost versenden – ein Satz folgt auf den anderen, und sie gehen alle in die gleiche Richtung.

Da kannst du ja auch nicht mit dem letzten Satz anfangen, sondern du schiebst den ersten Satz zuerst durch.“

„Na gut Papa, das ist mir zu blöd.“
Peter schwieg. Er war eben auch nicht trainiert auf die Kommunikation mit demenzkranken Menschen.

„Oma kann nicht mehrere Informationen gleichzeitig verarbeiten. Das verwirrt sie…Aber stell dir vor, du würdest die Informationen per Rohrpost versenden – ein Satz folgt auf den anderen, und sie gehen alle in die gleiche Richtung. Da kannst du ja auch nicht mit dem letzten Satz anfangen, sondern du schiebst den ersten Satz zuerst durch.“

 

 

KRÜMELS KAUFLADEN

WAS BISHER WAR:
Klara und Peter waren wieder im Alltag angekommen.
Klara setzte sich am Montag, dem ersten Wochentag nach Neujahr, pünktlich um sechs Uhr an ihren Computer und begann mit der Arbeit.
Peter war nicht mit aufgestanden. Er schreckte hoch, als draußen der LKW vorfuhr und die Biotonnen entleert wurden.
Peter stand nun doch auf, torkelte ins Bad und beschloss, das neue Jahr erst mit der folgenden Woche zu beginnen.

Freitagmittag. Klara und Peter holten Krümel aus der Kita ab. Peter hatte vorher noch geübt, wie seine Enkelin hinten auf dem neuen Kindersitz angeschnallt werden musste. Er hatte dazu den großen Elefanten aus dem Kinderzimmer geholt und ihn auf dem Sitz festgeschnallt.

Er brauchte eine Weile, bis es ihm wirklich gelang. Vorher musste er sich noch bei Laura telefonischen Rat holen.
Es klappte schließlich. Als alle wieder im Dorf angekommen waren, spielte Peter noch mit Krümel auf dem Fußboden im Wohnzimmer.

Peter hatte die kleinen Autos alle in einer Reihe aufgestellt.
Davor befanden sich die Hunde, die der Serie ‚Paw-Patrol‘ nachempfunden waren.

„Das hier ist jetzt der Chef“, sagte Peter und zeigte auf den Hund, der eigentlich Marshall hieß.
Aber Peter hatte den Namen schon wieder vergessen.

„Wie heißt der eigentlich noch?“, fragte Peter und blickte Krümel an.
„‘Maarche‘“, sagte Krümel.
„Wie? Maarche‘“, versuchte Peter Krümel nachzuahmen.

„Opa, ‚Maaarcheee‘!“
„Marche?“, Peter verstand Krümel nicht.

„Nein“, rief sie, schmiss sich auf den Bauch und warf wütend zwei der anderen Hunde auf den Boden.
„Heißt er Maaarcheee?“, fragte Peter noch einmal. Er hatte die Stimme nach oben gezogen, das ‚a‘ so lange wie nur möglich gedehnt und bekam nun beim Sprechen keine Luft mehr.

„Ja“, sagte Krümel und war zufrieden.
Erst am nächsten Tag erfuhr Peter, dass der Hund ‚Marshall‘ hieß.

Aber bis dahin verging ja noch eine Weile und Peter musste sich mächtig anstrengen, um nicht wieder bei Krümel unangenehm mit der falschen Aussprache aufzufallen.

Also dehnte er die Buchstaben, sang fast und kam damit so einigermaßen durch die strenge Prüfung bei der Namensnennung von Hund ‚Marshall‘ durch.

Am Samstagmorgen ging die Spielparty weiter. Sie begann bereits gegen halb vier Uhr.

Krümel war putzmunter, lag zwischen Peter und Klara im Bett und flüsterte Klara ins Ohr:

„Opa schnarcht, lass uns runtergehen und Frühstück machen, ja?“
Fünf Uhr saßen alle am Frühstückstisch. Krümel plapperte munter drauflos, während Peter noch versuchte zu verstehen, warum er an einem Samstag fünf Uhr morgens in der Küche saß.

„Opa, komm‘, wir ‚pielen‘ einkaufen“, drängelte Krümel eine halbe Stunde später.
Peter begab sich mit Krümel wieder nach oben, in Klaras Zimmer, wo der ‚Kaufladen‘ aufgebaut war.

Damit hatte bereits Lauras Mama gespielt und Klara hatte ihn zu Weihnachten wieder neu hergerichtet, viele kleine schöne Verkaufsprodukte in die Regale gelegt und eine Kasse hinzugestellt.

Mit einem speziellen Gerät konnten die entsprechenden Produkte eingescannt werden und es piepte sogar, wenn Krümel es an die Waren hielt.

Krümel schnappte sich als erstes das Mikrophon und schrie etwas hinein, sodass Peter nun endgültig munter war. Krümel musste es beim Einkaufen so erlebt haben.

„Was möchten Sie kaufen?“, fragte Krümel.
„Ich möchte die Bananen hier.“
„Die können Sie nicht bekommen.“

„Warum nicht?“
„Die sind für meine Party“, sagte Krümel und tanzte wie zur Bestätigung ein wenig auf Ihrem Platz.

„Dann geben Sie mir die Weintrauben“, sagte Peter.
„Die sind trocken“, sagte Krümel.

„Und jetzt?“, fragte Peter.
„Jetzt ist der Laden zu“, sagte Krümel nun.
„Ich geh‘ schlafen“, sagte sie und zog mit ihren kleinen Händchen ein nicht vorhandenes Rollo herunter.

„Das ist ja wie zu DDR-Zeiten“, brummte nun Peter.
Das Spiel wiederholte sich noch ein paar Mal und beide hatten viel Spaß daran, auch wenn sich Peter wieder lieber ins Bett gelegt hätte.

FÜR PETER BEGANN DAS NEUE JAHR, WIE DAS ALTE JAHR AUFGEHÖRT HATTE – MIT NICHTSTUN

ANNA

WAS BISHER WAR:
Neujahr war vorüber und Peter hatte sich darüber gefreut, dass er mit Klara einen ruhigen Silvesterabend verbringen konnte. 

Das alles hatte zwischendurch die Züge einer Trauerfeier
angenommen, aber aufkommende Depressionen wurden mit ‚Rotkäppchen-halbtrocken‘ niedergerungen.

Klara gratulierte am nächsten Tag Anna und die bedankte sich artig, obwohl Klara den Gedanken nicht loswurde, dass Anna gar nicht den Unterschied zwischen 2020 und 2021 ausmachen konnte.

Neujahrsmorgen. Peter und Klara saßen beim Frühstück. Peter referierte darüber, was er alles Großartiges in 2021 leisten wollte, während Klara dabei die Augenbrauen hochzog und tief seufzte.

Nach dem Frühstück schob auch Peter die Gedanken an schweißtreibende Leistungsstunden weit von sich, schmiss sich auf die Couch, fuhr die Beinauflage hoch.

Er fühlte sich wie in der Kommandozentrale, als er die Fernbedienungen in die Hand nahm und sich einen Film in Netflix aussuchte.

Noch konnte er frei entscheiden. Also durchsuchte er schnell die Thriller, in denen es um Drogen, Serienkiller und Kriegsfilme ging.
Peter liebte es vor allem, sich Filme anzuschauen, die vom Einsatz der Navy Seals handelten.

Er war dann mittendrin im Geschehen. Und während die Spezialkräfte im Film einen Berg hochschnauften überlegte Peter, ob er sich mal auf die andere Seite der Couch bewegen sollte.

„Das ist doch jetzt nicht dein Ernst“, ertönte Klaras Stimme hinter seinem Rücken.

„Mein voller Ernst. Bist du etwa schon in der Küche fertig?“
„Du bist so faul, dass du immer runder wirst“, sagte Klara jetzt.

„Geh laufen!“, sagte sie noch.
„Ja, mach ich, aber nicht mehr heute. Da müssen Vorbereitungen getroffen werden, mit den Stöcken und so.“

Peter schaute unentwegt in den Fernseher, wo die Spannung zum Greifen war.

„Dann schalte jetzt wenigstens den Fernseher um“, sagte Klara.
Peter tat so, als hätte er nichts gehört. Er konnte nicht verstehen, dass Klara so unsensibel war.

Schließlich griff er doch zur Fernbedienung auf schaltete auf „Bares für Rares“ um.

Der Moderator betörte gerade mit seiner tiefen Stimme eine Frau, die Mitte 70 Jahre alt war.
„Gundula, du siehst bezaubernd aus“, hörte Peter noch, während er sich schnell weiter durch die Programme klickte.

„Was willst du denn sehen?“, fragte er Klara, während er sich unbeirrt weiter durch das Programm surfte.

„Na, das eben war doch nicht schlecht“, begehrte jetzt Klara auf.
„Schlecht war das nicht, nur mir wird schlecht, wenn ich es weiter ansehen muss.“

„Dann mach bitte ‚Bettys Diagnose‘ an.
Peter atmete tief durch. Er klickte in der Mediathek die Serie an, legte die Fernbedienung auf den Tisch und erhob sich, um schweren Herzens an seinen Schreibtisch zu gehen.

„Wieso bleibst du nicht unten?“, fragte Klara ihn.
„Ich kann mir das nicht leisten, den ganzen Tag Serien zu schauen“, sagte Peter.

„Ach, und deine Kriegsfilme zählen nicht dazu?“
„Nein, das ist Geschichte, Politik, Weiterbildung, einfach den Blick schärfen für die Welt, wie sie wirklich ist“, sagte Peter nun kurz angebunden.

„Die Hauptsache, du erzählst später nicht diesen Quatsch, wenn Krümel bei uns ist“, sagte Klara.

„Nein, die werde ich für ‚Western‘ begeistern und dann schauen wir unentwegt ‚Winnetou‘, vom ersten bis zum letzten Teil und dann wieder von vorn.“

„Das werden wir ja sehen“, antwortete Klara.

„Wahrscheinlich werden wir die Filme nicht sehen, weil du dagegen bist“, brummte Peter leise, während er sich die Treppe zum Schreibtisch hochschleppte und sich seine Laune mit jeder Stufe, die er erklomm, verschlechterte.

ANNA IST DEMENT

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WIESO IST MORGEN EIN NEUES JAHR?

Der letzte Tag im alten Jahr schien so zu enden, wie viele der vorhergehenden Tage – ruhig, still, ohne größere Aufregung.
Im Fernsehen liefen am Silvestertag die üblichen Unterhaltungsshows. Peter klickte gelangweilt zwischen den einzelnen Sendern hin- und her.

„Kannst du mal bei einem Sender bleiben?“, fragte Klara ihn.

„Natürlich“, sagte Peter und schaltete auf ein Programm, indem es um die alten Pharaonen ging.

Klara mochte diese wissenschaftlichen Sendungen, angefüllt mit den zahlreichen Kommentaren der Archäologen und anderen Experten.

„Ich geh mal für einen Moment hoch ins Arbeitszimmer und hole mir was zum Schreiben runter.“

„Untersteh dich“, fauchte Klara wütend.
„Am Silvesterabend!“
Peter gab sich geschlagen.

„Gut, dann schalte ich zurück zur Helene-Fischer-Show.“
„Was du nur an der findest“, sagte Klara nun.
„Es ist ihre Klugheit, die sie ausstrahlt“, antwortete Peter und konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen.

Er drehte die Lautstärke auf und summte wie zur Provokation das Lied mit: „Atemlos durch die Nacht…“

„Ich ruf mal meine Mutter an“, sagte Klara, während sie sich erhob.
Peter nickte und brummte weiter das Lied aus dem Fernsehen mit.

Er klickte weiter und landete beim Nachrichtensender, auf dem ununterbrochen ein Nachrichtenband, mit der Anzahl der Neuinfizierten und den aktuellen Todesfällen.

Peter legte die Fernbedienung beiseite und ging in die Küche, um eine Sektflasche zu öffnen, vielleicht kam ja so mehr die Stimmung von Silvester auf. Peter hörte, wie Klara mit Anna sprach.

„Morgen beginnt ein neues Jahr, Mutti.“
„Ein neues Jahr? Wieso das denn?“

Peter wandte sich der Sektflasche zu.

Manches würde hoffentlich besser werden, aber eben nicht alles, dachte er, während er am Sektkorken herumfummelte und Klara versuchte, Anna zu erklären, warum nach Mitternacht das neue Jahr 2021 anbrechen würde.

ANNA FREUT SICH, WENN AUCH NUR FÜR EINEN KLEINEN MOMENT

Es war am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages.
Heiligabend hatten Klara und Peter allein verbracht. Es war ruhig, aber beide genossen die Stille, die Ruhe, die der Tag mit sich brachte.
Dabei ging es die Jahre zuvor stets turbulent zu.

„Weißt du noch, wie schön es war, wenn deine Oma alle zu sich in die kleine Wohnung eingeladen hat?“

Klara erinnerte sich sehr lebhaft daran, wie sie mit Peter zu ihrer Oma, Heide Richter, in die kleine Stralsunder Wohnung kamen.

Es war beengt, wenn alle im Wohnzimmer Platz genommen hatten und der Tisch mit einer zusätzlichen Decke abgedeckt war. Darunter verbargen sich die Geschenke, mit denen Oma Heide jedem im Raum eine kleine Freude machen wollte.

Laura war noch klein und sauste im Zimmer hin- und her. Klaras Vater, Wilhelm Sturm, hockte mitunter schlecht gelaunt in der Ecke des Raumes.

Er hasste es, am Heiligabend durch die Gegend zu laufen. Er wollte zuhause sitzen, bei einem Glas Wermut und um sich herum seine Frau und seine Kinder.

Peter mochte es, bei Oma Heide zu sitzen, ihren Kuchen zu essen, einen Apfelstrudel, der nur ihr so einzigartig gelang.

„Ja, das war immer schön“, antwortete Klara jetzt.
Doch nun waren sie morgens im Wohnzimmer allein. Die Lichter am Baum leuchteten, die Geschenke am Boden davor waren ungeöffnet.

Krümel kam erst am 2. Weihnachtstag. Und so lag alles noch unberührt da. Im Fernsehen lief eine Reportage über die Lofoten. Die Idylle, die Atmosphäre, die der Schnee in dem Film in das Wohnzimmer trug, die hatte etwas Beruhigendes.

Nach dem Frühstück griff Peter zum Telefon.
„Ich ruf mal deine Mutter an und werde ihr ein frohes Weihnachtsfest wünschen.“

Klara nickte und Peter wählte die Telefonnummer von Anna.
„Sturm“, ertönte Annas Stimme, lustlos und verschlafen.

Wahrscheinlich hatte sich Anna schon wieder auf die Couch gelegt, nachdem die Schwester zum Spritzen dagewesen war.
„Ich wünsche dir ein frohes Weihnachtsfest.“

„Ja, danke, Peter“, sagte Anna. Ihre Stimme klang so, als hätte sie gar nicht verstanden, dass es überhaupt um das Weihnachtsfest ging.
Peter versuchte Anna ein wenig aufzumuntern.

„Wir hatten heute geräucherte Gänsebrust zum Frühstück, nichts Besonderes. Aber erinnerst du dich, wie Wilhelm zu DDR-Zeiten darum gekämpft hat, die Gänsebrust zum Fest heranzubekommen?“

„Ja“, seufzte Anna. Es war eine Weile still am Telefon. Anna schien sich zu erinnern.

„Ach, das war schön Peter. Wenn ihr alle am Tisch gesessen habt und wir haben uns zu dem Essen gefreut, das so gut schmeckte.“

Peter hatte es geschafft, Anna aus ihrem mentalen Loch zu holen und sie für einen Moment zum Lachen zu bringen.

„Es ist so traurig“, sagte Klara, als Peter den Telefonhörer wieder aufgelegt hatte.

„Schon, aber es ist sehr schön, dass deine Mutter einen kleinen Moment der Freude hatte, während wir die Erinnerungen an früher ausgetauscht haben. Wir können traurig sein, wir können uns aber auch freuen – über diesen Moment eben. Das ist auch Leben.“
Klara schwieg eine Weile.

„Du hast recht“, sagte sie dann und wählte die Telefonnummer von Laura und Krümel.

„Hallo Omi, ich ‚pomme‘ zu euch, morgen.“
Klara musste lachen. „Soll Opa dir was vorsingen?“

„Ja, ‚Tannebaum‘“, sagte Krümel.
Klara gab Peter den Hörer und der legte sofort los.

„Oh Tannenbaum, wie grün sind deine Blätter…“
„‘Blääter‘“, wiederholte Krümel mit leiser Stimme.

Klara schmunzelte.

DER WEIHNACHTSBAUM IST DIESES JAHR KLEINER – PASST IN DIE ZEIT

ANNA IST DEMENT (91)

Peter litt unter der Corona-Zeit wie jeder in diesem Land.
Und wenn er mit etwas nicht so gut umgehen konnte, dann baute er sich eine Brücke, Erklärungs- und Motivationsmodelle, mit ich denen er sich durch den Alltag mogelte.

„Mensch, dieses Jahr feiern wir in kleinem Kreis. Die Besuchszeiten von Krümel und Laura sind stark eingegrenzt, da brauchen wir uns doch jetzt keinen Stress machen, oder?“, fragte er Klara.

Klara schwieg. Sie gab keine Antwort. Nein, die Antwort stand für sie fest, sie war auf jeden Fall für ‚oder‘.

‚Oder‘ hieß: also doch in die Discounter, rein in die Kaufhäuser, am letzten Tag, vor dem Lockdown.

Peter hatte noch am Montag den Weihnachtsbaum besorgt, weil er nicht wusste, ob diese Märkte auch schließen würden.

Als er beim Händler ankam, da sagte der zu ihm: „Ich kenn‘ Sie. Sie waren letztes Jahr schon hier.“

„Ja“, entgegnete Peter freudig.
„Ich brauche einen Weihnachtsbaum, diesmal nicht so groß.“

Der Verkäufer nickte und zog einen kleinen Baum aus dem Gewühl.
„Hier, der ist gut“, sagte er. Peter drehte ihn um und schaute auf die Rückseite. Da war er ein bisschen dünn, was die Zweige anbetraf. Aber vorn, ja da war er in Ordnung.

„Der ist es“, meinte Peter, so als hätte er seinen Baum aus dem vergangenen Jahr wiedererkannt.

„In Ordnung, macht 30 Euro.“
Peter bezahlte, verabschiedete sich, schleppte den Baum zum Auto und wuchtete ihn über die
geöffnete Kofferklappe und die umgeklappten Rücksitze ins Wageninnere.

Er fuhr schnurstracks nach Hause, hievte den Baum wieder aus dem Auto und schleppte ihn auf die Terrasse, stellte ihn ab und ging anschließend ins Haus hinein.

Peter setzte sich wortlos an seinen Schreibtisch.
„Und, wo ist der Baum?“, ertönte es aus dem Nebenzimmer.

„Hier, neben meinem Schreibtisch“, antwortete er.
„Willst du mich veräppeln?“ Klara war aufgesprungen und zu ihm hinübergekommen.

„Na, wo soll er wohl sein? Auf der Terrasse, wo sonst, wie immer.“
„Kann ich ihn vom Fenster aus betrachten?“, fragte Klara.

„Das kann ich dir nicht sagen!“, antwortete Peter schnoddrig.
„Von meinem Fenster auf jeden Fall nicht, denn ich muss weiterarbeiten und kann jetzt nicht aufstehen“, setzte Peter noch nach.

„Du bist so ein Macho!“, sagte Klara jetzt.
‚Macho, hatte sie Macho gesagt?‘, dachte Peter.
War er es nicht, der vom Schreibtisch aufgesprungen war, um zum Händler zu eilen? Hatte er sich nicht mit dem Baum bis nach Hause gequält?

„Das finde ich jetzt aber nicht schön, dass du das sagst.“
Klara antwortete nicht. Sie war die Treppe hinuntergegangen, um den Baum aus nächster Nähe zu begutachten.
Peter ging hinterher.

„Der ist aber klein. Hatten die keinen größeren?“
Peter schnaubte innerlich. Gerade hatte sie ihm in der vergangenen Woche noch morgens um fünf Uhr am Bahnhof gesagt, bevor sie aus dem Auto stieg, um ihren Zug erreichen:

„Du, wenn du einen Weihnachtsbaum kaufst, dann nicht so groß. So, diese Größe reicht“, meinte sie und reckte ihre rechte Hand in Richtung Brusthöhe.

„Ich will heute keinen Baum kaufen, das steht nicht auf meinem Plan“, meinte Peter.

„Ach, ich dachte ja nur“, sagte Klara nun leicht eingeschnappt.
Peter hasste es, wenn Klara ihn morgens mit irgendetwas überfiel, was sie abends nicht besprochen hatten und was deshalb auch nicht in seiner Planung berücksichtigt worden war.

Gerade die unliebsamen Dinge, die brauchten für ihn eine Gewöhnungsphase, in der er sich damit abfand, wieder etwas zu tun, wozu er nun überhaupt keine Lust verspürte.

Ja gut, wenn sein neues iPhone geliefert würde, ja, da könnte er schon mal eine Ausnahme machen. Aber Weihnachtsbaum kaufen? Auf keinen Fall.

Und nun hatte er den Weihnachtsbaum gekauft, auch noch in der Größe und Klara zeigte keine Regung der Dankbarkeit.

„Der ist genauso groß, wie du es mit deiner rechten Hand vor ein paar Tagen angezeigt hattest. Erinnerst du dich?“
Klara antwortete erst gar nicht.

„Und wieviel hat der gekostet?“, fragte sie stattdessen.
„30 Euro.“

„Was, das ist nicht dein Ernst!“

„Der Verkäufer hat auf mich nicht den Eindruck gemacht, dass er mit mir scherzen wollte“, sagte Peter.

Dabei war ihm auch aufgefallen, dass er ein Jahr zuvor einen viel größeren Baum für nur 20 Euro vom gleichen Verkäufer erstanden hatte.

Und er hatte sich noch mit ihm gestritten.
„Ich denke, jede Nordmanntanne kostet nur 10 Euro?“, fragte er den Verkäufer.

„Ja, aber nur bis zu einer bestimmten Größe. Und der hier, der ist definitiv größer.“

Das leuchtete Peter damals ein. Aber in diesem Jahr war der Baum ja wesentlich kleiner und kostete dafür gleich noch 10 Euro mehr.
Peter wollte sich nicht streiten.

Im vergangenen Jahr hatte der Verkäufer ihm auch noch geholfen, den Baum zum Auto zu bringen.

Diesmal machte der überhaupt keine Anstalten.
Und nun stichelte Klara: „Da hast du dich ja mal wieder grandios über den Tisch ziehen lassen.“

Peter war sauer. Er drehte sich auf der Stelle um und ging zurück an seinen Schreibtisch.

Als er eine Weile dort gesessen hatte und merkte, dass er sich nicht konzentrieren konnte, polterte er die Treppenstufen hinunter, ging ins Wohnzimmer und stellte den Fernseher an.

Es lief ‚Monk‘, sein Lieblingsfilm. Monk brauchte Ordnung, Verlässlichkeit, Struktur.

Der Film gefiel ihm. Peter legte die Beine auf die Couch und schlief ein, während Detektiv Monk ermittelte.
Weihnachten konnte kommen.

 

 

DER ALBTRAUM

Was bisher war:
Peter und Klara hatten Laura und Krümel zu sich eingeladen. Es war ein Wochenende mit Lachen, verstreuten Spielzeugen auf dem Fußboden, Plätzchen backen, Geschenken vom Nikolaus am Samstagmorgen. Es war wieder still geworden.

Der Morgen am Montag, an dem klar war, dass es zum harten Lockdown kommen würde, fühlte sich irgendwie nicht ganz so normal an, wie an den anderen Tagen zum Wochenbeginn.

Das Scheppern der Bio-Tonnen, die entleert wurden und das heulende Motorengeräusch des großen Sattelschleppers durchbrachen diese Stille.

Es war unheimlich und faszinierend zugleich. Der Morgen erwachte, die Sonne kam langsam durch, die Straße vor Peters Haus war weiß, wie mit Puderzucker übersät. Überall brannte die Weihnachtsbeleuchtung und es war, als würde man direkt neben dem Märchenwald wohnen.

Peter liebte die Stille morgens, wenn er sich sehr früh an seine Arbeit machte und schnell vorwärtskam.

Aber dieses Mal war alles etwas ungewöhnlich für ihn. Er dachte an die Pressekonferenz am Vortag der Ärzte aus Leipzig, die sagten, dass die Krankenhäuser kurz vor dem Kollaps stünden.

„Jeder kann sterben“, beschwor einer der Mediziner seine Zuhörer.
Peter fühlte keine Angst, aber es kam ein ungutes Gefühl in ihm hoch, eine imaginäre Kraft, die ihn zu paralysieren schien, wenn er nur an die kommenden Wochen und Monate dachte.

Dabei störte es ihn nicht, dass es Silvester keine Böllerkonzerte geben sollte, oder dass er nicht reisen durfte.

Ihm machte etwas anderes Angst. Er sah sich in einem Intensivbett, wie Ärzte und Pflegekräfte um ihn herumstanden und fluchten, dass er so schwer sei und sie Mühe hatten, ihn auf das Bett zu hieven.

Er solle liegenbleiben und nicht laufend mit den Ärzten diskutieren, Widerworte gegen das anmelden, was die Schwestern ihm sagten.
Peter schreckte hoch und war froh, dass es nur ein Tagtraum war.

Ein paar Tage später. Peter stand vom Schreibtischstuhl auf und hatte sich nach unten geschlichen. Im Nebenzimmer saß Klara und arbeitete an ihrem Laptop.

Peter wollte nicht, dass sie ihn fragte: „Gehst du schon wieder nach unten?“

Schließlich hatte er vor kurzem gelesen, dass sich ein ehemaliger amerikanischer Präsident in seinen Schreibpausen ebenfalls ins Wohnzimmer begab, um sich irgendwelche Comedy-Serien anzusehen.

Da konnte er das doch auch tun.
„Das ist richtig, nur, dass bei dir längst nicht so viel herauskommt, wenn du am Schreibtisch sitzt“, würde Klara sagen und Peter wäre beleidigt, obwohl er wusste, dass sie recht hatte.

Peter schob diese Gedanken beiseite und schaltete den Fernseher ein. Er war auf dem Nachrichtenkanal gelandet.

‚Europäische Arzneimittelagentur lässt Impfstoff zu…‘

‚Na endlich‘, brummte Peter, obwohl ihm schon klar war, dass es eigentlich rasend schnell gegangen war, im Vergleich zu normalen Zeiten, wo Medikamente geprüft und zugelassen wurden.
Peters Albtraum am Tag löste sich langsam auf und verschwand aus seinen trüben Gedanken.

Weihnachten konnte kommen.

 

ICH KOMM‘ EUCH BESUCHEN

Was bisher war:
Krümel ist gerade mal drei Jahre alt geworden, aber wenn sich ihr Besuch bei Klara und Peter ankündigt, dann ist es, als würde ein Staatsoberhaupt vorbeischauen.
Die Initiative  zum Besuch geht dabei oft nicht von ihrer Mama aus, sondern von Peter und Klara.
Sie versuchten zwar, den Kontakt auf ein Minimum zu beschränken, denn sie wollten auf keinen Fall, dass sich irgendjemand mit Covid-19 infizierte. Aber irgendwann wurde die Sehnsucht so groß, dass sie es doch in Erwägung zogen.

„Du, was meinst du, wollt ihr am Wochenende zu uns kommen?“, fragte Klara ihre Tochter Laura am Telefon.

„Hm, mal sehen“, antwortete Laura unbestimmt. Sie wollte sich nicht festlegen.

„Überlass‘ das ruhig mir zu fragen, ob wir Krümel am Wochenende bei uns haben.“

Peter nickte stumm, obwohl er schlecht mit diesem „mal sehen, vielleicht, ja, kann sein“, umgehen konnte.

Deshalb klingelte Peter einen Tag später bei Laura durch.
„Du, ich plane gerade meine Arbeiten am Wochenende. Soll ich euch am Freitagabend oder am Samstagvormittag abholen?

Wenn ihr Freitagabend schon kommt, dann können wir am Samstagmorgen schön gemeinsam frühstücken und Krümel kann auf ihrer neuen Bank in der Küche sitzen“, sagte Peter.

Laura schwieg am Telefon.

„Was ist denn jetzt?“, drängelte Peter erneut.
„Papa, ich kann dir noch nicht sagen, wann ich genau am Freitagabend aus der Kita komme und dann habe ich auch noch Essen bestellt.“

„Was für Essen?“
„Papa, davon verstehst du nichts.“

Ja, Peter merkte, dass er wohl doch einer anderen Generation angehörte.

Essen bestellen war schick, mit einem Kaffeebecher aus dem Haus gehen, das war auch ‚in‘.

Peter konnte nur staunen, wie die Nachbarin morgens aus dem Haus kam, einen Kaffeebehälter in der Hand hielt, in der anderen das Smartphone und zum Auto stakte, als müsse sie eine Modenschau absolvieren.

Da blieb Peter lieber bei seinen Trainingshosen und zog sich eine schicke Jacke über, sodass nur noch wenig von der Hose zu sehen war. Den Kaffee trank er drinnen und das Essen kochte Klara oder Peter aß trockene Haferkleie.

Nicht weil er zu faul war, sich etwas zu essen zu machen. Nein, den Gedanken wies er strikt von sich.

Vielmehr  war er auch auf der Höhe der Zeit. Er nannte das Ganze einen „Tag mit Intervallfasten.“

„Also was ist jetzt, Freitagabend oder Samstagfrüh?“, ließ Peter nicht locker.

„Wir können das gern Freitag machen“, sagte Laura nun zögerlich.
„Pass auf, ich hol‘ dich gegen neunzehn Uhr ab, dann hast du bestimmt das Essen aus der Gulaschkanone bekommen.“

„Papa, das ist Fastfood“, sagte Laura.
„Ich freu` mich auf Freitag“, antwortete Peter, ohne auf Lauras Bemerkung einzugehen.

„Gib‘ mir noch mal Krümel.“
„Opiiii“, rief Krümel ins Telefon.

„Hallo meine Süße, soll ich dir ‚Kommt ein Vogel geflogen‘ vorsingen?“
„Nein!“

Krümel war gnadenlos. Was sie nicht wollte, das sagte sie direkt. Peter musste lachen.

Er fand es schön, dass die Kleine das sagte, was sie fühlte, direkt und ohne ‚Girlanden‘ an den Worten.

„Opaaa?“
„Ja, Krümel?“

„Ich komm‘ euch ‚besuuuchennn‘! Holt Oma mich ab, mit ‚Jiiiipii‘?“

„Vielleicht kommt sie auch mit“, sagte Peter, obwohl er schon wusste, dass Klara wahrscheinlich zuhause das Abendbrot in der Zeit vorbereiten würden.

„‘Supi‘“, sagte Krümel.

Peter stutzte, wo Krümel wohl das Wort herhatte.
Er kam nicht mehr dazu, sie zu fragen. Sie hatte bereits aufgelegt.

HOMEOFFICE IN STAINWOTZ

Was bisher war:
Klara war wieder Zuhause, in Stainwotz. Sie konnte in ihrem eigenen Bett schlafen und Anna stand tagsüber nicht hinter ihr, um sie zu fragen, was sie gerade in der Küche machte und warum sie es tat. Sie dachte an den nächsten Tag, Montag, denn da hatte sie die Alltagsmühle wieder

Klara kam kaum dazu durchzuatmen.
Sie war sonntags aus Stralsund gekommen und musste sich am Montag wieder in ihren Arbeitsalltag reinfinden. Sie hatte Glück, denn montags und donnerstags waren die Tage, an denen sie im Homeoffice arbeiten konnte.

„Kommst du klar?“, fragte Peter sie, als er gegen sechs Uhr bei ihr ins Zimmer schaute.

„Ja“, sagte sie knapp, ohne aufzuschauen.
„Kannst du mal die Tür ranmachen?“, fragte Klara ihn noch.

„Von mir aus“; antwortete Peter und zog die Tür beleidigt ran.
Als würde er so einen Lärm machen.

‚Das hab‘ ich nun davon, wenn ich mal fürsorglich geben will‘, dachte er, ging in sein eigenes Arbeitszimmer, entfernte mit dem linken Fuß schwungvoll den Türstopper am Boden und machte die Tür ebenfalls zu.

‚Jetzt soll sie mal bloß nicht kommen und fragen, ob ich mal rüberkommen kann, um ihr wieder zu zeigen, wie sie sich anmelden müsste.

Noch dazu mit einem Gesicht, als würde der Laptop in Flammen aufgegangen sein und Peter sollte in dem Moment sofort aufspringen und hinübereilen, nein, das fällt aus‘, dachte er noch, während er schaute, was er als erstes erledigen wollte.

Peter hatte sich in seine Arbeit vertieft, als es plötzlich leise klopfte.
„Ja bitte“, brummte er.

„Kannst du mal rüberkommen, es ist was passiert?“, fragte Klara vorsichtig.

„Was ist denn passiert? Sitzt unter deinem Tisch ein Waschbär und hat deine Stromleitung angenagt?“, fragte Peter, ohne Anstalten zu machen, den Sessel auch nur einen Millimeter nach hinten zu rücken.

„Jetzt hab‘ dich doch nicht so“, versuchte Klara es mit einschmeichelnder Stimme.

„Eben noch hast du gesagt, ich soll dich nicht stören, und dich und den Waschbären in Ruhe lassen.“

„Nun hör doch mal mit dem Quatsch auf, ich brauch‘ deine Hilfe, ich weiß nicht, warum ich mich nicht anmelden kann“, sagte Klara nun in einem recht ungeduldigen Tonfall.“

Peter erhob sich, widerwillig zwar, aber er konnte ja Klara nicht einfach hängen lassen.

Wenn sie mit der Arbeit im Homeoffice begann, war sie wie ausgewechselt. Sie fing pünktlich morgens um sechs Uhr an, und wenn Peter reinschaute, so hatte er das Gefühl, dass er gerade die Vorstandsvorsitzende bei einem wichtigen Meeting störte.

„Siehst du das? Ich versteh das nicht“, jammerte Klara nun.
„Du verstehst also nicht, was du gerade siehst“, fing Peter an, sie zu schulmeistern.

„Ja, genau. Es ist, als würdest du vor der Waschmaschine stehen und sie nicht angeschaltet bekommen. Da schaust auch drauf und willst es einfach nicht verstehen.“

„Du kannst gern deinen Fehler allein beheben“, sagte Peter und wandte sich schon wieder zur Tür.

„Nun lass dich doch nicht so lange bitten“, sagte Klara.
„Dann musst du deinen Platz räumen. Ich muss direkt davorsitzen, um zu wissen, worum es sich handelt.“

Klara verdrehte die Augen, stand auf und Peter setzte sich auf ihren Stuhl.

„So, was haben wir denn da? Oh, oh.“

„Was oh, oh?“, Klaras Stimme klang ängstlich.
Peter antwortete nicht. Er hatte ja gar keine Antwort. Im Gegenteil, er fischte genauso im Trüben wie Klara, nur dass er es sich nicht anmerken ließ.

Stattdessen klickte er mal auf den einen Button, dann auf einen Link und plötzlich war alles verschwunden.

„Was hast du denn nun gemacht?“
„Wir müssen den Laptop ausschalten“, sagte Peter. Das war seine nächste Geheimwaffe, erst mal alles ausschalten und dann weitersehen.

Und tatsächlich, als die Startseite wiedererschien, das wusste er auch, auf welchen Button er klicken musste.

„So, jetzt kannst du dich wieder anmelden“, sagte Peter.
„Ach, das ist aber schön. Steh‘ schnell auf, damit nicht wieder alles verschwindet.“

Klara drängelte ihn fast vom Stuhl herunter, so aufgeregt war sie.
„Hab‘ ich sehr gern gemacht!“ Peter ging enttäuscht darüber, dass nicht einmal ein Zeichen der Anerkennung von Klara kam, schnell zur Tür.

„Wie hast du das eigentlich angestellt?“, fragte Klara ihn nun doch.
„Der Laptop merkt einfach, dass ich ihn morgens um diese Zeit noch nicht drängeln will“, antwortete Peter, ohne sich noch einmal umzudrehen.

„Ich drängle‘ doch nicht.“
„Nein, du setzt nur alle um dich herum unter Strom. Wahrscheinlich kann ich heute Nachmittag als kleines Dankeschön zum Discounter fahren, und ich darf draußen warten.“

„Das stimmt doch gar nicht, du kannst ja mit reinkommen“, antwortete Klara.

„Das wird ja immer schlimmer.“ Peter saß schon wieder in seinem Sessel.

„Kannst du mal deine Tür zumachen?“, fragte Klara.
„Ja, und ich schließ‘ sie von innen ab und steck‘ mir Ohrenstöpsel rein“, sagte Peter.

„Das ist aber nicht nötig, denn du brauchst ohnehin bald ein Hörgerät.“

Peter entgegnete nichts mehr. Auf jeden Fall war er nun munter.

STAINWOTZ – KLARA KOMMT ZUHAUSE AN

Was bisher war:
Klara kam auf dem Bahnhof in Bernau an. Sie war froh, wieder in ihr kleines Dorf fahren zu können. Peter stand auf dem Bahnsteig. Der ICE aus Stralsund sollte auf Gleis 4 einfahren. Er hatte extra die Jeans aus dem Kleiderschrank gekramt, obwohl er am liebsten in Trainingshosen umherging.

Der Zug lief pünktlich in den Bahnhof ein. Die Bremsen der ankommenden Waggons quietschten und aus dem Lautsprecher ertönte die Stimme, die die Ankunft des ICE aus Stralsund ansagte und zugleich die Weiterfahrt nach Berlin-Hauptbahnhof in wenigen Minuten bekanntgab.

Peter hatte in den Jahren einen guten Blick dafür entwickelt, aus welchem Waggon Klara aussteigen würde.
Er stand ziemlich genau auf der Höhe des Bahnsteigs, auf der Klaras Waggon einlaufen würde. Als der Zug hielt und die Tür aufging, stand Klara unmittelbar vor ihm.

Peter ging einen Schritt auf Klara zu, als sie aus dem Zug stieg. Klara strahlte und Peter drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Er war ein wenig verlegen, denn er war es auch nach Jahrzehnten nicht gewohnt, sie in der Öffentlichkeit zu küssen, weil er seine Gefühle nicht so offen zeigen wollte.

„Oh, du hast dich ja so herausgeputzt“, sagte Klara als erstes und zeigte auf Peters Jeans und seine Winterjacke. Sie hatte sich längst daran gewöhnt, dass er am Alltag in Jogginghosen umherspazierte und eine Trainingsjacke überwarf, sodass nie so richtig klar war, ob er zum Nordic Walking oder in die Post gehen wollte.

„Wie war’s?“, fragte Peter, während er Klaras dicken Koffer hinter sich herzog.
„Ach, es ist schön, wieder hier zu sein“, seufzte sie ausweichend.

Dabei war es Klara gar nicht leichtgefallen, als Peter sie vor knapp 30 Jahren in den kleinen Ort Stainwotz gelockt hatte.
Sie wäre lieber in Stralsund geblieben, aber Peter hatte ein kleines Haus gekauft, besser eine Doppelhaushälfte und wollte dann auch seine Familie nachholen.
Aber jetzt, nach so vielen Jahren, da hatte sich Klara an das Dorf gewöhnt.

Inzwischen sprachen Peter und Klara aber immer mal wieder davon, aus Stainwotz wegzuziehen, zurück nach Stralsund. Aber was würde dann aus Laura und Krümel werden? Sie könnten sie nicht mehr so oft sehen.

Das kam für sie deshalb nicht wirklich in Frage. Sie wollten sehen, wie ihre Enkelin aufwuchs und es genießen, wenn sie am Wochenende ab und zu bei ihnen war.

Peter hatte das Auto auf dem Bahnhofsvorplatz geparkt. Er verstaute Klaras Koffer, beide stiegen ein und Peter steuerte das Auto in Richtung Stainwotz.

„Mutti hat mich jeden Tag gefragt, ob du auch genug zu essen hast“, sagte Klara, während Peter durch Bernau fuhr.
Peter mochte Anna und Anna mochte ihn. Sie hatten nie ein böses Wort miteinander gewechselt, obwohl Peter mit seinem schrägen Humor oftmals bitterböse Blicke von Klara erntete, während er mit Anna sprach.

„Das ist doch schön, deine Mutter weiß, wie schnell ich an Gewicht verliere“, antwortete Peter, ohne es selbst tatsächlich ernst zu meinen.
„Aber das nervt, denn sie fragt das nicht nur einmal, sondern mehrfach am Tag.“

„Ach, ich find‘ das schön“, sagte Peter und wusste, dass Klara darauf gar nicht eingehen würde.

„Und, hast du was geschafft?“, fragte Klara, während sie am Kreisverkehr Richtung Stainwotz angekommen waren.

„Ja, ein bisschen“, antwortete Peter einsilbig.
Was sollte er ihr auch sagen? Dass er gar keine so richtige Lust hatte zu arbeiten, während er Zuhause alleine war, und stattdessen lieber vor dem Fernseher saß, um durchgeknallte Thriller zu sehen oder die unzähligen Diskussionen und Berichte um die Präsidentschaftswahl in den USA verfolgte?

Es war tatsächlich ein Phänomen für ihn, dass er eigentlich weniger schaffte, wenn Klara nicht da war.
Und dass er jammerte, dass er nie richtig Zeit hätte, alles zu schaffen, wenn Klara Zuhause war.

„Ich denke, nächstes Jahr wird ein gutes Umsatzjahr“, versuchte er abzulenken.
„Was hast du denn an neuen Kunden in den letzten Tagen akquiriert“, ließ Klara nicht locker.
Sie war wie die Piranhas, diese räuberische Fische aus den tropischen Gewässern in Südamerika, die sich mit ihren scharfen Zähnen an einem festbissen und nicht losließen, bis sie genügend Fleischstücke vom Opfer für sich gekapert hatten.

So stellte sich es Peter jedenfalls vor, wenn Klara nachfragte.
„Ich habe die ganze Sache erst einmal neu strukturiert. Ich muss inhaltlich schauen, wo die Sache hingeht“, sagte Peter ausweichend.

„Ich denke, du weißt, wo die Reise hingeht. Also konntest du doch mit ganzer Kraft in den letzten Tagen akquirieren, oder nicht“, setzte Klara erneut nach.

„Weißt du, du kannst einen schon nerven mit deinen Fragen“, sagte Peter nun.

„Ich frage dich doch auch nicht ununterbrochen, wie es um deine Arbeit steht“, sagte Peter in etwas schärferem Ton.

„Ich bekomme jeden Monat mein Gehalt. Und du sagst, dass du noch so unendlich viel verdienen willst“, entgegnete Klara ungerührt.
„Unendlich viel? Das soll ich gesagt haben? Niemals!“, versuchte Peter sich zu wehren.

„Du musst jetzt mal einen Augenblick still sein, denn ich muss mich jetzt konzentrieren“, sagte Peter nun knapp.
Beide sagten kein Wort mehr, bis sie den Carport erreicht hatten und Klara ausstieg.

KLARA FREUTE SICH WIEDER AUF ZUHAUSE

Was bisher war:
Klara hatte den Kleiderschrank aufgeräumt, gegen Annas energischen Widerstand, sie hatte für Anna die Unterwäsche gewaschen, die Fenster geputzt und ihre Haare geschnitten, gefärbt und trockengeföhnt. Anna sah danach zufrieden aus. Der Tag der Abreise war herangerückt. Klara war schwer ums Herz, ihre Mutter wieder für einige Zeit alleinzulassen. Wer weiß, wann sie wieder aufgrund der strengen Kontaktbeschränkungen nach Stralsund fahren konnte.

Klara saß im Zug und war auf der Rückfahrt von Stralsund nach Hause. Sie war erleichtert, dass sie bald wieder in ihrem eigenen Bett schlafen konnte.

Ihr fehlte, dass Peter neben ihr lag und sie ihn anstoßen musste, weil er mal wieder im Schlaf sprach oder entsetzlich laut schnarchte. Sie hätte nie geglaubt, dass ihr das mal fehlen würde.

Aber jetzt, wo sie drei Tage mit Anna zusammen gewesen war, da sehnte sie sich zurück nach ihren eigenen vier Wänden, nach ihren Problemen und sie freute sich darauf, Krümel wiederzusehen.
Sie bedrückte die Tatsache, dass Lukas sich nun wieder allein um Anna kümmern musste.

Klara blieb nur, am Tag vormittags anzurufen und ihre Mutter dazu zu bringen, von der Couch aufzustehen und sich etwas essen zu machen.

Der Zug fuhr in den Bahnhof von Greifswald ein. Klara schaute gedankenverloren auf den faßt menschenleeren Bahnsteig. Nur eine Frau mühte sich mit einem Koffer ab, den sie hinter sich herzog und mit gehetztem Blick auf die Nummern der Waggons schaute.

Es war trüb an diesem Tag. Genauso trüb wie die Gedanken, die Klara beschlichen. Sie musste sich eigentlich keine allzu großen Sorgen machen, denn es war alles klar geregelt.

Lukas kümmerte sich vor Ort um Anna, Klara hielt die Verbindung zu Lukas und Peter erledigte im Hintergrund den gesamten schriftlichen Kram, der für Anna anfiel.

Und trotzdem: Die Corona-Pandemie, das November-Wetter und die Sorgen um ihre Mutter, all das führte dazu, dass es Klara schwer ums Herz war.

„Mensch, freu‘ dich doch, dass du jetzt im Homeoffice für zwei Tage in der Woche arbeiten kannst“, versuchte Peter sie stets aufzumuntern. Dabei hatte er selbst nie daran geglaubt, dass Klara das alles in den Griff bekam.

Aber Klara hatte sich den Laptop besorgt, einen weiteren Monitor, damit sie besser auf ihre abgelegten Dokumente schauen konnte. Und sie hatten gerade einen neuen Schreibtischstuhl zusammengeschraubt, damit Klara besser sitzen konnte.
Wenn Klara daran dachte, musste sie schmunzeln.

Peter lobte sie zwar für ihre Disziplin während ihrer Arbeit, aber der konnte sich nicht mehr so frei bewegen, einfach mal für eine Stunde am Fernseher sitzen und Zeit vertrödeln, um abends umso mehr zu stöhnen, dass er zu nichts kam.

„Das alles ist Leben, und es gibt kein anderes“, sagte Peter zu ihr.
Es stimmte, was er sagte, aber das Gefühl von Hilflosigkeit, das blieb trotzdem.
Der Zug hatte Eberswalde erreicht.

‚Peter wird wohl jetzt schon auf dem Bahnsteig stehen und das tun, was er am liebsten tat, nämlich die Leute beobachten‘, dachte Klara jetzt.

‚Ob er wohl diesmal nicht in der Trainingshose auf dem Bahnsteig stand und sich stattdessen eine Jeans übergezogen hatte?‘, fragte sie sich.

Immerhin war ja Sonntag.
Aber sicher war sie sich bei Peter da nicht.

 

ICH HAB‘ KEINE KIRSCHRINGE

Was bisher war:
Klara will Anna dabei zu helfen, ihren Kleiderschrank aufzuräumen. Aber die hält davon gar nichts. Klara versucht deshalb Anna dazu zu bewegen, Kaffee aufzusetzen, damit sie den Rücken frei hat, um in der Zeit die Kleider und die Unterwäsche von Anna zu ordnen – die Sommersachen in die linke Hälfte des Schrankes zu bugsieren, um die rechte Seite für die aktuellen Wintersachen freizubekommen.

Anna fährt mit den Händen ununterbrochen an ihrem Rock herunter, so als gelte es, ihn unentwegt glatt zu streichen. Ihre Augen wandern unruhig von Klara zum Kleiderschrank und von da aus zum Bett, wo die Sommerkleider liegen.

„Wo kommen die denn jetzt alle auf einmal her?“
„Aus dem Schrank, Mutti. Aus dem Schrank!“

Klara presste die Worte durch die fast geschlossenen Lippen und warf den Wintermantel auf das Bett, direkt auf die Sommerkleider.

Als sie den Fehler bemerkte, riss sie den Mantel wieder hoch und knallte ihn mitsamt Bügel in die rechte Seite des Schrankes. Sie verfehlte die Kleiderstange und der Mantel rutschte mitsamt Kleid polternd auf den Boden des Schrankes.

Klara kämpfte mit den Tränen und drehte sich abrupt von Anna weg, ging an ihr vorbei in die Küche und fing an, die Kaffeemaschine mit Wasser aufzufüllen.

„Was machst du jetzt?“, fragte Anna.
„Mutti, ich nehm‘ ein Wasserbad in der Kaffeemaschine.“

Anna schaute sie an und ihre Augen blickten wirr auf Klara, auf die Kaffeemaschine und wieder auf Klara.

„Aber das kann ich doch machen. Du hättest doch nur ein Wort sagen müssen.“

„Hab‘ ich, Mutti, hab‘ ich.“
Klara ärgerte sich, dass sie sich nicht besser im Griff hatte.
Sie wusste, dass sie nicht die Beherrschung verlieren durfte, auch wenn es noch so schwer war.

Doch ihr Herz quoll über von Traurigkeit, wenn sie sah, wie Anna allmählich den geistigen Halt verlor, selbst in den kleinsten Dingen nicht mehr folgen konnte.

„Mutti, du kannst ja schon mal die Kirschringe auspacken, die sind in meiner Tasche.

„Kirschringe? Wieso hab‘ ich Kirschringe? Ich hab‘ keine Kirschringe.“

Klara nahm wortlos das Kuchenpaket aus ihrer Tasche, packte den Kuchen aus, holte die Kuchenteller aus dem Schrank und legte für jeden ein Stück darauf.

Anna schaute Klara zu.

„Das ist aber ein schöner Kuchen. Die hab‘ ich wohl vom Bäcker geholt.“
Anna entgegnete darauf nichts.

WAS WILLST DU AN MEINEM KLEIDERSCHRANK?

Was bisher war:
Klara war kaum in Stralsund bei Anna angekommen, da würde sie am liebsten wieder nach Hause fahren.

Klara war zum Weinen zumute. Sie wäre am liebsten gleich mit dem Gepäck die Treppen hinuntergelaufen, ohne sich auch nur einmal umzuschauen.

Aber das konnte sie nicht tun, und sie wollte es auch nicht. Doch sie konnte auch nichts gegen ihre Gefühlsregungen tun, gegen ihre Verzweiflung, ihre Niedergeschlagenheit.

Lukas war bereits wieder gegangen. Er war froh, dass Klara ihn für ein paar Tage entlastete und er sich nicht permanent um Anna kümmern musste, so wie er es sonst täglich tat.

Klara gab sich einen Ruck, stand mit Schwung auf und ging geradewegs ins Schlafzimmer, wo sich Annas Kleiderschrank befand, vollgestopft mit Sachen, die dringend aufgeräumt und sortiert werden mussten.

„Was willst du da?“, fragte Anna und stand direkt hinter Klara, sodass sie sich kaum bewegen konnte, ohne nicht gleich aufs dahinterstehende Bett zu fallen.

„Mutti, wir werden jetzt mal deinen gesamten Kleiderschrank durchschauen und vor allem die Sommerbekleidung aussortieren. Die hängen wir dann nach nebenan, damit wir besser an deine Winterkleider herankönnen.“

„Dazu brauch‘ ich dich doch nicht“, empörte sich Anna. Aber Klara antwortete nicht mehr, sondern schmiss in hohem Schwung die Sommerkleider, die sie aus dem Schrank genommen hatte, auf das Bett.

„Wo kommen die denn auf einmal her?“, fragte Anna.
„Die suche ich schon sehr lange“, fügte sie noch an.
„Mutti, die hingen hier ganz friedlich in deinem Kleiderschrank. Verstehst du jetzt, dass es gut ist, dass ich hier einmal alles durchschaue?“

„Aber wieso hast du jetzt die Kleider aus dem Schrank genommen?“
„Weil wir sie jetzt hier auf der linken Seite des Schrankes unterbringen.

Siehst du hier?“, fragte Klara und schob die linke Tür des Kleiderschrankes auf.

„Hm“, machte Anna und schaute immer noch misstrauisch darauf, was Klara tat.
„Ach und hier ist ja deine Unterwäsche“, sagte Klara jetzt zu ihrer Mutter.

Lukas hatte Klara gefragt, ob sie nicht mal schauen könnte, wo die Slips alle hingekommen waren.

„Mutti jammert mir die Ohren voll, dass sie nicht mehr ihre Unterwäsche finden würde, und ich möchte da nicht in ihren Sachen herumwühlen und auf ihre Slips stoßen“, hatte er zu Klara noch im Auto gesagt.

Klara hatte nur genickt und nun, wo sie den Schrank durchsah, da fiel ihr wieder ein, worum Lukas sie gebeten hatte.
Sie nahm das Bündel, das unten im Schrank versteckt war, heraus.

„Die müssen alle gewaschen werden“, sagte Klara.
„Ja, das mach‘ ich mal“, antwortete Anna.

„Wir machen das zusammen, und zwar gleich“, sagte Klara. Ihre Stimme klang schärfer, als sie es selber wollte.

Klara ging ins Bad, um die Waschmaschine für die Wäsche vorzubereiten.

Anna eilte hinter ihr und brummte etwas, was Klara nicht verstand.
„Mutti, es jetzt halb drei, was hältst du davon, wenn du uns Kaffee machst und wir gleich erst einmal gemütlich zusammensitzen können?“

„Aber ich habe doch gar keinen Kuchen“, sagte Anna in einem Tonfall, der verzweifelt klang.

„Ich habe Kirschringe vom Bäcker mitgebracht, die essen wir zum Kaffee.“

„Wo kommen die denn auf einmal her?“
„Mitgebracht, Mutti!“, Klara hatte nicht mehr die Kraft, in einem ganzen Satz zu antworten.

SCHWESTER ERIKA WAR NOCH NICHT HIER

Was bisher war:
Anna war völlig davon überrascht, dass ihre Tochter unverhofft vor ihrer Tür stand.
Sie konnte sich nicht sofort freuen, weil sie es erst einmal geistig verarbeiten musste.
Überhaupt litt Annas Gefühlswelt stark unter ihrer Demenz.
Klara war voller Tatendrang, doch sie spürte, dass es nicht einfach werden würde mit Anna, für ein paar Tage auf engstem Raum zu sein.

„Jetzt sag‘ mir doch mal, warum ich nichts davon weiß, dass du hier in der Tür stehst“, sagte Anna mit einem vorwurfsvollen Unterton zu Klara.

„Mutti, wenn ich dir vorher auch nur ein Wort gesagt hätte, du hättest mich mit Fragen gelöchert, immer und immer wieder.“

„Ich?“

„Also, das gibt’s doch nicht, dass du das zu mir sagst“, erwiderte Anna. Sie schien tatsächlich gekränkt zu sein.

„Mutti, freu‘ dich doch, dass ich jetzt hier bin und lass uns ein paar schöne Tage zusammen haben“, schlug Klara in versöhnlichem Ton vor.

„Ja, ich freu‘ mich ja.“

„Wie lange bleibst du überhaupt?“, fragte Anna.

„Bis Sonntag. Mittags fahre ich wieder, Mutti.“

„Aha. Dann muss ich ja die Betten beziehen, damit du in frischer Wäsche schlafen kannst, sagte Anna und lief geschäftig ins Schlafzimmer.

„Nein, Mutti, das brauchst du nicht.“
„Warum nicht?“
„Weil ich bei Lukas schlafe“, antwortete Klara knapp.
„Bei Lukas? Wieso bei dem?“

Annas Stimme bekam einen leicht abfälligen Ton, obwohl sie von ihrem Sohn sprach.

„Weil du deine Ruhe nachts brauchst, und ich auch“, meinte Klara jetzt.

„Und wieso haben wir die nicht?“, ließ Anna nicht locker.
„Weil du nachts vor dich hinsprichst, laut bist und einfach vor dich hin brabbelst, Mutti.“
„Das ist ja wohl die Höhe.“ Anna wurde nun böse. Früher hätte sie das gar nicht gekonnt, jemandem böse zu sein. Das war einfach nicht ihre Art. Aber Annas Wesen hatte sich verändert.

„Mutti, ich möchte nicht mit dir darüber streiten. Lukas und ich haben das so besprochen. Und so machen wir das auch.“

Klara klang energisch.
„Und wie lange bleibst du?“
„Das habe ich dir gerade gesagt, Mutti. Bis Sonntag.“
„Wieso hast du mir das gerade gesagt? Das stimmt doch gar nicht.“
„Wann fährst du denn jetzt wieder ab?“

Klara antwortete darauf nicht, sondern ging in die Küche, um nach dem Rechten zu sehen.
Sie öffnete den Kühlschrank und sah auf den ersten Blick, dass einige Lebensmittel abgelaufen waren.

„Die Wurst hier, die muss weggeschmissen werden!“
„Weggeschmissen? Nein. Die will ich noch essen.“
Anna reagierte störrisch.

„Wieso schaust du überhaupt in meinen Kühlschrank?“
Anna stand direkt hinter Klara, sodass sie die Tür vom Kühlschrank nur mit Mühe wieder zubekam. Sie würde sich das alles später vornehmen, alle Lebensmittel herausräumen, sie kontrollieren und sämtliche Fächer auswischen.

„Was hast du denn heute zu Mittag gegessen?“, fragte Klara Anna und schaute sie an.

„Gegessen, heute Mittag?“
„Das weiß ich nicht mehr.“
„Mutti, das kann doch jetzt erst vor einer Stunde gewesen sein“, sagte Klara.

„War denn schon die Schwester zum Spritzen hier?“, fragte sie Anna nun.
„Hier kommt keiner“, sagte Anna sofort.
„Hier kommt nie einer!“ wiederholte Anna jetzt ihre Aussage, um das alles zu untermauern.
„Das kann aber nicht sein, Mutti. Schau‘ mal hier in das kleine Buch, das direkt vor dir auf dem Tisch liegt. Da steht drin, dass die Schwester dich heute, 12.30 Uhr, gespritzt hat.

„Das kann nicht sein.“
„Wer soll das denn gewesen sein?“
Anna verzog trotzig den Mund.

„Schwester Erika, du brauchst doch nur hier hineinzuschauen.“
„Schwester Erika? Die kenne ich nicht. Die war noch nie hier!“.

Klara ließ sich erschöpft auf den Stuhl am kleinen Küchentisch fallen.

Sie war nervlich am Ende, so erschütterte sie die Reaktionen von Anna.
Und dabei hatte sie noch drei Tage vor sich.

WIESO KLARA AUF EINMAL IN STRALSUND VOR IHR STEHT – DAS WILL ANNA NICHT IN DEN KOPF

Was bisher war:
Peter war Zuhause geblieben und kämpfte mit den kleinen und größeren Widrigkeiten des Alltags. Währenddessen war Klara bei ihrer Mutter in Stralsund angekommen.

Klara stand vor Annas Haus und drückt auf das Klingelschild von Anna und Wilhelm Sturm.

Das Haus war über sechzig Jahre alt und es war im schlichten Stil erbaut worden, in Plattenbauweise.

Nach der Wende wurde es saniert. Die Farben sind inzwischen wieder eingetrübt, an den Wänden laufen schwarzen Striemen an der Hauswand entlang, genau da, wo die Dachrinne durchlässig ist.
Anna war mit ihrem Mann, Wilhelm Sturm, damals Anfang der sechziger Jahre in das Haus eingezogen.

Sie waren glücklich, dass sie die Wohnung im obersten Stockwerk bekommen hatten, mit einem Balkon, von dem aus sie weit über den Stralsunder Hafen hinweg in Richtung Rügendammbrücke schauen konnten.

Damals gab es die moderne Brücke noch nicht. Aber der herrliche Blick, hinaus auf den Strelasund, den hatten beide stets genossen.
Klara hatte ihre Kindheit in dem Haus verbracht und Lukas ebenfalls.

Sie hingen beide daran und umso schwerer wurde es ihnen ums Herz, wenn sie sahen, wie Annas Demenz immer weiterfortschritt und sie weniger und weniger von dem genießen konnte, was ihre Wohnung ausmachte.

Auf der gegenüberliegenden Seite stehen bis heute Garagen, noch aus DDR-Zeiten. Peter konnte nie verstehen, warum die Eigentümer oder die Pächter nicht einmal die Ausfahrten vom Unkraut befreiten.

„Die liegen wie die Aasgeier hinter ihren Fenstern und schauen, ob sich nicht einer in die Ausfahrt stellt, aber eine Harke und einen Eimer zu nehmen, um das Unkraut zu beseitigen, nein, da sind sie sich zu schade.“

Klara antwortete darauf nie. Sie erinnerte sich in solchen Momenten an ihren Opa, der stets missmutig brabbelte, wenn er über ein Schlagloch auf dem Sandweg zum Garten fuhr.

Peter wurde eben älter und damit griesgrämiger, nahm Klara an.
Aber Peter sah das völlig anders. Ihn regte es auf, dass jeder nur noch an seine kleine Scholle dachte.

„Ja, wer ist da?“, ertönte jetzt die Stimme von Anna, während gleichzeitig schon der Türöffner summte.
Klara stapfte die Treppe hoch. Sie rang nach Luft. Lukas ging hinter ihr.

Es machte ihm weniger aus, weil er durch sein tägliches Saubermachprogramm in den Ferienobjekten im Training war. Und dabei trug er noch Klaras schwere Tasche, in die sie allerhand Mitbringsel für Anna hineingestopft hatte.

Als Klara auf dem letzten Treppenabsatz angekommen war, musste sie sich erst einmal auf den Stuhl setzen, der vor Annas Tür stand.
Anna wartete bereits auf sie.

„Wo kommst du denn her?“, fragte Anna mit aufgerissenen Augen. Sie sah zwar Lukas auf der Treppe stehen, aber den beachtete sie erst einmal nicht. Der war ja immer da.

„Ja, wir wollten dich überraschen.“
„Überraschen?“ Anna schaute Klara mit weit aufgerissenen Augen an, sagte aber nichts.

„Ich versteh‘ das nicht“, gab sie dann doch von sich.

„Ja, freust du dich denn nicht ein bisschen?“, fragte Klara, ein wenig enttäuscht über die Reaktion ihrer Mutter.

„Jaja, ich freu‘ mich“, sagte Anna, und es klang, als würde sie eine Floskel von tief unten aus ihrem Gedächtnispalast holen.

Klara antwortete darauf nicht, zog sich die Schuhe aus, ging auf ihre Mutter zu und drückte ihr wortlos einen Kuss auf Annas Wange.

Sie fühlte, wie schwer es in den nächsten Tagen mit Anna sein würde, die Wohnung auf Vordermann zu bringen und sie zu einem Spaziergang zu bewegen.

 

 

 

 

PETER KANN BEIM BEZAHLEN AN DER KASSE SEINE GELDKARTE NICHT FINDEN UND KRÜMEL BRICHT BEIM NÄCHSTEN BESUCH EINEN FLÜGEL VOM GERADE ERST GEKAUFTEN HUBSCHRAUBER AB

Was bisher war:
Peter stand endlich an der Kasse des Discounters und freute sich darauf, möglichst schnell nach Hause zu fahren, um Klara all die schönen eingekauften Sachen zu zeigen.
„Haben Sie etwas zu mir gesagt?“, fragte jetzt eine junge Frau, die hinter ihm stand.
„Nein, nein, ich habe mit mir selbst gesprochen“, sagte Peter schnell…. Die junge Frau nickte ihm freundlich lächelnd zu.“

Die Frau seufzte leise: „Ja, Rentner müsste man sein!“
Hatte sie mit diesem Stoßseufzer etwa Peter gemeint?

Sollte er ihr sagen, dass er zwar im Rentenalter wäre, aber immer noch hart arbeitete, Geld verdiente, Sport machte, früh aufstand und rein gar nichts an sich hatte, was auf ein beschauliche Seniorenleben hinwies?

Ganz im Gegensatz zu dem Herrn, der gerade an der Kasse stand und alles ‚gaaanz in Ruhe‘ auf das Band legte, was er vorher in den Korb getan hatte, und zwar in der atemberaubenden Geschwindigkeit einer Schnecke, die plante, irgendwann über die Straße gekrochen zu sein, aber: ohne einen Herzinfarkt zu bekommen.

Doch was sollten jetzt Erklärungen. Die junge Frau würde wahrscheinlich nur wieder freundlich nicken und denken: „Ne‘ alles klar, würde ich auch an deiner Stelle erzählen.“

Endlich war Peter an der Reihe. Er suchte seine Geschäftskarte, mit der er bezahlen wollte.

Aber die war nicht im Portemonnaie. Hatte er sie etwa verloren?

„Bitte entschuldigen Sie, aber eben war meine Geldkarte noch hier.“ Die Verkäuferin schaute ihn verständnisvoll an und sagte zu ihm:

„Lassen Sie sich Zeit, wir sind hier ganz allein“, und zwinkerte dabei der jungen Frau hinter ihm zu.
‚Verdammt, wie war nur die PIN der anderen Karte?‘, dachte Peter.
Er tippte in seinem iPad wild herum, bis er schließlich die Zahlen gefunden hatte.

Nie wieder würde er sich nur ausschließlich auf die Technik verlassen. Lieber einen zerknautschten Zettel in der Hosentasche, auf der die PIN stand.

Noch besser, er merkte sich die Zahlenkombination. Aber nun war es auch schon egal.

Er bezahlte, bedankte sich hastig und schob eilig den Einkaufswagen zum Auto. Von dort rief er sofort Klara an.

„Hast du meine Geldkarte gesehen?“, fragte er, ohne auf Klaras Frage einzugehen, ob er alles bekommen hätte.

„Das weißt du doch, dass ich die am Samstag mit zum Alex hatte, um einen Laptop zu kaufen“, antwortete sie in leicht gereiztem Ton.

Peter war restlos sauer. Wieso konnte Klara ihm nie gleich die Sachen wiedergeben, die sie sich auslieh?

Es hatte also seinen Grund, wenn Peter stets den roten kleinen Chip für den Einkaufswagen von ihr unmittelbar zurückverlangte, wenn Klara damit einkaufen war.

Peter war wieder zuhause und steuerte das Auto rückwärts in den Carport. Danach packte er die mitgebrachten Sachen aus.

„Hier, der Hubschrauber für Krümel“, zeigte Peter voller Stolz das Spielzeugpaket hoch.

„Das ist der falsche“, sagte Klara trocken.
„Hast du nicht richtig in dein iPad gesehen?“

Peter war schockiert und beleidigt.

Er sagte kein Wort, holte die Kopfkissenbezüge aus dem Auto und die Decke, schmiss alles auf den Fußboden im Wohnzimmer und stapfte wütend in sein Arbeitszimmer.

Er schloss die Tür hinter sich und ließ sich bis zum Mittag nicht mehr blicken.

Als Klara am nächsten Tag erneut im Aldi war, brachte sie den richtigen Hubschrauber mit.

„Das ist er!“, sagte sie triumphierend zu Peter.

„Ich werde nie wieder meine teure Arbeitszeit dafür verwenden, für euch etwas einzukaufen.

„Teuer ist die Einkaufszeit schon“, sagte Klara nun.
„Bei der Zeit, die du am Schreibtisch verbringst und dem kleinen Entgelt, was du dafür bekommst, da kann man nur von teuer sprechen.“

Peter antwortete nicht.
Dann sagte er doch noch was.

„Wir können übrigens jetzt nicht mehr so viel in der Woche zum Einkauf fahren. Dafür habe ich einfach die Zeit nicht. Vielleicht holst du dein Fahrrad mal wieder raus“, sagte Peter zu Klara.

Die antwortete nicht, sondern schaute sich den Hubschrauber an, den sie Krümel zu Weihnachten schenken wollte.

Peters im Discounter in harter Abwehrschlacht erstandener Hubschrauber wurde Krümel sofort überreicht, als sie beim nächsten Mal zu Besuch war. Sie spielte damit eine Stunde und kam dann mit ihm in die Küche gerannt.

„Oma, hier kaputt“, sagte sie und zeigte Klara den abgebrochenen Flügel.

„Ach, das ist nicht so schlimm, der ist nicht ganz so gut, Krümel. Wir warten mal bis Weihnachten.“

Peter kam gerade die Treppe herunter. Hatte er richtig gehört?

‚Der Hubschrauber, den Peter nur mit äußerster psychologischer und ja, auch mit physischer Kraftanstrengung gekauft hatte, der taugte sowie so nichts und ist, wie von Klara erwartet, schnell in die Brüche gegangen?‘ Peter stockte der Atem.

‚Das nächste Mal geh‘ ich wieder in den Schreibwarenladen und kauf‘ den leer, aber nur für mich‘, murmelte Peter vor sich hin und ging zu Krümel ins Wohnzimmer.

„Opa komm‘ spielen‘“, rief die Kleine fröhlich und hielt den einarmigen Hubschrauber in die Luft.

„Der ist aber ganz was Besonderes“, sagte Peter und kniete sich vor Krümel hin, um mit ihr und dem lädierten, inzwischen einarmigen Hubschrauber, zu spielen.

 

 

 

 

PETER FINDET MITHILFE DER VERKÄUFERIN ENDLICH DIE VON IHM BEGEHRTEN WAREN

Was bisher war:
Peter hatte sich nicht von der Verkäuferin abwimmeln lassen und dazu gebracht, dass sie mit ihm tatsächlich in die Richtung des Wühltisches zu gehen, um alles zu finden, was er sich umständlich auf seinem iPad notiert hatte.

„Und offensichtlich finden Sie das ja ganz leicht, also wäre es schön, wenn Sie mir kurz helfen würden.“

Peter log, als er ‚kurz‘ meinte, denn er war der festen Überzeugung, dass sich das alles in die Länge ziehen würde.

Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie gemeinsam etwas finden würden, die war um ein Vielfaches größer, als wenn Peter es weiter allein versuchen wollte.

„Was suchen Sie denn?“, fragte die Verkäuferin nun schon versöhnlicher und beugte sich über das iPad. Dessen Oberfläche war inzwischen wieder schwarz geworden. Peter verfluchte das Gerät.

Er hatte es so eingestellt, dass er jedes Mal neu einen Code eintippen musste, damit die iPad-Oberfläche wieder aufleuchtete.

Bevor er also lange suchen musste, sagte er erst einmal, dass er einen Hubschrauber für seine Enkelin suche.

Die Verkäuferin ging schnurstracks auf die Leute zu, die sich vor den Wühltischen drängten.

„Darf ich mal hier durch?“, befahl sie mehr, als sie fragte.

„Schauen Sie mal, hier ist doch alles“, sagte sie jetzt an Peter gewandt, der direkt neben ihr stand.

„Ja, wo ist der Hubschrauber?“ Peter ließ nicht mehr locker.

Die Verkäuferin fuhr mit einem Arm zwischen die bunten Pakete und Schachteln und tastete sich so vorwärts, ohne den Hubschrauber zu finden. Jeden Karton, den sie triumphierend präsentierte, zeigte andere Spielzeuge, nur den Hubschrauber nicht.

Es war wohl doch nicht so einfach, stellte Peter mit Genugtuung fest.

„Hier sehen Sie mal“, sagte die Verkäuferin und hielt nach einem intensiven Durchwühlen des Tisches das Spielzeugpaket mit dem Hubschrauber auf dem Foto hoch.

„Na bitte, den nehmen wir“, sagte Peter.

„Und jetzt die Kopfkissenbezüge“, drängte Peter die Verkäuferin weiter.

„Die finden Sie nicht hier, sondern da drüben, in den großen Kartons, die noch nicht zu Ende ausgepackt sind“, antwortete sie.

„Ich muss nun zur Kasse“, sagte die Verkäuferin, winkte zum Abschied und eilte davon.

„Oh, vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen“, rief ihr Peter hinterher und stürzte zielstrebig in Richtung der Kartons, bevor es andere Kunden ebenfalls mit bekamen, wo sich die noch nicht gänzlich ausgepackten Waren befanden.

Die Kartons waren oben bereits offen und man konnte mit den Händen hineingreifen und die begehrten Kopfkissen herausziehen.

Die dicke Frau von den Wühltischen beobachtete Peter aus der Ferne argwöhnisch und näherte sich mit dem Instinkt eines immer noch hungrigen Schakals.

Peter zerrte das zweite Kopfkissen heraus, beugte sich über den Karton und griff mit dem Arm bis ganz nach unten durch.

Sein Bauch schnitt sich in die scharfe Kante am oberen Kartonrand ein.
Endlich bekam Peter eine Decke zu fassen, zerrte sie aus dem Karton, prüfte, ob es die richtige war und schmiss sie zufrieden in hohem Bogen in seinen Einkaufswagen.

„Darf ich mal vorbei?“, sagte Peter zu der dicken Frau, an der nun fröhlich vorbeiging. Die sah ihn wütend an, bevor sie ein Stück zur Seite ging.

„Vielen Dank. Da hinten gab es übrigens herrliche Kopfkissenbezüge. Aber die sind jetzt weg, ich habe die letzten mitgenommen“, flötete Peter in einem süßlich vergifteten Ton und hüpfte fast freudig in Richtung Kasse.

Die dicke Frau sah ihm erst misstrauisch nach und beugte sich anschließend selbst über den Karton, ja, sie hängte sich so tief mit dem Oberkörper hinein, dass sie fast das Gleichgewicht verlor.

Zu groß war ihre Neugier gewesen, was Peter da so angeblich Tolles herausgenommen hatte.

„Geschieht dir recht, du gieriges Monster“, murmelte Peter, während er mit Vergnügen das enttäuschte Gesicht der dicken Frau beobachtete, nachdem diese wieder aus der Tiefe des Kartons aufgetaucht war.

„Haben Sie etwas zu mir gesagt?“, fragte ihn jetzt eine junge Frau, die hinter ihm stand.

„Nein, nein, ich habe mit mir selbst gesprochen“, sagte Peter schnell.

„Ich meinte nur, dass die Kopfkissenbezüge wie kleine gemütliche Monster seien“, setzte er noch hinzu.

Die junge Frau nickte ihm freundlich lächelnd zu.

 

PETER ERGREIFT BEIM EINKAUFEN DIE INITIATIVE

Was bisher war:
Peter wurde an den Wühltischen im Discounter von einer dicken Frau barsch abgedrängt.
Er musste überlegen, wie er wieder in die erste Reihe kam, um zu sehen, wo sich die einzelnen Sachen, die er kaufen wollte, befanden.

Peter schaute sich hilfesuchend um, wen er ansprechen könnte, damit er so schnell wie möglich an die Kopfkissenbezüge, die Decke für das Bett und den Hubschrauber für Krümel kam.

Er dachte darüber nach, was jetzt wohl am sinnvollsten wäre und er entschied sich für einen vorläufigen Rückzug, um mit etwas Abstand im hinteren Bereich den Überblick für die nächsten Schritte zu bekommen.

Peter fasste den Einkaufskorb an und zog ihn hinter sich her, während er sich nach Hilfe umschaute. Sollte er die Frau da drüben ansprechen, die ebenfalls in den Sachen wühlte, nur dass sie es nicht so aggressiv tat, sondern mit Bedacht.

Entschlossen schob er den Einkaufswagen wieder nach vorn, so wie eine Ramme, die für den Sturm auf ein schier uneinnehmbares Burgtor eingesetzt werden sollte.

„Ja, passen Sie doch auf, wo Sie mit Ihrem Wagen hinfahren“, schnaubte jetzt ein älterer Herr, der von der Seite kam.

„Ich komme von rechts“, sagte Peter.
„Sind wir auf dem Ku’damm? Lächerlich!“, antwortete der Herr und drängelte sich in die erste Reihe am Wühltisch.

Peter schaute sich hilfesuchend um. Da entdeckte er die Verkäuferin, die gerade Lebensmittel in die seitlich stehenden Kühltruhen einfüllte.

Gerade als Peter sie ansprechen wollte, drehte sie ihm den Rücken zu und schob einen riesigen Wagen, angefüllt mit leeren Pappkartons in Richtung der Tür zum Wareneingang.

„Vorsicht bitte!“, rief sie laut und entfernte sich schneller, als es Peter recht war.

‚Wenn man die schon mal braucht“, brummte er.
Er spürte, wie in ihm das Blut allmählich hochkochte.
Peter ließ einfach den Einkaufswagen stehen und ging schnellen Schrittes auf die Verkäuferin zu, die an der Kasse saß.

„Bitte entschuldigen Sie, ich suche ein paar Kopfkissenbezüge und eine Decke, die ich nicht an den Wühltischen finden kann“, rief Peter der Kassiererin zu, die damit beschäftigt war, eine endlos scheinende Anzahl von Dosen, Wurstpaketen, Haushaltsartikeln und Getränken vom Band zu nehmen und die entsprechenden Preise in die Kasse einzugeben.

„Junger Mann seien Sie doch so nett und fragen meine Kollegin, die gerade den Gang entlang auf sie zukommt.“

„Oh, vielen Dank, mach‘ ich“, sagte Peter, drehte sich um und sah genau die gleiche Verkäuferin, die schon einmal vor ihm geflohen war, versteckt hinter einem Warenkorb auf Rädern.

Die Verkäuferin hatte Peter nun auch entdeckt und bog geschmeidig in einen anderen Gang ab. Jetzt war Peter hellwach. Er war endgültig auf der Jagd und so würde die Verkäuferin beim zweiten Mal keine Chance haben, ihm zu entkommen.

„Junge Frau!“, rief Peter mit lauter Stimme, sodass sich einige nach ihm umdrehten. Er war stehengeblieben. Er war überzeugt, sie würde es auch tun.

Die Verkäuferin hielt tatsächlich inne, drehte sich um und schaute Peter an, leicht verärgert, weil er sie in ihrem Tun unterbrach.

„Könnten Sie mir helfen, ein paar Dinge zu finden, die ich bis jetzt nicht entdecken konnte?“

„Was wollen Sie denn?“, fragte ihn die Verkäuferin mit einem Unterton in der Stimme, der an ihrer Botschaft keinen Zweifel ließ:

‚Wieso wagst du es überhaupt, mich anzusprechen, wo ich doch auf dem Weg zur Kasse bin, die ich aufmachen will, damit sich die Schlange der Wartenden an der Kasse nicht noch mehr in den Raum ergießt‘, schienen ihr Blick und ihre Stimme in völliger Eintracht miteinander ausdrücken zu wollen.

„Ich suche eine Decke und zwei Kopfkissenbezüger, hier, sehen Sie mal.

Peter wollte ihr auf dem iPad das Foto von dem Einkaufsprospekt zeigen, das er vorsorglich abfotografiert hatte.

„Das finden Sie alles da drüben“, unterbrach die junge Frau ihn und wedelte mit ihrer linken Hand in die Richtung des Ungewissen an den Wühltischen.

„Naja, da finde ich eben nichts“, entgegnete Peter fest entschlossen, sich nicht noch einmal abwimmeln zu lassen.

 

PETER AM WÜHLTISCH DES DISCOUNTERS

Was bisher war:
Peter könnte nach Herzenslust arbeiten, jetzt wo Klara in Stralsund bei Anna war.
Doch das Gegenteil von dem trat ein, Peter war unkonzentriert, lustlos, suchte Ablenkung, nur um nicht an seine vor ihm auf dem Schreibtisch liegenden Aufgaben gehen zu müssen.
Peter fiel wieder ein, wie er in der vergangenen Woche morgens selbstlos in den Discounter gefahren war, um für Klara und Laura etwas einzukaufen.

Peter war am Discounter angekommen. Es war kurz nach sieben Uhr morgens und er hasste es für gewöhnlich, solche Dinge zu erledigen, bevor er überhaupt etwas in seinen Augen Produktives getan hatte.

Er liebte es, gegen sechs Uhr schon die ersten Zeilen auf das am Abend zuvor bereitgelegte Arbeitspapier zu schreiben. Sonst war er um die Zeit schon im Fitness-Center, bevor Corona kam und alles durcheinanderwarf.

Nun aber saß er um die Zeit wieder zuhause und versuchte das Beste daraus zu machen.

Und das Beste war für ihn auf gar keinen Fall, schon morgens in den Discounter zu fahren und in den Regalen nach Kopfkissenbezügen zu suchen. Doch nun war er da und wollte es schnell hinter sich bringen.

Peter band die Schutzmaske um, kramte seinen Chip für den Einkaufswagen aus der Tasche und stapfte entschlossen in Richtung Einkaufshalle.

Er wurde rechts und links von Menschen überholt, die ebenfalls auf den Discounter zueilten. Es waren vor allem ältere Menschen, die zu dieser Zeit unterwegs waren.

‚Wieso liegen die nicht im Bett und schlafen aus und warum schlagen die hier stattdessen solche Wellen?‘, fragte sich Peter, während er den Chip in den Einkaufswagen steckte, den er sich gerade noch vor einem Rentner schnappen konnte.

Er merkte gar nicht, wie er sich von der künstlich erzeugten Hast der vorbeilaufenden Senioren anstecken ließ.

Er lief den Gang entlang, vorbei an den Regalen mit den vielen Köstlichkeiten, die nun mal zur Weihnachtszeit auslagen. Auch das lastete er Klara und Laura an, dass er wie im Spießrutenlauf daran vorbeimusste.

‚Soll ich vielleicht doch was zum Kaffee mitnehmen?‘, schoss es ihm durch den Kopf, während er an dem bunten Weihnachtsgebäck vorbeilief.

‚Jetzt halt‘ dich mal an das, was du dir selbst vorgenommen hast und fall‘ nicht gleich bei der erst besten Bewährungsprobe um‘, sagte seine innere Stimme zu ihm.

Peter bewegte sich deshalb mit hohem Tempo weg von diesen Verführungen, hin zu den Regalen, wo sich die Decken und Kopfkissenbezüge befinden sollten.

Vor den Wühltischen hatte sich schon eine kleine Menschentraube gebildet. Eine Frau schaute nahezu angewidert auf einen Pullover, den sie in den Händen hielt, und den sie aus dem bis dahin sorgfältig und ganz offensichtlich mit Liebe zusammengestellten Päckchen herausgezogen hatte.

Sie drehte ihn ein paar Mal in der Luft hin und her und warf ihn dann verächtlich auf den Stapel zurück, wie ein Stück Abfall, das man versehentlich unter die Sachen gemischt hatte.

Ihr missmutiger Blick hatte bereits ein neues Opfer entdeckt. Ein Hemd. Peter kannte sich nicht aus in Stoffen und überhaupt in der Kleidung, denn das überließ er aus gutem Grund Klara.

Aber dieses Hemd sah so aus, wie es die kanadischen Holzfäller trugen, so jedenfalls stellte Peter es sich vor.

Er sah sich schon in klirrender Kälte in den weiten Wäldern Kanadas stehen, die Axt in der Hand und hinter sich einen Schwarzbären, der sich unbemerkt an ihn von hinten herangeschlichen hatte.

„Nu‘ stehn‘ Se‘ mal nich‘ im Weg, junger Mann!“, schreckte ihn eine tiefe Frauenstimme aus seinem Tagraum ‚Abenteuer Kanada‘. Es war die gleiche Frau, die gerade wieder das Hemd auf den Stapel zurückgeworfen hatte, und jetzt an den Platz wollte, an dem Peter stand.

Der schaute sie verdutzt an und murmelte, ein ‚Tschuldigung‘ und ging ein Stück weiter.

Jetzt stand die füllige Frau da, wo er sich näher umschauen wollte und dort nun nicht mehr herankam, weil die Dicke ihm auch nicht einen Millimeter überlassen hatte und deren Hände sich weiter in die nicht mehr lange so ordentlich aussehenden Sachen schob, wie ein kalter, unbarmherziger Schaufelbagger.

 

KLARA IST WEG UND PETER KÖNNTE NACH HERZENSLUST ARBEITEN – WENN ER WIRKLICH WOLLTE

Was bisher war: 
Klara war bei ihrer Mutter zuhause angekommen und wollte gleich mit dem Saubermachen loslegen.
Peter war endlich nach zwei Stunden Mittagspause an seinen Schreibtisch zurückgekehrt und dachte über sein Leben nach, anstatt seine Arbeit fortzusetzen.

Es war so still im Haus. Peter hatte ‚sturmfreie Bude‘ und er könnte jetzt nach Herzenslust weiterschreiben, seine Vorhaben voranbringen.

Aber was wollte er eigentlich vorantreiben?
Mehr Artikel schreiben, mehr Geld verdienen, mehr Interviews führen oder lieber die Füße hochlegen und gar nichts tun?

Immer wenn Klara wegfuhr, wollte er etwas schaffen, die Abendzeit mehr für das Schreiben nutzen und weniger vor dem Fernseher hocken.

Doch es kam in der Regel ganz anders. Peter verbrachte weniger Zeit in seinem Arbeitszimmer, schaute mehr Talkshows und Filme.
Er aß noch ungesünder und verfluchte sich selbst dafür.

„Ich komm‘ hier zu gar nichts“, schimpfte er oft, wenn Klara mal wieder in den Discounter wollte, weil es dort irgendetwas zu kaufen gab, meistens für Krümel.

Peter lehnte sich im Sessel zurück und dachte an die vergangene Woche.

Klara saß an ihrem Laptop im Homeoffice. Zwei Tage hatte sie jetzt mit ihrer Firma vereinbart, wo sie von Zuhause aus arbeiten konnte.

„Ich fahr‘ schnell hin und hol‘ die Sachen“, hatte er noch ein paar Tage zuvor Klara versprochen. Peter wollte sich opfern und freiwillig ganz früh am Morgen in den Discounter fahren.

Klara legte ihm einen Prospekt hin, in dem alles abgebildet war – zwei Kopfkissenbezüge, eine Decke für Laura und ein Hubschrauber für seine Enkelin Emma zu Weihnachten.

Peter fotografierte alles mit dem iPad ab und versah es mit einer speziellen Nummer, sodass er es auch wiederfinden konnte, innerhalb seiner zahlreichen Dateien.

Laura und Klara kicherten nur und verdrehten dazu die Augen, als sie Peters Vorbereitungen mitbekamen.

Das Telefon klingelte und Peter wurde aus seinen Gedanken gerissen.

„Guten Tag, hier ist die Telefongesellschaft, Herr Gerber, wie zufrieden sind Sie mit unseren Leistungen?“, fragte ein junge männliche Stimme.

„Ich bin mit den Leistungen sehr zufrieden, aber höchst unzufrieden mit den laufenden Störungen, während ich hier angestrengt arbeite“, sagte Peter.

„Oh, das tut mir leid“, sagte die Stimme am Telefon.

„Und mir erst“, entgegnete Peter und beendete das Gespräch, indem er einfach auf die Taste drückte.

„Wo war ich eigentlich mit meinen Gedanken?“

Peter kam nicht drauf. Das wäre jetzt die perfekte Gelegenheit, mit der Arbeit zu beginnen.

Aber Peter strengte sich an, um den geistigen Faden wiederzufinden, den er mit der Telefonunterbrechung verloren hatte.

„Ah, beim Einkauf.“

Peter lehnte sich zurück und erinnerte sich weiter, was er nicht alles noch nebenher machen musste und wofür ihm keiner so richtig dankte.

KLARA IST NICHT DA UND PETER DÜMPELT VOR SICH HIN

Was vorher war:
Klara war in Stralsund angekommen. Peter stand auf dem Bahnhof, um seine Schwester abzuholen. Beide fuhren in Richtung Hafen, zu Annas Wohnung.
Peter hatte es endlich geschafft, die Dose mit Aprikosen aufzumachen und saß nun im Wohnzimmer auf der Couch, um in Ruhe Nachrichten zu schauen und dabei das Obst zu essen. Das Telefon klingelte. Klara rief ihn aus Stralsund zurück.

„Na, bist du gut in Stralsund gelandet?“, fragte Peter sie, während er auf einem Aprikosenstück herumlutschte

„Was sagst du? Ich versteh‘ dich nicht. Ich bin im Auto von Lukas. Wir fahren gerade zu Mutti.“

„Viel Spaß“, sagte Peter und lachte. Er wusste, dass es Klara nicht leicht fiel zu sehen, wie Anna mehr und mehr unter ihrer Demenz litt.

„Ja, ich melde mich“, antwortete Klara.
Peter legte das Telefon weg und stellte den Fernseher wieder lauter.
„Make America great again“, las er auf eine der Mützen, die ein Trump-Anhänger während einer Demonstration für seinen Präsidenten trug.

Peter liebte es, politische Ereignisse zu verfolgen, Hintergründe zu erfahren. Er schaute sich oft Talkshows an und wusste oft vorher, was einzelne Gäste von den Botschaften her in Worte fassen würden.
„Eigentlich kannst du eine Rate-Sendung veranstalten, in der du das Thema vorgibst und vorher aufschreibst, was die einzelnen Gäste sagen werden und es dann mit dem vergleichst, was du selbst schriftlich niedergelegt hast“, sagte er zu Karsta.

„Du scheinst viel Zeit zu haben“, antwortete die.
„Was machen eigentlich deine Kunden“, schob sie meist in so einem Moment nach.

„Du kannst einem den Tag so richtig gründlich versauen“, sagte Peter dann und trollte sich in sein Arbeitszimmer.

Aber nun war ja Klara nicht da. Er schaltete auf eine Krimi-Serie um, in der ein genialer Ermittler mit seinem Ordnungswahn zu kämpfen hatte.

Peter schaute eine Weile zu, dann zog er die Füße ganz auf die Couch und legte seinen Kopf auf der linken Hand ab.

Der Fernseher drang nur noch leise an sein Ohr. Er hatte Mühe, den Kopf in der Haltung zu belassen, bevor er eingeschlafen war.
Plötzlich schrak er hoch, weil seine Hand abgerutscht war und sein Kopf nach vorn fiel.

In der linken Hand hatte sich das Blut gestaut, sodass Peter erst einmal den Arm hin- und her bewegte. Peter quälte sich langsam vom Sofa hoch. Es war kurz nach zwei Uhr mittags.

Er erschrak, weil er über zwei Stunden unten im Wohnzimmer gesessen hatte.

Peter brachte die Schüssel, in der die Aprikosen waren, nach draußen in die Küche und beeilte sich nach oben zu gehen.

Er tropfte sich ein wenig kaltes Wasser in die Augen und nahm schwungvoll die Tastatur in die Hand.
Das Telefon klingelte erneut.

„Hallo, ich bin bei Mutti“, sagte Klara.
„Und, wie ist es?“, fragte Peter. Er kam gleich zur Sache.

„Naja, ich melde mich später.“
„Ist gut, aber freut sich Anna denn, dass du so plötzlich vor der Tür gestanden hast?“

„Ja, schon, Mutti fragt nur, warum ich hier nicht schlafen will“, sagte Klara.
„Na, das ist ja auch nicht zu verstehen“, versuchte Peter sie aufzuziehen.

Doch die hatte keinen Nerv für seine Scherze.
„Ich leg‘ jetzt mal auf, denn wir wollen noch viel tun heute.“

 

KLARA KOMMT IN STRALSUND AN UND PETER VERSUCHT EINE OBSTDOSE ZU ÖFFNEN

Was vorher war:
Das Handy surrte in Klaras Tasche, während sie bereits an der Tür des Eisenbahnwaggons stand. Peter hatte versucht Klara zu erreichen. Er war nicht mit nach Stralsund gekommen. Nachdem Klara nicht zurückgerufen hatte, war er in den Keller gegangen, um etwas zu finden, was sich schnell zum Mittag zubereiten ließ. Er stieß auf eine Dose mit Aprikosen und begab sich gut gelaunt ins Wohnzimmer.

Die Bremsen des Zuges quietschten, während er langsam in den Bahnhof von Stralsund einfuhr. Klara wartete, bis der Waggon stehenblieb, und erst dann betätigte sie den Türöffner.

Hinter ihr schniefte und röchelte es. Der ältere Mann hinter ihr wollte unbedingt so schnell wie möglich nach draußen.

„Meine Güte, warum muss der unbedingt hinter mir stehen, während der ganze Zug fast leer ist“, dachte Klara und hob ihren Koffer an. Sie bugsierte ihn nach draußen und stand schließlich selbst auf dem Bahnsteig.

Klara schaute sich um, denn Lukas hatte gesagt, dass er sie abholen wollte.
Sie erkannte ihn an seiner ‚Handwerkeruniform‘ und seiner Jacke, die er seit vielen Jahren trug. An den Füssen hat er Sandalen, aus denen die nackten Zehen hervorragten.

„Wie hältst du das bloß bei der Kälte aus“, sagte Klara anstelle einer Begrüßung zu ihrem Bruder.

„Jetzt komm‘ doch erst einmal an“, brummte der und schnappte sich das Gepäck.

Beide gingen nach draußen. Lukas hatte direkt vor dem Bahnhofsgebäude einen der wenigen Parkplätze ergattern können. Sein Van stand leicht schräg.

Lukas hatte ihn so geparkt, damit er von der Länge her besser auf den sehr kurzen Platz passte.
Lukas beförderte das Gepäck in den Raum hinter den Sitzen, indem noch diverse Schaufeln und ein Rasenmäher standen.

„Und wie sieht’s aus?“, fragte Klara, nachdem Lukas den Motor angeworfen hatte, zügig mit dem Auto nach hinten stieß und das Lenkrad in Richtung Straße drehte.

„Was meinst du?“, fragte Lukas zurück.
„Na mit Mutti?“
„Hör mir bloß auf.“ Lukas schnaufte.
„War schon wieder irgendwas?“, fragte Klara.

„Nein, das nicht, aber es wird jeden Tag schlimmer“, sagte Lukas, während er in die Strasse bog, die direkt zum Hafen und damit auch zu Annas Wohnhaus führte.

„Du kannst Mutti nichts mehr sagen. Sie wehrt sich gegen alles, will nicht mehr aus dem Haus, nicht zum Frisör, nicht zum Friedhof, sie will gar nichts, sondern liegt nur noch auf der Couch.“

Klara schwieg. Sie wusste, dass es für Lukas schwer war und sie graulte sich davor, die nächsten Tage bei ihrer Mutter zu sein. Nicht weil sie arbeiten musste. Nein, das machte sie gern.

Aber sie fürchtete die Widerworte, die Haltung von Anna, gegen alles zu sein, was im Grunde zu ihrem besten war, was sie aber auf keinen Fall einsehen wollte.

Klara erinnerte sich daran, wie sanftmütig ihre Mutter vor ihrer Krankheit war und wie sie alles toll fand, was Klara ihr vorschlug.
Klara seufzte und schwieg.

Peter hatte nach einer kurzen Quälerei endlich die Dose mit den Aprikosen geöffnet.

Er füllte das Obst in eine Keramikschüssel um, in die größte, die er fand.

Dann holte er noch einen Löffel aus der Schublade und begab sich ins Wohnzimmer.

Er stellte den Fernseher an, fuhr die Beinstütze am Ledersofa hoch, nahm sich die Schüssel vor die Brust und begann genüsslich den Löffel in die Schüssel zu tauchen.

Er hatte den Nachrichtensender an und wollte wissen, ob es was Neues von den Wahlen in den USA gab.

Das Telefon klingelte. Peter schaute unwillig auf den Hörer. Sollte er rangehen?
Er sah die Nummer auf dem Display. Klara rief ihn zurück.

 

 

 

 

 

PETER ALLEIN ZUHAUS

RÜCKBLICK:
Klara stieg in Berlin am Gesundbrunnen in den Zug nach Stralsund.
Das Abteil war leer und sie konnte sich in Ruhe einen Platz aussuchen, das Gepäck verstauen und es sich bequem machen.
Es war schön für sie, dass sie sich nicht drängeln musste, keiner im Weg stand, als sie das Gepäck in das Netz hievte.
Aber irgendwie war es auch unheimlich, ja nahezu gespenstisch, dass keiner weiter in den Zug einstieg.
.....
Die Hallen der Volkswerft deuteten unwiderruflich die Ankunft in Stralsund an.

https://uwemuellererzaehlt.de/2020/11/17/anna-ist-dement-72/

Das Handy surrte in Klaras Tasche, während sie bereits an der Tür des Eisenbahnwaggons stand. Sie hielt sich mit einer Hand an der Stange fest, die unmittelbar vor der Waggontür angebracht war.

Sie hatte sich leicht nach vorn gebeugt und hielt mit der anderen Hand die beiden Ledergriffe des Koffers in der Hand, damit dieser nicht umkippte.

Klara hatte sich in eine ungünstige Position manövriert. Sie stand als erste an der Tür des Waggons, obwohl keiner weiter im Abteil gesessen hatte.

Nur der ältere Mann, der bereits im Gesundbrunnen mit ihr eingestiegen war, der wollte jetzt auch aussteigen. Er hatte sich ziemlich dicht hinter Klara gestellt und machte den Eindruck, als würde er sofort in Richtung Ausgang drängeln wollen, sobald der Zug hielt.

„Mein Gott, der sollte mal lieber den Mindestabstand einhalten“, dachte Klara, als sie hinter sich ein krächzendes Hustengeräusch vernahm.

Jetzt schniefte der ältere Herr auch noch, räusperte sich und brabbelte etwas in seinen Maskenschutz hinein, den er fast bis unter die Augenbrauen gezogen hatte.

„Ich kann jetzt nicht an das Telefon gehen. Das ist bestimmt Peter, der wissen will, wie weit ich gekommen bin“, dachte Klara, während sie mit Ungeduld die Einfahrt des Zuges in den Bahnhof Stralsund erwartete.

Peter drückte auf den roten Button auf seinem Handy, nachdem Klara nicht an das Telefon gegangen war.
Er fühlte sich allein, obwohl Klara ja gerade mal vor knapp fünf Stunden das Haus verlassen hatte, um zu Anna nach Stralsund zu fahren.

Er hasste diese Tage, obwohl er genügend zu tun gehabt hätte. Das eine Interview musste dringend fertig werden, das mit dem Fitness-Trainer.

Es lagen schon wieder zwei Wochen dazwischen und er hatte versprochen, sich mit dem Text zu beeilen.
Eigentlich hätte er nun genügend Zeit, um hintereinander zu arbeiten.

Aber gerade das Gegenteil passierte.
„Ich kann ja bis heute spät abends arbeiten“, dachte er sich, während er die Treppe ins Wohnzimmer hinunterschlurfte.

Und außerdem: Jetzt ist Mittagszeit, ‚Stunde der toten Augen‘, wie er stets zu Klara sagte.

Peter hatte sich vorgenommen, ein wenig abzunehmen, während Klara nicht da war.
Das fiel ihm leicht, weil keiner etwas zubereitete und Peter selbst keine Lust dazu hatte.

„Eigentlich könnte ich mir eine Dose mit Aprikosen aufmachen“, dachte Peter bei sich, während er in Richtung Wohnzimmer ging.

Er drehte sich um und polterte ziemlich laut mit seinen Latschen die Treppe zum Keller hinunter.

Peter wollte den Schalter der kleinen Lampe anstellen, die auf dem Tisch neben dem großen Kühlschrank stand.

Plötzlich schepperte es furchtbar und irgendetwas polterte mit lautem Getöse zu Boden.

„Verdammt“, dachte Peter.
Er knipste das Licht an und sah die Bescherung. Der Blechring der Kuchenform war von der Decke des Kühlschranks heruntergefallen.

„Wieso liegt die Kuchenform überhaupt hier obendrauf“, schnaubte Peter.

Er konnte es nicht verstehen, dass Klara die Dinge nicht gleich dahin räumte, wo sie hingehörten.
Aber Peter konnte nichts sagen. Zum einen, weil keiner da war und zum anderen, weil Klara alles zuhause machte. Gut, fast alles.

Peter versuchte, die beiden Enden der Kuchenform wieder ineinander zu stecken und brauchte eine Weile, bis er es einigermaßen geschafft hatte.

Er legte sie wieder auf den Kühlschrank oben rauf, weil er ja nicht wusste, wo Klara sie endgültig hinlegen wollte.

Er drehte sich zum Regal um und suchte die Dose mit Aprikosen drin. Sie stand zwischen Gurkengläsern und Büchsen mit Rotkohl.

„Hier müsste auch mal wieder aufgeräumt werden“, sagte er sich und verwarf sofort diesen Gedanken wieder. Das hätte er ja über eine Stunde gedauert.

Und außerdem würde Klara das wieder ohnehin in kürzester Zeit durcheinanderbringen.

Seine Vorschläge für eine strukturierte und dokumentierte Ablage der Dosen war schon längst von Klara als Idee von einem, der ja sonst nichts zu tun hätte, abgetan worden.

„Das macht zwar am Anfang Arbeit, aber du könntest danach mit geschlossenen Augen ins Regal greifen und die richtige Dose in der Hand haben.

Selbst wenn du das Licht auslassen würdest, könntest du die Sachen noch problemlos finden“, versuchte er Klara von seinem Vorhaben zu begeistern.

„Wieso mit geschlossenen Augen und warum ohne Licht?“, hatte ihn Klara nur gefragt.

„Sorg‘ mal lieber dafür, dass hier am Tag nicht überall die Lampen an sind, so als wäre Festbeleuchtung angesagt“, entgegnete Klara in solchen Momenten nur noch trocken.

Peter hatte es mittlerweile aufgegeben. Nur jetzt, wo ihm die Kuchenform scheppernd vor die Füße fiel, da erinnerte er sich an seine Zeit bei der Marine.

Wenn die Alarmglocken angingen, alle aus der Koje sprangen und jeder wusste, wo er im Dunkeln seine Sachen fand, das war für ihn die perfekte Organisation.

„Spiel doch mit Krümel ein bisschen mit ihrem neuen Schiff Seefahrt und vor allem, bring‘ ihr gleich mal bei, dass sie nach dem Spielen wieder alles wegräumt“, meinte Klara zu ihm in solchen Augenblicken.

„Krümel aufräumen“, rief Peter oft nach dem Spielen, aber Krümel hatte längst das Weite gesucht und war dort, wo es für sie interessanter war, bei Oma in der Küche, wo sie auf den Stuhl steigen konnte und in irgendwelche Schüsseln greifen konnte.

Als Peter daran dachte, bekam er wieder gute Laune. Er nahm sich die dickste Dose mit Aprikosen und stapfte nun schon fröhlicher die Treppe zum Wohnzimmer hinauf.

KLARA FÄHRT TROTZ CORONA NACH STRALSUND

Klara stieg in Berlin am Gesundbrunnen in den Zug nach Stralsund.
Das Abteil war leer und sie konnte sich in Ruhe einen Platz aussuchen, das Gepäck verstauen und es sich bequem machen.

Es war schön für sie, dass sie sich nicht drängeln musste, keiner im Weg stand, als sie das Gepäck in das Netz hievte.
Aber irgendwie war es auch unheimlich, ja nahezu gespenstisch, dass keiner weiter in den Zug einstieg.

Nur ganz vorn im Abteil, da saß ein älterer Mann, der unentwegt etwas vor sich hin brabbelte, in ein Taschentuch schniefte und sich dann wieder die Maske gegen Corona über die Nase zog.

„Wer weiß, wann der die Maske zuletzt gewaschen hat“, dachte Klara, während der Zug anrollte und sich langsam aus dem Bahnhof herausbewegte.

Sie musste an ihre Mutter in Stralsund denken, die sie besuchen wollte, um mal wieder nach dem Rechten zu sehen.

„Ich finde das nicht so gut, dass du jetzt fährst“, sagte Peter noch in den vergangenen Tagen zu ihr.

„Jetzt mach‘ mir nicht noch ein schlechtes Gewissen“, sagte Klara zu ihm.

Sie war auch ohne Peters Bemerkungen hin – und hergerissen.
Zum einen wollte sie unbedingt ihrer Mutter helfen, wieder etwas Struktur in Annas Alltag zu bringen. Und andererseits wusste sie natürlich, dass sich dem Risiko einer Corona-Infektion aussetzte.

„Ich versteh‘ dich schon, dass du nach Stralsund willst“, versuchte Peter sie zu beruhigen und in ihrem Entschluss zu stärken, bei Anna für ein paar Tage reinzuschauen.

Lukas war froh, dass Klara kam und er ein wenig entlastet würde.
„Es ist gar nicht, dass ich Mutti helfen muss, oder dass ich für sie einkaufen gehe, sondern, dass sie immer mehr herumnörgelt, dich förmlich mit ihrer schlechten Laune nach unten zieht“, sagte er zu Klara am Telefon.

Der Zug hatte Eberswalde erreicht und nach einem kurzen Aufenthalt ging es weiter. Klara schaute aus dem Fenster. Sie mochte es, einfach die Weiden zu sehen, auf denen vereinzelt Kühe grasten, oder die halbverfallene Scheune, an der der im Moment Zug vorbeiratterte.

Klara wurde müde von den wiederkehrenden Geräuschen. Sie schloss die Augen und sah ihre Enkelin vor sich, die rief: „‘Büüst‘ du, Oma?“

Ein Schmunzeln umzog ihre Lippen und lenkte sie davon ab, daran zu denken, was sie erwartete, wenn sie erst mal an Annas Tür klingelte.
Klara machte die Augen auf, zog das Handy aus der Tasche und ging die Videos durch, die Laura ihr geschickt hatte.

In der Mehrzahl war Krümel darauf zu erkennen, wie sie draußen umhertollte und die Gegend erkundete.

„Mama, hier Holz für ‚Feuerlager'“.
Jetzt konnte die Kleine schon zusammengesetzte Worte sagen, nur an der Reihenfolge in der der Silben musste sie noch feilen.

Aber irgendwie war es ja jetzt doch viel schöner, wie sie das Wort aussprach.

Der Zug hatte Greifswald erreicht. Der Bahnsteig war leer.
So langsam konnte Klara die Sachen von oben wieder herunterholen.

Dabei bestand gar keine Eile, denn in Stralsund war Endstation und die ohnehin wenigen Leute konnten ohne Hast aussteigen.
Klara stand trotzdem schon auf und fiel gleich wieder auf den Sitz zurück, weil der Waggon plötzlich hielt.

Langsam fuhr der Zug wieder an. Klara erhob sich erneut, hievte die schwere Tasche aus der Gepäckablage über ihr. Die Tasche war so schwer, dass sie ihren Arm ungewollt verdrehte.

Einer der Trageriemen hatte sich fest um ihre rechte Hand geschlungen und je mehr sie versuchte, sich daraus zu befreien, umso tiefer schnitt er sich in den Handballen ein.

Klara ließ die Tasche einfach auf den Sitz sinken, befreite sich von dem Trageriemen und rieb‘ ihre Hand, in der sich das Blut angestaut hatte.

Lustlos nahm sie die Tasche vom Sitz hoch, ließ sie gleich wieder auf den Fußboden des Ganges fallen und schleifte sie langsam hinter sich her.

Die Hallen der Volkswerft deuteten unwiderruflich die Ankunft in Stralsund an.

 

DIE ERSTEN ANZEICHEN VON DEMENZ

Vor drei Jahren fing ich an, über Annas aufkommende Demenz zu schreiben und darüber, wie es das Leben der gesamten Familie veränderte – mehr Sorgen, mehr Ängste, mehr Tränen, doch auch ein wenig mehr Humor.

 

ANNA VERGISST DEN VATERTAG

Anna war der Vatertag stets wichtig, nur vor drei Jahren, da vergaß sie ihn einfach.
Annas Demenz wurde immer sichtbarer. Keiner konnte dagegen etwas tun, auch Anna nicht.

https://uwemuellererzaehlt.de/2017/05/25/anna-ist-dement-2-2/

ANNA KANN NICHT MEHR ÜBER PETERS HUMOR LACHEN

„Ich liebe Stralsund“, sagt Anna.
Peter stimmt ein Lied an: „Unsere Heimat, das sind nicht nur…“
Anna lacht nicht, Klara auch nicht, im Gegenteil. Sie wirft ihm einen wütenden Blick zu.
Sie versteht nicht, dass Peter noch Witze über Annas Gemütsregungen machen konnte.

 

https://uwemuellererzaehlt.de/2020/09/14/anna-ist-dement-1/

SIE HABEN GEWONNEN, FRAU STURM

Anna will ihrer Tochter Klara nicht glauben, dass sie nichts gewonnen hat, sondern lieber auf das vertrauen, was in dem Werbebrief steht, den sie in ihren Händen hält.
Nämlich, dass sie 8000 Euro gewonnen hat.

https://uwemuellererzaehlt.de/2017/05/26/anna-ist-dement-5/

EIN TAG MIT ANNA

Klara klingelte an der Tür ihrer Mutter.
Es dauerte eine Weile, bis Anna die Tür öffnete.
Sie hatte sich ein wenig auf die Couch gelegt, obwohl es erst gegen neun Uhr am Morgen war.

„Wieso bist du hier in Stralsund und nicht in Berlin?“, fragte sie ihre Tochter.

„Mutti, ich bin seit Sonntag in Stralsund, und Montag habe ich dir gesagt, dass ich am Mittwoch wiederkomme, um deine Fenster zu putzen“, sagte Klara zu ihr.

Klara und Peter hatten sich ein paar Tage freigenommen, um ein wenig auszuspannen, gemeinsam mit Laura und Krümel. Klara nutzte den Aufenthalt, um Lukas zu entlasten und in Annas Wohnung beim gründlicheren Saubermachen zu helfen.

„Mittwoch?“, fragte Anna.
„Ja, Mittwoch ist heute.“
„Aber wieso sagt mit das keiner?“

Klara entgegnete darauf nichts, denn sie hatte nicht mehr die seelische Kraft, auf alle Fragen ihrer Mutter zu antworten.
Der Vormittag verging wie im Flug, obwohl sich Anna nach Kräften dagegen wehrte, dass ihre Tochter in ihrer Wohnung das Zepter übernahm.

Doch Klara hatte es gelernt, sich gegen ihre Mutter durchzusetzen, denn nur so konnte sie ihr wirklich helfen.
Und als Anna sah, wie ihre Fenster nach und nach sauber in der Sonne blinkten, da war sie ruhig und fand das alles recht schön.

Am Nachmittag wollte sich die Familie versammeln, um gemeinsam Kaffee zu trinken.
Anna wollte sich nicht umziehen, sie wollte gar nichts und sich am liebsten auf die Couch schmeißen, wie sie ununterbrochen zu Klara sagte.

„Warum soll ich das Kostüm anziehen, gehen wir zu einer Hochzeit?“
Anna konnte sehr spöttisch reagieren, wenn ihr irgendetwas nicht in den Kram passte.

Annas Charakter hatte sich in letzter Zeit ins Gegenteil von dem verkehrt, was sie einmal ausmachte, ihre Güte, ihr bescheidenes Wesen, aber all das schien die Demenz in ihr allmählich auszulöschen.

Klara hatte es schließlich geschafft, Anna davon zu überzeugen, dass sie sich umzog und mit ihr nach draußen kam.
Unten wartete bereits Peter im Auto auf Anna und Klara.

„Oh, du siehst wirklich gut aus“, rief Peter schon von weitem Anna entgegen.

„So sind wir das gewohnt, wenn wir ausgehen“, antwortete Anna selbstbewusst, so als hätte sie sich nicht noch vor wenigen Augenblicken dagegengestemmt, das Kostüm auch nur aus dem Schrank zu holen.

Sie fuhren zum größten Hotel in der Stadt.
Der Saal, in dem die Plätze reserviert waren, saß kein Gast. Corona hatte auch Stralsund fest im Griff.

„Wozu haben wir überhaupt Plätze reserviert?“, fragte Peter.
Sie setzten sich trotzdem an den Tisch, der für sie vorgemerkt war. Krümel fand das alles herrlich. Sie turnte zwischen den leeren Stühlen und Tischen hin- und her und juchzte vor Freude.

Inzwischen hatten am Tisch gegenüber zwei Gäste Platz genommen. Ausgerechnet in unmittelbarer Nachbarschaft des reservierten Tisches.

Es war ein Ehepaar, beide um die 70 Jahre herum. Der Mann sah brummig aus. Er schaute immer grimmiger, weil Krümel ausgelassen weiter umherlief und laut sang.

Peter erinnerte sich an seine eigene Kindheit, Er konnte sich nicht vorstellen, dass seine Eltern es auch nur im Ansatz zugelassen hätten, dass sie als Kinder so durch die Stuhlreihen eines Lokals hätten toben dürfen.

Aber Peter genoss gerade den Gedanken, dass seine Enkelin ausgelassen und fröhlich sein durfte, so ganz ohne Furcht.

Also blickte er zu dem Mann herüber, der Krümel mit finsterer Miene beobachtete. Peter fixierte ihn mit einem Blick, der keine Missverständnisse aufkommen ließ: ‚Sag‘ nur ein böses Wort zu der Kleinen und du wirst es bereuen.‘

Der Mann knickte ein, denn er schaute weg und seine Gesichtszüge lösten sich auf, fast hin zu einem gemütlichen Ausdruck.
Peter schaute nun seinerseits zu Krümel und lockte sie mit einem kleinen Spielzeughund, den er mitführte, an den Tisch zurück.

Anna beobachtete das ganze Treiben ein wenig distanziert, so als würde sie gar nicht dazugehören.

Die Kellnerin kam an den Tisch und fragte, ob die Gäste schon Kuchen ausgesucht hätten.

„Ja, antwortete Klara. Meine Mutter und ich, wir wollen Frankfurter Kranz.“
„Ich auch“, sagte Peter.
„Ich auch“, rief Laura.

„Und was soll ich essen?“, fragte Anna in die Runde. Die Kellnerin schaute irritiert.

„Ihre Tochter hat für sie bereits mitbestellt“, sagte sie.
„Wieso bestellt sie einfach was für mich mit?“, tat Anna entrüstet.
„Weil wir dich eben gefragt haben, was du für einen Kuchen willst und du dich genau dafür entschieden hast, Mutti.“

Klara kochte innerlich, dass Anna so ein Theater vor der Kellnerin abzog.
„Ja gut, dann nehm‘ ich den auch“, sagte Anna.

Wenig später kamen der Kaffee und der Kuchen an den Tisch.
Krümel hing zwischen Peter und Klara und spielte mit dem Hund, während Klara versuchte, ihr zwischendurch ein Stück Kuchen in den Mund zu schieben.

„Da sind wir ja heute wieder auf der steilen Diätkurve“, sagte Peter.
Keiner antwortete ihm und Klara warf ihm einen Blick zu, der hieß: ‚Sei bloß still, oder ich platze vor Wut.‘

Peter wandte sich wieder Krümel zu und beide spielten mit dem kleinen Spielzeughund, bis die Tischdecke immer mehr verrutschte und Klara Peter einen warnenden Blick zuwarf, den Peter aber geflissentlich ignorierte.

„Wieso habe ich so ein Stück Kuchen?“, fragte nun Anna in die Runde mit vollem Mund.

Klara schien ihren Ohren nicht zu trauen.
„Weil wir ihn für dich bestellt haben und du ihn dir gewünscht hast“, sagte Peter schnell, bevor Lukas oder Klara etwas Unbedachtes antworteten.

„Schmeckt dir denn der Kuchen?“, fragte nun Lukas.
„Ja, sehr gut“, antwortete Anna.

Ein paar Minuten war es ruhig am Tisch. Nur Krümel war zu hören, die den Spielzeughund triezte.

„Wieso habe ich dieses Stück Kuchen bestellt?“, erklang erneut die Stimme von Anna.

„Weil er dir besonders gut schmeckt“, sagte Peter nun.
„Ja, das ist wahr, der schmeckt mir sehr gut“, antwortete Anna.

Der Nachmittag war schön, Anna gehörte zur Familie, sie würde immer dazugehören, ganz besonders jetzt, wo die Krankheit fortschritt.

Nach dem Kaffee brachten Peter und Klara Anna gemeinsam nach Hause.

Anna stand noch auf dem Balkon und winkte zum Abschied.
Ein vertrautes Bild, aber auch ein trauriges Bild.

„Denk‘ nicht an das, was kommt, denk‘ an den schönen Moment, den wir Anna heute Nachmittag verschafft haben“, sagte Peter. Klara nickte kurz und blickte traurig aus dem Fenster des Autos.

„Ich weiß gar nicht, ob Mutti das alles noch so schön empfindet, wie wir denken. Oder ob es nicht viel mehr ihre ohnehin gedankliche Alltagsstruktur durcheinanderbringt“, setzte Peter noch nach.

Klara schwieg, denn sie wusste es auch nicht. Und sie wusste vor allem nicht, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergehen sollte.