MENSCHEN IM ALLTAG-2017.09.01
Martina Lippert ist die Gründerin des Pflegedienstes Martina Lippert GmbH. Sie ist heute die geschäftsführende Gesellschafterin.
Frau Lippert, Sie haben im Interview – des vergangenen Jahres folgenden Satz gesagt, als es darum über die Hürden Ihrer beruflichen und privaten Entwicklung zu sprechen: Ich war wie ein Segelboot – immer mit den Wellen und gegen den Wind. Sehen Sie das heute noch genauso?
Ja, natürlich.
Der Umkehrschluss dieses Gedanken ist doch folgender: Wer nicht den Wind spürt, die Anstrengungen des Ringens mit ihm, der fühlt auch nicht, wie schön es ist, wenn die Wellen gegen die Bordwand schlagen, wie toll Wasser riecht, wie schön es überhaupt ist, sich für einen Kurs zu entscheiden, die nötigen Anstrengungen dafür unternehmen, dass wir nicht von ihm abkommen und dann eben die Früchte zu ernten.
Das ist ein wenig literarisch angehaucht, doch gibt vielleicht ganz gut meine Sicht auf die Dinge wieder, die ich erlebt habe.
Worauf sind Sie besonders stolz, wenn Sie heute zurückdenken an Ihren Weg, den Sie zurückgelegt haben?
Ich habe mich viel mit meinen Ängsten auseinandersetzen müssen, weil ich ja einen sicheren Arbeitsplatz für meine Selbstständigkeit aufgeben musste.
Damals haben mich die Gemeindeschwestern in der evangelischen Sozialstation für verrückt erklärt, als ich sagte, ich wolle mich selbstständig machen.
Heute gibt es die Sozialstation nicht mehr – die damals sicher geglaubten Arbeitsplätze sind nicht mehr da. Ich bin vor allem stolz darauf, dass ich durchgehalten habe.
Ist das eine Stärke von Ihnen?
Ich glaube schon. Ich beiße mich quasi in Sachen rein, beiße mich fest, und zwar solange, bis ich es so habe, wie ich es mir vorstelle.
Natürlich kommen auch mal die Phasen der Depression, Zeiten, in den Zweifel an mir nagen und ich nicht weiß, wie es weitergehen soll.
Was machen Sie dann?
Wissen Sie, dazu kann man unendlich viel sagen. Die Situationen sind ja verschieden. Und manchmal kommt eben alles zusammen – es gibt Schwierigkeiten im Beruf und im Privaten läuft es mitunter eben nicht glatt.
Deshalb ist es in solchen Momenten für mich wichtig, dass ich meine Selbstzweifel überwinde, wieder zur alten Stärke zurückfinde.
Und in der Anfangszeit, als ich den Pflegedienst gerade gegründet hatte, da stürzte wirklich viel auf mich ein.
Ich musste Kunden finden, Ärzte überzeugen, dass ich die richtige Ansprechpartnerin für sie in Sachen Pflege bin und vieles mehr.
Kurz um: Ich habe mir gesagt – du bist ins kalte Wasser gesprungen, unter Wasser gewesen, aufgetaucht, und also muss du Luft holen und schwimmen.
Wie wichtig ist es heute für Sie, einer Mitarbeiterin, einem Mitarbeiter die Balance zwischen eigenverantwortlichen Handeln und teamorientierten Denken vorzuleben?
Sehr wichtig! Ich denke, jeder sollte die Chance bekommen, seinen Weg zu erkennen und diesen dann zu gehen. Dabei gebe ich Hilfestellung, bin ich der Coach. Natürlich geschieht das ebenfalls im Teamwork.
Was glauben Sie ist der Kern dessen, was eine gute Pflegekraft ausmacht?
Darüber sind ja schon ganze Abhandlungen verfasst worden. Im Kern geht es mir darum, dass derjenige, der bei uns arbeitet, die Menschen wirklich mag, die er pflegt und betreut.
Das soll keine erzwungene, von außen bestimmte Liebe sein. Vielmehr sollte es der Mitarbeiterin oder dem Mitarbeiter Spaß machen, wenn sie sich den ganzen Tag mit Pflege und Betreuung befassen. Immerhin ist das ja gleichzeitig Lebenszeit.
Übrigens für beide – die Pflegenden und die zu Pflegenden. Schon deshalb hilft die innere Einstellung, aus Lebenszeit parallel Lebensqualität zu generieren.
Das ist mir wichtig. Ich gehe zum Beispiel heute noch ins Pflegeheim zu ehemaligen Kunden, spreche mit ihnen, schaue, dass es ihnen gut geht. Nur so bekommst du selbst ein gutes Gefühl, spürst den echten Reichtum, den dir diese vielleicht kleine Situation, das Gespräch mit dem Pflegebedürftigen, verschafft.
Man kann darüber viel reden. Es ist besser, man tut was, fragt sich, warum gerade die Situation jetzt so gut ist, also in dem Moment, in dem ich mit dem Patienten spreche.
Übrigens: Genauso ist es, wenn man über den Umgang mit den Flüchtlingen nachdenkt. Es sind stets die kleinen Gesten, die Hilfe ausmachen. Ich bin eine Zeit lang in einen Unterstützerkreis für Flüchtlinge gegangen und habe Deutschkurse für Flüchtlinge gegeben.
Aber Deutsch im Alltag – das, was so schwer zu lernen ist. Das lernt man vor allem durch sprechen, immer und immer wieder.
Was haben Sie daraus gelernt?
Durch Kommunikation werden Distanzen durchbrochen, imaginäre Ängste abgebaut. Und: Du lernst die Menschen kennen, erfährst, was sie hierhergeführt hat, wovon sie träumen, wie sie gelebt haben, was sie aufgeben mussten, mit ihrer Flucht.
Ich habe zum Beispiel zusätzlich mit Flüchtlingen darüber gesprochen, wie diese ihren Haushalt organisieren, also faktisch mitgeholfen, den Flüchtlingsalltag in Deutschland zu meistern.
Was hat Ihnen das für die Pflege gebracht?
Es geht stets um Menschen. Menschen, denen du hilfst und sie kennen lernst, durch sie genauso etwas lernst. Wir brauchen für die nächsten Jahrzehnte gut ausgebildete Fachkräfte. Warum sollte darunter nicht jemand sein, der heute noch dabei ist, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren?
Da gebe ich Ihnen Recht. Was glauben Sie, warum sind Sie eine gute Unternehmerin?
Das werde ich so nicht sagen. Das können nur andere entscheiden. Ich denke, dass ich sehr genau die Fäden ziehe und gleichzeitig da bin für die Mitarbeiter, wenn es Fragen gibt. Wir führen ein offenes Büro. Meine Tür steht immer auf.
Ich bin stets ansprechbar. Dieses Gefühl brauchen meines Erachtens nach die Mitarbeiter, nämlich das Vertrauen, dass in schwierigen Situationen jemand da ist, der hilft, einen Rat gibt, unterstützt.
Wenn Sie in einem Satz zusammenfassten müssten, was den Kern individueller Pflege ausmacht, was würden Sie sagen?
Menschen zugestehen, in ihrer Wohnung so zu leben, wie sie es selbst wollen.
Frau Lippert, Sie engagieren sich im gesellschaftlichen Leben, sind gewählte Vertreterin der Stadt Lingen. Was treibt Sie an?
Wenn ich ehrlich bin: Es gibt Tage, da treibt mich gar nichts an. Da will ich mich am liebsten nur um meine Firma kümmern.
Doch es ist ja so: Wir können nicht nur den Tag rauf und runter sprechen, wie wichtig Pflege ist. Da stimmt jeder zu. Aber sich für bestimmte Probleme einsetzen, darum kämpfen, dass sich etwas verändert, das ist mir wichtig.
Was soll sich denn ändern?
Zuerst die Einstellung zur Frage der Pflege und Betreuung. Wir alle sind davon betroffen. Zudem hat in der Regel jeder in der Familie jemanden, um den man sich kümmern muss.
Wenn wir es schaffen, hier das Denken zu verändern, dann bewirken wir mehr Handeln, mehr Engagement.
Sie sind aktives SPD-Mitglied. So kurz vor den Wahlen: Hat die SPD schon alles getan in Sachen Pflege und Betreuung?
Nein. Sicher nicht. Das ist aber nicht der Punkt.
Sondern?
Dass wir die richtigen Probleme herausfiltern, analysieren, Konzepte entwerfen und abgleichen mit der Wirklichkeit, also auch den finanziellen Möglichkeiten.
Dafür bin ich aktiv. Ich will genauso meiner Enkeltochter zeigen, dass es nicht reicht zu reden, sondern dass man was tun muss für die Verwirklichung seiner Ziele und der gesellschaftlichen Vorhaben.
Frau Lippert, das ist ein gutes Schlusswort.
Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Kontakt:
Pflegedienst Lippert GmbH
Martina Lippert
Geschäftsführende Gesellschafterin
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Tel.: 0591 / 80740990
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