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DER ERSTE RICHTIGE URLAUBSTAG NACH DER ANREISE

Am ersten Tag, dem der Anreise, bist du kaputt, möchtest nur noch liegen oder im Sessel sitzen und nichts mehr sagen.

Aber das geht natürlich nicht, wenn Krümel mit in der Ferienwohnung ist.

„Opa, wann kommst du spielen?“, fragt sie, kaum nachdem wir die Sachen einigermaßen verstaut hatten.

Also habe ich mich auf den Fussboden begeben, das Feuerwehrauto ausgepackt, den Polizeiwagen mit der Sirene und viele der anderen kleineren Autos. Nicht zu vergessen den Hubschrauber, der nur noch einen Flügel hat, was aber keinen von uns störte.

Dann haben wir die Sirene vom Polizeiauto angestellt und so laut gespielt, dass wir von Krümels Mama zur Ordnung gerufen werden mussten.

Am nächsten Morgen dann sind wir gleich ans Wasser gefahren.

Der Strand war nahezu menschenleer. Ein Traum.

Wir bauten unseren Sichtschutz unmittelbar vor dem Meer auf, sodass es Krümel nicht weit bis ins Wasser hatte.

„Ist das nicht herrlich?“, rief ich Karsta zu, während ich mit Schwung die Stangen in den Ostseestrand rammte.

Ich legte mich danach auf ein Laken, fest entschlossen, nicht so schnell wieder aufzustehen. Ich nahm mein Buch zur Hand und fand, dass diese paradiesische Zustände wären.

Bis zu dem Zeitpunkt, als direkt neben uns eine größere Gruppe ihr Domizil aufschlug, laut diskutierend und sehr gestenreich. Es war eine  Familie aus Sachsen, wie unverkennbar zu hören war. Der Vater schritt wichtig durch den Sand, das Handy am Ohr und sagte: „Nu, das könn‘ mä doch näschte Woche kläären.“

Dafür war ich auch. Aber es zog keine Ruhe ein. Die Jungen holten einen Ball raus und spielten aus Rücksicht ihren Eltern gegenüber in einigermaßen sicheren Abstand von ihnen. Also direkt neben unserem Sichtschutz. Ich hörte nur, wie ihre  Füsse gegen den Ball knallten und anschließend gegen die Wand unseres Sichtschutzes. Ich schnellte sofort hoch,  obwohl ich mir geschworen hatte, liegenzubleiben.

„Tschuldigung“, riefen sie zu mir.

„Nicht so schlimm“, log ich.

Ich ging runter zum Wasser und schmiss mich todesmutig in das viel zu kalte Naß.

„Opa, ich komme“, rief Krümel und zog in Windeseile ihre Sachen aus.

Ach irgendwie war es doch schön und vielleicht sollte auch alles so sein, redete ich mir ein.

Der Aufenthalt war noch  schön, eine  Stunde jedenfalls, bis die ersten Tropfen vom Himmel  fielen.

DAS BESTE AM GEBURTSTAG IST DER TAG DANACH

ALLTÄGLICHES-2021.08.07

Mir war wichtig, dass ich den Tag wie immer begann- mit dem Training im Fitness-Studio. Also bin ich wie immer früh aufgestanden, um rechtzeitig dort zu sein. Es war morgens gegen vier Uhr, als ich losfuhr. Die Strassen waren menschenleer. Man merkte, dass es nicht mehr der Monat Juli war. Die Sonne ließ noch auf sich warten und die Temperaturen waren nicht nur angenehm, sie waren auch kühl.

Ich absolvierte mein Training und setzte mich danach auf die Bank vor dem Studio. Ein Hausmeister fegte den Platz und ich sprach ihn einfach an.

„Das ist das Schönste für mich, nach dem Training hier zu sitzen.“

„Der Hausmeister guckte mich an, stützte sich auf seinen Besen und sagte: “ ‚Det glob ick‘.“

Wir kamen schnell ins Gespräch.

„Ich bin heute 69 Jahre alt geworden“, sagte ich zu ihm und hätte mir anschließend am liebsten auf die Zunge gebissen. Was interessierte ihn das.

„Ick bin 59 Jahre alt“, sagte er. Zehn Jahre jünger also. Doch er sah aus, als hätte er aber auch schon mein Alter erreicht. Das allerdings sagte ich ihm nicht.

Wir verabschiedeten uns.

„Vielleicht trifft man sich ja mal wieder“, sagte er noch und ich nickte.

Zuhause angekommen hatte Klara alles vorbereitet – das Frühstück war fertig und der Geburtstagstisch war auch gedeckt.

Ich freute mich riesig. Es lagen lauter Dinge darauf, die ich ausgesprochen gern mochte – zwei Bücher, eins von Robin Alexander, dem Polit-Journalisten und ein weiteres von John Grisham, einem meiner Lieblingsschriftsteller.

Ausserdem hatte Klara mir ein paar Notizbücher geschenkt und einen Kalender.

„Ich habe es satt, nur ins iPhone zu schreiben oder auf der Tastatur des iPads herumzuhacken“, hatte ich ihr mal vor Wochen gesagt.

Sie hatte geschwiegen, aber natürlich alles gespeichert.

Die Hefte mussten teuer gewesen sein. Klara wusste, dass ich entweder Zettel übereinander klebte und darauf mit dem Füller herumkritzelte oder aber wirklich hochwertiges Papier liebte, das zudem noch in einer guten Hülle steckte.

Wir hatten außerdem unseren Hochzeitagstag und wie immer war ich in der Verlegenheit, etwas zu schenken, was Klara auch gefiel.

Kleidung? Keine Chance, sie war entweder zu klein oder zu groß oder die Farben und der Zuschnitt passte nicht. Außerdem war ich froh, dass ich nach Jahren mir den Begriff ‚Blazer‘ eingeprägt hatte.

Blumen sollte ich auch nicht kaufen, weil wir ja in den Urlaub fuhren.

Es blieb nur bei Kleinigkeiten, zu denen sie sich aber auch freute.

„Wir sind immer noch ein gutes Team“, sagte ich zu ihr und drückte ihr einen Kuß auf die Wange.“

Dabei liebte ich sie immer noch, wüsste nicht, wie ich ohne sie  leben konnte. Wir regten uns auf, hatten zu vielen Dingen verschiedene Ansichten. Ich war der Theoretiker, der Träumer, sie die Pragmatische und zusammen eben dieses Dreamteam, das sich auch noch nach so langer Zeit so innig liebte.

Vormittags fuhr ich das Auto in die Waschanlage. Ich fuhr dazu zwei Dörfer weiter, weil es dort so ruhig war. Hinter Anlage kamen gleich Felder und Wiesen, auf denen du das satte Grün betrachten und riechen konntest. Manchmal kam auch ein Pferd den Hang hinunter und fraß das Gras, das dort wucherte.

Später überprüfte ich noch die Luft auf den  Reifen. Als ich damit fertig war, fuhr ich fröhlich nach Hause. Unterwegs ging  ein Warnsignal an – ‚zu geringer Luftdruck‘.

Ich fluchte, fuhr zurück und überprüfte das Ganze noch einmal. Wieder war ich fertig, stieg ins Auto machte mich auf den  Rückweg. Das Display zeigte wieder die Warnung an.

Aber ich fuhr nach Hause, denn Klara wartete mit dem Mittagessen.

„Ich muss noch mal los und den Luftdruck erneut überprüfen. Ich will nicht, dass der Luftdruck nicht stimmt, wenn Krümel am Sonntag mit im Auto sitzt und wir an die Ostsee fahren“, sagte ich zu Klara.

Klara kam nach dem Essen mit, sie wollte noch ein Brot im Supermarkt holen.

Jetzt schaute sie im Wageninneren auf das Display und ich pumpte den jeweiligen Reifen auf. Wenn ich mit dem einen fertig war, dann zeigte der andere wieder zu niedrigen Luftdruck. Ich schwitzte, die Hände waren dreckig, die Sonnte brannte sich auf meinem gebeugten Rücken ein.

Endlich, wir hatten den Luftdruck so, dass auf den rechten Reifen ein  Druck von 2,4 bar war und auf den linken 2,5 bar.

„Ich lass das jetzt so“, sagte ich erschöpfte. Ich holte die Sprühflasche  mit dem Glasreiniger aus dem Heck und drückte auf den Knopf. Es kam nichts, nur ein paar Tropfen. Ich wischte mir die Hände kurzerhand an der Hose ab. Klara wollte sie ohnehin in die Wäsche tun.

„Hast du dir die dreckigen Hände an deiner Hose abgewischt?“, fragte sie. Sie stand hinter mir, so urplötzlich.

„Nein, nur die sauberen, aber noch feuchten Finger“, antwortete ich schnell, ohne mich auf weitere Diskussionen einzulassen.

Wir stiegen ins Auto, fuhren noch zum Supermarkt, ich schwitzte auf dem Parkplatz noch ein bisschen in der Sonne, während Klara das Brot holte und schließlich begaben wir uns nach Hause.

Als alles ausgepackt war, öffnete ich eine Flasche Sekt, Klara bereitete frische Erdbeeren zu und ich trank anschließend den Sekt fast alleine aus.

Auf unserem Programm stand die Netlix-Serie ‚Krieg und Frieden‘.

Liebe, nochmal Liebe und ein bisschen Krieg.

Als ich vor dem Fernseher einschlief, da weckte mich Klara erst, als wir ins Bett wollten.

Soviel zu meinem Geburtstag und dem Hochzeitstag. Wir hatten schon heftiger gefeiert.

Aber am nächsten Tag wurde es schön. Wir aßen in Ruhe, ich erläuterte Klara kurz die neuesten Corona-Regeln und hörte aber damit auf, als Klara begann, die Augen zu verdrehen.

Später konnte ich an meinen Schreibtisch, in den Notizbüchern blättern, den Kalender ausfüllen, der von Juli bis Juli lief und in den beiden Büchern lesen. Es war herrlich. Schön, das alles vorbei war und der Alltag mich wieder hatte, auch wenn es ein Samstag war.

DIE MEISTERHAFTE BESCHREIBUNG VON DETAILS DURCH DIE SCHRIFTSTELLERIN ALICE MUNRO

ALLTÄGLICHES-2021.08.06

Manchmal gefällt dir der Film besser als das Buch, das ihm zugrunde liegt.

Aber die Beschreibungen von Alice Munro sind so präzise, dass es schwer ist, sie im Film nachzustellen.

Ich schreibe jeden Tag eine halbe Seite aus einem Buch ab und formuliere diese Sätze danach um.

Es ist ein Schreibtraining, das ich mir über Jahre angewöhnt habe.
Oft sehe ich erst dann, wieviel der Autor sich um die Satzkonstruktionen, die Formulierungen gemacht hat.

Ich greife besonders gern auf die Kurzgeschichten von Alice Munro zurück. Mich begeistert, wie sorgfältig die kanadische Schriftstellerin Details beschreibt. Das ist schon großes Kino.

Gerade lese ich die Geschichte ‚Der Bär klettert über den Berg‘ von ihr. (1)

Der Inhalt ist schnell erzählt. Fiona erkrankt an Demenz, geht ins Heim und Grant, ihr Mann, besucht sie dort.

Grant ist jahrelang fremdgegangen, mit Studentinnen, die er unterrichtet hat.

Nun muss er miterleben, wie sich seine Frau im Heim zu Aubrey, einem anderen Mann hingezogen fühlt.

Die schleichende Demenzerkrankung und die Liebelei von Fiona mit Aubrey stürzt ihn in eine Sinnkrise.

Er geht zu der Ehefrau von Aubrey, um zu ergründen, wie sie mit der neuen Liebe ihres Mannes klarkommt.

Aubreys Frau sagt, dass sie in der Küche bleiben müssten. Trotzdem versucht Grant einen kurzen Blick ins Wohnzimmer zu bekommen.

Ich habe diese Szene im Film „An deiner Seite gesehen“.
Die Kamera erfasst die Einrichtung des Wohnzimmers. Du registrierst es, aber es ist eher langweilig.

Und jetzt die Beschreibung von Alice Munro:
„Sie führte ihn am Durchgang zum Wohnzimmer vorbei und sagte: Wir müssen uns in die Küche setzen, wo ich Aubrey hören kann. Grant erhaschte einen Blick auf zwei Schichten Wohnzimmergardinen, beide blau, die eine aus hauchdünnem, die andere aus seidigem Stoff, auf ein Sofa in passendem Blau, auf einen abschreckend bleichen Teppichboden, auf diverse blinkende Spiegel und anderen Zierrat.“ (2)

Sicher: Man kann hier beides nicht direkt miteinander vergleichen. Aber mir gefällt die Beschreibung der Szene im Buch besser, detaillierter, einfach anschaulicher.

Dabei hatte ich mich so auf die Verfilmung gefreut. Meine Frau sagte zu mir hinterher: „Das ist immer so, wenn du das Buch kennst.“

Das ist was dran.

(1)
Alice Munro „Ferne Verabredungen“, Fischer Verlag GmbH, 2016, S.169 ff
(2)
Ebenda, S. 218

WAS GLÜCK IM ALLTAG IST – DARÜBER KÖNNEN DIE MEINUNGEN SCHON AUSEINANDERGEHEN

ALLTÄGLICHES-2021.08.04

‚Mein Haus, mein Pferd, mein Auto‘ – manchmal denkst du, dass dies nur übertriebene Werbung sein kann, dass es so etwas nicht gibt, schon gar nicht unter Menschen, die du geglaubt hast, zu kennen.

Das Telefon klingelte. Ich war nicht gewillt, mich jetzt von einem Anrufer ablenken zu lassen.

Trotzdem war ich neugierig und schaute deshalb auf das Display. Es war eine Nummer von der Ostsee.

War etwas passiert mit Klaras Mutter, rief die Einrichtung des Betreuten Wohnens an?

Das konnte nicht sein, denn die Vorwahl war eine andere.
Ich war neugierig geworden und drückte auf die grüne Taste des Telefons.

„Hallo Uwe, hier ist der Dieter“, ertönte eine sonore Stimme

„Dieter, welcher Dieter?“ Ich wusste nicht, wer das sein sollte.

Plötzlich schoss es mir durch den Kopf. Die wohlgesetzte Betonung der deutlich artikulierten Worte, das richtige Einhalten von Pausen. Das konnte nur einer sein.

„Bist du es Dieter, der jetzt an der Ostsee wohnt?“
Ich kam mir blöd vor, so zu fragen, aber Dieter verstand mich.
„Ja, der bin ich.“

Ich hatte Dieter bestimmt zehn Jahre nicht gesehen und nichts gehört von ihm.

Wir waren damals befreundet, hatten gemeinsame Coachingsseminare abgehalten.

Dieter wollte in der Zeit unbedingt eine Immobilie erwerben, zur Kapitalanlage, und ich sollte ihm dabei helfen.
Und zwar dort, wo ich wohnte.

Ich hatte gar keine Lust dazu, weil ich wusste, was es bedeutete, Dieter zu helfen.

Er war anspruchsvoll, verliebt in Details und konnte dich damit nerven.

Trotzdem, ich half ihm, lud sogar den Bauträger zum Abendessen ein, um über den Verkaufspreis zu verhandeln und einen ordentlichen Rabatt zu erkämpfen.

Das alles ist mir gelungen und ich war mächtig stolz darauf, dass ich meinem Freund helfen konnte.

Die Jahre vergingen, wir verloren uns aus den Augen.
Zwischendurch rief Dieter mich noch einmal an.
„Ich habe mir noch eine Eigentumswohnung an der Ostsee gekauft, in die ich auch selbst eingezogen bin“, sagte er zu mir und erwartete mein Staunen.

„Wow!“, stieß ich aus, mehr pflichtgemäß, weil ich wusste, dass Dieter das von mir erwartete

„Dieser freie Blick auf das Wasser, du glaubst nicht, wie phantastisch das ist“, schob er noch nach.

Er wollte, dass ich erneut meine Wertschätzung für so viel Glück ausdrückte.

Doch ich hatte nicht mehr die Nerven an diesem Tag, vor vielen Jahren, denn ich war gerade nach Hause gekommen, nach einem zwölf Stunden Tag, vollgestopft mit Meetings und teils nutzlosen, aber nervenaufreibenden Diskussionen über die richtige Strategie in der Steuerung eines internationalen Projektes.

Dieter sagte mir noch, dass er sich nun auf die Rente vorbereiten würde. Er wollte sich ein ganzes Netzwerk aus Kunden erarbeiten, die er dann später coachen wollte.

Wie gesagt, das ist lange her und die Jahre waren vergangen.
Ich hörte nichts mehr von Dieter.

Bis auf den Anruf in der vergangenen Woche.
„Ich habe das Haus verkauft und wollte dir das nur mitteilen“, sagte er.

„Donnerwetter, gratuliere! Für wieviel hast du es denn verkauft?“, fragte ich ihn.

„Darüber möchte ich nicht sprechen.“

„Aber ich habe dir doch geholfen, die Immobilie für einen ordentlichen Preis zu erwerben, da wäre es schon interessant, den Verkaufserlös zu erfahren“, ließ ich nicht locker.

„Bitte versteh`, wenn ich darüber nicht reden möchte“, sagte er.
Ich verstand es nicht, bohrte aber nicht weiter nach.

„Und, wie geht es dir sonst?“, lenkte ich das Gespräch in eine andere Richtung.

„Ach, ich habe meine Wohnung an der Ostsee auch verkauft und mir ein lebenslanges Wohnrecht gesichert.“

„Donnerwetter, musstest du ein zusätzliches Bankkonto eröffnen oder einen zusätzlichen Safe anmieten?“, versuchte ich zu scherzen.
Aber Dieter scherzte nicht.

Nicht, wenn es darum ging, seine großartigen Erfolge kundzutun.
Er sprach dann ganz besonders ausdrucksvoll, bedacht auf die Wirkung jedes einzelnen Wortes.

„Nein, stell‘ dir nur einmal den Blick auf die Ostsee vor. Kannst du dir ihn vorstellen?“

Ich merkte, wie in mir langsam Puls anschwoll.

„Dieter, möglicherweise ist dir entgangen, dass ich mich in meiner Zeit nach dem Abitur im ersten Studium mit dem Fach Schiffsmaschinenbetrieb beschäftigt habe und zur See gefahren bin. Also auch, wenn ich oft im Maschinenraum war, so bin ich doch ab und zu an Deck gegangen, um auf das weite Meer zu schauen.“

„Ja, natürlich“, entgegnete er, obwohl er das nun gar nicht von mir hören wollte.

Dieter wollte einfach nur, dass ich staunte, selbst nach so vielen Jahren.

„Was machst du denn jetzt? Wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, so wolltest du doch jetzt richtig Geld verdienen, mit dem Coaching loslegen, oder?“.

Ich wollte Dieter herauslocken und sehen, ob er sich selbst gegenüber Wort gehalten hatte.

„Nein, ich muss doch nun meine Hobbies ausleben.“
„Was meinst du?“

„Nun, ich schwebe mit meinem Mercedes über die Autobahn und genieße es, diesen Luxus zu haben.“

„Hm“, gab ich von mir.
„Und dann war ich erst kürzlich mit einem Wohnmobil im Urlaub. Einem Mercedes-Wohnwagen.

Du glaubst nicht, was das für einen Spaß gemacht hat. Allein, die Dusche, getrenntes WC, einfach Luxus pur.“

Warum erzählte Dieter mir das alles?
Glaubte er, ich würde ihm dieses Leben neiden oder vielleicht traurig sein, weil ich nicht mit einem Luxus-Wohnmobil in den Urlaub fuhr?

„Dieter, wer wird da nicht schwach, wenn er solche Möglichkeiten hat. Aber was ist mit deiner Familie? Hast du geheiratet, oder bist du mit jemandem zusammen?“

Dieter antwortete nicht, er ging darauf nicht ein.

Ich wusste, dass er stets davon gesprochen hatte, die einzig Richtige für sich zu finden und dafür zu warten.

Doch offensichtlich hatte das nicht geklappt.
Das alles war nicht schlimm, schließlich war es sein Leben.

Aber warum schob er seine vermeintlichen materiellen Vorteile so in den Vordergrund?

Ich würde es nicht klären können, und ich wollte das auch nicht.

Wir sprachen noch kurze Zeit über Belangloses und verabschiedeten uns dann.

Ich wollte ihm noch sagen, dass ich ziemlich glücklich war mit dem, was ich hatte.
Wie ich mich zu Krümel freute, wie Klara und ich gern an die Ostsee fuhren, unser beider Heimat. Wieviel Spaß mir die Arbeit machte.

Aber: Würde ich dann nicht in die gleiche Kerbe hauen, wie es Dieter gerade getan hatte?

Ich ließ es also sein, beglückwünschte ihn zu all seinen Errungenschaften und wünschte ihm alles Gute für den weiteren Weg.

„Was war?“, fragte Klara mich, nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte.

„Ach nichts“, sagte ich.
„Mir ist eben nur wieder klar geworden: Du musst nicht alles haben, aber du solltest das Richtige haben.“

Dieter glaubt das von sich und ich glaube das von mir auch.

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DER MONTAG IM TELEGRAMM-STIL

ALLTÄGLICHES-2021.08.03

Ich bin gegen 03.10 Uhr aufgewacht. Sollte ich mich wieder hinlegen?

Nein, ich wollte ja schon gegen vier Uhr losfahren. Meine Frau schüttelte darüber nur mit dem Kopf.

Aber ich blieb bei meinem Vorhaben. Ich wollte möglichst schon 05.00 Uhr früh auf dem Laufband stehen und mit dem Training beginnen.

Denn dann war es noch leer im Studio. Fast leer jedenfalls.
Irgendeiner war immer an den Geräten.

Ich überwand mich also, schwang die Beine aus dem Bett und fuhr pünktlich los.

Es war still, als ich die Umgehungsstraße im Wald hochfuhr, mich mit dem Jeep durch die Vertiefungen im Sand kämpfte. Vor mir blitzten zwei Augen auf. War das ein Fuchs oder ein Dachs?

Ich konnte es nicht erkennen und war froh, dass der schnell über den Weg huschte.

Tiefgarage. Ich nahm die Tasche heraus und ging schwungvoll die beiden Stockwerke nach oben.

Als ich oben ankam, da war ich das erste Mal schon kaputt.
Ich schleppte mich erst einmal zur Bank und ließ mich darauf fallen.

Ich keuchte und war schon völlig fertig. Wie sollte das nur dreißig Minuten auf dem Laufband werden?

Aber es wurde.

Ich baute sogar Steigungen ein, erhöhte die Geschwindigkeit des Laufbandes, immer für eine Minute.
Ich schnaufte und tat mir selbst unendlich leid.

Keiner sah, wie heldenhaft ich hier kämpfte. Nur die kleine Reinemachfrau stieß mit ihrem Staubsauger gegen das Band.

Ich riss mich zusammen, straffte meinen Körper, versuchte den Bauch weiter einzuziehen und so zu tun, als wäre ich der ‚Ironman‘ bei seinem Training für Hawai.

Viel später, am zehnten oder elften Gerät, da rief mir jemand entgegen: „Hallo mein Freund, wie geht es dir?“

Es war mein türkischer Trainingskollege, mit dem ich mich schon ein wenig angefreundet hatte.

„Du hast noch alles vor dir, aber ich bin gleich fertig“, rief ich zurück.
Er lachte und winkte im Vorbeigehen.

Endlich. Ich war wieder draußen. Ich setzte mich noch einmal auf die Bank. Diese Minuten genoss ich, wenn ich beobachten konnte, wie die Menschen ankamen und in das gegenüberliegende Bürogebäude hasteten.

Ich war froh, dass ich das nicht mehr musste.
Zuhause wartete auf mich zwar auch ein Interview, das mal wieder unbedingt fertiggestellt werden musste, aber zuerst würde ich mal frühstücken und die Berliner Zeitung auf dem iPad lesen.

Klara hatte ihren Homeoffice-Tag. Das Frühstück war deshalb schon fertig, als ich ankam.

Sie war schon wieder nach oben in ihr Zimmer gegangen, um weiterzuarbeiten.

Ich saß noch im Sessel und las einen Artikel, in dem Wilhelmshaven mit ‚f‘ geschrieben war.

Ich freute mich, dass sogar der Zeitung solche Fehler unterliefen.
Die Augen fielen mir zu und mein Kopf sank nach hinten weg.

Erst dadurch, dass ich mich nicht anlehnen konnte, schrak ich wieder hoch und rieb mir die Augen.
Ich sollte mal überlegen, ob es morgens nicht reicht, wenn ich eine Stunde später losfahren würde.

 

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ABENTEUER FITNESS-STUDIO

ALLTÄGLICHES-2021.07.29

 

Es musste noch zu früh sein, um auf die Uhr zu sehen.
Ich wälzte mich im Bett auf die andere Seite und versuchte weiter zu schlafen.

Ich blieb wach. Schließlich rappelte ich mich doch hoch im Bett und versuchte, die Lichttaste vom Wecker zu erwischen. Das klappte auch, nur fiel die ganze Uhr dabei um, krachte mit einem scheppernden Geräusch auf die Glasplatte.

„Sei bitte leise, wenn du so früh aufstehst“, hatte Klara mir noch gestern Abend gesagt.
„Das ist doch selbstverständlich“, erwiderte ich.

Jetzt war es zu spät dafür. Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach drei.

Sollte ich mich noch einmal hinlegen und dann verschlafen?
Ich wollte unbedingt gegen vier Uhr losfahren.

Also schwang ich die Beine aus dem Bett, stieß gegen die Bettrolle, die in der Ecke stand und umfiel.
Klara hob den Kopf.

„Kannst du nur einmal nicht wie ein Bagger durch das Zimmer rollen?“
Ich antwortete nicht, sondern ging nach draußen und machte das Licht im Flur an.

„Mach das Licht aus“, rief Klara sofort.
Ich gehorchte und drückte auf den Schalter. Ich stand barfuß vor der Badtür und streifte nur leicht mit dem großen rechten nackten Zehen die Kante vom Türrahmen.

‚Jetzt bis du wenigstens munter‘, redete ich mir ein, während der Schmerz brennende Signale an mein Gehirn abgab: ‚Du Trottel solltest besser aufpassen oder im Bett liegenbleiben.‘

Ich beschloss, all das zu ignorieren und zog mich an, gleich in Sportkleidung.

Anschließend tastete ich mich im Dunkeln die Treppe runter und leuchtete mit dem iPad die einzelnen Stufen ab.

Dann Tee kochen, Banane ins Auto legen, 1,5 Liter Wasserflasche auffüllen, losfahren.

Ich musste durch den Wald, weil die Landstraße wegen Bauarbeiten gesperrt war, schon lange, eine gefühlte Ewigkeit.

Ich holperte über die Unebenheiten der Straße, jagte für eine Weile einen Hasen, der nicht aus meinem Lichtkegel herauskam.

Was sollte ich tun, ihn ignorieren, das brachte ich nicht fertig. Also entweder ich bog in Richtung Baum ab oder er tat es. Ich war dafür, dass er es auf sich nahm.

Ich fuhr ganz langsam, schaltete das Licht aus und dann wieder an.
Der Hase hoppelte ganz weit hinten auf der Waldlichtung davon.

Endlich Landstraße. Ich bretterte an Buch vorbei, rauf auf die Autobahn, runter an der Prenzlauer Promenade. Die Ampeln waren alle auf grün geschaltet.

Im Radio trällerte jemand das Lied „Einmal von Rügen nach Paris.“ Was hätten sie wohl mit dem Sänger vor dreißig Jahren gemacht? Das war ja der direkte Aufruf zur Republikflucht.

Aber heute Morgen, drei Jahrzehnte später, Paris?
Nee, lieber Rügen und dort an den Strand legen. Ist sicherer wegen Corona.

04.27 Uhr, ich fahre in die Tiefgarage. Es ist gespenstisch. Als ich aussteige höre ich das dumpfe Geräusch von einem Gewicht, das zu Boden knallt.

Also war ich nicht der erste.
04.59 Uhr, ich stehe auf dem Laufband und drehe langsam die Geschwindigkeit hoch.

Als ich bei 5,5 bin, fahre ich die Steigung auf 15 hoch. Mehr geht nicht.
Ich komme ins Straucheln, habe Angst, dass mir das Band davonläuft und ich mit dem Gesicht auf dem Boden aufknalle.
Mit letzter Kraft fahre ich die Steigung zurück, keuche und röchele dabei.

Dreißig Minuten sind geschafft, ich lege mich danach auf die Bauchbank, verschränke die Hände auf meinem Oberkörper und freue mich, dass ich noch lebe.

Ich raffe mich auf und hebe und senke die Beine.
07.15 Uhr – Ich hole mir ein Proteingetränk für drei Euro. Wenn das Klara wüsste. Weiß sie aber nicht.

Ich will unbedingt wieder das Abnehmen forcieren.
Gestern kam ein Mann auf mich zu und sagte mir, dass ich gut wäre an der Bizeps Maschine wäre. Ich schaute misstrauisch zu ihm hoch.

„Was schleimte der rum?“
„Du musst dir eine Folie um den Bauch legen, dann verbrennst du dein Fett.“

„Du, danke, aber ich habe zu lange daran gearbeitet, damit ich so aussehe, wie ich es jetzt tue.“
Er schaute mich an und forschte in meinem Gesicht, ob es ein Spaß gewesen wäre.

War es auch, aber ich mochte nicht lachen, denn ich hatte noch zu viele Geräte vor mir.
Aber heute war ich für mich und brauchte keine noch so gutgemeinten Ratschläge annehmen.
Ich setzte mich noch für eine Weile auf die Bank draußen, blinzelte in die Sonne und sah einer Taube zu, die vor mir saß.

„Das Leben ist schön“, sagte ich mir und begab mich auf den Rückweg.

Ich rief Klara an. Sie war heute im Homeoffice.
„Soll ich Frühstück machen?“, fragte sie mich.
„Das wäre toll und freute mich auf den Kaffee.“

„Du, ich bin voller Energie“, sagte ich zu ihr, als ich zur Tür hereinkam.
„Das habe ich gemerkt, und zwar schon vor deinem Sport“, antwortete Klara trocken.

Ich wartete noch, ob vielleicht ein kleines Lob kam, dafür, dass ich so früh aufgestanden war, mich in die City gestürzt hatte, nur um zwei Stunden Sport zu treiben.

Es kam nichts.
„Wie weit bist du eigentlich mit deinem Interview? Ist das fertig?“, fragte sie mich.

„Ja, ist fertig.“
Sie dachte wahrscheinlich fertig zum Abgeben. Ich aber meinte: Rohentwurf fertig.

„Dann kannst du ja heute noch neue Kunden anrufen“, sagte sie.
„Kann ich, aber ich muss noch ein bisschen am Text feilen“, sagte ich.

Das Hamsterrad des Alltags nahm wieder seinen Lauf.
Ich war immer noch gutgelaunt und wollte es auch bleiben, bei dem Energieschub von heute Morgen? Das musste einfach drin sein.

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MEIN FREUND, DER ALLTAG

FITNESS IST MEHR ALS NUR MUSKELN TRAINIEREN – ES KNÜPFT EIN MENTALES BAND ZWISCHEN MENSCHEN IM ALLTAG

ALLTÄGLICHES-2021.07.28

ALLTÄGLICHES-2021.07.28

Kalle, der Allrounder vom JR-Fitness-Studio im Prenzlauer Berg,  motiviert dich – neben seiner Arbeit, fast unbemerkt, aber mit einem merklich positiven Ergebnis für dich – mental und für deine Bereitschaft, erneut zum Training zu kommen, nun schon fast täglich.

Ich bin noch nicht lange wieder im Fitness-Studio – erst, nachdem ich zweimal geimpft worden bin.

Jetzt ist es wohl schon die dritte Woche, in der ich morgens wieder regelmäßig zu John Reed in den Prenzlauer Berg fahre.

Es fühlt sich noch schwer und behäbig für mich an. Allein, wenn ich die Treppen von der Tiefgarage rauf bis zum Eingang des Studios gehe, keuche ich, als hätte ich schon einen Halb-Marathon absolviert.

Kalle hat mich da beruhigt: „Du, die Treppenstufen sind wahrscheinlich höher als normal gebaut.“
Ich war sofort bereit, ihm das zu glauben.

Aber das ist es, was mich schließlich schnell motiviert.

Während ich mich ausgeschlafen, na gut – so einigermaßen, kurz vor sechs Uhr morgens durch die Tür schleppe, eher missgelaunt bin, begrüßt Kalle mich hinter dem Tresen mit einem fröhlichen ‚Guten Morgen Uwe.‘

Dabei müsste er derjenige sein, der kaputt ist, denn hinter ihm liegen ja viele Arbeitsstunden, die er in der Nacht im Studio absolviert hat.

Aber in dem Moment, in dem ich ihn treffe, da lege ich meinen eigenen inneren Schalter um und sage mir: ‚Komm‘, du Lusche, sei fit und motiviert, du hast keinen Grund dich hier nur durchzuschleppen.“

Es sind nie die großen Dinge, die mich begeistern, sondern eher die kleinen, die alltäglichen Gesten, die mir schließlich gute Laune bereiten.

Kalle hat dafür ein Händchen. Er sagt zwar, er sei nur der Allrounder, der sich kümmert, aber ich denke, er ist mehr.

Nämlich jemand, der Menschen zusammenführen kann, jedem der zur Tür reinkommt das Gefühl gibt: ‚Hey, besonders du bist hier herzlich willkommen.‘

Wir sprechen nie lange miteinander, dann wuselt Kalle schon wieder irgendwo hin -und her, achtet darauf, dass die Hygieneregeln eingehalten werden, kontrolliert den Impfstatus bei den Leuten, die durch die Eingangstür kommen.

Kurzum, es ist mehr ein positives Feeling, was Kalle verbreitet und dabei noch seine Arbeit macht.

Im Stillen denke ich oft: „Du möchtest hier jetzt nicht wischen, oder mit dem Lappen die Ecken im Studio säubern.“

Da bin ich dann doch froh, dass ich lediglich an den Geräten trainieren muss oder besser darf.

Ich schätze Kalle, weil er unaufdringlich ist, sich kümmert, stets ein gutes Wort übrighat, und ganz nebenbei, fast unbemerkt, alles im Griff hat.

Also, ich sitze jetzt am Schreibtisch, müsste eigentlich das Interview mit der Prima Ballerina protokollieren, aber das hier aufzuschreiben, das macht eben mehr Spaß.

Ich bin froh, dass ich wieder ins JR-Studio fahren kann. Und das mit dem Gewicht und den laschen Muskeln, das kriege ich auch wieder in den Griff, die Hoffnung jedenfalls bleibt.
Bis demnächst mal, Kalle.

MIT KRÜMEL GLÜCKLICH UND ABWECHSLUNGSREICH – EIN ATEMLOSES WOCHENDE

ALLTÄGLICHES-2021.07.26

Der blöde Code an der Kita-Eingangstür

Wir haben uns darauf gefreut, Krümel aus der Kita abzuholen.
Und Krümel war auch schon ganz aufgeregt.

„Oma und Opa, ich bleib‘ zwei Tage bei euch“, hat sie fröhlich durchs Telefon geschmettert.

Die erste Hürde war die Eingangstür zur Kita. Ich hatte mir den Code gemerkt, aber nicht, in welcher Reihenfolge was eingegeben werden musste.

Schließlich waren wir drin, nach vielen gutgemeinten Ratschlägen von Eltern, die ungeduldig hinter uns warteten, dass wir die Tür endlich aufbekamen.

„Wir wollen Krümel abholen“, sagte ich zu einer Erzieherin, die im Hof die lärmenden Kinder beaufsichtigte. Es war dort eine schöne Atmosphäre.

Vor mir auf dem Tisch standen Schalen mit frischem Obst. Ich wollte schon hineinlangen, aber der strafende Blick von Klara hielt mich davon ab.

„Plötzlich erkannte uns Krümel. Sie stürmte auf uns los und rief: ‚Oma, Opa.‘

„Ich kenn‘ Sie nicht“, sagte die Erzieherin.

„Ich kenn‘ Sie auch nicht, aber unsere Enkelin kennt uns und das ist wohl das Wichtigste“, sagte ich trotzig und bekam prompt von Klara einen kräftigen Stoß in den Rücken.

Ich fingerte noch den Führerschein aus dem Etui des Handys und zeigte ihn der Erzieherin. Die hatte schon das Foto erkannt, das auf der Vorderseite war und auf dem ich mit Krümel zu sehen war.

„Ihre Enkelin hat einen Jungen gekratzt“, sagte jetzt noch die Erzieherin.

Ach, auf einmal war es unsere Enkelin, als sie die Nachricht loswerden konnte.
„Ist gut, brummte ich“, bereit, Krümels Handlung zu verteidigen. Ich wusste, es war pädagogisch falsch, so zu reagieren, aber ich war nun mal innerlich auf ‚180′ und da zog ich einen mentalen Verteidigungskreis um meine Liebsten.

Ich war aber in dem Moment nicht der Liebste von Klara. Die hatte die Nase voll von meinen wortreichen Eskapaden und war mit Krümel bereits auf dem Weg nach draußen. Krümel hüpfte an ihrer Hand fröhlich von dannen. Ich trottete hinterher, nachdem ich ‚Wiedersehen‘ gebrummt hatte.

Aber das nächste Mal würde ich vor der Eingangstür warten und das Feld gleich Klara überlassen.

„Wir hatten einen ‚onteur‘, jaha“

Ich hatte mich beruhigt und wir fuhren fröhlich mit Krümel zu uns nach Hause.

„Warum wohnt ihr im Dorf?“, fragte Krümel.
„Das ist die Hunderttausend Euro – Frage, die ich dir auch nicht beantworten kann“, sagte ich zu ihr, ohne den Blick von der Straße im Auto zu lassen.

Endlich, wir waren Zuhause, im Dorf.
Klara kümmerte sich um Krümel, ich machte die Schirme auf.
Wir legten uns für einen Augenblick auf die Liegen und schauten zu, was Krümel machte.

Die spielte und lief mit nackten Füssen auf der Terrasse umher.
„Krümel, zieh‘ dir bitte die Schuhe an“, sagte Klara.

„Hm, ich will nicht“, kam es trotzig von Krümel.
„Bitte, sei so lieb“, versuchte Klara sich bei ihr einzuschmeicheln.

Aber ohne ihr ein Eis in Aussicht zu stellen, oder zu sagen, dass sie die ‚Hunde‘ im Fernsehen anmachen konnte, bewegte sich da nichts.

Nein, Krümel lief nach drinnen, machte die Terrassentür hinter sich zu und drückte den Hebel nach unten.

Ich schnellte von der Liege hoch.
„Drück die Klinke wieder zur Seite“, sagte ich von draußen zu Krümel.

Krümel versuchte es, ohne Erfolg.
Ich bekam sofort Panik, lief in den Schuppen, um den Ersatzschlüssel zu suchen.
Der war da aber nicht mehr.
Klara hatte ihn wieder rausgenommen, aus Sicherheitsgründen.
Plötzlich hörte ich die große Haustür klappen.

War die etwa noch auf?
Bevor ich das überprüfen konnte, stand Krümel vor mir und lachte mich an.

Die Haustür hatte sie hinter sich zu fallen lassen.
Jetzt waren wir endgültig ausgesperrt.

Der Nachbar bot sich an, die Tür mit einem Stemmeisen hochzuheben oder das Schloss einfach aufzubohren.

Wir lehnten dankend ab.
Endlich, ich bekam einen Monteur, der in ca. zwei Stunden bei uns sein wollte.

„Finden Sie denn zu uns, obwohl die Straße gesperrt ist?“, fragte ich ihn.

„Naja, ich weiß nicht“, erwiderte er zögerlich nach einer Pause.
„Gut, dann hole ich Sie ab. Kennen Sie den Waldweg, kurz nach dem Kreisverkehr, da wo es in Richtung Liepnitzsee geht“, fragte ich ihn.

„Klar“ sagte er knapp.
„Gut, da steh‘ ich und warte auf Sie“, antwortete ich.

Es klappte alles prima. Wir trafen uns, der Monteur fuhr hinter mir und ich schaukelte mit dem kleinen Jeep vor ihm über die Sandwege und durch die Schlammlöcher hindurch.
Dann ging dann alles sehr schnell.
Nicht einmal fünf Minuten hatte es gedauert, bis er die Tür geöffnet hatte.

„Sie könnten Ihr Geld auch leichter verdienen“, sagte ich zu ihm.
Der Monteur schmunzelte, schrieb die Rechnung aus und verabschiedete sich ins Wochenende.

Wir waren froh, dass alles so reibungslos gegangen war. Obwohl: Ein ziemliches teures Wochenende war es schon.

„Wir hatten einen ‚onteur‘, jaha“, sagte Krümel zur Nachbarin. Die freute sich mit Krümel. Wir konnten auch schon wieder lachen.
Immerhin hatte Krümel in der Zeit, als wir auf den Monteur gewartet hatten, eine bühnenreife Vorstellung im Garten geliefert.

„Ich bleib‘ bei euch“, sang sie aus Leibeskräften und tanzte dazu.
„Opa, das ist der Löwe“, rief sie zu mir.

Sie meinte wohl das Lied aus dem Film ‚Der König der Löwen‘.
Das erste Mal wurde das Rasenstück im Garten zur großen Bühne.

Wir schauten gebannt zu, hatten ein bisschen Angst, dass sich die Nachbarn wegen der Gesanges Lautstärke von Krümel beschwerten.

Wir jedoch, wir fanden es toll und merkten gar nicht, wie die Zeit verging.

Am nächsten Tag brachten wir Krümel zurück, zu ihrer Mama.
Die wartete mit dem Fahrrad für sie bereits unten vor dem Hauseingang.

Krümel stieg auf das Fahrrad, winkte uns noch einmal zu und fuhr schnurstracks in ihr nächstes Abenteuer.

Wir waren ein bisschen traurig, weil es im Garten nun so still war.
Aber wir schliefen beide ein, erschöpft und traumlos.

Bald geht es wieder los, an die Ostsee.

Dann heißt es morgens: „Opa, ‚pomm‘, wir spielen mit den Autos.‘
Ich freu‘ mich drauf.

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GLÜCKSGEFÜHLE VON NULL AUF HUNDERT

ALLTÄGLICHES-2021.07.22

Es war schon weit nach Mitternacht und ich wälzte mich im Bett hin und her.

Aber ich hatte noch genügend Zeit, mich umzudrehen und weiterzuschlafen, dachte ich.

Ich hob meinen Kopf, nur um mich zu vergewissern, dass ich noch mindestens eine Stunde schlafen konnte.

Ich hatte falsch gedacht. Die Uhr zeigte 03.35 an – nur noch 10 Minuten, bis der Wecker klingelte. Ich war deshalb schockiert, verärgert, deprimiert.

Was sollte der Tag bringen?
Sich jetzt müde hochquälen, fertigmachen und Klara nach Berlin bringen, danach umdrehen, zurück in den Prenzlauer Berg fahren und knapp zwei Stunden Fitness machen?

Ich wollte nicht, und deshalb dachte ich auch, ich könnte es nicht.

„Ich glaub‘, ich bleib‘ heute hier. Ich muss so viel erarbeiten, ich schaff‘ das nicht.“

Klara antwortete nicht.
Ich stand seufzend auf, und nach einer Viertelstunde fand ich mich in der Küche wieder, um das Frühstück zu machen.

Vorher schaute ich noch auf das Handy, ob über WhatsApp neue Nachrichten gekommen waren.

Von Krümel war etwas drauf, eine Sprachnachricht.

Ich klickte auf den Link und Krümels fröhliche Kinderstimme war zu hören. Sie begann ihren Satz damit, dass sie sagte: „Du bist mein liebster Opa.“

Jetzt war ich hellwach. Ich spielte alles ab, was Krümel mir erzählte, davon, dass wir wieder mit ‚Spyki‘ wollten.

Und zum Schluss hörte ich, wie sie mir einen lauten Kuss gab.
Ich spürte, wie mich Glückshormone durchströmten, die Energiequellen ansprangen und ich mit einem Schlag nicht nur munter, sondern auch hoch motiviert war, in das Fitness-Studio zu fahren.

Was willst du mehr von deinem Tag, als dass dich einer deiner liebsten Menschen so am Morgen begrüßt. Ich war einfach glücklich. Und Klara war es später auch.

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Copyright Kristina Müller
Mein Freund der Alltag
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MONTAGS AM SEE LAUFEN – BESSER KANN DIE WOCHE NICHT BEGINNEN

ALLTÄGLICHES-2021.07.19

ALLTÄGLICHES-2021.07.19
Klara hat heute Homeoffice und so bin ich erst kurz vor halb sechs Uhr aufgestanden und nicht ins Fitness-Studio gefahren, schon wieder nicht.

Dafür habe ich mich aber aufgerafft und bin eine Stunde am Liepnitzsee gelaufen.

Aber es war mindestens eine halbe Stunde zu spät. Radfahrer überholten mich im Wald, auf dem Weg runter zum See. Sie wollten alle baden, dachte ich jedenfalls bei mir. Einige waren aber auch schon da.

Unten am Wasser angekommen, lief ich einer Frau fast in die Arme. Sie war nackt. Splitterfasernackt.

Sie schaute mich mit neugierigen Augen an und schien sich dabei zu amüsieren. Sie hatte wohl meinen schreckgeweiteten Blick gesehen.

Sie schien sich so wohlzufühlen, dass sie ihr übergroßes Badehandtuch nicht etwa schnell um ihren Körper schlang. Nein, sie faltete es sekundenschnell zusammen, nahm die Arme hoch und legte es um ihre Haare.

Jetzt fühlte ich mich noch unwohler. Ich war in Jogging-Kleidung, mit Nordic-Walking-Stöcken.

„Guten Morgen!“, rief sie mir mit fröhlicher Stimme entgegen.
Ich schaute kurz auf, denn vorher hatte ich den Blick gesenkt, ihn im Sand vergraben, so als gäbe es dort seltene Schätze zu entdecken.

„Guten Morgen“, grüßte ich leise zurück.
Ich schaute sie kurz an und sie lachte jetzt übers ganze Gesicht. Ich kam mir vor wie ein Trottel.

Sie sah gut aus, war um die fünfzig Jahre, hatte eine tadellose Figur und strahlte vor allem Energie aus.

Gut, soviel hatte ich in den wenigen Augenblicken registrieren können. Darauf war ich ja trainiert als jemand, der über Menschen im Alltag schrieb.

Es passte alles – ‚Mensch‘, ‚Alltag‘, nur die Situation war ungewöhnlich.

Auf dem Rückweg ertappte ich mich dabei, dass ich hoffte, noch einmal an ihr vorbeizulaufen.

Denkste.

ENTEN

 

Dafür schwammen Enten am Ufer. Die habe ich fotografiert.
„Wie war’s?“, fragte Klara mich, die gerade dabei war, das Frühstück zu bereiten.

„Schön, da unten waren Enten. Ich habe sie fotografiert, sieh‘ mal.“
Ich zeigte ihr die Bilder.

„Und sonst?“
„Och, es war schon ganz schön voll.“

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STENOGRAMM FITNESSSTUDIO – SEIT LANGEM MAL WIEDER

ALLTÄGLICHES-2021.07.15

Mit dem morgendlichen Training im Fitness-Studio kannst du deinen Alltag nicht wirklich verändern, die Sicht darauf aber schon.

Es ist wieder anstrengend geworden, im JR-Studio im Prenzlauer Berg.
Ich habe ja erst in der vergangenen Woche erneut mit dem Training begonnen, nach dem Lockdown.
Klar, ich merke, dass ich lange nichts gemacht habe.

Alle guten Vorsätze, nämlich täglich im Homeoffice Übungen durchzuführen, die habe ich im Kalender immer wieder auf den nächsten Tag verschoben.

Vorausschauend planen, so nannte ich das.
Aber jetzt kann ich mich nicht mehr rausreden. Meine Frau arbeitet heute im Homeoffice.

Ich bin also allein aufgestanden, eine Viertelstunde vor vier Uhr morgens, wie sonst auch.

Halb fünf Uhr war ich auf der Piste und eine halbe Stunde später im Prenzlauer Berg.

05.20 Uhr war die erste Übung dran – Beine auf der Bauchbank heben und senken.

Das hört sich leicht an, ist es wahrscheinlich auch, nur nicht für mich. Ich habe gekeucht und zum Schluss darum gekämpft, dass die Beine einigermaßen gerade wieder nach unten kamen.

Dann ging es alles Schlag auf Schlag – Rücken strecken, Bizepsmaschine, Trizepsmaschine, Bauchmaschine.

Zehn Minuten nach sieben Uhr war ich heute Morgen fertig.
Anderthalb Stunden Training, stellt euch das mal vor. Aber erzählen kann ich darüber nicht groß, denn ich ernte stets misstrauische Blicke.

„Na Dicker, wieder mal davon geträumt, dass du dort warst?“, oder so ähnlich.

Aber ich war da und ich habe fünfzehn Trainingsstationen absolviert.
Die Arme tun weh, im Rücken spüre ich Muskelkater.
Kurzum, wozu das Ganze?

Ich könnte jetzt von ‚gesünder leben‘ schwadronieren, vom Abnehmen und meinen zerbrochenen Träumen erzählen.
Heute nicht.

Ich weiß nur eines: Ich bin unmutig hineingegangen, aber voller Power, vor allem mental, wieder herausgekommen.

Als ich nach insgesamt zwei Stunden draußen auf den Treppenstufen stand und meine Maske in der Tasche verstaut habe, da fühlte ich mich wie ein Held.

Doch als ich hochblickte, da war dieses Gefühl erst einmal vorbei.
Auf der auf dem gegenüberliegenden Fußweg, da machte ein relativ jung aussehender Mann auf dem Gehweg Liegestütze, mit hoher Taktzahl.

Ich traute meinen Augen nicht. Als die Ampel auf grün schaltete, da schnappte er sich den vor ihm stehenden Kinderwagen und joggte auch noch über die Straße.

Irgendwie nötigte mir das alles Respekt ab. Ob ich wohl auf dem Weg mit Krümel zur Kita noch zwischendurch auf die Hände fallen würde, um ein paar Liegestütze zu machen?

Eher unwahrscheinlich; wahrscheinlicher wäre, ich würde bei meinem Gewicht nach der ersten Übung zusammenbrechen und Krümel würde wohl fragen: ‚Opa, alles ‚dut‘?‘

Also Hut ab, Fremder, du hast mit Sicherheit mehr Stress und schaffst es trotzdem noch, dich zwischendurch zu bewegen, dich fit zu halten.

Ich stieg in mein Auto und fuhr trotzdem stolz nach Hause.
Klara hatte Frühstück gemacht. Ich hatte einen Bärenhunger.

„Wieso kriege ich nur zwei Brötchen?“, habe ich sie gefragt.
„Du willst abnehmen, also tu‘ etwas dafür“, kam die trockene Antwort.

Ich habe nichts darauf geantwortet.

„Und wie war ich heute Morgen?“, fragte ich stattdessen.
Ich wollte so etwas hören, wie: „Ach toll, dass du dich so früh aufraffen konntest, dass du was für deinen Körper tust, einfach deine Ziele verfolgst.“

„Du warst ziemlich laut heute Morgen. Und wieso hat es so lange gedauert, bis du endlich losgefahren bist?“

Ich habe nicht geantwortet, aber ich habe den Käsesalat einfach mit dem Löffel aufgegessen, wenn ich schon kein weiteres Brötchen bekam.

Klara war da ja schon wieder nach oben gegangen.
Sie sagte, sie müsse arbeiten, sie können nicht die ganze Zeit bei mir sitzen.

Ich habe auf dem iPad die App für „Die Zeit“ geöffnet.
‚Die Macht des Bauchgefühls‘, stand da. Naja, darüber könnte ich ja eine Menge berichten.

Aber ich ging dann wenig später doch an meinen Schreibtisch.
„Rufst du heute Kunden an?“, hörte ich aus dem Nebenzimmer Klara fragen.

‚Jetzt werde ich da auch noch kontrolliert‘, dachte ich.
„Ich mach mal die Tür zu, damit du in Ruhe arbeiten kannst“, habe ich geantwortet.

Trainieren im Studio macht Spaß, weil du im Team bist, und dich doch keiner fragt, wie viel du eigentlich schaffen willst.

Naja, Klara meint es nur gut, mit der Haushaltskasse und damit irgendwie auch mit mir.

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IN STRALSUND KAUF ICH MIR VOR DEM UMSTEIGEN EIN BRÖTCHEN

ALLTÄGLICHES-2021.07.13

Von Zugausfällen, die keiner eingeplant hatte

Klara hatte drei Tage hinter sich, die sie lieber vergessen würde. Sie war am vergangenen Donnerstag früh aufgestanden, ich hatte sie zum Zug nach Bernau gebracht und gegen elf Uhr war sie bereits an ihrem Bestimmungsort in Sassnitz angelangt.

Sie hetzte zur Besichtigung eines Zimmers in einer Betreuungseinrichtung, in dem ihre Mutter in Kürze untergebracht werden sollte.

Am nächsten Tag unterschrieb sie die entsprechenden Pflege- und Betreuungsverträge für das Heim.

„Was machst du denn hier?“, fragte ihre Mutter sie, als sie danach bei ihr klingelte.

Es war bereits am späten Vormittag, als ihre Mutter ihr die Tür im Schlafanzug öffnete.

„Ich wollte mal schauen, wie es dir geht“, sagte Klara zu ihr, ohne groß weitere Erklärungen abzugeben.

„Mutti, wir müssen dich fertigmachen, denn du bekommst die zweite Impfung gegen Corona“.

„Zweite Impfung? Warum?“
„Das erklären wir dir unterwegs, denn du wirst gleich abgeholt.“
„Von wem?“
„Von deinem Sohn, Mutti.“
„Von meinem Sohn?“
Ihre Mutter schaute sie staunend an.

„Was hat der damit zu tun?“
„Mutti, das ist der Einzige, der uns zum Arzt fahren kann, oder wolltest du eine Stunde zu Fuß unterwegs sein?“

Klara war erschöpft, müde und mochte nichts mehr erklären.
Endlich. Es klingelte an der Tür und Klaras Bruder wartete danach unten am Auto auf seine Mutter.

Als beide losgefahren waren, ging für Klara die Arbeit in der Wohnung ihrer Mutter los.
Bettwäsche im Schlafzimmer wechseln, die dreckige in die Waschmaschine tun, saubere aufziehen,
in den Wäschebeutel schauen, Unterwäsche, Blusen und Hosen heraussuchen und ebenfalls waschen, den Staubsauger herausholen und saugen, danach wischen, Kaffee aufsetzen und den Tisch für ihre Mutter decken.

„Ach, was machst du in meiner Wohnung?“, begrüßte ihre Mutter sie, und das mit einem Gesicht, als hätte sich Klara unangemeldet bei ihr aufgehalten.

Samstagabend. Klara stieg in den Zug nach Stralsund.
Sie hatte alles durchgeplant und war nun froh, dass alles so abgelaufen war, wie sie es vorhatte.
Sie war zwar unendlich müde und hatte kaum noch Kraft.
Klara ließ sich erschöpft in den Sitz im Zug fallen und schaute einfach aus dem Fenster.

Sie war gern auf Rügen, liebte die Straßen, den Blick auf das Wasser in Lietzow. Es stellte sich schnell wieder ein Gefühl von Heimat ein. Es roch nach Seeluft, man spürte den frischen Wind.

„Hier kannst du alles vergessen“, hatte sie am Telefon zu mir gesagt.
Ich verstand das sofort, weil es mir genauso ging, wenn ich dort oben war.
Hier in Brandenburg, da war es auch schön, ich liebte die Schorfheide, den Liepnitzsee.
Aber das Meer war doch noch etwas ganz Anderes.

„Was nützt dir das alles, wenn du gar keine Zeit für das Schöne hast“, habe ich entgegnet.

Klara bekam Hunger. Sie hatte es in Sassnitz nicht mehr geschafft, etwas vor der Abfahrt zu essen.

‚Ich kauf‘ mir ein Brötchen in Stralsund‘, dachte sie.

Plötzlich ertönte ein Signal und eine Stimme sagte: „Der Zug von Stralsund nach Berlin, Abfahrt 19.13 Uhr von Stralsund fällt aus.“
‚Der Zug fährt nicht, einfach so?‘
Klara glaubte, nicht richtig zu hören.

„Wieso fällt der Zug aus?“, fragte Klara den Schaffner, der an ihr vorbeilief.

Der Schaffner drehte sich um und zuckte mit den Schultern.
„Das kann ich Ihnen auch nicht sagen.“

Klara wusste nicht, was sie machen sollte.
Über Gesundbrunnen fahren? Aber das wäre ein ziemlicher Umweg.

„Sie können den Zug nach Baruth nehmen, der ist 21.44 in Oranienburg“, sagte der Schaffner noch zu Klara und schaute sie ein wenig schuldbewusst an.

Doch der konnte ja am wenigsten dafür.
Dass der Zug sich mal verspätet, das hatte Klara schon des Öfteren mal erlebt, aber gleich ganz ausfallen?

Sie konnte es vergessen, sich in Stralsund vor dem Umsteigen noch ein Brötchen zu kaufen.

Die neue Zugverbindung über Neubrandenburg ließ das nicht zu. Der Zug fuhr bereits 19.02 Uhr ab.

Klara hetzte nach ihrer Ankunft zum anderen Bahnsteig, von dem aus der Zug nach Berlin abfuhr.

Als sie im Zug saß, rief sie mich an und sagte, dass sich der Plan geändert hätte und ich sie von Oranienburg abholen sollte.

„Ich kenne den Bahnhof von Oranienburg nicht“, sagte ich zu ihr.
Ich hatte am Samstagabend keine Lust, noch groß den Weg dorthin zu erkunden.

Im Fernsehen lief die Sendung mit Gottschalk – ‚50 Jahre Hitparade, Zugabe‘.

Ich mochte die coolen Sprüche von Gottschalk immer noch und hätte die Sendung gern gesehen. Außerdem liebte ich Schlager. Schweren Herzens erhob ich mich aus dem Sessel, um mich auf den Weg zu machen.

Klara hatte sich damit abgefunden, dass ihr Plan nicht aufging und sie einen anderen Zug nehmen musste.

Sie wollte einfach ihre Ruhe haben. Aber daraus wurde nichts. Ein junges Pärchen hatte sich neben sie gesetzt.

Die junge Frau gegenüber, der junge Mann neben Klara.
Die Frau packte große Schachteln aus. In der einen waren Bouletten, in der anderen Kartoffelsalat.

Es roch gut. Erst jetzt merkte Klara, dass sie noch gar nichts gegessen hatte.

Sie spürte wieder den Hunger in sich hochsteigen. Aber das mit Snack in Stralsund, das hatte nicht ja nun nicht geklappt.

‚Gut, dass ich die Maske vor dem Gesicht habe, sonst würde sich mir der Magen vor Hunger umdrehen‘, dachte Klara und schaute aus dem Fenster, um sich abzulenken.

Endlich, die Frau packte die beiden Plastikbehälter wieder ein.
Doch im nächsten Moment holte sie auch schon eine neue heraus. Darin war Nachtisch – Tiramisu.

„Das schmeckt cremig und lecker“, sagte der Mann neben Klara und leckte zur Bestätigung gründlich den Löffel ab.

Klara schaute auf ihre Uhr, noch eine halbe Stunde bis Oranienburg.
Ich saß im Auto. Die Fahrt nach Oranienburg war entspannt. Landschaftlich reizvoller als in die andere Richtung, nach Bernau.

Vor dem Bahnhof tummelten sich eine Reihe von Betrunkenen, die sich angeregt unterhielten.

Ich wich ihnen aus und ging hinter dem Auto der Bundespolizei, das vor dem Hauptportal parkte, in Richtung Eingang.

Der Zug kam pünktlich.
Klara stieg glücklich aus dem Auto und ich fuhr gemächlich zurück.
Hinter mir drängelte ein schwarzer Audi, der dann mit hoher Geschwindigkeit vorbeifuhr.

Wir sahen ihn wieder, als er vor der nächsten Baustelle warten musste, fliegen konnte er offensichtlich auch nicht.

„Du kannst planen, wie du willst, wenn die Bahn nicht mitspielt, dann nützt das alles nichts.

Und da sollen die Leute mehr auf die Bahn umsteigen? Ja, auf welche denn, wenn die, die im Fahrplan steht, einfach per Durchsage ausfällt?

Der nächste Tag war Sonntag, Gott sei Dank. Jetzt ließen wir alles ausfallen.

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ALICE MUNRO – SCHREIBEN AM KÜCHENTISCH ÜBER MENSCHEN IM ALLTAG

Zum 90. Geburtstag von Alice Munro

Ich habe seit einigen Jahren ein Ritual entwickelt, mit dem ich den Tag beginne, nachdem ich vom Fitness-Studio zurück bin.

Ich nehme das Buch von Alice Munro „Ferne Verabredungen“ zur Hand.

Dann klebe ich ein weißes Blatt Papier auf einen Pappdeckel, den ich aus einem Ordner auf A4 -Größe zurechtgeschnitten habe.

Ich schlage das Buch auf, suche mir eine Textstelle und schreibe ein paar Sätze daraus ab. Anschließend formuliere ich sie um.

Es ist eine Methode, meine handwerklichen Fertigkeiten im Schreiben zu trainieren.

Und erst dann, wenn ich einen Satz umformulieren will, merke ich wirklich, wie meisterhaft er von Alice Munro formuliert und von Heide Zerning, der Übersetzerin, ins Deutsche gebracht wurde.

Ich verzichte in diesen Momenten ganz bewusst darauf, die Tastatur zur Hand zu nehmen, in den Computer zu starren.

Diese ‚blanke‘, vielleicht auch antiquierte Arbeitsweise, zählt zu dem Besten, was ich so am Tag anstelle.

Bereits im Klappentext steht über Alice Munro, was für mich mit zu einem Leitsatz für diesen Blog geworden ist: „Alice Munro erzählt zugewandt und genau vom Allerschwersten, von dem, was zwischen Menschen passiert, was in ihnen vorgeht.“ (1)

Und diese ‚Meisterin des Alltäglichen‘ ist gerade 90 Jahre alt geworden. Ich habe das in der Berliner Zeitung in der Feuilletonseite entdeckt. (2)

Was mich an dieser Schriftstellerin fasziniert ist, wie unaufgeregt sie über Menschen im Alltag, über das Alltägliche schreibt.

Dass sie inzwischen eine kanadische Literaturnobelpreisträgerin ist, das nötigt mir natürlich Respekt ab.

Was in mir jedoch eine wirkliche Begeisterung hervorruft ist die Tatsache, dass sie mit scheinbarer Leichtigkeit über eher langweilige Dinge des Alltags schreibt.

„Sie (Alice Munro) zeigt, dass ein Schreiben über Windeln, den Besuch in einem Pflegeheim oder Einkäufe von Zahnpasta und Handcremen von bestechender Prägnanz und Aussagekraft sein kann. Besonders ihre späteren Texte bringen die Schilderungen des Unspektakulären, man könnte auch sagen, den genauen Blick auf Menschen als Menschen zur Perfektion.“ (3)

Alice Munro war dabei immer Mutter von vier Töchtern, Hausfrau.

„Sie kochte und putzte, sagte sie in einem Interview mit der Literaturzeitschrift Paris Review, seitdem sie ein Teenager war und ihre Mutter an Parkinson erkrankte: ‚die Uni war also die einzige Zeit in meinem Leben, in der ich keine Hausarbeit verrichten musste.“ (4)

Als ich das gestern beim Frühstück las, da dachte ich bei mir:
‚Worüber jammerst du eigentlich? Du musst so viel tun – Firmenporträts schreiben, freitags zuhause Staubsaugen, ins Fitness-Studio fahren, du kommst eigentlich zu gar nichts, schon gar nicht dazu, kurze Alltagsgeschichten für den Blog zu schreiben.‘

Da kann ich nur verstummen, angesichts des großartigen Schaffens dieser Schriftstellerin, und dass in vielen Jahren am Küchentisch, weil sie kein Arbeitszimmer hatte.

Manchmal, wenn ich meine Enkelin besuche und mit ihr in Berlin auf einen Spielplatz gehe, dann sehe ich Mütter, die auf dem Boden sitzen und reden, Kartoffelsalat ausgepackt haben und jeden, der von außen dazukommt aus einer Mischung von Ablehnung und Neugier betrachten.

Ich nenne sie seit vielen Jahren die ‚Monicas‘.

‚Die Monicas sind wieder da‘, sage ich dann zu Krümel, die sich aber nicht dafür interessiert, sondern für die Rutsche, auf der die Kinder der ‚Monicas‘ heruntersausen.

Inspiriert zu dieser durchaus liebevoll gemeinten Bezeichnung wurde ich durch die Geschichte ‚Jakarta‘:

„Kath und Sonje haben einen eigenen Platz am Strand, hinter großen Baumstämmen.

Den haben sie sich ausgesucht, weil er ihnen Schutz bietet, nicht nur vor dem gelegentlich stark auffrischenden Wind – sie haben Kaths Baby dabei -, sondern auch vor den Blicken einer Gruppe von Frauen, die jeden Tag den Strand bevölkern. Sie nennen diese Frauen die Monicas.

Die Monicas haben zwei oder drei oder vier Kinder pro Nase.
Angeführt werden sie von der richtigen Monica, die über den Strand gelaufen kam und sich vorstellte, sobald sie Kath und Sonje und das Baby entdeckt hatte.

Sie lud sie ein, sich dem Rudel anzuschließen.
Sie folgten ihr und schleppten die Babytasche mit.
Was blieb ihnen anderes übrig?

Aber seitdem verschanzen sie sich hinter den Baumstämmen.

Das Feldlager der Monicas besteht aus Sonnenschirmen, Badelaken, Windeltaschen, Picknickkörben, aufblasbaren Flößen und Walfischen, Spielsachen, Sonnenschutzmitteln, Kleidungsstücken, Sonnenhüten, Thermoflaschen mit Kaffee, Plastikbechern und -tellern und Kühlboxen, die hausgemachte Eislutscher aus Fruchtsaft enthalten.“ (5)

Ich habe in meinem Leben viel studiert, Diplomarbeiten geschrieben, Diplomarbeiten bewertet, Studenten unterrichtet. Das war eine schöne Zeit.

Der beste Teil kommt tatsächlich zum Schluss, nämlich von einer ‚Meisterin des Alltäglichen‘ zu lernen, die kleinen Dinge im Leben zu sehen, sie nicht geringzuschätzen, Menschen nicht in ihren großen Gesten zu bewundern, sondern darin, wie sie den Alltag meistern, wie sie sich zueinander verhalten.

Das Schwierige besteht darin, nicht nur das Banale zu beschreiben, sondern die Beschreibung auch noch banal aussehen zu lassen. Darin bewundere ich die große Schriftstellerin Alice Munro.

(1)
Manuela Reichart, Nachwort für Alice Munro, Ferne Verabredungen, Die schönsten Erzählungen;
aus dem Englischen von Heidi Zerning;
© 2016 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, 60596 Frankfurt am Main
(2)
Berliner Zeitung, Nr. 156, Freitag, 09.Juli 2021, S. 13; Feuilleton
„Meisterin des Alltäglichen“
(3)
Sabine Rohlf, ebenda
(4)
Ebenda
(5)
Alice Munro „Ferne Verabredungen“, Jarkarta, Fischer Verlag GmbH, 2016, S.9

EIN BLICK IN DIE BIBEL MACHT DEINEN ALLTAG NICHT ÄRMER

BIBEL-2021.07.04

„Die Menschen trauern zwar um ihren Leib, aber bei den Gottlosen wird auch der Name vertilgt, denn er taugt nichts.
Sieh zu, dass du deinen Namen behältst; der bleibt dir gewisser als tausend große Schätze Gold.
Ein Leben, es sei so gut, wie es wolle, währt nur eine kurze Zeit, aber ein guter Name bleibt ewig.“
Sir 41, 14-16

Bibel

Was kann ich mitnehmen?
Das Leben einfach leben, aber so, dass du vor dir und vor denen bestehst, die dir wichtig sind und wichtig bleiben, auch nach deinem Tod.

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NORDIC WALKING IM WALD – DU KOMMST ALS EIN ANDERER RAUS, ALS DU VORHER REINGELAUFEN BIST


ALLTÄGLICHES-2021.06.29

Manchmal werde ich gefragt, warum ich so begeistert Nordic Walking betreibe.

Begeistert?
Naja, manchmal.

Auf jeden Fall: Es ist die Variante, die meine Gelenke am besten schont.

Aber was treibt mich an, es immer wieder zu tun?

Morgens früh aufstehen, mit dem Gedanken, dass ich im Galopp durch den Wald schnaufe?
Nein, sicher nicht.

Die Tatsache, dass du etwas für deine Gesundheit tust?
Schon eher.

ALLTÄGLICHES-2021.06.29

Aber das entscheidende Motiv liegt tiefer.
Du bekommst es nur heraus, indem du es selbst ausprobierst.

Wenn du losläufst, alles hinter dir lässt, die Straße sich immer weiter von dir entfernt, ja dann klingt der Lärm ab.

Du hörst auf einmal das Gezwitscher der Vögel besser. Trittst du auf einen Ast, dann kracht es förmlich in deinen Ohren.

Plötzlich spürst du die Stille, hörst nur noch das Rauschen des Windes.

Dann ist der Moment gekommen, an dem du sagst: ‚Gut, dass ich mich mal wieder zum Laufen überwunden habe.‘ Du schaust ins Grün, sprichst in Gedanken mit dir selbst.

Du kommst als ein anderer Mensch raus, als du eine Stunde zuvor in den Wald hineingelaufen bist.

Ich glaube, das ist es, was mich immer wieder antreibt.

Nichts Ungewöhnliches, aber mit der Zeit etwas ganz Außergewöhnliches.

 

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EIN BLICK IN DIE BIBEL MACHT DEINEN ALLTAG NICHT ÄRMER

BIBEL-2021.06.27

Vom Tod
‚O Tod, wie bitter bist du, wenn an dich ein Mensch denkt, der gute Tage und genug hat und ohne Sorgen lebt und dem es wohlergeht in allen Dingen und der noch gut essen kann!
O Tod, wie wohl tust du dem Armen, der schwach und alt ist, der in allen Sorgen steckt und nichts Besseres zu hoffen noch zu erwarten hat!
Fürchte den Tod nicht! Denke an die, die vor dir gewesen sind und nach dir kommen werden…‘
Sir 41, 1-5

Bibel

Gedanken, die mir wichtig sind, wenn ich die Sätze lese:
Sorge dich nicht im Alltag, freu‘ dich lieber mehr über kleine Dinge, als dass du schon am Wochenanfang schlecht gelaunt umherläufst.

Sei gewiss, der Tod wird kommen, aber solange genieße dein Leben, werde nicht übermütig, aber auch nicht depressiv.

Bleib‘ der, der du bist, oder werde der, der du schon immer sein wolltest – ewig hast du dafür keine Zeit.

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EIN BLICK IN DIE BIBEL MACHT DEINEN ALLTAG NICHT ÄRMER

BIBEL-2021.06.23

‚Rühme dich nicht wegen deiner herrlichen Kleider, und überhebe dich nicht an deinem Ehrentag;‘ 
SIR 11,4 

Bibel

 

Was nehme ich für meinen Alltag mit?
Bleib‘ bescheiden


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DIE BIBEL WECKT DIE NEUGIER AUF DEINEN ALLTAG

ALLTÄGLICHES-2021.06.21

„Du sollst niemand rühmen um seiner Schönheit willen noch jemand verachten, weil er hässlich aussieht. Denn die Biene ist klein unter allem, was Flügel hat, und bringt doch die allersüßeste Frucht.“
SIR 11, 2-3

Bibel

Du bist manchmal schon versucht, dich eher Menschen zuzuwenden, die attraktiv sind.

Und genauso wendest du dich vielleicht von einem hässlichen Menschen vorschnell ab.

Selbst in der Liebe könnte das ein Fehler sein. Aber da spielen natürlich Hormone, Gefühle noch eine ganz andere Rolle.

Ich habe mich schon in Menschen getäuscht, habe gedacht, dass mein Gegenüber unscheinbar aussieht, schwach ist, willenlos, ein Leisetreter.

Dabei war er einfach bescheiden, still, konzentriert, überließ mir den Vortritt, beschämte mich, weil ich zu schnell, zu laut, zu siegesgewiss meinem Ziel entgegenstrebte.

Dieser Bibelspruch hilft zu erkennen, worauf es bei der Einschätzung eines Menschen wirklich ankommt.

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NORDIC WALKING AM MITTAG IN DER SCHORFHEIDE – DIE STILLE GENIESSEN

ALLTÄGLICHES-2021.06.15

AUDIO:

Ich habe schon oft davon erzählt, wie gern ich morgens am Liepnitzsee laufe.

Das ist noch immer so.
Aber gestern bin ich ein Stück weitergefahren, in Richtung Schorfheide.

Es war Mittag und das Thermometer zeigte bereits über 30 Grad Celsius an.

Ich war warm angezogen, Trainingshose, Trainingsjacke und ich hatte zusätzlich noch eine Mütze auf dem Kopf.

Meine Frau hatte Homeoffice und schaute mich an, als ob ich nicht ganz dicht sei.

Aber ich wusste, warum ich das tat.
Im Wald kann ich mich so am besten vor Mücken und Zecken schützen.

Außerdem ist es stets kühl, wenn ich den Weg entlanglaufe.
Es war ganz ruhig, als ich mir die Stöcke umschnallte und die ersten Schritte machte.

Nur ab und zu war ein Knacken im Unterholz zu hören.
Die Vögel zwitscherten und es wehte ein leiser Wind.
Die Sonne schaffte es nur mit Mühe, durch das Blätterdach der Bäume hindurch zu schimmern.

Das Farnkraut war hochgewachsen und reichte mir fast bis zu den Schultern, so schätzte ich das jedenfalls von meinem Weg aus ein.

Die Überwindung einfach loszufahren, noch am Mittag Sport zu machen, ja die ist stets groß.

Doch wenn ich laufe, ins Grün schaue und meinen Gedanken nachhängen kann, dann spüre ich jedes Mal wieder, dass das der Reichtum im Leben sein muss – sich einfach Zeit zu nehmen für so eine banale Sache wie das Nordic Walking.

Bin ich deshalb besonders gut trainiert? Wahrscheinlich nicht.
Aber mental geht es mir danach sehr gut.

Auf dem Weg lege ich manchmal einige Sprints ein, nehme mir vor bis zur nächsten Biegung oder bis zu einem bestimmten Baum zu laufen.

Danach laufe ich wieder langsamer und so habe ich das Gefühl, dass ich meine Ausdauer trainiere, ein bisschen wenigstens.

Zurück am Auto, nach einer Stunde, ja da kommt der schönste Moment.

Ich nehme meine Wasserflasche, trinke einen Schluck und laufe auf und ab.

Ich sauge abschließend die Stille des Waldes auf und habe das Gefühl, das ich die wichtigste Aufgabe am Tag erledigt habe.
Ich werde das heute wieder tun.

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AUDIO: SEI WÄHLERISCH, WENN DU EINEN RAT SUCHST

AUDIO BIBEL-2021.06.14

 

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Bibel

 

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SEI WÄHLERISCH, WENN DU EINEN RAT SUCHST

BIBEL-2021.06.14

AUDIO:  https://uwemuellererzaehlt.de/2021/06/14/audio-bibel-2021-06-14/ ‎
In der Bibel steht: „Lebe in Frieden mit vielen, aber zum Ratgeber nimm unter tausend nur einen.“
(Sir 6, 6)

Bibel

Wer hat es noch nicht erlebt, dass er einen Rat gesucht und falsche Freunde gefunden hat?

Als es bei mir in der Selbstständigkeit besonders schlecht lief, ich nicht wusste, wie ich die Kredite für das Haus bedienen sollte und mir zusätzlich die täglichen Kosten davonliefen, da wandte ich mich an einen Freund, der stets an meiner Seite war, als es geschäftlich noch gut lief.

Dieser Freund brachte mich zu seinen Freunden, die es mit mir sehr gut meinen würden.

Im Ergebnis verlor ich noch mehr Geld, versank noch mehr in Schulden und konnte nachts gar nicht mehr schlafen.

Ich habe mich da herausgekämpft, alle Schulden zurückgezahlt, und ich habe noch eines gemacht: Ich habe mich von all diesen vermeintlich gut meinenden Freunden getrennt.

Heute habe ich nur noch einen Freund. Wir sehen uns selten, weil wir beide mit der Familie und dem Beruf zur Genüge im Alltag eingespannt sind.

Aber wir chatten viel über WhatsApp. Meine Frau findet das nicht so gut.

Sie sagt, ich solle mich lieber auf meine Arbeit konzentrieren, auch wenn ich vorwiegend im Homeoffice sitzen würde.

Doch man kann sich schon gut auf diese Weise austauschen, effizient und kurz.

Und: Du musst nachdenken, was du sagst, denn durch das Schreiben strukturierst du ja auch ein wenig die Gedanken.

Dadurch bin ich viel klarer, bringe meine Botschaften schneller auf den Punkt.

Kurzum, mein Freund wirft mir manchmal vor, dass ich sehr hart auf diesem Kommunikationsweg reagiere.

Vor allem dann, wenn er von Ideen begeistert ist, die ihm andere Freunde vorgeschlagen haben, und die sein Leben revolutionieren würden.

Meine Antwort darauf ist stets: „Ich will nur ehrlich zu dir sein. Prüfe also noch einmal genau, was dir da jemand vorgeschlagen hat. Und wenn du es danach immer noch gut findest, ja dann solltest du es tun.“

Mein Freund ist nie begeistert von meinen Worten, nicht gleich jedenfalls.

Aber er sagt, er kann mir vertrauen, weil ich es wirklich ehrlich meine mit ihm.

Das schreibt er mir in der Regel ein paar Tage später. In dem Moment, wo er noch einmal gründlicher nachgedacht hat, an meinen Argumenten vielleicht etwas Wahres dran ist.

Mein Freund ist auch rückhaltlos ehrlich zu mir, und ich bin oft auch nicht gleich begeistert, wenn er mir nicht zustimmt, was meine Ideen anbetrifft.
Und nur deshalb hat diese Freundschaft bis heute gehalten.

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DU HÖRST AUF ZU LEBEN, WENN DU AUFHÖRST ZU ARBEITEN

ALLTÄGLICHES – 2021.06.04
Freitagmorgen, trübes Wetter. Ich sitze am Computer und schreibe seit drei Stunden und Klara sitzt nebenan, kämpft mit ihren Kunden.

„Warum tut man sich das alles an?“, frage ich mich manchmal. Besonders dann, wenn es einem nicht so gut geht, gesundheitlich meine ich.

Ich könnte mich mehr zurücklehnen, müsste nicht mehr so viel arbeiten. Aber ich kann nicht anders. Warum nicht? Keine Ahnung.
Vielleicht weil es schon immer zu meinem Leben gehört hat.

Ich kenne es nicht anders. Auch am Wochenende schreibe ich irgendetwas, plane die kommende Woche durch.

Nur wenn unser ‚Krümelchen‘ da ist und sie ruft, ‚Opa ‚pomm‘, wir ‚pielen‘, ja dann lass ich den Schreibtisch links liegen, fall‘ auf den Fußboden und schieb‘ das Feuerwehrauto hin- und her.

Dennoch: Irgendwie hörst du auf zu leben, wenn du aufhörst zu arbeiten.
Am Mittwoch ging es mir richtig ‚dreckig‘. Erkältet. Ich habe mich auf die Couch gelegt und mir zwei Thriller hintereinander angesehen.

Das war Schlaraffenland für mich. Doch in dem Moment, wo es dir besser geht, da willst du nicht auf der Couch liegen, nein, du willst etwas schaffen.

In meinem Fall heißt das Kunden gewinnen, Texte schreiben und verwerfen und wieder von vorn beginnen. Eine Qual? Ja. Irgendwie aber auch schön.

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DIE BIBEL ÜBER ‚ARM SEIN UND DIE ARMUT‘

ALLTÄGLICHES-2021.05.31

Je mehr ich in der Bibel herumstöbere, an interessanten Stellen hängenbleibe, desto mehr fällt mir auf, wieviel dort über die Armut, das arm Sein geschrieben steht.

Vieles von dem ist heute noch aktuell, kann direkt auf verschiedene Situationen übertragen werden, ja gibt direkte Handlungsanweisungen, wie du dich verhalten solltest, so meine ich jedenfalls.

Hier wäre so eine Stelle aus der Bibel:
„… lass den Armen nicht Not leiden, und sei nicht hart gegen den Bedürftigen.

Verachte den Hungrigen nicht, und betrübe den Menschen nicht in seiner Armut.

Einem betrübten Herzen füge nicht noch mehr Leid zu, und lass den Notleidenden auf deine Gabe nicht warten.

Die Bitte des Elenden schlage nicht ab, und wende dein Angesicht nicht weg von dem Bittenden, und gib ihm keinen Anlass, dir zu fluchen.“
Sirach, 4, 1-5
Bibel

AUDIO: 
https://uwemuellererzaehlt.de/2021/05/31/audio-2021-05-31/

Was nehme ich hieraus mit?
Vielleicht dies:

Demjenigen, der möglicherweise nicht so viel hat, trotzdem seine Wertschätzung zu erweisen, gerade solidarisch zu sein – das finde ich schon wichtig.

Und genauso gehört für mich dazu, nicht arrogant, herablassend zu agieren, wenn man meint, man hätte mehr materiellen Reichtum angehäuft.

Der wirkliche Reichtum bleibt eben die gute Beziehung zu den anderen Menschen – in der Familie, unter Freunden, und eben auch zu Hilfsbedürftigen.

Uwe Müller erzählt

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DEN REICHTUM VOR DEINER NASE SEHEN

ALLTÄGLICHES-2021.05.30

Ich sitze auf einem Baumstumpf, am Fluss, in der Nähe des Finowkanals.

Ein abgeholzter Baum steht in der Mitte, auf dem Baumstamm befindet sich ein Blumentopf, ein rostiger kleiner Blecheimer, mit eingepflanzten Blumen.

Um den Baumstamm herum stehen ebenfalls vier kleinere Baumstämme, die als Sitzgelegenheiten hergerichtet wurden.

„Danke für den Platz in der „guten Stube“, steht auf einem Stück Holz, das auf dem Tisch liegt.

Auf der glatten Rückseite einer Borke haben das zwei Vorbeikommende geschrieben.
Ihnen hat wohl die Idee gefallen, hier so eine idyllische Sitzgelegenheit einzurichten.

Vom Fluss weht ein kühler Wind herauf. Ab und zu höre ich Stimmengewirr, wie Paddel ins Wasser platschen und wenig später kleine Kanuboote an mir vorüberziehen.

Ich liebe diese Ruhe, den Blick hinunter zum Wasser, nach links, über das weite Feld und die kräftigen grünen Farben der Blätter an den Bäumen und Sträuchern.

Ich ertappe mich manchmal dabei, dass ich denke, dass ich doch bloß mehr Geld hätte, um mehr zu reisen.

Aber nun sitze ich hier, höre in der Ferne Krümel, die fröhlich schreit, und jedes Stück Holz begutachtet, das sie findet, und dann denke ich: „Hey, schau‘ nicht dorthin, wo du wahrscheinlich nie sein wirst, genieß‘ lieber die Gegenwart.‘

Also, das tu‘ ich jetzt.
‚Von Weitem höre ich ‚Ooopa, wir kommen…‘

Wir gehen ein Eis essen, sitzen draußen auf den Bänken und schauen einem Boot zu, das an uns vorüberschippert.
Was willst du mehr, noch dazu in der Corona-Zeit?

2021.05.30

 

DIE BIBEL ÜBER ALMOSEN UND DIE SÜNDEN

ALLTÄGLICHES-2021.05.24

#BIBEL LESEN IM ALLTAG

Die Bibel ist für mich ein großes Abenteuer. Ich stoße immer wieder auf Unbekanntes, auf Weisheiten, wo ich sofort ausrufen könnte: ‚Ja, genau, auf den Punkt!‘

In ‚DAS BUCH JESUS SIRACH‘, Kapitel 3, Verse 33 und 34 heißt es:

„Wie das Wasser ein brennendes Feuer löscht, so tilgt das Almosen die Sünden.

Wer Wohltaten erweist, dem wird’s Gott vergelten, der alles lenkt, und wenn er fällt, wird er eine Stütze finden.“
(Sirach 3, 33-34)

‚Das ist doch wie aus dem Leben gegriffen‘, denke ich im Stillen und bin angetan von diesen Zeilen.

Ich freue mich stets aufs Neue, dass ich zur Bibel gegriffen habe, spät, aber sicher nicht zu spät.

Vielleicht rühren daher auch mein Staunen und meine Begeisterung.

Sicher, ich kann nur noch an der inhaltlichen Oberfläche kratzen, aber selbst das ist ein Reichtum, der mich motiviert, wenn ich ihn entdecke und vom Meeresboden hochhole, im übertragenen Sinne natürlich.

‚Almosen tilgen die Sünden…‘

Wer kann schon von sich sagen, dass er noch nie gesündigt hat.

Darauf kommt es auch gar nicht an, denn wichtiger ist wohl, sich dazu zu bekennen und auf der anderen Seite Gutes zu tun, zu helfen.

Das werde ich tun, in der Hoffnung, dass auch mir in schwierigen Zeiten geholfen wird.

Bibel

AUDIO-BEITRAG: 

https://uwemuellererzaehlt.de/2021/05/24/audio-2021-05-24/

 

 

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