WAS BISHER WAR:
Ich stand am Supermarkt am Auto und wartete auf Klara. Sie kam mit Bekannten auf mich zu. Es entwickelte sich ein Gespräch, in dessen Verlauf mir klar wurde, dass es nicht so einfach war, einem anderen Menschen zu erklären, warum Trauerredner ein toller Beruf ist. Nicht nur, weil der Trauerredner so einiges tun kann, um die Hinterbliebenen zu trösten. Nein, weil du dein Handwerk verstehen musst, das Schreiben und Reden wirklich beherrschen musst.
Ich dachte an den Anfang zurück. Vor vielen Jahren hatte ich zugesagt, eine Rede zu halten, die mich vor große Zweifel und Herausforderungen stellte.
Wir fuhren aus dem Urlaub zurück nach Brandenburg. Klara und ich schwiegen, hingen jeder seinen Gedanken nach.
„Wie sollte ich das bloß schaffen?“, fragte ich mich gedankenversunken.
Klar, ich hatte unzählige Vorlesungen und Vorträge ausgearbeitet, vor Studenten und interessierten Zuhörern zu verschiedenen Themen gesprochen.
Ich war über viele Jahre als Coach im Gesundheitsbereich unterwegs gewesen, wusste also, wie kompliziert es mitunter war, die Menschen, die dort arbeiteten, durch Worte zu motivieren, mitzureißen.
Und trotzdem: All das half mir in der konkreten Situation wenig.
Zuhause angekommen rief ich meinen Vater an.
„Kannst du mir helfen, diese Rede zu erarbeiten?“
Es blieb ruhig am anderen Ende des Telefons.
„Kannst du oder kannst du mir nicht helfen?“, fragte ich entnervt nach.
„Ich kann dir ein paar Passagen aus meiner Rede vorlesen. Aber das nützt dir wenig. Du musst den Menschen skizzieren, über den du sprechen willst“, sagte er nach einer Pause.
Wir einigten uns darauf, dass mein Vater mir einige Textstellen vorlas, die sich für einige philosophische Gedankengänge über das Leben eigneten. Aber im Kern war ich damit immer noch nicht weiter.
Ich rief noch einmal den Onkel von Klara an.
„Kannst du sagen, was deine Frau am liebsten in ihrer Freizeit getan hat, wie war sie charakterlich, was mochte sie, und was nicht?“
„Das sind zu viele Fragen auf einmal“, antwortete er.
Nach einem einstündigen Telefonat hatte ich zwei Seiten bekritzelt und ich wurde allmählich innerlich ruhiger.
Wenn ich heute daran zurückdenke, dann sind es oft die Anfänge, die es einem so schwer machen, etwas Neues anzuschieben.
Du hast das Gefühl, dass du einen Güterwaggon anschieben willst, dich mit aller Kraft dagegenstemmst, aber er sich nicht einen Millimeter bewegt.
Und plötzlich ruckt er ein wenig, nachdem du dich mit äußerster Kraft, unter Anspannung all deiner Kräfte dagegen drückst.
Wenn er dann rollt, ja dann ist es keine große Sache mehr. Heute, ja da weiß ich, wie man eine Rede aufsetzt, eine Rede, die auf einer Trauerfeier gehalten wird.
Aus jetziger Sicht klingt das alles vielleicht naiv. Ich wusste ja, wie ich die Sätze schreiben sollte. Schreiben und Reden, das war schon immer mein Metier. Doch wie schreibst und redest du so, dass es die Hinterbliebenen auch tröstet, du die Verstorbene würdigst, ohne nur in allgemeine Floskeln zu verfallen?
Am nächsten Tag rief ich wieder meinen Vater an.
„Wie soll ich anfangen?“, fragte ich ihn.
„Schreib über den konkreten Meschen so, als würdest du eine Laudatio halten, schreib über den Lauf seines Lebens, erinnere dich daran, was ihn besonders gemacht hat.“
Ich war nicht viel weiter, aber ich kniete mich in die Rede hinein.
Ich schrieb einige Tage daran. Ich veränderte den Text, strich Zeilen, fügte andere Inhalte hinzu.
Mit der Zeit fielen mir selbst auch wieder Details aus dem Leben von Klaras Tante ein, die ich in die Rede miteinbrachte und sie so viel lebendiger, ja interessanter erschien.
An dem Tag, an dem es so weit war, da war ich aufgeregt, dachte, ich würde keinen Satz herausbringen. Aber ich musste es irgendwie schaffen.
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