Alle Beiträge von Uwe Müller
PFLEGEDIENST GEHRMANN
PORTRÄT – EVA HILLEBRECHT
PORTRÄT – DANIEL DE PAOLA
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PFLEGEDIENST PRO CURA RIETBERG
PRO CURA RIETBERG GmbH
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Kontakt: Am Bahnhof 19, 33397 Rietberg Telefon / Fax: Ambulanter Pflegedienst , Verwaltung: 05244 - 1463 Tagespflege: 05244 - 904431 Fax: 05244 - 928790 E-Mail: info@pro-cura.comHomeBereitschaft für Notfälle 24-Stunden: 0171-3504162 Bürozeiten: Montag bis Donnerstag von 08.30 – 16.00 Uhr Freitag von 08.30 – 14.00 Uhr; in Notfällen und an Feiertagen, auch außerhalb der Bürozeiten: Mobil: 0171 – 3504162
SCHWESTER SANDRA AUS TEMPLIN
INTERVIEWS:
2019
2017
2016
https://uwemuellererzaehlt.de/2018/02/16/interview-mit-sandra-naber-2/
SCHWESTER INES
SCHWESTER INES AUS BASDORF – GEMEINDE WANDLITZ
SchwesterInes, Ines Gentzsch, hat im Pflegedienst Ascuvita GmbH die Geschäftsführung inne, gemeinsam mit Stefanie Claasen.
EINFÜHRUNG
Das folgende Interview ist zufällig entstanden, fast zufällig.
Ich hatte erfahren, dass Schwester Ines seit einiger Zeit Mitinhaberin eines neu gegründeten Pflegedienstes in Basdorf ist.
Das fand ich einerseits sehr schade, weil ich sie als Schwester kannte, aus der Arztpraxis. Und ich schätzte sie dort sehr.
Sie war unter Patienten beliebt. Andererseits freute ich mich wiederum, dass eine Schwester mit solch einer profunden Fachkenntnis und einer sehr sozialen Ader künftig für Pflege-und Hilfsbedürftige da sein wollte.
Es wird viel darüber geschrieben, dass wir dringend Fachkräfte im Pflegebereich benötigen. Gute möglichst noch dazu.
Die gute Nachricht: Schwester Ines gehört genau zu diesen Menschen.
Warum schreibe ich das? Weil ich etwas von medizinischen Dingen verstehe?
Nein. Das ist nicht der Fall.
Vielleicht aber verstehe ich ein wenig von Menschen und deren Stärken.
Darum soll es im Interview gehen, um Schwester Ines und wie sie sich als Unternehmerin in der Pflegepraxis etabliert hat.
ZUM INTERVIEW:
INTERVIEW MIT SCHWESTER INES AUS WANDLITZ
PORTRÄT PFLEGEDIENST ROSENBERGER
50 KILO ABNEHMEN(6)
ZIEL FÜR JULI VERFEHLT -URLAUBSLAUNE EINGETRÜBT
Morgen ist für Juli die Abrechnung fällig. Ich bin mit 127, 0 kg in den Monat gestartet.
Das Ziel: um 3,2 das Gewicht reduzieren, auf 123,8 kg.
Ich bin heute aber bei 126,0 kg. Also habe ich mein Ziel verfehlt, und zwar krachend.
Ich könnte ja jetzt sagen: Gut, immerhin habe ich mein Anfangsgewicht von 131 kg im Januar auf 126 kg im Juli vermindert.
Doch ich wollte weiter sein. Jeden Tag 100 Gramm, das ist doch nicht schwer, habe ich mir gesagt.
Ist es auch nicht. Aber was ist noch leichter?
100 Gramm wieder draufzukriegen.
Am Wochenende zum Beispiel, da war Laura bei uns.
Sie hat geholfen, meinen Computer wieder auf Vordermann zu bringen.
Vor lauter Freude habe ich abends dann eine ganze Flasche Sekt ausgetrunken, mit Erdbeeren. Allein. Die Frauen wollten nicht, umso besser.
Ach, es war herrlich. Am nächsten Tag bin ich gar nicht auf die Waage gegangen.
Und Montag? Da hatte ich den ‚Salat‘ – 127,3 kg.
Am vergangenen Donnerstag waren es noch 124,8 kg.
Was mache ich nun? Damit leben, weitermachen.
Gestern und heute habe ich im Fitness-Studio geackert. Doch abends, was war da?
Ja, da waren noch Reste vom Sonntagsessen.
Herrliche Knödel mit Gulasch.
Und vorher? Eis vom Sonntag, mit Früchten, nur zum Nachmittagskaffee. Lecker.
Heute Morgen? Schnauze voll. Ich kann es nicht anders sagen.
Was wird heute, am vorletzten Tag? Fasten.
Ich habe heute kurz vor 5 Uhr gefrühstückt. Sonst streikt meine Galle.
Aber weiter gibt es nichts. Wirklich nicht? Wirklich nicht! Nur Wasser und Zitrone und ein konzentriertes Vitamingetränk, das ich mir leiste.
Wir wollen mal sehen, wie es morgen früh aussieht.
Wahrscheinlich werde ich es am Mittwoch, den 31.08. wiederholen, das mit dem Fasten.
Vielleicht kann ich ja noch ein paar Gramm loswerden, trotz Urlaubsfeeling.
JEEPY (33)
JEEPY UND FIATINE BEREITEN SICH AUF DAS VERKAUFSGESPRÄCH VOR
„Hallo Fiatine, heute geht’s los. Heute schreiben wir uns auf, wie wir dich am besten beim Inhaber des Einkaufsmarktes anpreisen.“
„Ach Jeepy, ich bin so froh, dass du mir hilfst“, flötete Fiatine fröhlich.
„Aber weisst du, ich habe gar kein gutes Gefühl dabei, wenn du sagst, du willst mich anpreisen. Das klingt, als würdest du ein besonders schmackhaftes Steak für den Grill anbieten.“
„Fiatinchen…“, hob Jeepy an.
„Nenn‘ mich bitte nicht Fiatinchen. Schliesslich sind wir nicht miteinander verwandt“, ging Fiatine sofort dazwischen.
„Also willst du jetzt raus, aus dem Autohaus, oder nicht?“, fragte Jeepy und hüpfte ungeduldig mit seinen Vorderreifen hin- und her.
„Ja, schon“, sagte Fiatine nun kleinlaut.
„Pass auf, wir erarbeiten einen richtigen Gesprächsleitfaden, so wie das mein Fahrer getan hat, wenn er seinen Kunden Immobilien verkaufen wollte.“
„Und hat er das dann abgelesen?“, fragte Fiatine. Sie war noch skeptischer geworden.
„Nein, natürlich nicht. Er hat sich nur ein paar Stichpunkte notiert und wenn er das aufgeschrieben hatte, dann war es auch in seinem Kopf.
„Oh Gott“, seufzte Fiatine.
„Ja und die Einwände, die sind ganz wichtig.“
„Ja, ein Einwand ist stets ein Kaufsignal.“
„Kaufsignal?“
„Ja“, Jeepys Wangen, äh Türen, wurden noch röter vor Eifer, als sie es ohnehin schon waren.
„Wenn der interessierte Kunde sagt, dass du pottenhässlich bist, dann zeigt er damit sein Inteteresse.“
Fiatine fing an zu weinen.
„Ich soll hässlich sein?“
„Das ist doch nur ein Beispiel. Natürlich bist du wunderschön“, schob Jeepy eilfertig hinterher.
„Aber wie wäre es damit: Fiatine hat eine Klimaanlage, einen Lautsprecher, Leichtmetallfelgen und ein höherverstellbares Lederlenkrad?“
„Ach, das klingt alles so technisch, so lieblos“, sagte Fiatine und ihrer Stimme war dabei die Enttäuschung anzumerken.
„Dann mach‘ du doch selbst einen Vorschlag, was du sagen würdest“, sagte nun Jeepy und war leicht eingeschnappt.
„Pass mal auf. Ich würde folgendes sagen: Sie sind der Inhaber eines Einkaufsmarktes und gehen tagaus und tagein durch die Türen Ihres Einkaufscenters, schwitzen und plagen sich mit Bestellungen rum und mit Reklamationen.“
„Und was hat das jetzt mit dem Verkaufsgespräch zu tun?“, entgegnete nun Jeepy spöttisch.
„Warte ab!“, sagte Fiatine.
„Der interessierte Käufer wird aufstöhnen und meine Fragen bestätigen.“
„Und dann?“, drängelte Jeepy
„Dann frage ich ihn, ob er den italienischen Spielfilm ‚Dolce Vita‘ kennt.“
„Was ist, wenn er ihn nicht kennt?“, fragte Jeepy skeptisch weiter.
„Ich frage ihn auf jeden Fall nach Sonne, Meer, italienischer Pasta und herrlichem Wein, einfach nach dem Lebensgefühl.“
„Nach Wein und Pasta?“
„Jetzt stell‘ dich doch nicht so an“, sagte Fiatine.
„Ich sag‘ jetzt gar nichts mehr!“
Jeepy war endgültig beleidigt.
„Ein offenes Verdeck, blau-weiß gestreift, herrliche Meerluft, aus dem Radio tönen schöne Melodien, das ist Dolce Vita, und das verkörpere ich, Fiatine.“
„Das ist mir noch gar nicht so aufgefallen“, sagte Jeepy jetzt.
„Aber wenn ich dich so anschaue, kann das hinkommen. Und du meinst also, da ist was dran, an so einer Art Präsentation, das will der Kunde hören?“, fragte Jeepy, immer noch ein wenig zweifelnd.
„Aber klar!“.
„Komm‘, wir fahren zum Verkäufer und fragen ihn, wie er das Gespräch führen würde“, rief Fiatine fröhlich.
„Na meinetwegen“, brummte Jeepy und war immer noch verschnupft.
Er wollte doch noch vor Fiatine mit den technischen Details glänzen, die er sich vorher auf eine Karteikarte geschrieben hatte.
Aber Fiatine hatte ihn mal wieder mit ihrer fröhlichen Art um den Finger gewickelt.
SCHREIB-ALLTAG (6)
SCHREIBEN IST WIE LIEGESTÜTZEN MACHEN
Es ist so einfach. Du nimmst dir einen Stift oder greifst dir die Tastatur und los geht’s.
Wirklich?
Wenn es so einfach wäre, dann hätten wir so viele und wahrscheinlich in der Mehrheit auch gute Texte.
Aber die Wahrheit lautet anders: Du musst dich nämlich ziemlich überwinden.
Irgendwie kriegst du im Leben nichts hin, ohne dich wirklich anzustrengen, oder?
Willst du Liegestütze machen, dann musst du dich auf den Boden legen. Und dann brauchst du nur noch die Arme strecken. Nur? Dieses ’nur‘ kostet dich viel Überwindung. Aber wenn du es getan hast, dann bist du stolz auf dich.
Beim Schreiben ist es ähnlich.
Es gibt einen Trick, den ich dabei anwende.
Ich schreibe einfach los. Zum Beispiel, wenn ich im Fitness- Studio bin. Du fängst beim Tippen automatisch an zu denken.
Aber es ist auch ein bisschen wie ‚mal sehen, wo es mich ‚hinschreibt‘.
Doch das wirft den Gedankenmotor an. Ich sitze gerade im Studio an der ‚Beinpresse‘.
Neben mir liest jemand ein kleines Büchlein – zwischen den einzelnen Übungen – die er absolviert.
Ich schreibe eben in der einen Minute Pause, die ich mir nach 15 Wiederholungen gönne.
Was ist der Trick? Du schreibst sofort los. Besser, ich tippe los. Auf dem iPhone.
Mit dem rechten Daumen. Die Herausforderung ist, nicht zwei Buchstaben auf einmal zu erwischen. Vor allem, wenn der Daumen so dick ist, wie meiner.
Wäre ich an meinem Schreibtisch, dann würde ich mit dem Füller erst einmal einen groben Arbeitsinhalt skizzieren. Danach würde ich das Blatt einscannen. Umständlich.
Anschließend: den Rohentwurf schreiben, wieder mit dem Füller.
Warum mit Füller?
Weil zwischen meinen Gedanken und meinem Blatt nichts weiter ist, mental jedenfalls nicht.
Aber mit dem iPhone schreibt es sich auch sehr gut.
Du hältst mit der einen Hand das Handy und mit der anderen Hand tippst du auf die Buchstaben. Manche schreiben ja mit beiden Händen. Ich kann das nur mit meinem rechten dicken Daumen, zwar mit den bekannten Nebenwirkungen, aber immerhin erreiche ich beachtliche Tippgeschwindigkeiten.
Korrigieren kann ich später immer noch.
Ich hänge im Studio gerade etwas unbequem an der Beinpresse mit dem rechten Fuß fest. Wird mich das aufhalten, weiterzuschreiben? Nein.
Das kann Leben kann so schön sein. Vorausgesetzt, du findest es schön, so wie es ist.
ANNA IST DEMENT(41)
GLÜCK BRAUCHT KEINE VORBEDINGUNGEN
Peter hockt noch im Fitness-Studio und hat keine Lust mehr, sich zu quälen. Doch dann muss er an seine Mutter in Dresden denken. Sie sitzt den ganzen Tag im Rollstuhl, meist bewegungslos. Ihre Mimik scheint eingefroren.
Was ist das noch für ein Leben?
Peter will vermeiden, dass es ihm genauso ergeht. Wenigstens will er es rausschieben, möglichst weit nach hinten raus.
Also weitermachen mit den Übungen. Aber was ist mit den anderen Risikofaktoren? Übergewicht, Bluthochdruck, Gene?
100 Punkte für die Wahrscheinlichkeit, dass eines davon die Ursache für die eigene Demenzschwäche ist. Glaubt Peter das wirklich?
Peter schiebt diesen Gedanken von sich. Er will das tun, was er tun kann. Also weitermachen mit Sport und Abspecken.
Es ist wie jeden Tag. Peter kann fluchen, dass er früh aufsteht, bis zum Alex fährt, um sich dort fit zu halten, oder er nimmt den anderen Blickwinkel.
Den, der ihn sofort mit Leben umgibt. Mit der Energie, die er braucht, um dem ganzen Tun einen Sinn zu geben.
Er muss an seinen Vater denken. Was sagt er, wenn sie ihn zu Grabe tragen?
Woran soll er sich erinnern und woran will er die anderen erinnern, die mit ihm auf dem Friedhof stehen?
An die vielen Dispute, die unnützen und unsäglichen Dialoge, in der keiner nachgeben wollte?
Oder lieber daran, was er an seinem Vater so schätzte?
Seinen scharfen Verstand, seine Fähigkeit, schnell Menschen zu erkennen, Beobachtungen auf den Punkt zu bringen, auf des Pudels Kern zu reduzieren und rhetorisch zu glänzen, sowieso.
Sicher wird er über alles das sprechen. Aber was ist noch wichtiger?
Vielleicht die Tatsache, dass alles endlich ist, keiner die Zeit bekommt, die er glaubt auf seinem Konto zu haben, die ihm sozusagen zustünde, um etwa wieder was in Ordnung zu bringen.
Es ist besser, manche Dinge einfach laufen zu lassen, nicht dauernd auf die Schwächen anderer zu schauen. Vielmehr, einem Menschen Kraft zu geben, und ihm zwischendurch auch einmal zu sagen, wie sehr man ihn mag, und sei er noch so widerborstig.
Peter dachte daran, wie er zuletzt Krümel abholte, wie sie auf ihn zuschoss, weil sie glücklich war, ihn zu sehen.
Warum vergeht eigentlich diese ungestüme Freude im Alter?
Dieses glücklich sein, ohne irgendwelche ‚ja, aber‘ vorweg, sondern eher ‚hier und jetzt‘, sofort Spaß, nicht aufgespart für Weihnachten, wie das Glas Gurken zu DDR-Zeiten.
Peter wird aus seinen Gedanken gerissen, weil neben ihm jemand laut die Gewichte aufknallt. Er will schon rübergehen und sagen: „Hör mal, das macht man nicht, weil du das Gerät beschädigst und vor allem, weil du die anderen neben dir störst.“
Aber dann erinnert er sich an das, was er seinem Vater eigentlich noch hätte sagen wollen.
Er schaut zu seinem Trainingspartner am anderen Gerät rüber und lächelt ihm zu, und hebt den Daumen.
Der lächelt zurück und setzt die Gewichte beim weiteren Mal ganz vorsichtig ab.
„Geht doch“, würde jetzt Lukas sagen. Aber der ist ja in Stralsund. Peter wird ihn auf der Rückfahrt anrufen. Sie können morgens immer so schön lachen, über das, was Anna so raushaut. Sie lachen dann herzhaft, sie lachen Anna nicht aus, nein, sie machen sich nur gegenseitig Mut, geben sich Kraft für das, was noch kommt.
50 KILO ABNEHMEN (5)
DIE NEUE WAAGE IST SCHULD
Gestern habe ich morgens die neue Waage benutzt, um mich zu wiegen. Ich habe mich schon ein paar Tage nicht mehr gewogen.
Es war zu viel Trubel und so habe ich das alles beiseitegeschoben. Und dann ging noch die alte Waage kaputt. Ich fühlte mich wie im Blindflug.
Als wir die neue hatten, da wussten wir erst einmal nicht, wie wir sie bedienen sollten. Du kannst den Fettanteil messen und den Muskelanteil auch.
Aber wie? Die Bedienungsanleitung war klein gedruckt, in viele Sprachen übersetzt und unübersichtlich angeordnet. Was nützt der ganze technische Schnick- Schnack, wenn die Anleitung für Softwareingenieure geschrieben ist?
Ich machte mich an den praktischen Teil und drückte solange auf die einzelnen Button, bis das Zeichen für kg erschien. Das war das Signal, um alles so zu lassen. Ich stieg mit beiden Beinen drauf und schaute nach unten.
Die Zahlen sausten, ich schwankte auf der Waage hin – und her. Schließlich blieb die Anzeige bei 126,0 stehen. Ich müsste eigentlich bei 124,8 sein.
„Die Waage ist ja anders geeicht“, beschwichtigte Klara gleich.
Gott sei Dank war also nicht der Sekt mit Erdbeeren am Samstagabend schuld, oder die Spaghetti Bolognese, nein, die Waage muss sich erst an uns gewöhnen und wir uns an sie.
Aber morgen, ja morgen, da geht‘s wieder ins Fitness-Studio, und dann bin ich bald wieder bei 124,8 – trotz neuer Eichung.
Doch wahrscheinlich müsste ich dann schon bei 123,8 sein. Aber darüber mach ich mir Gedanken, wenn es soweit ist.
Wir finden schon einen Schuldigen.
ALLTÄGLICHES (3)
‚SPREEGOLD‘ – DAS WAHRE GOLD STECKT IM TEAM
‚Spreegold-fresh food and events‘, so heißt das Lokal in der ‚Stargarder‘ im Prenzlauer Berg, in dem ich am Mittwochmorgen war. ‚Spreegold‘ allein, das klingt schon verheißungsvoll. Ich bin kein Gourmet, kein Restauranttester. Was ich sagen kann, das ist, dass ich mich lange nicht mehr so wohl in einem Restaurant gefühlt habe.
Warum?
Weil das Team, die Menschen, die in dem Lokal arbeiten, und denen ich am Morgen begegnet bin, das wirkliche Gold sind.
Ich muss ein bisschen ausholen, um das zu erklären.
Ich war morgens im Fitness-Studio. Vorher habe ich Klara zur Arbeit nach Kreuzberg-Mitte gebracht.
Wir waren 4 Uhr aufgestanden und 5 Uhr losgefahren. 05:58 Uhr löste ich das Ticket für das zweite Parkdeck in der Tiefgarage und die Schranke hob sich.
Routiniert steuerte ich auf meinen Stammplatz zu.
Lustlos und noch mitgenommen von den Erlebnissen am Vortag schlich ich die Treppen hoch.
Einen Tag zuvor war meine Mutter 90 Jahre alt geworden. Mein Vater war eine Woche zuvor gestorben. Und so gaben wir uns Mühe, die Feier zu Mutters 90-igstem trotzdem mit Liebe zu gestalten.
Am nächsten Morgen, kam das alles in mir noch einmal hoch. Ich schlich förmlich auf dem Laufband. Mehr war es nicht. Um mich herum waren sämtlich motivierte Leute, zumindest taten sie so. Die meisten wohl jünger als ich, und so bekam ich allmählich Lust, mich mehr in die Übungen hineinzuhängen.
Schließlich war ich an den Geräten fertig. Es war kurz vor 8 Uhr. Was sollte ich machen?
Zurückfahren, mich umziehen und mich danach erneut in den Prenzlauer Berg zu begeben, nur um beim Friseur zu sein?
Das war doch Quatsch, fand ich.
Doch was würde Klara sagen, wenn sie erfuhr, dass ich in den Trainingsklamotten zum Friseur wollte?
Würde sie dem zustimmen? Auf keinen Fall. Sollte ich sie also anrufen und nachfragen, was ich tun sollte? Um Gottes Willen.
Der Friseur würde ja 8 Uhr seine Pforten öffnen, spätestens aber 9 Uhr, glaubte ich.
Also machte ich mich auf den Weg, direkt in den Prenzlauer Berg. In der Schönhauser stellte ich das Auto erneut in einer Tiefgarage ab, schnappte mir meine Tasche und schlürfte los, in Richtung Friseurladen, dem Hairwork-Shop.
Wer sagt heute noch ‚Friseur‘? Höchstens ich, ich alter Sack. ‚Hairwork-Shop‘ heißt der Laden wohl richtig.
Es dauerte nicht lange und ich stand davor. Vor verschlossenen Türen. Der ‚Hairwork-Shop‘ öffnete nämlich erst 10 Uhr.
Ich wollte es nicht glauben. Meine Laune sank wieder auf den Null-Punkt.
Was sollte ich machen? Ein zweites Frühstück wäre jetzt gut. So etwas mit Rühreiern und einem Pott Kaffee.
Verstieß das gegen meine selbst auferlegten Regeln zur Gewichtsabnahme?
Ja, eindeutig. Was machte ich mit dieser Regel?
Ich deklarierte sie zur absoluten Ausnahme um.
Also auf ging’s.
Ich überquerte die Straße und sah ein Lokal, dessen Türen aufstanden. Es schien doch nicht alles verloren, im Prenzlauer Berg.
Ich ging hinein, es war gegen halb neun.
Ein fröhliches ‚Guten Morgen‘ erscholl mir von einer jungen Frau entgegen, die vor der Verkaufstheke stand. Sie schien zum Team dazuzugehören.
„Guten Morgen“, erwiderte ich.
„Moin!“, sagte die andere Mitarbeiterin, die hinter der Theke stand.
Moin, das gefiel mir. Es klang nach Norden. Woher war sie? Vielleicht aus Schleswig-Holstein?
Ich jedenfalls war in Schwerin aufgewachsen, bevor ich später nach Dresden ‚verschleppt‘ und mit dem Sächsischen gequält wurde.
Die sympathische Mitarbeiterin hieß Kim, wie ich später erfuhr.
„Das gibt’s doch nicht, hier im Prenzlauer Berg scheinen alle noch zu schlafen“, sagte ich.
Kim schaute mich fragend an, die Mitarbeiterin vor der Theke ebenfalls.
„Naja, ich wollte zum Friseur. Und der hat noch geschlossen.“
„Wer geht schon so früh zum Haareschneiden?“, fragte Kim.
„Ich!“, entgegnete ich.
Wir mussten lachen und ich bekam sofort gute Laune.
Kim wirkte sehr selbstbewusst auf mich. Sie hatte Humor, wusste, wie man mit einem Gast redet.
Was mir besonders gefiel: Es wirkte nichts aufgesetzt, sondern es kam von innen, diese Herzlichkeit, ohne sich bei mir anzubiedern, oder mich etwa auszulachen.
Ich hatte sofort das Gefühl, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Ich brauchte diese gute Laune, besonders nach dem gestrigen Tag.
„Was möchten Sie denn bestellen?“, fragte Kim mich.
„Haben Sie Rühreier und einen Pott Kaffee?“
„Haben wir. Mit ‚bacon‘?“
Nachdem ich verstanden hatte, dass sie gebratenen Schinken meinte, bejahte ich das Ganze heftig mit dem Kopf.
„Sie können sich schon hinsetzen. Ich bringe Ihnen den Kaffee“, sagte Kim.
Der Kaffee kam schnell und ich hatte noch einen Chip bekommen, der aufblinken sollte, wenn das Rührei fertig war. Ich schaute mich im Raum um.
Er war bis auf wenige Gäste leer. Noch! Wenige Stunde später, da steppte hier der Bär. Das hatte ich jedenfalls schon mehrfach beim Vorbeilaufen sehen können.
Ich war froh, dass ich reingegangen war. Gott sei Dank hatte der Friseur noch geschlossen.
Ein junger Mann kam zu meinem kleinen Tisch und sagte: „Geben Sie mir ruhig schon den Chip. Ich bringe Ihnen das Essen.“
Ich freute mich darüber, denn ich hatte mich gerade auf die Lederbank vor dem Fenster gesetzt und verspürte wenig Lust, noch einmal aufzustehen.
Die Rühreier kamen. Dazu herrlich duftendes Brot.
Italienisches Brot, wie ich später in der Speisekarte las.
Hätte mich in dem Moment jemand gefragt, wo ich sein wollte, damit es mir gut ginge, ich hätte geantwortet: „Hier, und nur hier“, ohne Zögern.
Der junge Mann kam wieder vorbei. Ich vermutete, dass es der Chef war. Er fragte mich, ob alles in Ordnung wäre.
„Bestens“, meinte ich.
Später nannte er mir seinen Namen, nachdem ich ihn danach gefragt hatte.
„Thomas“, meinte er freundlich und blieb beim ‚Sie‘, obwohl ich ihn gleich geduzt hatte. Dabei war ich sonst eher distanziert, machte es einem anderen nicht gleich leicht, mich zu duzen.
Diesmal war es also anders herum und auch das gefiel mir. Ich war im Sportzeug, wollte die Zeit überbrücken, ein zweites Frühstück genießen.
Das war eigentlich alles. Was ich aber bekam, das war viel mehr als nur ein paar kleine Köstlichkeiten und einen gut riechenden Pott Kaffee.
Es war ein Service, der unverkennbar zeigte, dass ich es mit Profis zu tun hatte. Aber was mich wirklich umhaute, das war diese herzliche Art, diese Botschaft: „Sei willkommen, fühl‘ dich wohl, wir kümmern uns um dich.“
Ich beobachte seit vielen Jahren Menschen, schreibe über das, was ich sehe. Du kannst alles lernen. Aber diese Leidenschaft, die musst du mitbringen.
Kim, Thomas, die Mitarbeiterin, deren Namen ich nicht erfragt habe, sie alle leben genau das, und zwar mit ganzem Herzen. Ich habe wieder ein Stück mehr Lust auf das Leben bekommen.
Danke Kim, danke Thomas, danke liebes Team für die mir erwiesene Gastfreundschaft.
JEEPY (32)
JEEPY WILL FIATINE MIT EINEM VERKAUFSGESPRÄCH HELFEN
Jeepy hat Fiatine eingeladen, mit an die Ostsee zu kommen.
Und er hat ihr versprochen, dass er sich nach einem Käufer für sie umsieht.
Fiatine steht immer noch im Autohaus.
Durch das ‚update‘ kann sie zwar mit Jeepy automatisch durch die Gegend düsen, aber das sieht der Verkäufer nicht so gern.
Also hat Jeepy eine Idee. Er weiß, dass der Inhaber eines großen Einkaufmarktes ein Auge auf Fiatine geworfen hat.
Und Fiatine ist der Inhaber ebenfalls sympathisch.
„Wie wollen wir das anstellen, dass der Inhaber mich gut findet?“, fragt Fiatine.
„Ganz einfach, wir werden ein Verkaufsgespräch vorbereiten.“
„Ein Verkaufsgespräch? Ich will nicht verkauft werden, ich will, dass der Inhaber mich wirklich gern hat“, sagt Fiatine nun beleidigt.
„Er hat dich heute schon gern.“
„Wieso? Er kennt mich doch nur flüchtig“, sagt Fiatine erstaunt.
„Naja, er wohnt bei mir ganz in der Nähe und da hat er dich eben eines Tages gesehen.
Ein paar Tage später hat er mir aus dem Auto ein Zeichen gegeben und ich habe angehalten.“
„Und weiter?“, drängelt nun Fiatine.
„Jeepy, wer ist dieser kleine Fiat?“, hat er mich gefragt.
„Das ist Fiatine, meine Freundin. Wir unternehmen beide sehr viel zusammen.“
„Und was hat er darauf gesagt“, drängelt Fiatine weiter.
„Hm.“
„Hm?“, das ist ja nicht viel.
„Siehst du, und deshalb muss ich noch ein bisschen nachhelfen, nämlich mit einem kleinen Verkaufsgespräch.
Wenn das klappt, und der Inhaber des Einkaufsmarktes dich kauft, dann wohnen wir beide ganz dicht zusammen“, erklärt Jeepy seiner Freundin.
„Ach, das wäre so schön. Na, dann bereite mal dein Verkaufsgespräch für mich vor.“
Fiatines Stimme klang jetzt fröhlich.
ANNA IST DEMENT (40)
ANNA HAT DEN ANRUF VON LUKAS SCHON WIEDER VERGESSEN
Es ist schon spät, als Anna sich bei Lukas am Telefon meldet.
„Ich bin gerade beim Abendbrot“, sagt Lukas leicht genervt zu Anna.
Anna druckst herum, bis sie salbungsvoll über die Lippen bringt: „Ich wollte dir auch nur ein wunderschönes Abendessen wünschen.“
„Aber Mutti“, die Stimme von Lukas zittert vor Empörung, „wir haben doch gerade miteinander gesprochen.“
„Ach, haben wir das? Na dann kann ich ja wieder auflegen“, antwortet jetzt Anna. In ihrer Stimme schwingt mit, wie beleidigt sie gerade von dem ist, was Lukas ihr gesagt hat.
Lukas ärgert sich darüber, dass er sich mal wieder nicht im Griff hatte. Dabei wollte er sich nicht aufregen, egal, was Anna von sich gab.
„Mutti, was wolltest du mir denn noch mitteilen?“, fragte er nun schon versöhnlicher.
„Du, stell dir vor, Peters Vater ist tot.“
Lukas verschluckte sich an dem Stück Brot, das er kurz bevor das Telefon klingelte in den Mund geschoben hatte.
„Und Mutti, stell du dir vor, das habe ich dir vor einer halben Stunde erzählt. Das kannst du also nur von mir wissen.“
Anna schwieg.
„Bist du noch da?“, fragte Lukas.
„Ja, aber ich kann das nicht glauben, dass ich das schon wieder vergessen habe.“
„Mutti, das ist überhaupt nicht schlimm. Dafür sind wir doch da. Um dir zu helfen, dich an das alles zu erinnern. Wie war denn dein Tag heute?“
„Ach, es war so schön auf dem Balkon bei mir. Die Sonne schien und die Blumen blühen. Es ist einfach herrlich.“
Anna hatte das alles Lukas schon vor einer halben Stunde erzählt, mit den gleichen Worten.
„Mutti, das ist doch wunderbar.“
Lukas hatte mal wieder die Kurve gekriegt.
50 KILO ABNEHMEN (4)
AUF DEM LAUFBAND
Die Euphorie ist verflogen. Jetzt schleppe ich mich morgens mehr oder weniger die Treppen von der Tiefgarage hoch, um zum Eingang des Fitness-Studios zu gelangen.
Ich gehe danach langsam den Gang entlang, hin zur Umkleidekabine, so als könnte ich noch Zeit rausschinden vor der ‚Hinrichtung‘.
Schließlich habe ich mich umgezogen, halte eine Flasche Wasser in der Hand und habe um den Hals ein Handtuch geschlungen.
Ich beginne zunächst mit dem Laufband.
Anfangs bin ich Fahrradergometer gefahren. Aber mir scheuerte das Hinterteil und ich habe mich nicht wohl gefühlt.
Beim Laufband ist es anders. Das erinnert mich an das Nordic Walking, was ich sonst immer mache.
Aber nun, da steige ich auf das Laufband, lege das Handtuch auf die Seite, stelle die Flasche Wasser ab und drücke die Starttaste.
Das Laufband beginnt sich in Bewegung zu setzen. Zunächst ganz langsam. Und ich habe es nicht eilig, die Geschwindigkeit hochzudrehen.
Eine junge Frau besteigt das Laufband neben mir. Sie macht es an, und fängt sofort an zu laufen.
Ein Stück weiter von mir entfernt hat ein junger Mann das Laufband schräg gestellt, sodass er nach oben laufen muss.
Da soll sich bloß keiner einbilden, dass ich so einen Quatsch auch anfange. Dafür ist mein Gewicht zu groß und die Belastung auf den Kniegelenken wäre zu hoch.
Meine eine innere Stimme, der ‚Loser‘ bestärkt mich sofort: „Um Gottes Willen, fang langsam an, mach es dir erst einmal bequem auf dem Band. Steigern kannst du dich immer noch.“
Also laufe ich und schaue dabei auf die Straße. Ich beobachte die Leute. Gerade geht eine Frau vorbei. Sie hat ein enormes Übergewicht.
Sofort meldet sich meine zweite innere Stimme, ‚Schweinehund‘: „Na, da siehst du wie es ist, wenn du dich nicht anstrengst. Du siehst genauso aus wie die Frau und wirst auch so bleiben, wenn du nicht anfängst, die Geschwindigkeit hochzustellen.“
„Jetzt bleib‘ mal ganz ruhig. Immerhin stehe ich wenigstens auf dem Laufband und zeige Einsatz, um weiter mein Gewicht zu reduzieren“, sage ich zu ‚Schweinehund‘.
Aber ich fange trotzdem an, die Geschwindigkeit systematisch hochzudrehen. Das Band wird schneller und ich beginne darauf zu hin- und her zu schwanken.
Das Band quietscht laut. Wahrscheinlich denken die anderen, dass der ‚Dicke‘ zu schwer ist für das Gerät.
Schließlich schaue ich auf den Fernsehapparat, der an der Wand angebracht ist.
Dort trainieren Hochleistungssportler ihre Muskeln. Das motiviert mich. Ich drehe die Geschwindigkeit weiter hoch. Außerdem höre ich auf den Takt der Musik und passe mich in meinen Laufbewegungen daran an.
Ich bin drin, fühle mich als Teil des Trainingsteams im Studio, laufe leichter, beginne zu schwitzen.
Ich krieg‘ gute Laune.
SCHREIB-ALLTAG (5)
WIE DIE FIGUR DES ‚MANFRED GERBER‘ MIR HILFT, DIE TRAUER UM MEINEN VATER ZU BEWÄLTIGEN
Ich will künftig mittwochs weitere Texte zu „ANNA IST DEMENT“ veröffentlichen.
Wer meinen letzten Beitrag zum Redaktionsplan gelesen hat, der weiß, dass ich den schon wieder ein klein wenig verändert habe.
Dafür ‚Asche auf mein Haupt‘. Aber das kommt, weil ich zur Zeit intensiv darüber nachdenke, wie ich Ruhe und Kontinuität in die Sache bringe.
Und dann kommt oft genug das Gegenteil von dem raus, was ich will. Ich hoffe aber, kein Chaos.
Deshalb wird es jetzt so sein, dass ich montags den Platz für „Alltägliches“ reserviere, dienstags für „50 KILO ABNEHMEN“, mittwochs für „ANNA IST DEMENT“, donnerstags kommen Texte zum „SCHREIBALLTAG“ und freitags halte ich den Platz für Geschichten über „JEEPY“ frei.
Samstags und sonntags spanne ich am Pool im Garten aus. Ich meine damit das Planschbecken für Krümel.
Das hätte ich also geklärt.
Aber wie nun weiter mit meiner Geschichte?
Ich merke immer mehr, dass ich nicht umhin komme, meine Figuren sorgfältiger und ausführlicher zu charakterisieren.
Gestern rief mich meine Schwester an und fragte mich, ob ich nicht ein paar Worte am Grabe meines Vaters sagen wollte.
Will ich. Hoffentlich schaffe ich das emotional.
Weshalb kommt mir das gerade jetzt in den Sinn?
Naja, mein Vater ist eben einer der Protagonisten in „ANNA IST DEMENT.“
Bisher habe ich nicht viel über ihn geschrieben.
Die Geschichte soll ja fiktional bleiben. Aber es sind natürlich an den Figuren Züge von Menschen zu erkennen, die ich zum Vorbild nehme, wenn ich bestimmte Handlungsstränge weiter vorantreiben will.
Und das kann ich nicht immer aus dem Hut zaubern.
Nein. Ich werde um ausführliche Charakterskizzen nicht herumkommen.
Ich fange mit der Figur des ‚Manfred Gerber‘ an und werde dabei an meinen Vater denken.
Es wird mir helfen, mit meiner Trauer fertig zu werden.
JEEPY (31)
JEEPY LÄDT FIATINE EIN, MIT AN DIE OSTSEE ZU KOMMEN
Fiatine ist traurig. Jeepy hat nicht Wort gehalten.
Er hatte ihr versprochen, dass er sie ins Fitness-Center mitnehmen wollte.
Aber Jeepy hat den Kopf voll. Er musste seinen Fahrer nach Dresden fahren, und zwar viele Male. Nächste Woche wieder.
„Fiatine, sei nicht traurig. Bald fahren wir in den Urlaub und vielleicht kannst du ja mit uns mitkommen.“
„Au ja, wohin fahrt ihr denn?“
„Wir wollen an die Ostsee. Wir nehmen Krümel mit und ihre Mama“, sagte Jeepy.
„Geht ihr denn richtig baden?“, fragte Fiatine.
„Natürlich, was für eine Frage. Alle gehen rein.“
„Du auch?“
„Nein, Autos dürfen nicht ins Wasser.“
„Warum nicht?“
„Weil sonst das Wasser schmutzig wird. Und stell dir vor, hinterher badet Krümel darin.“
„Ja, du hast Recht. Aber können wir nicht was anderes in der Zeit machen?“, fragte Fiatine.
Jeepy überlegte.
„Naja, wir könnten in die Waschanlage fahren und uns in der Zeit mal eine Abkühlung holen. Und danach müssen wir uns nicht einmal abtrocknen.
Wir werden trocken gefönt.“
„Das machen wir“, rief Fiatine.
„Und hast du schon jemand, der mich kaufen will?“, fragte sie noch.
„Ja, ich habe da einen Mann im Auge. Der leitet einen großen
Einkaufsmarkt. Ich glaube, der interessiert sich für einen kleinen Fiat mit einem himmelblauen Kleid.“
„Oh bitte, bitte, frag‘ ihn“, bettelte Fiatine.
„Ja gut, ich werde mal sehen, was sich machen lässt“, antwortete Jeepy.
ANNA IST DEMENT (39)
„ACH WAS, DAS STIMMT NICHT“
„Was hat Mama gesagt, als die Schwester ihr mitteilte, dass Vati gestorben war?“, fragte Peter Helga.
„Sie hat ‚ach was‘ gesagt, ‚das stimmt nicht‘“, antwortete Helga auf Peters Frage am Telefon.
Peter war das erste Mal froh, dass seine Mutter, Getrud Gerber, dement war. Nicht die Tatsache an sich war das, was ihn freute. Nein, das bestimmt nicht.
Aber dass sie diesen traurigen Moment so verarbeiten konnte, weil ihr Gehirn die Nachricht emotional einfach nicht mehr so intensiv aufnahm.
Das war vor Jahren Peters größte Sorge. Er wusste, wie sehr die beiden voneinander abhingen.
In diesem Jahr waren sie 69 Jahre verheiratet.
Sein Vater hatte ihm bei einem der letzten Gespräche gesagt, wie sehr er Getrud geliebt hatte.
Und nun, eine Woche vor dem 90. Geburtstag von ihr, da starb er einfach.
Am letzten Samstag hatte sein Vater ihn noch gefragt, ob Peter mit Mama verheiratet sei.
Er hatte Mühe, seine Gedanken zusammenzunehmen.
„Nein, ich bin der Sohn von Mama und von dir. Und du bist verheiratet mit Mama.“
„Ach so“, meinte er und ließ seinen Kopf wieder sinken.
Gertrud spielte mit dem Hund von Helga.
„Mama, Vati ist nicht mehr“, versuchte es Helga noch einmal.
„Stimmt das?“, fragte Gertrud und streichelte den Hund weiter.
50 KILO ABNEHMEN (3)
ZWEI SCHRITT VORWÄRTS, EINER ZURÜCK
Manchmal stehst du morgens auf und du möchtest am liebsten gleich wieder nach hinten umfallen.
Das habe ich auch getan. Also war Klara eine Stunde später auf Arbeit und ich auch, nur ich nicht auf Arbeit, sondern im Fitness-Center.
Ich bin im Studio den Gang hinuntergelaufen. Und ich habe mich gefragt, ob ich gleich wieder umdrehe und gehe. Ich hab‘ genau das getan. Ich glaub‘ es selber nicht, was ich für eine Flasche heute war.
Ich denke ununterbrochen an meinen Vater, der nun nicht mehr ist und ich habe gleich keinen Antrieb mehr. Also bin ich zurückgefahren, nach Hause und habe erst einmal die Zeitung gelesen.
Ich dachte, ich würde den Tod meines Vaters besser verkraften, denn ich wusste es ja bereits seit längerem, dass es mit ihm zu Ende geht.
Aber dann tritt es ein und du fragst dich, was eigentlich noch wichtig ist im Leben. Gestern Abend habe ich ein Glas Rotwein getrunken und an meine Kindheit gedacht.
Heute Morgen wog ich 200 Gramm mehr als es gestern der Fall war. Da waren es noch 124, 2 und heute sind es schon wieder 124,4 Kilo.
So schnell geht das, wenn du dich hängen lässt. Ich werde die ‚Kurve‘ wieder kriegen, werde weitertrainieren, mich an Krümel freuen, wieder abnehmen, damit ich noch möglichst lange mit Krümel auf dieser Erde Quatsch machen kann.
ANNA IST DEMENT (38)
ES TRAF IHN WIE EIN KEULENSCHLAG
Es sollte ein Tag werden, wie jeder andere auch.
Peter hatte sich viel vorgenommen.
Dann kam der Anruf von Helga.
„Vati ist heute Morgen friedlich eingeschlafen“, sagte sie. Ihre Stimme zitterte. Peter wusste, dass es mit seinem Vater zu Ende ging. Doch nun, da es die bittere Wahrheit war, zuckte er dennoch zusammen.
Er besprach mit Helga kurz, was nun zu tun ist.
Dann kam die Stille. Wie oft hatte er sich mit seinem Vater gestritten, gefetzt, sachlich und unsachlich.
Nun war der nicht mehr da. Er würde nie wieder da sein.
Peter hatte sich vorgenommen, sich nach außen nichts anmerken zu lassen.
Er wollte darüber nicht sprechen. Doch nun rannen ihm die Tränen übers Gesicht, die Buchstaben verschwammen vor ihm.
Noch bei einer seiner letzten Telefonate hatte ihm sein Vater zugerufen: „Halt endlich deine Schnauze.“
Peter hatte sofort aufgelegt, so entsetzt war.
Bei seinem letzten Besuch im Krankenhaus, sagte sein Vater zu ihm:
„Das musst du richtig verstehen. Ich mein‘ das doch genau anders herum.“
„Ach so. Das habe ich dann komplett falsch verstanden“, entgegnete Peter trocken.
Helga rutschte vor Lachen fast vom Stuhl. Sein Vater schmunzelte.
„Wer sind Sie“, fragte er Peter wenig später.
„Ich bin’s. Dein Sohn. Und das ist Krümel, deine Urenkelin“, sagte Peter und zeigte auf ein Foto.
„Ja, Krümel, die kenne ich. Natürlich kenne ich sie“, sagte sein Vater noch einmal, diesmal mit vorwurfsvollem Unterton.
Jetzt war das alles vorbei, die kleinen und größeren Plänkeleien, das Dozieren über geschichtliche und aktuelle Vorgänge in der Politik, die Diskussion über gute Bücher.
Ihm wird der messerscharfe Verstand seines Vaters fehlen, das ewige Ringen mit ihm über die Bedeutung von etwas Gesagtem und vor allem von dem, was unausgesprochen blieb.
Peter wird Krümel Geschichten erzählen, sie zum Schreiben mit der Hand ermuntern, zu lesen, fröhlich und mit wachen Augen durch das Leben zu gehen. Und Peter wird ihr von ihrem Uropa erzählen.
Das wird er tun. Denn das alles würde seinem Vater gefallen.
JEEPY (30)
JEEPY IST GENERVT VOM FITNESS-CENTER
„Hallo Jeepy, wie geht es dir?“, ruft Fiatine schon von weitem, nachdem sie ihn im Autohaus entdeckt hat.
„Och, ganz gut“, murmelt Jeepy. Er wirkt erschöpft.
„Geht es dir wirklich gut?“, fragt Fiatine erneut.
„Ja, ich bin nur gerade ein wenig aus der Puste, weil ich mit dem Fahrer im Fitness-Studio war.“
„Du warst im Fitness-Studio?“, Fiatine kann es nicht glauben.
„Naja, mein Fahrer bringt morgens seine Frau zur Arbeit, nach Berlin-Mitte.“
„Und dann?“, fragt Fiatine.
„Dann, ja dann…“, hebt Jeepy bedeutungsvoll die Stimme und fährt fort: „Dann düsen wir zurück, aber nur ein kleines Stück. Wir fahren durch den Autotunnel am Alex, danach über die Kreuzung und biegen wieder nach links ab, um dann gleich in die Tiefgarage zu fahren.“
„Oh, wie spannend“, quietscht Fiatine vor Vergnügen.
„Spannend, was ist da spannend dran?“, fragt Jeepy.
„Was du alles erlebst, das ist doch wunderbar.“
„Was ich erlebe?“, fragt Jeepy.
Und weiter: „Jetzt pass mal auf – mein Fahrer bugsiert mich um die Ecken und fährt stets eine Ebene tiefer, sodass ich jedes Mal Angst habe, dass ich mit meinem zarten Autokörper an einer Wand entlangschramme, oder mir eine Beule hole.“
„Hast du das denn schon mal dem Fahrer gesagt?“
„Ach der, der sagt, wir müssten stets an der gleichen Stelle stehen, denn dann würden wir uns an die Kurven gewöhnen und wüssten, wie wir einparken müssen.“
Fiatine ist eine Weile still und sagt: „Gar nicht so doof, dein Fahrer.“
„Und was passiert dann?“, hakt Fiatine weiter nach.
„Was soll schon sein? Der Fahrer holt seine Tasche raus, geht nach oben, und ich, ja ich muss fast zwei Stunden auf ihn warten.“
„Das ist ja langweilig!“, sagt Fiatine empört.
„Vielleicht kannst du ja mal mitkommen“, meint Jeepy.
„Oh ja, das müssen wir machen“, ruft freudig Fiatine.
Jeepy schmunzelt.
„Warum lachst du?“, fragt ihn Fiatine.
„Nein, ich musste nur daran denken, dass mein Fahrer heute erzählt hat, dass das Laufband so geknarrt hat, als er darauf war. Das war ihm peinlich, denn mit seinen vielen Kilos tanzt er bestimmt darauf wie ein dicker Bär.“
„Lach‘ ihn nicht aus, denn deswegen ist er ja im Fitness-Center.“, nimmt da Fiatine den Fahrer in Schutz.
„Und manchmal, da spielt die Musik so laut, dass ich sie sogar auf der zweiten Ebene der Tiefgarage höre“, sagt Jeepy.
„Und was machst du dann?“, fragt Fiatine.
„Ich hebe meine Vorderräder an und tanze hier unten mit.“
„Das will ich auch. Lass mich das nächste Mal mitbekommen“, ruft da Fiatine begeistert.
„Ja, dann ist es bestimmt auch nicht so langweilig“, sagt Jeepy und fährt wieder aus dem Autohaus heraus.
Fiatine winkt ihm hinterher. Sie ist ein wenig traurig, denn sie ist ja noch nicht verkauft und muss deshalb im Autohaus bleiben.
SCHREIB-ALLTAG (4)
MEIN NEUER REDAKTIONSPLAN
Ich habe mir eine Struktur in der Veröffentlichung meiner Texte gegeben.
Warum?
Weil ich mich selbst mehr erziehen will.
Klingt gut, oder?
Wozu eigentlich? Na, zu mehr Disziplin.
Und: Weil ich denjenigen, die auf dem Blog oder bei Facebook regelmäßig vorbeischauen, einen besseren Überblick verschaffen will.
Manch einer interessiert sich vielleicht nur für das Alltägliche, also das, was mir förmlich auf der Straße in die Hände fällt, und was ich dann nur ‚noch‘ aufschreiben muss.
Das will ich montags tun. Dienstags und mittwochs schreibe ich über meinen Kampf, 50 Kilo abzunehmen.
Dazu zählen die Erlebnisse im Fitness-Center oder meine ‚Sünden‘ in der Ernährung, einfach meine Rückschläge und Erfolge.
Donnerstags ist ‚ANNA IST DEMENT‘ dran.
Das ist eine Geschichte. Ich erzähle über die täglichen Sorgen, das Weinen und Lachen einer ganz normalen Familie, die Erinnerungen darüber, wie es früher war und das Leben heute.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht ‚Anna‘, die an Demenz erkrankt ist, die ihre Familie auf Trab hält und trotzdem von Liebe und Fürsorge umgeben ist.
Die Personen und die Szenen sind frei erfunden, fiktional, wie der Autor wohl sagt. Und trotzdem haben sie einen realen Hintergrund.
Es geht nicht darum, irgendwelche Personen nachzuzeichnen, damit sie von anderen Menschen erkannt werden.
Nein, es geht zunächst um die Unterhaltung beim Lesen, aber auch darum, wie vielen Menschen es so ergeht, dass sie sich um dementiell erkrankte Familiengehörige kümmern müssen, nicht den Humor darüber vergessen und einfach auch mal oder gerade deshalb lachen können.
Es geht stets um Wertschätzung. Doch es geht ebenso darum, die Härte dieses Alltags zu beschreiben, wie die Krankheit oft schon alles infiltriert und wie die Erinnerungen und Erfahrungen aus der Vergangenheit der Familie in die Gegenwart geholt werden, sie ein Stück bestimmen.
Am Freitag schreibe ich über meinen Alltag beim Schreiben, was ich so beachten muss, was ich plane, zum Beispiel, so wie heute den Redaktionsplan.
Ich will gleichzeitig zeigen, dass sich Texte leicht lesen lassen müssen, dass sie einfach formuliert sind, und ich schreibe darüber, wie schwer mir das manchmal fällt.
Das ist sicher nicht für jeden etwas, aber manch einer, der sich selbst quält, der will natürlich wissen, wie es andere Schreiber hinkriegen oder ‚versemmeln‘.
Schreiben lernt man nur durch schreiben.
Richtig? Auf jeden Fall. Ich lerne aber das Schreiben auch dadurch, dass ich viel über das Schreiben anderer Autoren lese und lerne.
Vielleicht ist das nicht so interessant.
Trotzdem will ich es hier mit unterbringen, denn manch einen Leser interessiert es vielleicht doch.
Samstags beschließe ich die Woche mit ‚JEEPY‘, einer kleinen Kindergeschichte, natürlich ebenfalls gern für Erwachsene.
Das soll künftig der Plan sein.
Gibt es Ausnahmen?
Na klar. Wenn ich zum Beispiel über die Gespräche mit der Prima Ballerina berichte. Ich war ja gerade bei ihr und sie hat mir von der Geburt des kleinen Williams erzählt – von ihren Schmerzen und ihren Glücksmomenten.
Kann auch mal gar nichts erscheinen?
Ja, wenn ich durch mein Abnahmeprogramm morgens vor Hunger geschwächt aufwache und die Tastatur nicht anheben kann oder vorher meinen Füller nicht aufgedreht bekomme.
Oder ich habe mir einen Kreuzbandriss im Fitness-Center zugezogen. Vielleicht bin ich ja auch im Urlaub, meistens auf Rügen, meiner Lieblingsinsel, in Sassnitz, meiner Lieblingsstadt, und ich einfach lieber auf die See schaue, die Seele baumeln lasse.
Das geht da oben am besten.
Wie auch immer. Ich freue über jedes Interesse, jeden Kommentar, jeden Like von euch. Glaubt mir.
Wir können das meiste auf dieser Welt wenig, nur ganz schwer oder gar nicht beeinflussen. Aber gerade darum ist der eigene Alltag so wichtig, ihn selbst zu schätzen, daraus sein Glück zu ziehen, sich nicht unterkriegen zu lassen und einfach nie das Lachen zu vergessen.
Das ist das Ziel meines Schreibens, der Sinn meines Alltags. Und wenn wir nur einmal innehalten, ein paar Zeilen überfliegen, schmunzeln, weitermachen, dann ist alles erreicht.
ANNA IST DEMENT (37)
PETER WARTET AUF HELGA
Es dauerte noch eine Weile, bis sich eine Kellnerin ihm näherte, gemächlich und mit grimmigen Gesicht.“
„Sollte sie wegen seiner Anfrage Ärger bekommen haben?“, fragte Peter sich.
„Sie wünschen?“, fragte ihn die Kellnerin, die nun direkt neben ihm stand und ihn mit einem wütenden Gesichtsausdruck anschaute. .
„Können Sie mir dieses Getränk hier empfehlen?“, fragte Peter und zeigte auf die Karte, auf der ein Glas mit einem Mix aus Gin Tonic, etwas Weißwein, aufgefüllt mit Sprudel, und einer am Rand aufgesteckten Apfelsinenscheibe zu sehen war.
„Das ist immer eine Geschmackssache!“, antwortete die Kellnerin verschnupft.
„Das stimmt“, sagte Peter. Er war wieder auf Kampfmodus eingestellt. Er schaute die Kellnerin jetzt selber mit einem provokanten Gesichtsausdruck an. Klara hasste diese Eskapaden. Sie meinte, es lohne sich nicht, sich laufend mit den Leuten anzulegen.
Peter sah das ähnlich, jedenfalls wenn Klara mit dabei war. Aber dass die Kellnerin sich nicht einmal für das späte Erscheinen entschuldigte, reizte es ihn, weiterzumachen.
„Gott sei Dank haben Sie sich so unendlich viel Zeit gelassen, bis Sie es an meinen Tisch geschafft haben. Dadurch konnte ich mir schon ein Bild machen.“
„Wir sind ja schließlich nicht auf der Flucht“, sagte die Kellnerin und wirkte nun in ihrer Körperhaltung noch bedrohlicher. Sie hatte rustikale Lederhosen und ein kariertes Hemd an.
„Ja Sie, Sie sind gewiss nicht auf der Flucht. Sie ganz bestimmt nicht. Sie haben lediglich die Gabe, die Kunden in die Flucht zu schlagen. Ich überlege auch gerade, ob ich gehe.
Aber gut, dann bringen Sie mir bitte das Getränk.“
Die Kellnerin notierte die Bestellung regungslos, drehte sich um und lief davon.
Wenige Augenblicke danach kam eine junge Kellnerin und schaute Peter ängstlich an.
„Hier Ihr Getränk. Zum Wohl“, flüsterte sie fast.
„Oh, das ist aber eine nette Bedienung. Donnerwetter, geht doch. Vielen Dank.“
Das Gesicht der jungen Kellnerin hellte sich und sie lief fröhlich davon.
Vom Tresen her traf ihn der eiskalte Blick der ersten Kellnerin. Peter hob das Glas und prostete ihr zu. Sie drehte sich demonstrativ um.
„Wie im 5 Sterne Hotel“, sagte Peter laut und schlürfte genussvoll das eiskalte Getränk hinunter.
Als er das Glas absetzte, stand Helga vor ihm.
„Na, drangsalierst du schon wieder nette Menschen?“, fragte sie Peter.
Peter stand auf und rang sich ein Lächeln ab. Immerhin hatten sie sich ein paar Jahre nicht gesehen.
Und Helga fuhr fort: „Du, ich war hier jahrelang Stammgast“, sagte Helga.
„Na, dann kann ich den Frust der Kellnerin verstehen“, entgegnete Peter.
Helga hasste ihn dafür, denn sie konnte gegen ihn im Gespräch meist wenig ausrichten.
Sie holte trotzdem zum Gegenschlag aus.
„Und, hast du es mit deinem kleinen Flitzer bis hierher geschafft?“, fragte ihn Helga.
Sie selbst fuhr einen SUV Porsche und wollte Peter treffen.
Ach weißt du, der kleine Jeep, ich nenne ihn „Mister Trump“, hat Biss.
Ich mag ihn. Und meine Enkelin erst, die zeigt schon von weitem mit dem kleinen Finger auf ihn, wenn sie ihn sieht. Da kann mir doch egal sein, was ein paar versnobte Porsche-Fahrer denken.“
Helgas Gesicht lief rot an, sie zog es jedoch vor zu schweigen.
ANNA IST DEMENT (36)
FAHRT NACH DRESDEN
Peter hatte keine Lust, noch einmal zum Hörer zu greifen. Er schickte eine WhatsApp-Nachricht:
„Lass uns nicht streiten. Jetzt müssen wir zusammenstehen. Ich bin dazu bereit und komme am Dienstag nach Dresden.“
Von Helga kam ein kurzes ‚ok‘ zurück.
Dienstagfrüh, das Thermometer sollte auf 35 Grad Celsius ansteigen. Bei diesen Temperaturen konnte man überall hinfahren, nur nicht nach Dresden.
Peter erinnerte sich, wie drückend es in der Stadt im Sommer war.
Sie wohnten direkt im Stadtzentrum. An den Hängen, da war es auszuhalten, aber im Herzen der Stadt legte sich die Hitze wie eine Glocke über die Straßen und Häuser.
Das Gefühl, keinen großen See in der Nähe zu haben, bedrückte Peter deshalb besonders.
Ein Grund für ihn, später zur Marine zu gehen. Er war die ersten Jahre in Schwerin aufgewachsen. Der Schweriner See war für ihn herrlich. Er konnte es sich nicht vorstellen, dass es woanders noch hätte schöner sein können.
Später dann begann er die Ostsee zu lieben, das Wasser, den ständigen Wind und das Gefühl der Freiheit, das man nicht beschreiben konnte.
Peter wollte nicht zu sehr hetzen und entschloss sich, möglichst frühzeitig nach Dresden aufzubrechen.
Der Berliner Ring war voll. Auf der rechten Spur reihte sich ein LKW an den anderen.
Peter blieb auf der linken Spur und ärgerte sich, dass hinter ihm jemand drängelte.
Früher war er genauso gewesen. Für ihn war klar, dass er mit seinem 7er BMW Vorfahrt hatte, zu wichtigen Terminen.
„Was für ein eitler Gockel du doch manchmal warst“, sagte er sich heute im Stillen.
Nach drei Stunden Fahrt auf der glühenden Autobahn, bei stickiger Luft und einer Sonne, die selbst noch durch die getönten Scheiben gleißte, war er in Dresden angekommen. Er fuhr in die Tiefgarage, direkt an der Frauenkirche und begab sich nach oben.
Als er aus der Tür heraustrat, hatte er den Eindruck, jemand würde ihm direkt einen dicken Hammer mitten ins Gesicht schlagen.
Peter bog in eine kleine Straße ein. Sie nannte sich „Salzgasse“.
Er staunte, wie viel neue Häuser, Hotels, kleine Läden, Restaurants entstanden waren.
Dresden zeigte sich von seiner besten Seite, weltoffen und mit herrlich restaurierten historischen Gebäuden. Allein die Frauenkirche machte auf ihn immer wieder einen grandiosen Eindruck.
„Warum wird nur von ‚Pegida‘ gesprochen und nicht von den schönen Seiten der Stadt, den höflichen und netten Menschen, den Sachsen. Ihren Dialekt hatte Peter nie angenommen, obwohl er über zehn Jahre in der Stadt verbracht hatte. Aber die sächsischen Laute riefen doch in ihm so etwas wie ein Heimatgefühl hervor.
Peter setzte sich in das Café, wo er sich später auch mit Helga treffen wollte.
Er saß bereits eine halbe Stunde, bis er sich entschloss, an die Theke zu gehen.
„Entschuldigen Sie, bedienen Sie hier alle Gäste, oder gibt es ein Auswahlprinzip?“
Der Mitarbeiter hinter der Zapfsäule schaute ihn entgeistert an.
„Aber selbstverständlich, mein Herr, wir bedienen alle.“
„Und warum warte ich dann über eine halbe Stunde dort hinten in der Ecke?“, fragte Peter zurück.
„Wir kommen sofort“, sagte der Mitarbeiter entschuldigend.
ANNA IST DEMENT (35)
DU MUSST MIT NACH DRESDEN KOMMEN
Freitagmittag. Helga Geiger, Peters Schwester rief an. Sie wohnt auf Sylt, gemeinsam mit ihrem Mann, Thomas Geiger.
„Vati will nicht mehr leben, er isst nicht mehr und er trinkt nicht mehr“, sagte Helga am Telefon zu Peter.
„Woher weißt du das?“, fragte Peter.
„Ich habe doch meine Verbindungen ins Pflegeheim“, sagte Helga.
Ja, die hatte sie zweifelsohne. Aber Peter kannte Helga nur zu gut. Sie übertrieb oft, dramatisierte die Situation.
„Du musst am Dienstag unbedingt mit nach Dresden kommen. Es ist viel zu organisieren.“
Peter zögerte. Er ließ sich ungern in etwas hineintreiben, wollte die Fäden selbst in der Hand behalten.
Aber Helga war nun mal näher dran, an Manfred und Gertrud Gerber. Schließlich hatte sie jahrelang in dem Heim in leitender Position selbst gearbeitet und kannte das Personal gut.
„Willst du etwa einen geschäftlichen Termin im Pflegeheim mit privaten Zielen verbinden?“, fragte Peter.
Jetzt platzte es aus Helga heraus:
„Wie kommst du darauf? Das ist eine Unterstellung!
Ich verbitte mir das.“
„Du kannst bitten, so viel du willst. Aber ich werde doch wohl noch fragen dürfen, warum ich bei dem Termin wirklich dabei sein soll.“
Bei Peter saß das Misstrauen tief, sehr tief.
Die Wunden, die in den vergangenen Jahren bei Peter entstanden waren, die schmerzten immer noch.
Zuviel hatte Helga ihm versprochen und dann nicht gehalten.
Jetzt sagte er das aber nicht.
Stattdessen brüllte er sie an: „Wenn du glaubst, dass du mich im Ton eines Untergegebenen behandeln kannst, dann hast du dich geirrt. Mir ist es egal, dass du eine Million auf dem Konto hast, aber du redest trotzdem mit mir in einem ordentlichen Ton.“
Peter hatte sich selbst im Ton vergriffen, so sauer war er auf Helga.
„Ich habe nicht eine Million“, entgegnete Helga wütend.
„Nein, das glaube ich dir sogar. Du hast mindestens zwei Millionen auf dem Konto“, gab Peter zurück.
Helga legte auf.
Peter schlug die Schilddrüse, er war wütend, wusste, dass er sich im Ton vergriffen hatte, und musste trotzdem eine Entscheidung treffen.
Schweren Herzens wählte er noch einmal die Telefonnummer von Helga.
Es ging keiner ran.
SCHREIB – ALLTAG (3)
WIEVIEL EIGENE SCHWÄCHE SOLL ICH PREISGEBEN?
Ich schreibe über den Alltag so, wie ich ihn erlebe, ihn persönlich wahrnehme.
Das kann ich am besten, indem ich aus der Ich-Perspektive erzähle.
Ich schreibe dabei nicht nur über dritte Personen, nein, ich schließe mich in diese Erzählungen mit als Person ein, schreibe also auch über mich selbst.
Doch wer schreibt schon gern über seine eigenen Schwächen? Wohl kaum jemand.
Trotzdem glaube ich, dass es richtig ist, dem Leser nicht irgendetwas zu suggerieren, was im realen Leben, im Alltagsgeschehen auch nicht so stattfindet.
Klar: Wenn ich eine Alltagsgeschichte über Protagonisten schreibe, die ich selbst erschaffen habe, so ist das noch wieder etwas Anderes. Da kann ich übertreiben, weglassen und den Figuren bestimmte Stärken andichten.
Wenn ich aber über mich selbst schreibe, dann fühle ich mich am wohlsten, wenn ich sehr nahe an der Realität bin.
Ich fahre zum Beispiel tatsächlich ins Fitnessstudio und trainiere dort, um meinen Bauch wegzubekommen, das Gewicht zu reduzieren und ich mache meine Anstrengungen wiederum zunichte, weil ich manchmal am Wochenende über die Stränge schlage, konkreter: mir den Bauch voll haue.
Soll ich das weg lassen? Könnte ich.
Aber ich glaube fest daran, dass es authentischer ist, wenn ich die ganze Wahrheit schreibe. Das heißt nicht, dass ich alles schreibe. Nein, das nicht.
Was ich sagen will: Meine Schreibkraft oder besser, meine Schreiblust beruht entscheidend darauf, dass ich mich selbst mit meinen Schwächen ‚auf den Arm‘ nehmen kann.
JEEPY (29)
ENDLICH, DIE SCHATZSUCHE BEGINNT
Die Kinder und Erwachsenen treffen sich auf dem Parkplatz in der Schorfheide.
Von da aus geht es direkt in den Wald, zwischen die Kiefern, vereinzelte Birken und Buchen.
Der Waldboden ist übersät mit Wurzeln, Kienäpfeln, Laub aus dem vergangenen Herbst.
„Passt auf, dass ihr nicht stolpert“, sagt der Fahrer gleich zu Beginn.
Alle sind aufgeregt, auch die Erwachsenen. Sie plappern durcheinander.
„Bitte mal alle herhören“, ruft da der Fahrer.
„Die Teilnehmer an der Schatzsuche teilen sich in zwei Gruppen auf:
Zur ersten Gruppe gehören Jeepy, ich als sein Fahrer und die Kinder Ameli, Jana, Denny, Darian, Otto und Dietmar, der Vater von Ameli.
In die zweite Gruppe gehören Fiatine, der Verkäufer und die Kinder Lina, Lou, Dimitri, Peter und eine Mutter, Margarete. Ihr müsst jetzt direkt durch den Wald laufen.“
Und weiter erläutert der Verkäufer: „Fiatine, du stehst an der ersten Station und stellst deine beiden Fragen, die du dir ausgedacht hast. Der Gewinner bekommt einen kleinen Preis. In Ordnung?“
„Ja“, rufen da alle.
„Dann geht es jetzt los, viel Spaß beim Suchen nach der Schatzkiste. Schaut auf die Karten, die beide Gruppen haben und orientiert euch an den Pfeilen und Bändern an den Bäumen, an denen ihr vorbeikommt“, erläutert noch der Fahrer.
Die beiden Gruppen sind losgelaufen. Jeppy ist zu seiner Station gefahren und Fiatine auch. Es sind die wichtigsten Abschnitte, die jeweils eine Gruppe passieren muss.
An der ersten Station steht Fiatine und wartet aufgeregt auf die Gruppe. Plötzlich hört sie Stimmen und da kommen die Kinder und Dietmar auch schon zwischen den Bäumen hervor.
„War es leicht, mich zu finden?“, fragt Fiatine.
„Naja, ich weiß ja nicht, wer die Karte gemalt hat, aber derjenige hat wohl nicht viel mit dem Zeichnen und der Geographie am Hut“, sagt da Dietmar.
„Das war der Fahrer von Jeepy“, antwortet Fiatine.
„Na der kann froh sein, dass er ein Navigationsgerät im Auto hat. Müsste der nach seiner Karte fahren, würde Jeepy nie am Ziel ankommen“, ergänzt Dietmar.
Der Verkäufer stand ruhig und schmunzelte vor sich hin.
‚Der Verkäufer hätte mal was dagegen sagen können‘, denkt Fiatine. Sie findet, dass Dietmar nur meckert. Beim Kartenzeichnen war der jedenfalls nicht dabei.
Aber laut sagt sie: „Kinder, lieber Dietmar, ich stelle euch jetzt zwei Fragen. Wenn ihr sie richtig beantwortet, bekommt ihr schöne Preise.“
Fiatine schaute in die Runde, in die erwartungsvollen Gesichter.
„Also, es geht los: Welcher Baum kommt am häufigsten in Brandenburg vor?
A)Die Birke oder B)die Eiche oder C) die Kiefer?“
Die Finger der Kinder schnellen in die Höhe.
„Das ist die Kiefer“, sagt Ameli, die als erste den Arm gehoben hat.
„Och, das war ja ‚piepeleicht‘“, sagt da Denny aus der Gruppe.
„Richtig. Achtung, jetzt kommt die zweite Frage: Welche ist die zweithäufigste Baumart in Brandenburg?
A) Die Birke oder B) die Buche oder C) Die Eiche?“, fragt Fiatine.
„Das ist wohl eine Frage für mich“, sagt Dietmar.
„Und welche Antwort ist deiner Meinung nach die richtige?“, hakt Fiatine nach.
„Ich denke A, die Birke.“
„Falsch, falsch“, rufen da die Kinder.
„Denny, was meinst du?“, fragt Fiatine.
„Na die Eiche ist richtig. Das weiß ich von meinem Großvater, der ist Jäger“, sagt Denny stolz.
„Prima, das ist richtig“, sagt Fiatine und überreicht ihm ein Päckchen mit Malstiften.
Und an Dietmar gewandt: „Du würdest wohl keine Jägerprüfung bestehen, mit deinen Kenntnissen. Das hätte der Fahrer von Jeepy aber gewusst.“ Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Dietmar schwieg betreten.
„Für euch noch zur Erläuterung, Dietmar und liebe Kinder: Die Eiche kommt auf einem Waldgebiet von insgesamt 70.000 Hektar vor, gefolgt von der Buche auf ca. 34.600 Hektar.“
Sie hatte sich gut auf das Rätsel vorbereitet und einiges über den Baumbestand in Brandenburg und insbesondere in der Schorfheide gelesen.
Während sich die Gruppe wieder auf den Weg macht, sind auf der anderen Station die Kinder um den Fahrer und Margarete angekommen.
Jeppy erwartete sie schon.
„So, passt gut“, sagt Jeepy, holt tief Luft und stellt seine Fragen:
„Wie viel Waldeigentümer gibt es in Brandenburg?
A) 100.000 oder B) 1000 oder C) 100?“
Lina hebt die Hand.
„Lina, was meinst du?“, fragt Jeepy sie.
„Vielleicht 100?“
„Nein, das ist falsch.“
„1000″, sagt da Dimitri.
„Nein, es sind 100.000 Waldeigentümer“, klärt Jeepy die Gruppe auf.
„Och, so viele“, staunen die Kinder.
„Ja, das hatte ich vorher auch nicht gewußt, wenn der Fahrer es mir nicht gesagt hätte und der hat es vorher gegoogelt“, erklärt Jeepy.
Die Kinder nicken und finden es gut, dass Jeepy so ehrlich ist.
„Und nun zu der zweiten Frage: Was glaubt ihr, wie viel Prozent der gesamten Waldfläche den privaten Waldeigentümern gehört:
- A) 61% oder B) 20 % oder C) 10 %?“
„Wahrscheinlich gehört den Waldeigentümern der größte Anteil, also A“, sagt Margarete.
„Richtig“, stimmt Jeepy zu.
„61% gehören privaten Eigentümern, 26% dem Land Brandenburg, 7 % kommunalen Einrichtungen und 6 % dem Bund“, liest Jeepy vom Zettel ab.
„Und hier sind eure Preise“, ruft Jeepy.
Es gibt ein kleines Planschbecken, einen Wasserball und kleine Früchtekörbe für unterwegs.
Die Kinder sind begeistert und ziehen weiter.
Fast gleichzeitig kommen die beiden Gruppen an der Stelle an, an der die Schatzkiste vergraben sein muss.
„Schaut mal in die Nähe der beiden Holzbänke“, raunt jetzt Jeepy den Kindern zu.
Die suchen fleißig weiter.
Da ruft Darian: „Hier ist eine weiche Stelle. So als ob jemand ein Loch ausgehoben hat und ein Deckel darauf liegt.“
Die Kinder und die Erwachsenen kommen schnell zu der Stelle.
Der Fahrer und der Verkäufer schauen sich an und schmunzeln.
„Na dann macht doch einfach mal den Sand weg“, sagt der Verkäufer.
Eifrig beginnen die Kinder mit den Händen den Sand wegzuwischen. Sie nehmen die Holzplatte weg und entdecken die Kiste.
„Hier ist sie!“, rufen sie aufgeregt.
„Wartet, wir heben sie aus dem Loch“, sagt der Fahrer.
Und da stand sie nun, die Kiste.
„Wir haben ein letztes Rätsel. Wir verbinden einem Kind die Augen und es muss erraten, was es gerade isst. Wenn es richtig ist, darf diejenige oder derjenige die Kiste öffnen. Wer möchte das?“
„Ich, ich auch“, rufen da alle Kinder.
„Gut, wer hat heute noch nicht mitgeraten?“, fragt der Fahrer.
„Ich“, sagt Otto. „Ich habe auch noch nichts erraten“, ruft Jana.
„Gut, Jana, dann binden wir die Augen zu. Und du musst erraten, welches Obst du gerade schmeckst.“
„Gut“, sagt Jana.
Der Fahrer nimmt eine Kiwi aus dem Korb, schält sie schnell ab und gibt sie Jana.
„Das ist eine Kiwi“, ruft Jana sofort.
„Donnerwetter, das ging ja schnell“, sagt da der Fahrer. Er hätte nicht gedacht, dass Jana so schnell das Rätsel löst.
„So, Jana, dann mach den Deckel auf.“
„Jana hebt den Deckel an und zum Vorschein kommen die Goldstücke. Sie glitzern in der Sonne.“
„Oh, das ist ja wie ein richtiger Schatz“, rufen die Kinder.
„Ja, und in Wirklichkeit ist es Schokolade, die ihr essen könnt.“
„Au ja“, freuen sich die Kinder.
„Aber bitte nicht alles auf einmal“, sagt der Fahrer, während er und der Verkäufer die Goldtaler verteilen.
„Zum Abschluss lade ich euch alle zum Grillen in den Wildpark ein“, sagt noch der Fahrer.
Alle sind begeistert und streben dem Eingang zum Wildpark zu.
„War das nun ein richtiges Abenteuer?“, fragt der Fahrer den Verkäufer.
„Naja, vielleicht kein richtiges Abenteuer, aber ein Tag mit viel Spaß und ein bisschen hinzugelernt haben wir auch alle.“
Der Fahrer nickt zufrieden.
ANNA IST DEMENT (34)
WIR WAREN SCHÖN EIS ESSEN – IM BALTIC – HOTEL
„Wie war es beim Arzt, Mutti?“, fragt Klara abends Anna.
Klara wusste, dass Anna einen Arzttermin um 17.00 Uhr hatte.
Lukas war mit ihr zusammen dort gewesen.
„Welcher Arzt?“, fragte Anna erstaunt.
„Du warst doch heute in der Praxis, gemeinsam mit Lukas.“
„Mit Lukas? Was will der denn dort?“
„Mutti, er hat dich begleitet, damit alles klar geht.“
„Stimmt!“, sagte sie jetzt.
„Und weißt du, wir waren hinterher schön Eis essen“, setzte Anna hinzu.
„Ach, das ist ja wunderbar. Wo seid ihr denn gewesen?“, hakte Klara nach.
Am Telefon entstand eine Pause. Klara spürte körperlich, wie es in Anna arbeitete.
„Ja, im Baltic-Hotel“, bekam sie schließlich heraus.
„Im Baltic-Hotel?“, fragte Klara verwundert.
„Ja. Es hat so gut geschmeckt“, schwärmte Anna.
Klara verabschiedete sich von Anna und rief Lukas an.
„Wie war’s denn im Baltic-Hotel?“, fragte Klara Lukas.
„Im Baltic-Hotel? Wie kommst du darauf?“, fragte Lukas.
„Mutti hat das gesagt.“
„Quatsch, wir waren beim Arzt, sind anschließend im Stralsunder Hafen gewesen und danach waren wir bei mir auf dem Hof. Ich habe ein Eis am Stiel ausgegeben“, sagte Lukas.
Er holte tief Luft und sagte: „Du, Mutti wusste nicht einmal mehr, dass wir im Stralsunder Hafen waren.“
„Wirklich nicht?“, fragte Klara.
„Wirklich nicht.“
„Naja, du hast ihr jedenfalls einen wunderschönen Tag bereitet, denn sie hat richtig gute Laune. Wir können das andere nicht ändern. Wir können es nur so akzeptieren, wie es ist. Und ihr wenigstens ein paar schöne Stunden bereiten“, sagte Klara zu Lukas.
„Das stimmt“, seufzte der. Es fiel ihm schwer, den geistigen Verfall von Anna zu begreifen, seiner Mutter, die sich veränderte, allmählich, unaufhaltsam.