Alle Beiträge von Uwe Müller

Dipl.-Ing. (FH), Dr. rer. pol.; Autor

ANNA IST DEMENT- (53)

DAS MACHEN WIR DOCH GERN

Klara war zu Anna gefahren und Peter kämpfte mit seiner schlechten Laune.

„Ich bin gut in Stralsund angekommen“, sagte Klara am Telefon zu Peter.
„Hm, ja schön“, antwortete der einsilbig.

Klara hatte eine Woche Urlaub und die wollte sie bei Anna verbringen, um bei ihr nach dem Rechten zu schauen.
Obwohl Peter das verstand, es auch tolerierte, war er nicht begeistert, wenn es dann tatsächlich soweit war.
„Du hast doch jetzt Zeit, viel zu arbeiten!“, sagte Klare in solchen Momenten.

Peter sah das nicht so. Er war eher demotiviert, wenn er allein war. Er geriet aus dem Alltagstrott, der ‚Routine‘, wie er sie nannte.
„Brate dir bloß keine fetten Sachen und röste das Brot nicht so scharf an“, mahnte Klara ihn noch heute Morgen, bevor Peter sie zum Bahnhof brachte.

„Ach, wo denkst du hin“, meinte der.
Das war aber schnell vergessen.
„Ich könnte mir die paar Wurstscheiben anbraten und ein bisschen Brot dazu essen“, dachte Peter ein paar Stunden später.

Er machte sich gleich an die Arbeit, schnitt die Wurst klein und toastete die Scheiben Brot. Den Toaster stellte er auf ‚volle Kanne‘.
„Ich muss bloß sehen, dass ich ihn wieder zurückstufe, bevor Klara kommt“, murmelte er vor sich hin.

Es klingelte noch einmal und Anna war dran.
„Ach Peter, du glaubst gar nicht, wie überrascht ich war, als Klara in der Tür stand“, sagte sie fröhlich.

„Ich danke dir“, schob sie noch hinterher.
„Das machen wir doch sehr gern“, antwortete Peter.
Zum Glück konnte Klara das nicht hören, denn noch vor der Abfahrt hatte er gebrummt: „Ich möchte mal wissen, ob Krümel und Laura auch so an uns denken, wenn wir dement sind.“

„Sag‘ so was bloß nicht!“. Klara war entsetzt über Peters
Gedanken.

Es war inzwischen Abend geworden. Klara war längst bei Anna und räumte ihre Zimmer auf. Peter saß allein am Computer und plante lustlos die Arbeit für den nächsten Tag.

Wieder schrillte das Telefon. Krümel war dran.
„Opaaa?“ Pause.
„Ja, meine Süße, was gibt es denn?“
„Opa ‚lala‘ singen!“
„Kommt ein Vogel geflogen, lala lala lala…“, sang Peter los und bekam wieder gute Laune, für einen Moment jedenfalls.

50 KILO ABNEHMEN (22)

FITNESS-STUDIO – WIE JEDEN TAG EBEN

 

Mit dem Training anfangen, dafür musst du einiges an Willensstärke und Selbstmotivation aufbringen. 
Zwei Stunden weiter aber bist du zufrieden damit, dass du dich wirklich aufgerafft hast. Es macht dich auch stolz, ein bisschen jedenfalls.

Heute Morgen war ich kurz vor sechs Uhr im Fitness-Studio.
Eine Viertelstunde später habe ich mit dem Training begonnen – erst eine halbe Stunde Laufband, danach waren die einzelnen Geräte dran.

Zweieinhalb Stunden, so gegen halb neun war ich fertig – mit den einzelnen Trainingsstationen und physisch.

Als ich wieder aus der Tür des Studios rausging, da stiegen in mir Glücksgefühle hoch.

Das war mein Lohn für die Anstrengungen.

Morgen dreht sich das Rad von vorn – erst sich überwinden, sich umziehen, einfach beginnen, dann den Ablauf einhalten, sich auch quälen und schließlich mit einem zufriedenen und glücklichen Lächeln aus der Tür gehen.

EIN BÄCKERLADEN – DEN MAN GERN BESUCHT

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Wie ein Gespräch mit dem Verkäufer vom Bäckerladen im Einkaufsmarkt in Basdorf nach dem Fitnesstraining gute Laune machen kann.

Freitag – noch vor der Corona-Krise
Ich war mit Klara nachmittags im großen Einkaufsmarkt von Basdorf. Klara kaufte dort das Brot, ein Heidebrot.

Und ein großes Stück Streuselkuchen. Am Wochenende genehmigten wir uns manchmal so ein Stück, obwohl ich eigentlich weiter an Gewicht verlieren wollte. Ich konnte noch so viel Sport treiben, ohne Reduzierung der Kalorien würde da nichts gehen.

„Bekommt Ihr Mann denn auch etwas von dem Kuchen ab?“, fragte der Verkäufer meine Frau.

„Ach, der isst doch am meisten davon“, antwortete sie prompt.
Ich schämte mich ein wenig. Sie hatte ja recht, aber musste sie das jetzt so sagen, wo ich doch um jedes Gramm weniger kämpfte.

„Dafür fahre ich aber auch jeden Morgen ab 5 Uhr ins Fitness-Studio nach Berlin rein“, verteidigte ich mich.
Der Verkäufer schaute mich prüfend an, ja er taxierte mich geradezu.

Sein Gesichtsausdruck sagte mir: „Ja, mein kleiner Dicker, du bist ganz bestimmt nicht jeden Tag im Fitness-Studio und schon gar nicht so früh – eh‘ du Fitness treibst, motiviere ich vorher eine Kuh zum Seilspringen“

Wir unterhielten uns noch ein wenig und ich erklärte ihm, dass meine Frau sehr früh in ihrer Behörde anfing zu arbeiten und dass wir deshalb das eine mit dem anderen verbanden.

Freitag vor einer Woche
Das Gespräch mit dem Verkäufer eine Woche zuvor ging mir nicht aus dem Kopf.
Klara riss mich jedoch aus meinen Gedanken:

„Holst du heute ein Brot aus dem Einkaufsmarkt, wenn du vom Sport kommst?“
„Na klar“, sagte ich. Vielleicht war ja der Verkäufer vom vergangenen Freitag da, denn dann würde ich ihn noch einmal ansprechen.

Ich rollte aus der Tiefgarage des Fitness-Centers in Mitte, war gut gelaunt wollte nun Klaras Auftrag abarbeiten.
Ich kam zügig voran, war schnell wieder in Basdorf und
stoppte am Einkaufsmarkt. Ich schnappte mir meine Tasche und steuerte zielstrebig auf den Bäcker im vorderen Teil des Gebäudes zu.

Tatsächlich: Der Verkäufer stand wieder hinter der Theke und bediente eine Kundin.

„Was darf’s denn für Sie sein?“, fragte er freundlich die Dame vor mir.
Überhaupt waren alle Mitarbeiter der Bäckerei freundlich, selbst wenn es am Freitagnachmittag voll und damit stressig wurde.

Solange ich wartete, überlegte ich, was ich alles kaufen wollte.
Das Brot schmeckte und der Kuchen auch. Der Streuselkuchen schmeckte sogar so gut, dass ich mit mir kämpfte, was ich tun sollte.

Ich wollte abnehmen und da passte der Kuchen nun gar nicht ins Konzept. Außerdem hatte ich bereits am vergangenen Freitag ‚gesündigt‘.

„Soll ich ein Stück Kuchen vom Bäcker mitbringen, wenn ich das Brot hole?“, hatte ich noch früh auf der Fahrt ins Fitness-Center gefragt.

„Das überlasse ich ganz dir“, antwortete sie.
Jetzt war der schwarze Peter bei mir. Ich konnte also nicht sagen, dass ich eigentlich keinen Kuchen mehr essen wollte, wenn alles aufgegessen war.

„Und was möchten Sie?“, holte der Verkäufer mich aus meinen Gedanken zurück an die Verkaufstheke.
„Ein Brot bitte.“
„Geschnitten?“
„Nein, danke.“
„Sonst noch etwas?“

Ich zögerte.
Doch dann sagte ich den Satz: „Ein Stück Streuselkuchen bitte“.
„Kann es gleich der hier oben sein?“, fragte der Verkäufer zurück.
„Ja, gern“, antwortete ich.

„Erinnern Sie sich eigentlich an unser Gespräch vom letzten Freitag in der vergangenen Woche?“, fragte ich ihn.

Der Verkäufer stutzte, doch dann sagte er: „Ja, Sie sind doch der, der immer um 5 Uhr früh ins Fitness-Center nach Berlin fährt.“
Donnerwetter, dass er sich das gemerkt hatte, dachte ich bei mir.

„Sie haben bestimmt gedacht: Der Dicke hier, kann mir viel erzählen, von wegen Sport, fit und schlank werden, oder?“, sagte ich.
„Um Himmelswillen nein, das habe ich nicht gedacht, sondern nur gestutzt, dass Sie so früh dort reinfahren“, antwortete er.

Ja, das war natürlich schwer zu vermitteln.
Was sollte ich dazu sagen? Dass ich Klara bis ins Zeitungsviertel hineinfuhr, dann wendete und auf das Fitness-Center zurückfuhr? Klara war froh, dass sie morgens nicht in die S-Bahn musste.

Oder dass ich ja auch noch am Tag arbeiten wollte und ich meistens keinen Sport mehr machte, wenn ich mich erst einmal am Schreibtisch festgebissen hatte?

„Ich mach‘ auch viel Sport und achte ebenfalls auf meine Ernährung. Ich habe in den letzten Wochen ein paar Kilo abgenommen, und ich werde wieder mit dem Sport anfangen“, sagte er zu mir.

Hinter mir stand eine Kundin, die schon ungeduldig wurde.
Eine angenehme Unterhaltung, dachte ich und freundliche Leute in dem Team, ja das waren sie.

„Aber wenn Sie morgens vom Sport kommen, dann können Sie doch hier eine Tasse Kaffee trinken“, meinte der Verkäufer noch. Ich überlegte, ob ich das sofort tun sollte, aber ich hatte beide Hände voll und wollte die Sachen nicht mehr ablegen.

„Das mache ich bestimmt mal“, antwortete ich und wandte mich endgültig zum Ausgang.

Bald ist wieder Freitag und Klara hat mich schon gefragt, ob ich ein Brot mitbringen würde, wenn ich aus der Stadt zurückkäme.
„Mach‘ ich“, gab ich zurück.
Ich freu‘ mich drauf.

50 KIL0 ABNEHMEN (21)

WIEDER MAL DIE EIGENEN REGELN GEBROCHEN

Die neue Woche läuft bereits, Montag ist schon vorbei und der Alltag hat mich wieder voll im Griff.

Und trotzdem: Ich hadere noch mit mir, dass ich mich am Wochenende nicht an das gehalten habe, was ich mir selbst an Regeln auferlegt habe.

Samstagabend gab es Wein, Sonntagnachmittag Kuchen – alles Dickmacher. Bereue ich, es getan zu haben?

Ja, weil ich dadurch wieder ein bisschen zugenommen habe.

Und nein, weil ich in dieser Woche wieder alles richtig machen kann und machen werde.

ANNA IST DEMENT (52)

VOM FLUCH DES VERGESSENS

Krümel ist krank und damit muss auch ihre Mama zuhause bleiben. Bisher war Krümel aufgrund ihres Fiebers noch nicht bereit, längere Gespräche oder gar Telefonate zu führen.

„Na, willst du denn mal den Opa am Telefon sprechen“, wurden von ihr kurz und knapp mit „ne“ beantwortet.
Jetzt geht es ihr wieder besser und nun reagiert und agiert sie auch wieder munterer.

„Wollen wir denn mal Uroma Anna anrufen?“, fragte Laura gestern.
„Ja“, sagte Krümel. Laura wählte die Telefonnummer und am anderen erklang die Stimme von Anna.

Dann war es eine Weile am Telefon still. Krümel hatte den Hörer in der Hand, aber sie sprach nicht. Wir kennen das schon, wenn wir mit ihr telefonieren. Ich singe dann einfach „la, la, la“, und Krümel stimmt ein.

Aber hier war es nun anders, Anna wartete darauf, dass sich jemand meldete, und Krümel dachte gar nicht daran auch nur ein Wort zu sagen.

„Ja, wer ist denn da?“, klang es nun schon ärgerlicher. Anna hatte keine Geduld. Sie hatte auf der Couch gelegen und ‚übergeschlafen‘, wie sie sagte.

Und das morgens um 09.00 Uhr. Aber Anna hatte überhaupt in den Vormittagsstunden Schwierigkeiten, sich zu aktivieren und ließ es schon gar nicht zu, wenn andere sie zu etwas überreden wollten.

„Oma ‚Kanna‘?“, fragte Krümel plötzlich. Sie konnte noch nicht Anna sagen.

„Ach du bist es, mein ‚Süssing‘, jetzt erkenne ich dich ja“, sagte Anna nun schon fast fröhlich.

„Wir ‚pielen‘“, sagte Krümel durch das Telefon und meinte, dass ihre Mama und sie am Tisch saßen und Blauklötze stapelten.

„Was macht ihr?“, fragte Anna.
„‘pielen‘“, meinte Krümel erneut.

„Ach weißt du Oma, Krümel ist krank, wir sind gerade zuhause und da dachten wir, dass wir dich mal anrufen“, mischte sich jetzt Laura ein.

„Das verstehe ich nicht“, sagte Anna.
„Was verstehst du nicht?“, hakte Anna nach. Und sie ergänzte: „Oma, Krümel ist krank und ich bin deshalb auch krankgeschrieben.“
„Wer ist Krümel?“, fragte Anna daraufhin.

IANA ERZÄHLT

Die Erste Solistin des Staatsballetts Berlin erzählt in ihrem Buch ‚Iana Salenko – Gespräche mit einer Prima Ballerina‘ zum ersten Mal ausführlich über ihre Kindheit und ihren Traum, eine große Balletttänzerin zu werden.

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JEEPY (44)

KRÜMEL IST KRANK UND KANN NICHT MIT AN DIE OSTSEE

Hallo Krümel,
hier ist Jeepy – zum letzten Mal vor Weihnachten.
Mein Fahrer war heute ganz traurig.

Zuerst hat er mir mächtig wehgetan, denn er ist in der Tiefgarage vom Fitness-Center an der Wand entlanggeschrammt und hat mein ‚Ohr‘ verletzt.

Ich meine natürlich meinen Seitenspiegel an der Fahrerseite. Der Spiegel ist rausgesprungen und am Lack waren Kratzer zu sehen.
Er sagt, dass er unaufmerksam war.

„Ich bin traurig, weil Krümel krank ist und nicht mit an die Ostsee fahren kann“, hat er zu mir gesagt.

Siehst du Krümel, jetzt sollst du auch noch Schuld daran sein, dass mein Fahrer nicht aufpasst, wo er hinfährt.

Aber heute Abend hat er wieder bessere Laune. Er hat Oma geholfen, den Weihnachtsbaum aufzustellen.

Du wirst Augen machen, wenn du über Silvester hier bist und zum ersten Mal den Baum siehst.

Ich muss ja wieder leider draußen bleiben, unter meinem Carport.
Aber ich freu‘ mich trotzdem, wenn ich dein Juchzen höre und du den Baum anstaunst.

Also bis bald mal Krümel. Jetzt wird ja nichts aus dem Weihnachtssingen mit dir gemeinsam bei mir im Auto.
Wir denken an dich und singen trotzdem.
Dein Jeepy.

SCHREIB-ALLTAG (11)

TRAINING GEHÖRT ZUM SCHREIBEN

Wenn ich auf mein Lieblingsthema, das Schreiben zu sprechen komme, dann stöhnen alle auf. Manche leise, Laura hingegen hörbar: „Ach Papa, nicht schon wieder“, sagt sie dann.

„Kannst du auch mal über etwas Anderes reden?“, schiebt Klara hinterher.

„Nein, kann ich nicht“, antworte ich und bin beleidigt. Logisch.

Dabei will ich nur sagen, wie mühevoll es ist, am Schreiben dranzubleiben, sich jeden Tag wieder neu aufzuschwingen, sich etwas ‚abzuquetschen‘.

Also gehe ich nach diesen Bemerkungen in die innere Emigration, schweige und beteilige mich auch nicht an den Gesprächen der anderen am Tisch.

Und ich hätte so viel darüber mitzuteilen, über das Schreiben.

Zum Beispiel das: Wenn du dich zwingst, wenigstens einmal am Tag für zehn Minuten ein Blatt weißes Papier zu nehmen, einen Bleistift anzuspitzen und einfach drauflos zu fabulieren, dann wirst du sehen, wie es deine Gedanken in Fahrt bringt. Wichtig ist, die Tastatur beiseite zu lassen. Sie stört, ist im Weg beim schnellen Schreiben, im Moment, wo es nicht um formvollendete Sätze ankommt.

„Kann ich noch mal kurz was zum ‚automatischen Schreibtraining‘ sagen?“, frage ich.

„Nein!“, schallt es mir wieder von allen Seiten ins Ohr.

„Na dann eben nicht“, sage ich und fange an mit Krümel Quatsch zu machen. Sie hört mir wenigstens zu.

„Wollen wir singen?“, frage ich sie.

„Ja“, sagt sie und ich beginne, eine Melodie zu brummen.

Das haben die anderen nun davon. Jetzt müssen sie eben das ertragen. Und Krümel gefällt’s. Sie klatscht in die Hände, singt ein klein wenig mit und dreht sich im Kreis.

Das ist noch besser, als über das Schreiben zu reden.

 

 

 

 

ANNA IST DEMENT (51)

WIR SIND MAL ZUR STIPPVISITE DA

Anna war beim Friseur, nach vielem Hin- und Her, vielen Ausreden und Ausflüchten.

„Der Termin ist hier gestrichen, ich muss da also nicht mehr hin“, sagte sie noch am Tag, als Lucas sie abholen wollte.
Schließlich ließ sie sich doch überreden und stieg zu Lucas ins Auto, um zum Frisörladen zu fahren.

Als sie da war, fühlte sie sich wohl, weil die Friseurin es ihr sehr leicht machte, sich ‚fallen zu lassen‘.
Sogar eine andere Haartönung bekam sie.

„Ich bin jetzt anspruchsvoller geworden“, sagte Anna zu Klara am Telefon, als sie auf ihre Frisur zu sprechen kam.

Klara war für einen Moment sprachlos, dann musste sie sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.
Sie tat es nicht, denn sie würde damit ihre Mutter auslachen. Das brachte sie nicht übers Herz.

„Na dann ist ja alles prima, Weihnachten kann jetzt kommen“, sagte Klara stattdessen zu ihr.

„Und übrigens, wir kommen zur Stippvisite vorbei“, fuhr Klara fort und ließ es aussehen, als würden Klara, Peter, Laura und die Kleine nur so nebenher mal vorbeikommen.

Am Telefon war es still. Keine Reaktion.
Anna fragte nicht, wann Klara kommen wollte, ob sie über Weihnachten blieben, wo sie schliefen.

Klara war traurig darüber. Doch andererseits auch froh, dass Anna sie nicht löcherte.

„Wenn die Kleine mit nach Stralsund kommt, dann lerne ich sie ja endlich mal kennen“, sagte Anna, ohne groß eine Emotion in ihren Satz zu legen.

„Mutti, du hast die Kleine schon so oft gesehen!“
Klara konnte sich das nicht verkneifen, bereute den Satz aber sofort.

„Also ich hab‘ sie noch nicht gesehen, das würde ich ja wohl wissen“, sagte Anna daraufhin trocken.

„Ja, Mutti, das würdest“, antwortete Klara.
‚Wenn du gesund wärst und dich daran erinnern könntest‘, dachte Klara bei sich, sprach diesen Halbsatz aber nicht aus.

50 KILO ABNEHMEN (20)

ES LÄUFT – NUR DER BAUCH, DER MUSS NOCH WEG

Ich habe gestern mein Trainingsprogramm straff durchgezogen. Dabei hat es mich zu Beginn enorm viel Überwindung gekostet.

Besonders wenn ich aus der Umkleidekabine zum Laufband gehe, dann muss ich an einem Spiegel vorbei. Und da sehe ich das Grauen in voller Breite. Der Bauch, den ich im Spiegel erblicke, der ärgert mich.

Wieder habe ich nicht konsequent am Wochenende auf die Diät geachtet.

Also was bleibt? Weitermachen!

Ich stellte mich auf das Laufband und begann meine Füße zu bewegen, einen Fuß vor den anderen. Und ganz allmählich kam ich in Fahrt.

Ich staune immer wieder aufs Neue, wie schnell die Zeit vergeht. Eine halbe Stunde ist schnell rum. Ich glaube, es liegt daran, dass ich viel auf den Fernseher schaue, der direkt vor mir an der Wand aufgehängt ist. Da siehst du Videos von sportlichen Leuten, meine Güte.

Ein paar Jungs springen über Mauern, überwinden Häuserschluchten, rollen federleicht ab, wenn sie unten ankommen und laufen weiter.

„Junge, Junge, bin ich froh, dass ich hier nur laufen muss“, sage ich mir dann in Gedanken und so vergeht die Zeit eben. Plötzlich taucht die Zahl dreißig auf, ich kann auf die Stopptaste drücken, einen Schluck Wasser nehmen und weitergehen – zum Rudern. Naja, da hatte ich gestern auch keine Lust zu.

Was habe ich gemacht?
Ich habe mich auf den Sitz gesetzt, die Schnallen um die Schuhe gelegt, sie festgezurrt, und angefangen zu rudern.

Und so ging es gestern von Station zu Station.
Wird es heute anders sein? Nein, es geht wieder von vorn los.

Ich merke, dass ich allmählich Muskeln bekomme. Nur der Bauch, der muss noch verschwinden.

JEEPY (43)

KAFFEE ALLE

Hallo Krümel,
hier ist Jeepy. Ich habe ja wieder was über meinen Fahrer gehört, das typisch für ihn ist.

Mein Fahrer, also dein Opa, und deine Oma haben dich besucht und du hast dich gefreut, dass sie dich vom Kindergarten abgeholt haben.

Während deine Oma später den Kaffeetisch deckte, hast du mit meinem Fahrer gespielt. Ihr habt bei Euch zuhause in der Küche gesessen.

Mein Fahrer sagte, er hätte auf der linken Seite des Tisches gesessen und du hast dich durch die Stühle hindurch zur rechten Seite hindurchgedrängelt und schließlich hat dir dein Opa noch hochgeholfen.

Anschließend holte dein Opa ein kleines Ponny hervor und führte es mit der Hand über den Tisch.

Dabei hat dein Opa immer ein bisschen gewiehert und er hat gesagt, dass du dem Ponny zuwinken sollst, was du auch emsig getan hast.

An der Tischkante hat mein Fahrer das Ponny fallen lassen, jedenfalls hat er so getan und zu dir gesagt:

„Ruf mal nach dem Ponny.“
„Pooonyyy!“, hast du gerufen und schwupp war es wieder auf dem Tisch.

Schließlich habt ihr alle zusammen Kaffee getrunken.
Mein Fahrer hat mir erzählt, dass du wohl schon ein paar Mal beobachtet hast, dass er stets den letzten Schluck aus der Kanne in seine Tasse gießt.

Das macht man ja nun wirklich nicht und so ist Oma stets böse geworden und hat gesagt: „Der Kaffee ist schon wieder alle. Hast du den letzten Rest bei dir eingegossen.“

Mein Fahrer tut in solchen Momenten so, als würde er schwer hören.

Das sagen ja alle zu ihm, also kann er ja mal tatsächlich nichts gehört haben.

Aber als du deinen Opa dabei beobachtest hast, dass er erneut den Rest des Kaffee‘s aus der Kanne in die Tasse gegossen hat, da hast ihn ganz empört angeschaut und mit deinem kleinen Finger auf die Kanne gezeigt.

„Opa, Kaffee alle!“
Zuerst hat mein Fahrer so getan, als würde er es ebenfalls nicht hören, dann aber musste er laut lachen und du hast trotzdem mit deinem kleinen Finger weiter auf die leere Kanne gezeigt.

„Weißt du Jeepy“, hat mein Fahrer später zu mir gesagt, „Krümel beobachtet alles ganz genau und mir war es ehrlich gesagt sogar ein bisschen peinlich, dass sie mich ertappt hat.

Das werde ich in Zukunft lassen, mir den Rest aus der Kaffeekanne einzugießen, ohne zu fragen.“

Siehst du Krümel, jetzt hast du deinen Opa schon ein wenig miterzogen.

Gut gemacht, lieber Krümel. Mit einer vollen Kaffeetasse auf der Motorhaube grüßt dich dein Jeepy.

EIN KLEINER FRISEURLADEN IN SASSNITZ GANZ GROSS

EIN KLEINER FRISEURLADEN IN SASSNITZ GANZ GROSS

Man sagt, demenzkranke Menschen können nicht mehr so denken, wie es vor ihrer Krankheit der Fall war.
Das ist wohl so. Doch sie können eines, nämlich mit dem Herzen sehen, fühlen, einfach wahrnehmen, ob ein Mensch es gut mit ihnen meint.

Und die Friseurin Ilka in dem kleinen Sassnitzer Friseurladen meinte es gut mit ihr.

Es sind oft nicht die großen Gesten, die uns berühren. Nein, es sind vielmehr die kleinen Dinge, die nur allzu oft im Gewirr des Alltags untergehen.
Umso wichtiger, dass wir auf sie aufmerksam werden, wenn sie uns geradezu in den Schoss fallen.
Gestern war so eine Gelegenheit.

Schwiegermutter hatte einen Termin beim Friseur, in Sassnitz, und nicht gerade um die Ecke für uns. Also ist meine Frau unruhig, ob alles klappt, ihre Mutter den Termin nicht vergisst, pünktlich im Friseurladen erscheint.

Das klingt nach ‚ist doch wohl normal, was ist da schon besonderes dran?‘ Im Prinzip ist das schon richtig. Doch was ist, wenn der Mensch, dem deine Fürsorge gilt, an Demenz erkrankt ist, und du selbst kannst das alles nur aus der Ferne gedanklich begleiten?

Na klar, meine Frau weiß, dass sie sich zu hundert Prozent auf ihren Bruder verlassen kann, der sich um seine Mutter liebevoll kümmert, wenn es sein muss, Tag und Nacht.

Und trotzdem weiss sie, dass jede alltägliche Unterbrechung für demenziell erkrankte Menschen Unruhe mit sich bringt.
An nichts hängen Demenzkranke mehr, als an einem möglichst gleichmäßig verlaufenden Tagesablauf. Jeder noch so kleine Termin bringt Unruhe und Unsicherheit.

Schwiegermutter kam trotz alledem zum geplanten Zeitpunkt im Friseurladen an und wurde gleich freundlich begrüßt.
Sie fühlte sich wohl in der Zeit, in der ihre Haare gewaschen, geschnitten, gefärbt und getrocknet wurden und die Friseurin sich noch mit ihr angeregt unterhielt.

Kurzum: Ilka schnitt und färbte nicht nur die Haare, sie tat mehr, sie betreute Schwiegermutter so, dass es für sie zu einem wirklich aktivierenden und angenehmen Aufenthalt wurde.

Abends schickte die Friseurin noch ein Foto von Schwiegermutter, mit der neuen Frisur.

Wir alle wissen nicht, was aus uns mal wird, wie wir in späteren Jahren zurechtkommen und vielleicht auch auf Hilfe und Fürsorge angewiesen sind.

Deshalb sind es diese kleinen Dinge, die Menschen untereinander brauchen  – Verständnis für den jeweils Anderen, die Empathie, auf ihn individuell einzugehen.

Gerade in der Zeit vor Weihnachten wird viel geredet über Nächstenliebe, Fürsorge, Unterstützung für die Hilfsbedürftigen.

Die Friseurin Ilka hat das einfach getan, ohne groß darüber zu reden, bescheiden und fast unbemerkt von uns.

Deshalb ist der kleine Friseurladen in Sassnitz für uns ganz groß.

Danke Ilka, danke liebes Team.

Die Angehörigen aus Sassnitz, Wandlitz und Berlin.

50 KILO ABNEHMEN (19)

VON NOVEMBER BIS DEZEMBER 2,4 kg WENIGER – DA GEHT NOCH MEHR

Der Monat November ist nun auch schon wieder Geschichte.

Am Montag, den 04.11.2019 habe ich 124,1 kg gewogen.

Am Mittwoch, den 04.12.2019 war als Zielmarke 119,7 angegeben. Das habe ich nicht geschafft, nicht ganz jedenfalls.

Aber ich war bei 121,7 kg, immerhin.
Das sind gegenüber dem Monatsanfang 2,4 kg weniger.

Von Anfang Januar bis Anfang Dezember habe ich insgesamt 7,5 Kilo abgespeckt (am 09.01.2019 wog ich 129,2 kg).

Gewiss, das selbst gesteckte Ziel habe ich verpasst.

Doch ich habe endlich den Weg ‚nach unten‘ einschlagen können und diesen Pfad werde ich auch nicht mehr verlassen oder gar umkehren.

Seit dem Sommer fahre ich jeden Tag ins Fitness-Center, jeden Wochentag.

Das Glas ist halbleer, weil ich das Ziel verfehlt habe, und es ist halbvoll, weil ich weitermachen werde.

50 KILO ABNEHMEN  (18)

DIE SACHE MIT DEM POSITIVEN DENKEN

MIT DEM KOPF GEGEN DIE GLASSCHEIBE RAMMEN UND DANN SOLLST DU AUCH NOCH POSITIV DENKEN

Es läuft gerade nicht so im Training, wie ich es mir vorstelle. Irgendetwas ist in meinem Kopf, das mich daran hindert, mich voll auszupowern.

Zum Beispiel in der vergangenen Woche, da war ich für ein paar Tage nicht im Studio.

Klara war krank und so bin ich auch nicht reingefahren.
Aber dann, den ersten Tag nach der Pause, da begannen die Schwierigkeiten so richtig.

Ich kam nicht in Gang und es fiel mir schwer, alle Übungen hintereinander zu absolvieren.

Meine inneren Stimmen mischten dabei wieder mächtig mit.
„Komm‘, lass doch mal eine Trainingseinheit ausfallen“, flüsterte mir ‚Loser‘ ins Ohr.

„Soll ich wirklich?“, fragte ich ‚Loser‘.
„Ja doch, kriegt keiner mit, sei nicht so pedantisch, werd‘ mal locker“, erwiderte ‚Loser‘.

Keine schlechte Idee, die ‚Looser‘ da hatte.
Aber sollte ich wirklich von meinem Programm abweichen?
„Von wegen, das kriegt keiner mit“, brüllte mir plötzlich ‚Folterknecht‘ ins Ohr.

„Der taucht aber auch überall auf, wo man ihn nicht haben will. Der kommt mir manchmal vor, wie die böse Tante in der Familie, die du auch nicht loswirst“, dachte ich bei mir im Stillen.
So war es eben mit ‚Folterknecht‘.

Aber hatte er nicht auch ein bisschen Recht?
„Denk‘ mal an den neuen Fitness-Trainer bei Hertha BSC. Den hat Klinsmann mitgebracht. Der sorgt jetzt dafür, dass die Jungs aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen.

Sie nennen ihn ‚Quälix‘. Und dieser ‚Quälix‘ für dich bin nun mal ich, der ‚Folterknecht‘“, setzte der noch nach.

‚Folterknecht‘ lag ja nicht so falsch, denn ich konnte mir nun mal keinen teuren Personalcoach leisten.

Nein, ich musste schon auf meine inneren Stimmen hören und den Kompromiss zwischen den beiden wählen.
Also machte ich weiter.

Als ich aus dem Studio rausging, da war ich glücklich, aber fertig.
Ich schleppte mich mehr raus, als ich ging.

Der Kopf war nach unten gesenkt, und so sah ich die Glastür nicht, knallte mit dem Kopf gegen die Scheibe und stieß gleichzeitig mit dem Knie gegen die Holzfüllung in der Tür.

„Ach du Armer“, jammerte ‚Loser‘.
„Denk‘ positiv, du hast alle Geräte absolviert“, sagte daraufhin ‚Folterknecht‘.

Ich konnte gar nicht denken, denn mir brummte der Schädel und die Kniescheibe tat mir weh.

JEEPY (42)

WIR SIND BEIDE KLEIN – DU WIRST GRÖSSER UND UNSERE FREUNDSCHAFT EBENFALLS

Hallo Krümel, schon wieder ist eine Woche vergangen, seitdem ich mich das letzte Mal bei dir gemeldet habe.

‚Wieder blitz blank‘ habe ich dir geschrieben. Jetzt bin ich schon wieder schmutzig, aber im Herbst und im Winter ist das nicht anders.

Krümel, ich freue mich ja so auf die Fahrt an die Ostsee.
Natürlich haben wir alle nicht so viel Platz bei mir im Innenraum, wie das bei ‚Bobby‘ der Fall war, dem großen und schweren SUV von Mercedes. Dein Opa hat ihn geliebt.

Aber weißt du, was der jetzt zu mir sagt?
„Es ist alles ein bisschen enger geworden, aber genauso fröhlich geblieben, und wir singen auf der Fahrt unsere Lieder. Diesel fahren wir auch nicht mehr Jeepy ist eben für uns alle unser kleiner ‚Großer‘.“

Krümel, du wirst wachsen, aber ich bleib‘ klein, und unsere Freundschaft wächst trotzdem, immer.

Es grüßt dich zum ‚Nikolaus‘ der kleine Jeepy – dein großer Freund.

ANNA IST DEMENT (50)

ICH RUF DOCH NICHT MORGENS UM HALB SECHS AN (FORTSETZUNG)

Anna hat Peter morgens angerufen, halb sechs Uhr. Sie glaubt aber fest daran, dass es bereits abends ist.

„Das kann nicht sein, wir haben es nämlich halb sechs Uhr morgens“, sagte Peter.

„Wieso morgens?“, hakte Anna wieder nach. Ihr Ton klang nun noch vorwurfsvoller.

„Wieso morgens und wieso abends, das sollten wir mal denen da oben im Himmel überlassen“, sagte Peter und biss sich gleich auf die Zunge.

„Hast du denn noch eine andere Uhr?“, fragte er Anna weiter.

„Ja, hier meine Armbanduhr“, sagte Anna.

„Und wie spät ist es darauf?“

„Halb sechs.“

„Siehst du“, sagte Peter.

Anna schwieg.

„Bist du noch da?“, fragte Peter.

„Ja, aber ich versteh‘ das alles nicht“, sagte nun Anna.

„Hast du denn gar nicht geschlafen?“, fragte Peter sie.

„Wie kommst du bloß darauf, dass ich nicht geschlafen habe?“

Anna’s Stimme klang empört.

„Du hast Recht, was für eine blöde Frage“, sagte Peter.

„Ich weiß doch, dass du jeden Abend gegen zehn Uhr ins Bett gehst“, fügte er noch an.

„Dann wünsch‘ ich dir noch einen schönen Tag und denk an dein zweites Frühstück.“

Peter wollte wieder an seine Arbeit gehen.

„Ja, ich denke an das zweite Frühstück. Ich eß‘ doch da so gern einen Apfel.“

„Obst ist gesund und stärkt das Gedächtnis“, sagte Peter.

„Warum ausgerechnet das Gedächtnis?“, fragte Anna ihn.

„Ach nur so. Ich meine das ganz allgemein.“
Peter verabschiedete sich und legte auf. Gegen 10.00 Uhr rief er noch einmal bei Anna an.

„Na, weißt du noch, um welche Uhrzeit du mich heute Morgen angerufen hast?“
Am Telefon war Schweigen.

„Warum fragst du mich, ob ich noch weiß, ob du mich angerufen hast? Ich würde dich doch nie morgens um halb sechs Uhr anrufen!“
Anna’s Stimme klang gereizt.

„Ja, du hast Recht. Ich glaube, ich habe da was durcheinander gebracht“, sagte Peter nun schnell.

„So soll es ja mal losgehen“, sagte Anna daraufhin zu Peter.
„Iss bloß viel Obst“, meinte sie noch.

ANNA IST DEMENT(49)

ICH RUF‘ DOCH NICHT MORGENS UM HALB SECHS AN

Anna bringt die Tageszeiten durcheinander.

Peter saß an seinem Schreibtisch. Er hatte Klara nur zur S-Bahn gebracht und war nicht mit in die Stadt gefahren, weil es ihm nicht gut ging.

„Leg’dich doch wieder hin“, sagte Klara, als sie aus dem Auto stieg.
„Nein, das mach‘ ich auf keinen Fall“, antwortete Peter.

„Ich hab‘ genug zu tun und bin froh, wenn ich mal die frühen Morgenstunden nutzen kann“, rief er ihr hinterher, als Klara bereits den S-Bahneingang im Blick hatte.

Er fuhr zurück und ging ohne Umschweife daran, sich die Tagesplanung auf einen alten Zettel zu schreiben.

Er hatte immer noch die Angewohnheit, die bedruckten Seiten nicht in den Papierkorb zu schmeißen, sondern sie wiederzuverwenden.

Peter schrieb seine ersten Gedanken gern mit dem Bleistift aufs Papier, weil ihm dadurch keine Tastatur gedanklich im Wege stand.
‚Vom Kopf in die Hand und von da aus aufs Papier‘, dachte er so bei sich.

Nur das Abschreiben seiner eigenen Kritzeleien, das lag ihm gar nicht.

Das Telefon klingelte. Peter schaute auf die Telefonnummer. Es war Anna. Und es war kurz vor halb sechs Uhr.

‚Was will Anna um die Zeit?‘, schoss es ihm durch den Kopf.
‚War etwa irgendwas passiert?‘

Peter zögerte noch ranzugehen, weil er sich nicht ablenken lassen wollte
Als das Klingeln nicht aufhörte, tat er es schließlich doch.

„Gerber“, sagte Peter, obwohl er wusste, dass es seine Schwiegermutter war.

„Ja, guten Abend Peter, hier ist Anna.“

„Weißt du, wie spät es ist?“, erwiderte Peter, ohne auf ihren Gruß einzugehen.

„Wieso wie spät es ist?“, wiederholte Anna die Frage am Telefon.
Peter kam es vor, als würde sie ihn nachäffen.

„Schau doch bitte mal auf die Uhr und sage mir, was du da siehst“, sagte Peter und bemühte sich ruhig zu bleiben.
„Es ist hier halb acht abends“, antwortete Anna.

Fortsetzung folgt

 

 

 

JEEPY (41)

HEUTE WIEDER BLITZ BLANK

 

 

Hallo Krümel, hier ist wieder Jeepy.
Ich komme gerade aus der Badewanne, naja besser der Waschanlage.

Du hast mich ja am Mittwoch gesehen, wie ich da aussah.
Dein Opa hat dich doch aus der Kita abgeholt.

Und als du um die Ecke kamst, da hast mich sofort gesehen, obwohl du im Kinderwagen gesessen hast und die Regenplane über dir war, weil es so nass war und so rutschig – auf den Straßen.

‚Jeepiiiii!‘, hast du sofort gerufen, als ich in dein Blickfeld kam. Und ich habe mich geschämt, weil ich so schmutzig war.

Aber gestern, da waren wir ‚unter der Dusche‘ und jetzt grüßt dich dein super sauberer Jeepy und wünscht dir einen wunderschönen Tag in der Kita.

BEI UNS TUT SICH WAS – ÜBER DIE BAUVORHABEN DER FAK e.V.

AKTUELLE ERGÄNZUNG ZU MENSCHEN IN DER PFLEGE (10)

„Das Objekt Stapenhorststraße in Essen ist in Bau. Dort entstehen eine Tagespflegeeinrichtung und zwei Wohngemeinschaften, in denen jeweils 12 Menschen Platz finden werden“, sagt Michael Jakubiak, Geschäftsführer der Freien Alten- und Krankenpflege e.V.

Er fügt hinzu, dass in der Germaniastraße ebenfalls eine Tagespflege errichtet wird und auch zwei Wohngemeinschaften für je 12 Personen vorgesehen sind.

„Für die Demenz Wohngemeinschaft an der Münchner Straße mit 10 Plätzen liegt die Baugenehmigung vor und wir sind dabei, die Feinplanung abzuschließen“, sagt M. Jakubiak weiter.

Spannende Projekte brauchen spannende und leidenschaftliche Menschen in der Pflege und Betreuung

„Wir wollen für diese Einrichtungen neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen, die mit uns die Leidenschaft und die Freude im Team teilen, diese neuen Vorhaben von Anfang an mit Leben zu erfüllen.

Wir wollen Menschen dazu verhelfen, in Würde alt zu werden, das ist unser Ziel. Das ist aber auch das, was uns viel Dankbarkeit und Energie von den Bewohnern zurückbringt.

Wen das also genauso begeistert, wie es bei uns der Fall ist, der sollte sich unbedingt bei uns melden“, sagt Michael Jakubiak abschließend.

Kontakt:
Freie Alten- und Krankenpflege
FAK e.V. Essen
Krablerstr. 136
45326 Essen
Fon: 0201. 83 52 80
Fax: 0201. 83 52 855
E-Mail: info@fak.de
Internet: www.fak.de
Geschäftsführer:
Michael Jakubiak
Jörg Blaschke

 

 

 

 

ÜBER DEN MENSCHEN MICHAEL JAKUBIAK

INNERE EINHEIT WÄCHST NUR WAHRHAFTIG, WENN MAN SICH AUCH WIEDER MEHR FÜR DAS LEBEN VON MENSCHEN IM WESTEN INTERESSIERT

MENSCHEN IN DER PFLEGE (17)

Über den Menschen Michael Jakubiak, Geschäftsführer der Freien Alten-und Krankenpflege e.V. in Essen

Michael Jakubiak und ich kennen uns nicht persönlich.

Musst du einen Menschen direkt und unmittelbar kennenlernen, um ihn tatsächlich gebührend einschätzen zu können?

Naja, besser ist es – einfach, um die emotionale und mentale Seite eines Menschen intensiver zu erleben.

Und trotzdem kenne ich ihn ziemlich gut. Wenn ich erzähle, was uns unterscheidet, so sticht als erstes heraus, dass Michael Jakubiak im Westen Deutschlands groß geworden ist und ich eben im Osten.

Michael Jakubiak kommt aus dem Ruhrgebiet, aus Essen.

Ich selbst habe meinen Arbeits- und Lebensmittelpunkt in Berlin und Brandenburg.

 

MICHAEL JAKUBIAK – EIN MENSCH, DER KONSEQUENT SEINE IDEEN VERWIRKLICHTE

Michael Jakubiak war Verlagskaufmann bei der Ruhrzeitung.

„Als das große Zeitungssterben einsetzte, musste ich mich beruflich völlig neu orientieren“, erinnert er sich heute zurück.

Er war bereits gut ausgebildet und so gab es für ihn mehrere Ansätze, sich weiterzuentwickeln, sich weiter zu qualifizieren, Neues hinzuzulernen.

Einer dieser Ansätze war, zum EDV-Kaufmann umzuschulen. Doch Michael Jakubiak entschied sich anders.

Er folgte seiner wahren Bestimmung und erlernte von der Pike auf den Beruf des Altenpflegers.

Seine Erfahrungen aus der linken Bewegung in der alten Bundesrepublik, seine Philosophie – die basisdemokratische Beteiligung von Menschen an gesellschaftlichen Vorgängen – bestimmten sehr wesentlich sein Handeln in der für ihn neuen Pflegebranche.

Er wollte Menschen helfen und sie miteinbeziehen in einen aktiven Pflege-und Betreuungsprozess, also in das, was heute als ein Anker in der Pflege gilt – nämlich die individuellen Bedürfnisse der zu Pflegenden nicht nur zu kennen, sondern diese zum Maßstab in der Pflege und Betreuung zu entwickeln.

 

PROBLEME ERKENNEN IST WICHTIG – SIE ZU LÖSEN ENTSCHEIDEND

IN DER VERBESSERUNG DER PFLEGEQUALITÄT

„Ich wollte immer schon Probleme lösen, anstatt sie nur zu benennen“, sagt er heute rückblickend.

Und dass dies nicht nur bloße Worte sind, das erkennt man an seinem Weg, den er bis heute sehr konsequent gegangen ist.

Michael Jakubiak qualifizierte sich zügig zum Pflegedienstleiter in einem großen Pflegeheim und wurde in der Zeit stellvertretender Bundesvorsitzender der „Grauen Panther.“

Als es darum ging, die Pflege breiter aufzustellen, war er an der Gründung des Bundesverbandes Ambulanter Pflegedienste beteiligt und hatte deren Vorsitz 20 Jahre inne.

All das kann man noch einmal genauer in den Interviews auf dem Blog nachlesen, die ich mit ihm geführt habe.

https://uwemuellererzaehlt.de/2017/06/21/michael-jakubiak-im-interview/

Jakubiak tat gemeinsam mit seinen Kollegen noch mehr, um das Selbstbestimmungsrecht von Pflege- und Hilfsbedürftigen zu stärken.

Aus der Idee einer sozialen Bewegung in den 70-iger und 80-iger Jahren heraus wurde die Freie Alten- und Krankenpflege e.V. gegründet (1988).

Und das war erst der Beginn eines Ringens um die Verbesserung der Lebensumstände von Betroffenen in der Pflege und Betreuung.

Bis die FAK e.V. über das Bundesland Nordrhein-Westfalen hinaus zu einer bei pflegenden Angehörigen sowie Pflege- und Hilfsbedürftigen gleichermaßen geschätzten Einrichtung wurde, vergingen viele Jahre.

https://uwemuellererzaehlt.de/2019/05/20/menschen-in-der-pflege-10/

 WAS HAT DAS ALLES MIT DER INNEREN EINHEIT DEUTSCHLANDS ZU TUN?

Nun, ich glaube, dass man viel mehr über die Lebenswege von einzelnen Menschen wissen sollte, um zu verstehen, wie wertvoll zum Beispiel das Ringen von Michael Jakubiak ist, wenn es heute um eine wahrhaft menschenwürdige Pflege geht.

Ich selbst habe viele Jahre fest daran geglaubt, dass nur der Sozialismus im Osten den Menschen ein menschenwürdiges Leben bieten kann.

Wie illusorisch diese Gedanken waren und wie sie in der Realität pervertiert wurden, das ist hinlänglich bekannt und beschrieben.

Ich habe sehr lange gebraucht, um das alles zu erkennen und auch anzuerkennen.

Mitte der 80-iger Jahre war ich für vier Jahre zum Studium in Moskau und habe hautnah den Beginn der Perestroika miterlebt.

Später habe ich mich wissenschaftlich sehr intensiv mit dem Thema der Menschenrechte und humanitären Beziehungen befasst und auch viel mit der SPD darüber diskutiert, was es heißt, einen Rechtsstaat, eine Gewaltenteilung als elementare Voraussetzung für eine freiheitliche Entwicklung zu haben.

Ich habe an der Demonstration am 4. November 1989 in Berlin teilgenommen.

Doch ich war nie ein aktiver Widerstandskämpfer, und ich war auch nie ein Spitzel, weder offiziell noch inoffiziell.

Meine neuen Grundüberzeugungen sind nicht über Nacht ‚auf einem Baum gewachsen‘, sodass ich sie nur noch schnell nach der Wende möglichst lautstark postulieren musste.

Nein, ich war eher ein Zweifler, einer, der das System menschenwürdiger auskleiden wollte.

Kurzum, meine neuen Grundüberzeugungen sind aus vielen Schmerzen heraus entstanden, aus den Erkenntnissen meiner wissenschaftlichen Arbeit, aber vor allem aus den Gesprächen mit Menschen, vor allem auch im Westen.

Ich war nach der Wende in Bochum und Essen tätig und ich habe den Menschenschlag dort lieben und schätzen gelernt.

Nie ist mit mir jemand abfällig umgegangen und so war ich offen für den Humor und den Fleiß dieser Menschen.

Schreibe ich über Michael Jakubiak, so schreibe ich über einen Freund, einen Menschen, der mir den Westen Deutschland vom Herzen her nähergebracht hat – als Heimat, die nun auch zu mir gehört.

 

 

SCHREIB-ALLTAG (10)

SCHREIB UND DU LERNST DICH BESSER KENNEN

Wenn manchmal mein Arbeitsleben an mir in Gedanken vorüberzieht und ich daran denke, mit welchen Brüchen es verbunden war, welche Chancen ich vertan habe oder sie erst gar nicht bekam, ja dann frage ich mich, welchen Sinn das alles hatte.

Ich habe vier Jahre das Fach ‚Schiffsmaschinenbetrieb‘ studiert und konnte dem nichts abgewinnen.

Wiederum später in Moskau habe ich mich mit dem ‚Kapital‘ von Marx herumgeschlagen. Was war das wert. Gut, ich könnte sagen, dass ich zu den wenigen Menschen gehöre, die die Bände nicht nur bis zum Schluss gelesen, sondern sogar verstanden haben.

Später habe ich mich wieder einem anderen Thema zugewandt, nämlich den Menschenrechten im KSZE-Prozess. Das alles liegt sehr lange zurück, es war drei Jahre vor der Wende.

Und dann war ich Verkaufsleiter, Manager, freiberuflicher Journalist.

Mir wird schon schwindlig, wenn ich das hier alles hintereinander aufschreibe. Aber welchen Sinn hatte das alles, und wo ist die inhaltliche Klammer, die das alles schließlich umspannt?

Darauf gibt es für mich nur eine Antwort. So sehr mich manches von den Brüchen schmerzt, für das Schreiben ist es nicht nur optimal, es ist ideal.

Indem ich schreibe, beschäftige ich mich mit mir selbst. Das klingt ziemlich egoistisch.
Aber es ist so, denn ich denke über das nach, was war, warum es so war und wie ich es heute sehe.

Schreibend taste ich mich vorwärts, versuche immer wieder hinter den Sinn des Ganzen zu kommen. Und ich merke dabei, dass ich viele Erinnerungen am liebsten in Geschichten packe, die ich dann erzähle.

Werde ich dadurch zum Schriftsteller? Nein, ich denke nicht. Doch ich spüre das Leben intensiver, spreche mit mir selbst, stehe ich in Gedanken mit in Widerstreit zu mir selbst.

Das alles ist natürlich anstrengender, als wenn du nur so durch den Tag gehst, Sport treibst und deine Arbeit verrichtest.

Selbst die kleinsten Alltagserlebnisse siehst du anders, wenn du schreibst. Wie das aussieht, ja darüber denke ich in der Folge (11) des Schreib-Alltags nach.

‚LOSER‘ UND ‚FOLTERKNECHT‘

50 KILO ABNEHMEN – (17)

Die beiden inneren Stimmen kehren zurück. 

Wieder Fitness-Studio, wieder zuerst das Laufband. Ich habe gestern 2,06 km in 30 Minuten absolviert. Das ist gar nicht so schlecht für mich, denn ich bevorzuge das schnelle Gehen, das Walken sozusagen.

Aber der Anlauf am gestrigen Tag insgesamt war schwierig. Wir waren zwei Tage zuvor in Dresden und ich habe ein Stück Schokoladentorte im Café an der Semperoper gegessen. Und abends noch dazu drei Gläser Wermut getrunken, eine Katastrophe für mein Abnahmeprogramm.

Außerdem war ich am Freitag davor nicht im Fitness-Studio. Also drei Tage kein Training, dafür schön ungesund gegessen und getrunken.

Das alles zusammengenommen traf mich wie ein Keulenschlag, als ich den ersten Tag in der neuen Woche versuchte, am alten Schwung anzuknüpfen.

Nach dem Laufband war ich am Rudergerät. Es schien, als würde ich mit jedem Zug versuchen, einen Güterwaggon in Bewegung zu setzen.

In dem Moment musste ich mich wieder an meine beiden inneren Stimmen erinnern – ‚Folterknecht‘ und ‚Loser‘.

„Los, mach‘ weiter und erhöhe die Schlagzahl“, schnarrte mir Folterknecht ins Ohr.

„Gönn‘ dir doch ruhig eine Auszeit. Schau mal‘, dein rechter Schnürsenkel ist außerdem geöffnet, so kannst du gar nicht weitermachen.

Du hörst einfach auf zu rudern, steigst aus den Pedalen des Rudergeräts und bindest erst einmal die Schnürsenkel am rechten Schuh wieder zu.

Danach setzt du dich auf das gemütliche Sofa dort am Rand und schaust den anderen zu, wie sie sich abquälen“, sagte Loser mit einschmeichelnder Stimme an meinem anderen Ohr.

Ich habe weitergemacht, trotz des locker gewordenen Schnürsenkels am rechten Turnschuh. Die Schlagzahl habe ich aber auch nicht erhöht.

JEEPY (40)

AM NÄCHSTEN MITTWOCH HOLEN WIR DICH AUS DER KITA AB

 

 

Hallo lieber Krümel, hier ist wieder Jeepy, dein bester Freund, nach meinem Fahrer, der gleichzeitig dein Opa ist natürlich.

Mein Fahrer ist so aufgeregt, denn er kann dich nächste Woche aus der Kita holen, wenn du ausgeschlafen hast.

Deine Mama hat wieder eine Weiterbildung in der Nähe von Potsdam und sie schafft es nicht, dich rechtzeitig abzuholen.

Deshalb rief sie meinen Fahrer vor zwei Tagen an.
„Willst du Krümel am nächsten Mittwoch von der Kita abholen?“, fragte deine Mama ihn.

„Natürlich, immer gern!“, rief dein Opa laut. Dabei war er noch im Fitness-Center.

Da wird es nicht so gern gesehen, wenn die Handys klingeln und dann noch laut gesprochen wird.

Ein paar Leute drehten sich nach meinem Fahrer um und straften ihn mit missbilligenden Blicken.

Aber das war dem Fahrer egal. Er freute sich, dass er mal wieder mit dir umhertollen kann.

„Hoffentlich spielt das Wetter mit, und wir können noch ein bisschen über die Spielplätze streunen“, hat er zu mir gesagt.

Und ich? Ja, ich muss wieder in der Parklücke stehenbleiben. Aber ich hoffe ja, dass du auch noch zu mir kommst und dann wie immer laut ‚Jeepiiiii‘ rufst. Ja, dann freue ich mich natürlich auch ganz doll.

Deine Oma will ebenfalls mitkommen.
„Das lässt die sich doch nicht entgehen!“, sagt mein Fahrer zu mir.
Naja, mal ehrlich Krümel, sei froh, dass Oma mitkommt.

Dein Opa braucht doch sonst wieder ewig, bevor er alle Sachen gefunden hat.

Und wenn es nicht gut läuft, zieht er dir erst mal wieder die Hose und die Jacke vom Nachbarkind an und fährt anschließend mit dem falschen Kinderwagen aus der Kita.

Deswegen ist Oma lieber dabei und Opa, der freut sich ebenfalls, denn dann kann er sich nur darauf konzentrieren, mit dir möglichst viel Quatsch zu machen.

Also, bis nächsten Dienstag, lieber Krümel,
dein Jeepiiiiiii!

SCHREIB-ALLTAG (9)

WAS IST MIT DEN ERINNERUNGEN AUS DER ZEIT VOR DER WENDE?

Ein Freund rief an und holte mich zurück in eine Welt, die ich fast schon vergessen hatte. Was sollte ich damit anfangen – vielleicht aufschreiben?

Ich habe kürzlich einen alten Freund und Arbeitskollegen gesprochen. Er rief bei mir an, nannte seinen Namen. Ich musste zunächst innehalten, es war zulange her, seitdem wir uns gesehen und gesprochen hatten.

Aber gleich danach purzelten die Erinnerungen, so als würde eine Kiste im Regal umgestoßen. Und dann siehst du auf einmal wieder Dinge zum Vorschein kommen, die du ohne diesen Anstoß nie wieder gesehen hättest.

„Kennst du noch den Martin?“, fragte mich mein Freund.
„Ja, ich erinnere mich dunkel“, sagte ich.

„Der lebt nicht mehr, ist gestorben. Schon vor ein paar Jahren“, sagte er daraufhin.

„Aber der, den du nicht mochtest, weißt du, was aus dem geworden ist?“, bohrte er weiter.

„Was ist aus ihm geworden?“, setzte ich ungeduldig nach, obwohl ich es gar nicht so richtig wissen wollte.
„Du, der hat nach der Wende eine unglaubliche Karriere gemacht, ist viel im Ausland gewesen und kam zu unseren Treffen stets braungebrannt.“

Dann fragte er mich unvermittelt: „Warum kommst du eigentlich nicht, um ehemalige Gefährten zu treffen?“

Ich hatte keine Antwort darauf, schwieg und überlegte.
Ja warum eigentlich bin ich noch nie bei diesen Treffen dabei gewesen?

Ich wusste es nicht.
Zu lange her? Zu langweilig, um Gespräche über Vergangenes zu führen?

Alltägliche Sorgen, die mich umtrieben und noch heute umtreiben?
Vielleicht von jedem ein bisschen.

Trotzdem, diese Menschen, Freunde, Kollegen, sympathisch oder weniger sympathisch, gehörten mal zu meinem Leben.
Die Frage zwang mich zum weiteren Nachdenken:
„Was ist, wenn du davon etwas aufschreibst, festhältst?“, fragte ich mich.

Ich könnte mich zurückerinnern, an gute und an schlechte Tage, fröhliche Ereignisse und traurige.

Auf jeden Fall würde es mich beleben, meinen Alltag lebendiger machen.

Vielleicht sollte ich daraus kleine Geschichten machen – aus dem, was mal zu meinem Leben gehört hat. Ich werde darüber nachdenken.

BESUCH IM PFLEGEHEIM IN DRESDEN

ANNA IST DEMENT (48)

Peter geht an der Tür seines Vaters vorbei. Dort steht jetzt ein anderer Name auf dem Türschild. Peter muss schlucken.

Peter und Klara hatten sich am Samstagmorgen aufgemacht, um mit dem Auto nach Dresden zu fahren – ins Pflegeheim, dort wo Peters Mutter, Getrud Gerber, seit nun schon über anderthalb Jahrzehnten lebte. Sie war im Sommer 90 Jahre alt geworden und litt stark an Demenz.

„Ob sie uns wohl wiedererkennt?“, fragte Peter.
„Ich hoffe“, antwortete Klara, „aber genau wissen wir es erst, wenn wir vor ihr stehen“, setzte Klara nach.

Peter hatte einen Tag vorher noch die Pflegedienstleiterin, Schwester Eva, angerufen und gefragt, wie es seiner Mutter ginge.
„Ihre Mutter ist ganz munter und erkennt auch die Schwestern, wenn sie zur Tür hereinkommen“, sagte Schwester Eva.

„Das freut mich, dann haben wir ja eine Chance, dass sich meine Mutter freut, wenn wir eintreffen“, meinte Peter.
„Ja, ganz bestimmt“, versicherte die Schwester Peter. Dresden kam näher. Es war die Stadt, in der Peter sein Abitur gemacht hatte und mit der ihn viele Erinnerungen verbanden. Und trotzdem, das Gefühl von wirklicher Heimat wollte nicht aufkommen. Zu lange hatte Peter wohl im Norden gewohnt, in Schwerin und später in Stralsund.

Peter stellte das Navigationsgerät aus, denn er wusste, wie er fahren musste.
Sie fuhren an der Frauenkirche in die Tiefgarage und begaben sich zu Fuß zum Pflegeheim.

„Welchen Stock müssen wir drücken?“, fragte Klara, als im Foyer des Heimes in den Fahrstuhl stiegen.

„Ich glaube der dritte ist richtig“, antwortete Peter und ärgerte sich, dass sie es sich nie merkten, wo Getrud Gerber lag.

„Wir sind einfach zu wenig hier“, sagte Peter und wollte mit diesem Satz sein schlechtes Gewissen beruhigen. Als sie aus dem Fahrstuhl ausstiegen, gingen sie den Gang entlang, der zum Zimmer von Peters Mutter führte.

Sie mussten vorbeilaufen an dem Zimmer, in dem Peters Vater – Manfred Gerber – viele Jahre gewohnt hatte. Seine Frau und er wohnten in den letzten Jahren nicht mehr zusammen. Sie besuchten sich, solange es noch ging, aber die fortschreitenden Krankheiten bei beiden brachten es mit sich, dass die Pflege und Betreuung wirkungsvoller war, wenn beide in verschiedenen Zimmern untergebracht waren.

An der Tür von Manfred Gerber stand jetzt ein anderer Name. Peter bekam weiche Knie. Ihm wurde klar, wie endgültig es war, dass er seinen Vater nie wieder sehen oder sprechen würde.

Am Ende des Ganges war ein Buch aufgeschlagen, in dem die Todesnachrichten untergebracht waren. Peter blätterte das Buch durch und erblickte das Foto seines Vaters.

Es war nicht die letzte Seite. Im Herbst waren weitere Todesanzeigen hinzugekommen.

„Hier kommst nur wieder auf der Bahre raus“, hatte sein Vater mal zu Peter gesagt.

Peter schluckte. Er musste sich zusammenreißen, denn sie waren an der Tür von Getrud angekommen.

LAUFBAND – DIE ERSTE TRAININGSEINHEIT

50 KILO ABNEHMEN – (16)
Es geht immer mit dem Laufband los. Eine halbe Stunde ist schnell rum, nur nicht, wenn du dich die ganze Zeit anstrengen musst.

Fitness-Studio in Berlin-Mitte.

Ich bin schon seit kurz vor sechs Uhr hier und habe gerade die halbe Stunde auf dem Laufband beendet.

„Oh Gott, wie soll ich das bloß durchhalten?“, dachte ich noch, bevor ich auf das Laufband stieg. Doch ich habe die Geschwindigkeit auf 2,0 gestellt, die ersten fünf Minuten jedenfalls. Das war mehr ein vor sich hinschleppen.

„Was wohl die Putzfrau von mir dachte, als sie mich sah, während sie selber um mich herum wischte? Auf jeden Fall ist sie unglaublich fleißig und flink noch dazu.

In der sechsten Minute habe ich damit begonnen, die Geschwindigkeit zu erhöhen, und zwar ab da jede neu angebrochene Minute ein bisschen mehr. Zum Schluss war ich bei der Geschwindigkeit 5,0 angelangt.

Das kann man mit sehr schnellem Walken vergleichen. 1,94 km zeigte das Display an, als ich fertig war. Wenn die magische Zahl 30‘ auftaucht, und ich auf ‚Stopp‘ drücke, kann ich es immer gar nicht glauben, dass die Zeit doch so schnell vergangen ist.

Und so war es an diesem Tag auch. Das liegt ganz sicher an der Musik, der ich mich anzupassen versuche, um mich rhythmischer zu bewegen, beschwingter eben.

Manchmal stellt sich ein junger Mann neben mich auf das Laufband, was an sich nichts Ungewöhnlich ist in einem Fitness-Studio. Doch dieser steigt auf das Laufband und fängt an zu laufen, als gäbe es kein Morgen mehr.

Wie im Vollrausch hämmert er seine Füße auf das Band und übertönt sogar die Musik, aber der Spuk ist nach 10 Minuten vorbei, Gott sei Dank.

Auf jeden Fall kann ich nicht so schnell laufen und da bewundere ich ihn auch, aber dafür halte ich die dreifache Zeit aus. Und ich weiß, dass es für mich darauf ankommt, meine Knie mit meinem Übergewicht nicht übermäßig zu belasten.

Nachdem ich vom Band gestiegen bin, hole ich mir ein Tuch, um die Stellen abzuwischen, die ich mit den Händen angefasst habe.

Der innere Motivationsschub signalisierte danach: „Die erste Trainingseinheit ist geschafft.“

Ich habe mich trotzdem damit nicht lange aufgehalten, sondern mich an die nächste Station begeben – zum Rudern.

STILLE HELDEN – TEAM IM PFLEGEHEIM ‚PFLEGE AM SCHLOSS‘ IN DRESDEN

MENSCHEN IN DER PFLEGE (16)

Das Team im ‚Pflegeheim am Schloss‘ in Dresden – stille Helden
Ich habe mich rasiert und geduscht, obwohl es erst halb sechs Uhr am Samstagmorgen ist.

Wir wollen heute nach Dresden fahren und Mama besuchen. Wir sind gespannt, wie sie reagiert. Ich habe gestern mit der Pflegedienstleiterin gesprochen. Die Schwester sagte mir, dass sie sich zurzeit gut fühlt. Sie erkennt die Schwestern, wenn sie zur Tür hereinkommen und freut sich sogar.

Manchmal fragt sie nach Vati.
Sie hat dann vergessen, dass er im Sommer gestorben ist. Ich bin froh, dass sie es wieder vergisst. Das klingt hart, doch ich finde es gut so, in dieser Hinsicht jedenfalls.

Seit Vati tot ist, rede ich wieder mehr über ihn, stelle seine guten Seiten in den Vordergrund meiner Erzählungen.
„Du redest jetzt oft über deinen Vater“, sagt Klara dann.
„Ja, ich bin irgendwie befreit, auch wenn sich das schrecklich anhören mag, aber ich fühle mich nicht mehr so eingeengt“, habe ich ihr geantwortet.

„Naja, du hast viel von ihm“, sagt dann Klara. Ich will das nicht hören, aber leugnen kann ich es wohl auch nicht. Irgendwie freue ich mich auf die Fahrt nach Dresden, ins Pflegeheim.

Ich habe stets ein schlechtes Gewissen, weil wir das so wenig tun. Und dann bin ich froh, dass im Heim so ein tolles Team agiert.
„Sie glauben gar nicht, wie ich mich freue, Ihre Stimme zu hören“, habe ich gestern zur Schwester am Telefon gesagt.

Sie ist eine Seele von Mensch, weiß als Pflegedienstleitung, was sie tut, und sie ist unglaublich bescheiden. Ich habe schon so viel über Menschen in der Pflege geschrieben, Worte über Pflegekräfte aneinandergereiht, die ich gar nicht kannte, in Imagetexten eben.

Aber die Menschen, die in der ‚Pflege am Schloss‘ arbeiten, die habe ich beobachten können, und zwar auch dann, wenn sie es nicht bemerkten.

Mit wieviel Liebe haben sie sich in den letzten Wochen um meinen Vater gekümmert!
Da kannst du als Angehöriger noch so viel danke sagen, es ist immer zu wenig, es reicht nie, gemessen an dem, was sie tun für die Heimbewohner, und zwar Tag um Tag.

Wir hingegen kommen, sind für ein paar Momente im Heim, und sind froh, wenn wir wieder abfahren können. Das klingt hart, aber es wäre unehrlich, etwas Anderes zu sagen.

Als Mama im Sommer neunzig Jahre alt wurde, da haben wir mit ihr gefeiert. Das Team aus dem Heim hatte alles liebevoll vorbereitet.
Wir haben ein paar Stunden mit Mama zusammengesessen. Doch dann wollten wir nach Berlin zurück.

„Dann bleibt Ihre Mutter hier bei mir“, sagte mir eine Schwester. Sie wollte nicht, dass Mama an so einem Tag auch nur eine Stunde allein war.

Ich war dankbar und hatte ein unendlich schlechtes Gewissen.
Wenn wir heute, am Samstag, auf eine Schwester treffen, werden wir uns bedanken für die Fürsorge und Betreuung, für ihre Geduld, die sie für Mama aufbringen.

Unser schlechtes Gewissen bleibt.

Stille Helden sind das, die im Team der ‚Pflege am Schloss‘ arbeiten. Unsere Wertschätzung und Hochachtung jedenfalls haben sie.

JEEPY (39)

JEEPY’S GESUNDHEITS-WINTERCHECK

Guten Morgen lieber Krümel,
hier ist Jeepy‘s Fahrer.

Jeepy kann gerade nicht sprechen, er ist zum Gesundheitscheck. Naja, das ist ein bisschen übertrieben.

Aber du kennst das ja, wenn du mit deiner Mama zum Arzt gehst und der Doktor dann sagt: „Mund auf.“ Und wenn du ihn aufgemacht hast, steckt er dir einen Holzspachtel in den Mund und sagt: ‚Weiter aufmachen, noch weiter.“

Dabei hast du den Mund schon auf und kannst nur noch krächzen und die Augen sind auch weit aufgerissen.

Das passiert nun in der Werkstatt, nur diesmal mit Jeepy eben.
Wahrscheinlich prüfen sie gerade seinen Ölstand oder ziehen ihm die Schuhe aus, ich meine, drehen ihm die Räder ab.

Und ich sitze hier lieber Krümel, habe die Beine weit von mir gestreckt, direkt unter dem Tisch.

Also schreibe ich ein bisschen an dich, auf dem iPhone und erwische mit meinen dicken Daumen oft den falschen Buchstaben. Aber das ist nicht so schlimm.

Jeepy geht’s im Moment schlechter.
Der muss sich allerhand Untersuchungen gefallen lassen. Doch dann sind wir auf der sicheren Seite, wenn wir im Dezember zusammen an die Ostsee fahren, und wir gemeinsam das Lied „Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf mein‘ Fuß“ singen.

Ich kenne ja nur die erste Strophe. Danach muss deine Mama einspringen.

Zum Schluss sagst du dann: „Noch mal“.
Und spätestens dann versucht uns Jeepy zu entfliehen.

Kann er aber nicht, denn wir sitzen ja bei ihm drinnen und singen ungerührt weiter, aus voller Kehle. Das wird wieder lustig.
Bis bald mal, lieber Krümel, und schöne Grüße von ‚Jeepiii‘, der dir aus der Werkstatt winkt.

ANNA IST DEMENT (47)

WIE FIGUREN BEI ‚ANNA IST DEMENT‘ RICHTIG EINFÜHREN UND BESCHREIBEN?

Wir lassen uns mehr von unseren Gefühlen leiten, als wir es selbst manchmal wahrhaben wollen.

Wir hören vor allem deshalb gern Schlager, weil die Melodien in einen Zustand des Glücks versetzen.
Ein anderer hört vielleicht klassische Musik und kann darüber seinen Gefühlen freien Lauf lassen.

In jedem Fall können wir ohne diese Gefühle nicht existieren, oder nur sehr eingeschränkt.
Aber wie bekomme ich es hin, diese Gefühle auf meinen Seiten, speziell bei ‚Anna ist dement‘ zu transportieren?

Klar, ich kann beschreiben, wie Anna aus ihrer Wohnung schaut, auf den Stralsunder Hafen und sich an den Schiffen erfreut, die dort an der Pier liegen.

Aber ich glaube, auf die Dauer wird das langweilig.
Ich muss dazu übergehen, die handelnden Personen näher zu charakterisieren.

Anna zum Beispiel, oder Peter. Zumal das ja Figuren sind, die im Mittelpunkt des Geschehens stehen. Ich muss sie noch näher beschreiben, damit der Leser sich ein Bild machen kann, in die Gefühlswelt meiner Figuren eintauchen kann.

Und ehrlich: Das habe ich bisher immer vernachlässigt, zumindest wenn es darum ging, in die Tiefe zu gehen.
Natürlich weiß ich, dass es ohne richtige Figuren keine fesselnde Geschichte geben kann.

Und trotzdem tue ich mich schwer damit, die eigenen Gedanken, Gefühle, quasi die eigene Seele dem Leser zu öffnen.
Auf der anderen Seite weiß ich, dass es der einzige Weg überhaupt ist, den Leser tatsächlich zu berühren.

Du fängst also an, dich näher mit deinen Figuren zu befassen, du begibst dich faktisch in sie hinein. Und siehe da, du bist schon bei dir selbst.

Das kannst du gar nicht vermeiden, weil du deine Sicht auf die Person wiedergeben musst und du dich also fragst, warum du sie so und nicht anders siehst.

Wenn ich es schaffen will, dass meine handelnden Personen vom Leser angenommen werden, muss ich schon auch ein klein wenig in die Seele des anderen einsteigen.

Das macht mir Spaß. Ich frage mich immer, warum mir jemand in dem Moment etwas fragt und warum er teilweise gar nicht auf das reagiert, was ich selbst gerade gesagt habe.

Wahrscheinlich, weil es ihn nicht interessiert hat. Aber herauszubekommen, was einem anderem Menschen Spaß macht, was ihn für Motive umtreiben, das ist schon etwas, was ich sehr gern tue.

Also bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mich an die Charakterskizzen meiner einzelnen Figuren zu machen.