Archiv der Kategorie: ALLTÄGLICHES

Mehr Erfüllung im Alltag finden; über einen winzigen Moment im Alltäglichen freuen;
nicht nur über die Arbeit stöhnen, lieber die guten und schönen Seiten in der eigenen Tätigkeit sehen, sie bewusst annehmen.

RÜCKBLICKE-ANNA IST DEMENT

DIE BETREFFZEILE

ANNA IST DEMENT- 30.05.2017

Anna bekam einen Brief von einer Behörde.
„Rentenanpassung“, stand dort in der Betreffzeile. Anna verstand nicht, was das sollte und rief Klara an.

Anna begriff den Inhalt der Briefe nicht mehr und geriet deshalb schnell in Panik.

Klara hatte sich zwar eine Vollmacht von Anna geben lassen, damit die Briefe bei Lucas eintrafen und nicht mehr bei Anna, aber die Post kam zum Teil trotzdem noch bei ihr an.

Anna rief bei Klara an.
„Hier ist ein Scheißbrief angekommen“, schoss es gleich aus Anna heraus.

„Was für ein Brief?“, fragte Klara schon leicht gereizt, denn sie befürchtete, dass es ein längeres Telefonat werden würde.

„Ihr Ansprechpartner: Frau Sammredt. Jetzt die Adresse…“
„Mutti!“, unterbrach Klara Anna beim Vorlesen.

„Du musst mir jetzt nicht alles vorlesen. Lies doch einfach die Betreffzeile vor.“

„Betreffzeile?“

„Mutti, wir wollen dir helfen, zu verstehen, was du für Post bekommst und dann gemeinsam entscheiden, was wir damit tun.“
„Warum?“ Anna wollte nicht verstehen.

„Ich lese dir doch die Post immer vor, abends, wenn ich anrufe.“
Klara konnte Anna nicht sagen, wie sehr sie genervt war davon, wenn ihre Mutter begann, die Briefe vorzulesen.

„Ja. Dort steht doch irgendwo ‚Betreff‘, und den Text danach, den kannst du mir ja immer noch vorlesen.“

„Ich finde das nicht!“
„Aber Mutti“, Klara war verzweifelt, „schau doch einfach die Zeilen von oben nach unten durch!“

Jetzt war Anna völlig durcheinander.

„Ich versteh‘ gar nicht, warum die mir diesen Scheiß schicken.“
Briefe mit behördlichem Inhalt oder von der Bank, ja das war wirklich ein Scheiß. Anna empfand das so.

Die andere Post, die mit den bunten Briefumschlägen, die war viel angenehmer. Die schrieben so nett – „Liebe Frau Sturm, wir freuen uns…“

Ja, da freute sich Anna auch.
„Lass doch deine Mutter alles vorlesen. Und danach sortierst du für dich, was wichtig und unwichtig ist“, mischte sich jetzt Peter ein.

„Du hast mir mit deinen Ratschlägen gerade noch gefehlt. Willst du jeden Abend mit Mutti telefonieren?“

Das wollte Peter nicht. Er schwieg jetzt besser.
„Ruf mal Lucas an, der soll sich den Brief durchlesen und dann sehen wir weiter“, sagte Klara zu Anna.

„Was hat der damit zu tun?“
„Mutti, bitte mach‘ das einfach!“, sagte Klara entnervt.
„Der versteht doch sowieso wieder nur Bahnhof“, entgegnete Anna trotzig.

„Na, dann seid ihr ja schon zwei“, antwortete Klara pampig und bereute es sofort wieder.
„Mutti, ich spreche mit Lucas, der soll dann bei dir vorbeikommen!“, sagte Klara nun.
„Ach ja, das wäre schön. Aber ich habe gar kein Bier mehr für ihn hier stehen. Ich muss gleich mal in den Keller und gucken, ob da noch was ist.“

„Ja, mach‘ das“, sagte Anna, verabschiedete sich von ihrer Mutter und legte den Hörer mit einem hörbaren Seufzer auf.
Peter sagte nichts, denn er wusste, dass nichts davon richtig sein konnte.

 

 

DIE ANZEICHEN MEHREN SICH

2017.05.29

Werbebriefe, die nimmt Anna für bare Münze, denkt, sie müsse diese unbedingt beantworten. Dort stand ja: „Liebe Frau Sturm, wir freuen uns auf Sie.

Schicken Sie die  Rückantwort noch heute ab. Ein wunderschönes Gratis-Geschenk wartet darauf, von Ihnen in Empfang genommen zu werden, liebe Frau Sturm!“

„Da muss man doch antworten“, meint Anna. Und sie wird böse, wenn man ihr nicht zustimmt.

Klara geht in das Hauptpostamt in der Friedrichstrasse und schildert ihre Situation. „Meine Mutter gibt ununterbrochen Geld aus, kauft eine Bluse nach der anderen.  Was soll ich nur tun?“

„Ich weiß genau, wovon Sie sprechen.“ Die Schalterangestellte zeigt viel Verständnis.

„DIE MACHT DER GUTEN GEFÜHLE: WIE EINE POSITIVE HALTUNG IHR LEBEN DAUERHAFT VERÄNDERT“
(FREDRICKSON/NUBER/HÖLSKEN)

„Mein Vater hat die Post versteckt. Er hat keine Briefe, keine Mahnungen mehr geöffnet.  Nur durch Zufall kamen wir dahinter.

Und das nur deshalb, weil uns der Stromanbieter informiert hat, dass sie den Strom bei ihm abstellen wollen.“

„Und was haben Sie daraufhin getan?“

„Wir haben uns von meinem Vater eine Vollmacht geben lassen, dass wir die Post zu uns umleiten können und ihm danach die Briefe aushändigen.“

„Was hat er gesagt?“
„Ihr wollt mich alle betrügen und ruinieren. Wenn das eure Mutter noch erlebt hätte! Schämt euch!“ Klara schaute ungläubig. „Das ist ja furchtbar.“

„War es auch. Schließlich aber hat er eingewilligt“, sagt der Postbeamte.

SIE HABEN GEWONNEN, FRAU STURM

Anna hält einen Werbebrief in der Hand, in dem ihr 8000 Euro Gewinn versprochen werden. Klara gelingt es nicht, Anna davon abzuraten, an die Firma eine Antwort zu schicken. 

„Ich hab‘ da vielleicht wieder eine Aufregung“, sagt Anna.

Sie hat Klara angerufen, eben wie immer täglich, gegen Abend.
„Was denn für eine Aufregung?“, fragt Klara. „Na, ich habe schon wieder 8000 Euro gewonnen.“

Prof. Dr. med. Silke Heimes hat ein Programm entwickelt, indem es um das Schreiben geht, darum, dass man sich gesund schreibt: „ich schreibe mich gesund – Mit dem 12-Wochen-Programm zu Gesundheit und Ausgeglichenheit“

„Mutti, du hast nicht gewonnen. Das ist ein Werbebrief. Und wenn du weiter unten liest, dann siehst du, dass du die Chance hast, zu gewinnen.  Eventuell. Aber das ist eher unwahrscheinlich.“

„Ich lese dir jetzt mal vor, was hier steht.“
Anna fängt an, den Werbebrief vorzulesen: „Liebe Frau Sturm, freuen Sie sich! Sie haben gewonnen…
Schicken Sie die Antwort noch heute zurück, und: Vergessen Sie nicht, den beiliegenden Bestellschein auszufüllen… Sobald wir Ihre Rückantwort erhalten haben, sind Sie mit dabei – bei der großen Verlosung für den Hauptgewinn in Höhe von 8000 Euro…Also schicken Sie den Brief noch heute ab, liebe Frau Sturm.“

Klara hat bis zum Schluss gewartet. Sie war dem Rat von Peter gefolgt und hatte ihre Mutter nicht unterbrochen.
Doch es fiel ihr schwer, ruhig zu bleiben, zuzuhören, nicht hineinzureden.

Doch nun platzte es aus ihr heraus: „Mutti, wir haben doch schon so oft darüber gesprochen.
Das ist ein Werbe-Gag. Du bist eine von Tausenden, die wie du diese Post erhalten haben.  Der Brief erfüllt nur einen einzigen Zweck: Du sollst wieder eine Bluse bestellen, verstehst du das?“

„Ja, aber hier steht, ich habe gewonnen.“
„Mutti, jetzt zerreiß den Brief, und wirf‘ ihn in die Tonne!“
„Meinst du wirklich?“ „Ja!“
Klara konnte nicht mehr.

„Du erreichst nichts, wenn du auf diese Art mit deiner Mutter sprichst.  Anna hat doch jetzt nur ein schlechtes Gefühl, weiß aber nicht so richtig warum und wird dir beim nächsten Mal gar nichts mehr erzählen.“

Peter versuchte Klara zu erklären, dass sie so nicht weiterkam.

„Du hast gut reden. Du redest ja nicht jeden Abend mit ihr.“
Klara war bedient.

INTERVIEW MIT EVA HILLEBRECHT

MENSCHEN IM ALLTAG-2017.03.01

Eva Hillebrecht, Inhaberin des Pflegedienstes
Danz Consult in Kassel

Das Interview wurde am 24.02.2016 geführt

Frau Hillebrecht, Sie haben über zweieinhalb Jahrzehnte im medizinischen Dienst gearbeitet, bevor Sie in die Pflege gewechselt sind.
Welche Erfahrungen aus diesem Bereich haben Ihnen später in der Pflege besonders genutzt?

Ich habe im Laufe der Jahre auf verschiedenen Stationen gearbeitet – Allgemeinchirurgie, Unfallchirurgie, HNO, Augen, Urologie und Orthopädie. Meine Erfahrung war, dass der Patient nicht wirklich im Mittelpunkt des Interesses stand. Das klingt hart, war aber so.

Können Sie das mal näher erläutern?

Ja. Ich erinnere mich an einen Fall, da ging es um einen Patienten, der Krebs hatte.

Er wollte sehr gern nach Hause, um die letzte Zeit im Kreise seiner Lieben zu verbringen. Da es sich um ein urologisches Leiden handelte, musste täglich gespült werden.

Angeblich ging das nur im Krankenhaus auf der Station. Doch ich erkundigte mich und fand heraus, dass es einen 5- Liter Beutel für diese Zwecke gab.

Die Spülung für den Patienten hätte also auch von Zuhause aus bewerkstelligt werden können. Als ich dies dem Chefarzt vortrug, fuhr dieser mir über den Mund: „Sie verstehen als Schwester davon nichts!“

Hier sprachen „Götter in Weiß“ und ich hatte keine Chance, dagegen anzugehen. Es ging ja gar nicht um mich: Auf der Strecke blieb der sehnlichste Wunsch des Patienten, nämlich die ihm verbleibende Zeit im häuslichen Umfeld zu verleben.

Und ein weiteres Beispiel:  Ein betagter Patient, um die 90 Jahre, sollte operiert werden. Das bedeutete aber eine relativ intensive Nachbehandlung, die eine Selbstbeobachtung durch den Patienten einschloss.

Bei einem Menschen in diesem Alter war das insgesamt aus meiner Sicht ein sehr riskantes Unterfangen.  Also ging ich zum Chefarzt und machte ihn auf mögliche Komplikationen aufmerksam. Das alles brachte nichts.

Denn: In der Operation sollte eine neue OP- Technik zum Einsatz kommen. Eine Methode, die sich in der Praxis bewähren sollte. Das ist soweit in Ordnung.

Nur: Ich hätte mir gewünscht, dass die individuelle Situation des Patienten mehr ins Kalkül gezogen worden wäre.

Sie haben in einer Übergangszeit sowohl im Krankenhaus gearbeitet und ebenfalls in einem ambulanten Pflegedienst, ist das richtig?

Ja, 1989 gab es eine Zeit, wo wir ein Haus zu finanzieren hatten. Da brauchte ich das Geld.

Also machte ich eine Frühschicht im Krankenhaus und eine Spätschicht in einem ambulanten Pflegedienst.

War das überhaupt zu schaffen für Sie?

Ja, das war es. Aber es war auch sehr anstrengend.

Sie hatten doch in dieser Zeit einen direkten Vergleich, oder?

Auf jeden Fall. Das hat auch meinen Entschluss gefördert, ganz in die Pflege zu gehen.

Ich konnte mich im unmittelbaren Vergleich davon überzeugen: Im Pflegedienst stand der Patient, der zu Pflegende viel stärker im Fokus des täglichen Handelns.

Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die Ausbildung zum Altenpfleger und Krankenpfleger generalistisch erfolgen soll?

Ich finde das gut. Ich glaube, die Spezialisierung wird ohnehin in den späteren Jahren eine immer währende Herausforderung sein.

Da wird wohl keiner in seinem Berufsleben drum herum kommen. Doch zunächst sollten die gleichen Grundlagen gelehrt werden.

Gibt es irgendwas, was mehr beachtet werden sollte in der Ausbildung?

Ich denke, die ethische Bildung sollte einen noch viel größeren Stellenwert einnehmen. Zu sehen, was ein Pflegebedürftiger für Wünsche und Bedürfnisse hat, das kann man nur, wenn man nicht wegschaut oder weghört.

Im Gegenteil: Sich in den anderen Menschen hineinversetzen, emphatisch sein – ich glaube, das muss in die Ausbildung miteinfließen.

Wie entspannen Sie sich?

Ich habe meinen Hund. Das ist ein Golden Retriever. Eine Hündin und ihr Name ist Nila.  Nila lenkt mich ab auf meinen Spaziergängen und macht mir auch so sehr viel Freude.

Des Weiteren: Ich fahre gern in Wellness – Urlaube und entspanne mich. Ich möchte in einen längeren Urlaub fahren, eine Fernreise machen. Ich glaube, das ist auch mal wieder wichtig.

Übrigens: Ich komme aus dem Roten Kreuz, war dort Krankenschwester. Meine damalige Oberin hat etwas gesagt, womit sie meine Frage nach einer Lohnerhöhung zu unterdrücken versuchte: „Der Lohn meiner Arbeit ist, dass ich arbeiten darf!“

Inzwischen sehe ich diesen Satz als etwas sehr Positives an:  Mein größtes Glück ist es tatsächlich,  für andere Menschen zu arbeiten und ihnen zu helfen. Das steht für mich im Vordergrund. Ich glaube, dass ich damit sicher einer aussterbenden Spezies angehöre.

Danz-Consult – da ist das Wort Beratung enthalten.  Worauf kommt es Ihnen in der Beratung an?

Die Patienten und die Angehörigen möchten viel Hintergrundwissen. Also, wie das alles zu finanzieren ist, was Sie im Detail für Leistungen bekommen.  Das liegt mir sehr am Herzen, nämlich das Optimale für den Einzelnen zu konzipieren.

Und läuft das stets problemlos?

Natürlich nicht. Gerade wenn es um die Finanzen geht.
Manchmal höre ich den versteckten Vorwurf: ‚Sie planen mit unserem Erbe‘

Und was sagen Sie dazu?

Naja, die Leistungsinhalte sind ja im Sozialgesetzbuch genau beschrieben.

Und wenn jemand privat darüber hinaus noch Betreuung möchte, ja dann sind das eben Privatleistungen. Und die müssen auch bezahlt werden. Ich muss ja meine Mitarbeiter ebenfalls dafür entlohnen. Doch sind das  Ausnahmen.

Da hilft das offene und ehrliche Gespräch. Und danach kann man ein Paket schnüren, mit dem dann alle leben können.

Außerdem: Inzwischen gibt es ja mit dem Pflegestärkungsgesetz I seit Januar 2015 die Möglichkeit,  weitere  Betreuungs- und Entlastungsleistungen anzubieten, die über die Pflegekasse abgerechnet werden können.

Alles redet über individuelle Pflege. Woran machen Sie das fest?

Das ist das Schwerste, hier die richtigen Antworten zu finden. Im neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ist ja einiges dazugesagt.

Für mich ragt ein Grundsatz heraus: Die Kunden haben ein Recht darauf, so zu sein wie sie sind.

Das ist ein gutes Schlußwort. Frau Hillebrecht, ich danke Ihnen für das Gespräch.

MENSCHEN IN DER PFLEGE

Mehr lesen:

https://uwemuellererzaehlt.de/2022/01/02/menschen-im-alltag-2017-2021/

WARUM ÜBER BETREUUNG VON MENSCHEN SCHREIBEN, DIE IN IHRER ALLTAGSKOMPETENZ EINGESCHRÄNKT SIND?

MENSCHEN IM ALLTAG-2017.02.28

Die Anzahl der Menschen, die an Demenz erkranken, von eingeschränkter Alltagskompetenz betroffen sind, wächst weiter rasant

Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung insgesamt nimmt zu. Er wächst schneller, als dass wir es nur auf die gestiegene Lebenserwartung zurückführen können.

Der rasante Geburtenrückgang in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist der zweite und nicht weniger wichtige Grund für diese Entwicklung.

Beide Entwicklungen stellen die Gesellschaft und vor allem die Pflegenden vor enorme neue Herausforderungen.

Der bislang kontinuierlich gewachsene Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung und die damit verbundene Zunahme der Älteren und Hochbetagten geht einher mit der ebenfalls größer werdenden Zahl derjenigen unter ihnen, die an Demenz erkranken.

Erkrankungsrisiko plus steigende Lebenserwartung – zwei Faktoren für mögliche Demenz oder eingeschränkte Alltagskompetenz

Menschen mit einer höheren Lebenserwartung sind ohnehin bereits stärker der Gefahr ausgesetzt, die sogenannte Alltagskompetenz einzubüßen – ein weiterer, nicht unerheblicher Faktor, der zum allgemeinen Erkrankungsrisiko noch hinzukommt.

Berechnungen, empirische Studien gehen von rund drei Millionen Menschen aus, die in 2050 in einer bestimmten Form davon betroffen sein werden.

(Vgl. dazu: http://www.bundesgesundheitsministerium.de/ministerium/meldungen/2016/sechster-pflegebericht.html – abgerufen – Donnerstag, 12. Januar 2017, 10.33 Uhr; Download PDF, S. 20-22)

Betreuungs- und Entlastungsleistungen, Tagespflege und Senioren-Wohngemeinschaften gewinnen in diesem Zusammenhang an Bedeutung.

 

MENSCHEN IN DER PFLEGE

RÜCKBLICK: INTERVIEW MIT SUSANNE ROSENBERGER

MENSCHEN IM ALLTAG-2017.02.28

Frau Rosenberger, bereuen Sie den Tag, an dem Sie den Entschluss gefasst haben, in die Pflege zu gehen?

Also ich bereue das auf keinen Fall. Natürlich gibt es immer Momente, die nicht so schön sind. Aber die gibt es überall.

Ich kann mit Bestimmtheit sagen: Die Pflege, das ist mein Leben.
Das Zusammenspiel mit allen im Team macht das Besondere aus. Es ist nicht ein einzelner Baustein.

Es ist das Puzzle, was jeden Tag aufs Neue zusammengesetzt werden muss – im Team, im Gespräch mit den Angehörigen und den Pflegebedürftigen.

Das Besondere an diesem Beruf ist: Wir gehen mit Menschen um, die unserer Hilfe bedürfen.

Und wenn ein dankbarer Blick kommt oder ein Lächeln des Pflegebedürftigen, ja dann ist das schon wahres Glück.

Wir schieben nicht nur die Papiere von links nach rechts. Das muss ich natürlich auch. Aber alles, was wir tun, das ist für die Menschen, die wir pflegen und betreuen. Ich bereue nichts und möchte auch nichts anderes machen.

Wo sind Sie aufgewachsen?

In Castrop Rauxel.

Welchen Bildungsweg haben Sie genommen?

Ich habe Abitur gemacht. Danach habe ich eine Ausbildung zur Krankenschwester durchlaufen.

Ich war dann anschließend im Augusta Krankenhaus in Bochum tätig – auf einer Intensivstation in der Chirurgie.

Wie lange waren Sie dort?

6 Jahre.

Wie sind Sie zur Pflege gekommen?

Durch meine Oma. Sie war Altenpflegerin in einem Altenheim und führte dort nebenbei eine Schneiderstube.

Später wurde meine Oma schwerkrank. Mein Vater und ich haben sie bis zum Schluss begleitet.

Danach kam meinem Vater und mir der Gedanke, einen Pflegedienst zu gründen. Mein Vater hat dafür noch einmal umgeschult und eine Ausbildung zum Altenpfleger absolviert.

2000 war es dann so weit und wir haben den heutigen Pflegedienst eröffnet.

Was belastet Sie, wenn Sie heute an die Pflege denken?

Beflügelndes und Bedrückendes – beide Momente liegen oft dicht beieinander. Mir liegt die Palliativpflege sehr am Herzen. Das gibt es natürlich sehr traurige Momente.

Was bedrückt Sie da ganz besonders?

Während der Palliativpflege werden wir ein Teil der Familie.
Und wenn Sie dann eine Mutter im Sterben begleiten, die erst 42 Jahre alt ist und Kinder hinterlässt, dann ist das sehr bitter – auch für uns als professionelle Begleiter. Aber es gibt auch viel Positives.

Was meinen Sie?

Nun, man sieht die eigenen Sorgen und Nöte in einem anderen Licht.
Sie erscheinen einem so unwichtig und klein angesichts dessen, was andere Menschen durchmachen.

Und: Es ist ein ungeheurer Reichtum, Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten.

Manch einer spricht darüber, was er anders gemacht hätte.
Die überwiegende Mehrheit ist klar und ehrlich in der Betrachtung ihres zurückgelegten Lebensweges.

Der Tod lässt das Leben als das erscheinen, was es ist, nämlich ein Geschenk. Und das ist unwiederbringlich.

Vielen Dank für das Gespräch.

Mehr lesen:

https://uwemuellererzaehlt.de/2022/01/02/menschen-im-alltag-2017-2021/