Schlagwort-Archive: MAL SCHNELL ERZÄHLT

AUF DIE KLEINEN DINGE KONZENTRIEREN

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Mai 2019
Ich hatte Schwierigkeiten im Umgang mit einem Kassenautomaten eines Parkhauses. Nicht, weil ich es nicht begriff, was zu tun war, sondern weil ich mich nicht konzentrierte – auf das, was vor mir war.

Uhlandstraße, in der Tiefgarage. Ich stand vor dem Kassenautomaten und musste nur noch das Parkticket einlösen, bevor ich mich ins Auto setzen und in mein Dorf düsen konnte.

Es war ein stressiger Tag gewesen und interessant zugleich. Ich hatte an einem Seminar für kreatives Schreiben teilgenommen und lustige, intelligente Leute kennengelernt.

Neben mir saß ein Arzt aus Wismar. Nett, 65, klug und humorvoll. Wir verstanden uns sofort. Trotzdem war ich abends froh, dass ich das alles hinter mir lassen und nach Hause fahren konnte. Dort warteten auf mich meine Frau, meine Tochter und Krümel, meine Enkelin.

Krümel war mit ihrer Mutter spontan bei uns aufgetaucht, ausgerechnet an dem Tag, an dem ich am Seminar teilnehmen wollte. Und deshalb freute ich mich nun umso mehr, dass ich zu ihnen zurückkonnte. Vorher musste ich noch über den Ku‘ Damm in Richtung Uhlandstraße.

Die Straßen waren am Samstagabend voller Menschen. Die Autos rauschten an mir vorbei. Ich eilte in einem günstigen Moment über die Straße und musste noch einmal auf dem Mittelstreifen halt machen, weil ein weißer Mercedes mit dröhnender Musik an mir vorbeifuhr.

Der Fahrer des Autos schaute mich provozierend an. So, als würde ich gleich etwas zu ihm sagen wollen.
Wollte ich aber nicht. Früher hätte ich das vielleicht getan. Aber inzwischen habe ich eingesehen, dass es ziemlich nutzlos ist, sich über Dinge zu ärgern, die ich nicht ändern konnte.

Als ich in die Uhlandstraße einbog und auf die Tiefgarage zustrebte, war es schon wesentlich ruhiger geworden. Der Lärm vom Ku’Damm drang nur noch gedämpft herüber.

Endlich. Ich war am Kassenautomaten und schob mein Parkticket in den dafür vorgesehenen Schlitz. Ich hatte das Ticket schon eine Weile zwischen die Zähne geklemmt und so war er inzwischen von meiner Spucke durchgeweicht. 25,50 Euro zeigte das Display an.

„Das ist ja Wucher“, fluchte ich laut.
„Ja, das ‚isch‘ teuer“, erwiderte hinter mir eine Stimme.
Es war eine der beiden Frauen, die direkt hinter mir standen. Ansteckungsgefahr durch Corona gab es ja noch nicht.
Ich hatte die Frauen gar nicht bemerkt.

„Sind Sie Schwäbinnen?“, sprach ich sie möglichst politisch korrekt an.
Statt einer Antwort kicherten die beiden Frauen los. Ich war irritiert und fragte sie, ob ich etwas Falsches gesagt hätte.

„Wir sind aus Baden und nicht aus Württemberg“, sagten sie mit vorwurfsvollem Blick zu mir.
„Ach schade, ich dachte, sie würden vielleicht Lörrach oder Freiburg kennen“, sagte ich.

„Ja, freilich kennen wir das, aber Baden ist trotzdem nicht Württemberg.“

„Das mag sein. Und kennen Sie denn den Unterschied zwischen Mecklenburg und Vorpommern?“, fragte ich zurück.
„Wozu?“ Die Damen schauten mich ein wenig von oben herab an und kicherten weiter.

„Ja, wozu auch“, antwortete ich drehe mich abrupt wieder zum Kassenautomaten um. Ich wartete darauf, dass meine Geldkarte wieder zum Vorschein kam.

„Bitte Ihre Geldkarte eingeben!“, stand stattdessen auf dem Display.
„Geht es nicht weiter“, fragte mich jetzt eine der beiden Frauen.
„Nein geht es nicht. Sie hätten den Unterschied zwischen Mecklenburg und Vorpommern kennen müssen.

Das war hier eine Testfrage“, meinte ich im Scherz.
Die beiden Frauen schauten mich an, als ob ich nicht ganz dicht sei. Doch ich hatte ohnehin andere Sorgen.
Ich drückte den Telefonknopf. Am anderen Ende ertönte eine Stimme, die mich nach meinem Anliegen fragte.

„Es kommt jemand vorbei“, sagte der Mitarbeiter am Telefon, nachdem ich meine Frage vorgetragen hatte.
„Ja, aber woher wissen Sie denn, wo ich gerade bin?“, fragte ich zurück.

„Ich beobachte sie“, antwortete der daraufhin.
„Ja, klasse, das ist ja wie früher“, erwiderte ich.
Die beiden Damen wünschten mir Glück und eilten die Treppe zum nächsten Kassenautomaten hinunter.

Glück, das war es nicht, was ich nun brauchte. Eher Geduld. Nach einer guten halben Stunde kam der Mitarbeiter.
„Die meisten stecken ihre Geldkarte dort hinein, wo normalerweise die Geldscheine hineinkommen“, sagte er gleich.

„Nein. Das habe ich schon alles richtig gemacht. Dement bin ich ja noch nicht“, antwortete ich bestimmt. Der Mitarbeiter reagierte nicht, schloss die Tür auf und ich sah sofort meine Geldkarte.

So freute ich mich selten, wenn ich meine MasterCard sah. Denn zur Freude gab es meistens keinen wirklichen Anlass. Dafür sorgte schon der Kontostand.

„Ich könnte Sie umarmen“, sagte ich zu dem Mitarbeiter.
„Wahrscheinlich habe ich durch mein Gespräch mit den beiden Damen, die gerade gegangen sind, aus Versehen die Geldkarte doch falsch eingesteckt.“

Der Mitarbeiter schmunzelte nur.
„Wenn Sie mögen, können Sie bei ‚Google-Maps‘ eine Wertung abgeben, denn darüber würde ich mich freuen“, sagte er zu mir. „Oh, das tue ich gern“, sagte ich und verabschiedete mich.

Vorher hatte ich noch den Mitarbeiter mit meiner Geldkarte das Ticket bezahlen lassen. Sicher war sicher.

Ich stürzte zu meinem Auto. Aber auf dem Platz stand mein kleiner Jeep nicht. Verdammt, ich musste noch einen Stock tiefer. Endlich, ich sah mein Auto, stieg ein und verließ rasch das Parkdeck. Zuhause angekommen, parkte ich das Auto unter meinem Carport und stieg aus.

In der Tür stand Krümel, mit meiner Mütze auf dem Kopf, einer kleinen Gurke in der Hand, die sie von meinem Abendbrotsteller genommen hatte und quietschte vergnügt, als sie mich sah.

Ich hob sie hoch, und sie strampelte freudig mit den Beinen. „Hast du ein Glas Wein da?“, fragte ich meine Frau und fiel erschöpft in einen der Sessel.

Am nächsten Tag schrieb ich die Einschätzung und vergab die Höchstpunktzahl für den Service. Doch ich glaube, ich habe den Eintrag beim Kempinski-Hotel vorgenommen. In genau der Tiefgarage war ich aber nicht.

Ich sollte den kleinen Dingen des Alltags wieder mehr Aufmerksamkeit schenken, sonst würden daraus große Dinge werden. Meist mit weniger erfreulichen Nebeneffekten.

KLARA KANN KEINE KNAPPEN ANWEISUNGEN GEBEN

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Klara muss sich in der Klinik zur Gymnastik anmelden, traut sich nicht, mir das klar zu sagen und danach erinnert sie mich den ganz Tag daran, dass ich den Termin nicht vergessen soll. 
Naja, sie meint es gut. 
Außerdem bin ich nicht mehr allein, so wie noch bis kurzem, als Klara in der Reha war und ich Schwierigkeiten hatte, die Waschmaschine anzustellen.

„Denk‘ dran, wir müssen heute in die Parkklinik. Ich muss mich zur Gymnastik anmelden und das geht nur donnerstags.“

Das sagte Klara mir donnerstagfrüh, bevor sie kurz nach fünf Uhr dem Bahnsteig zustrebte. Warum sollte ich daran denken, wenn Klara mir sagte, dass sie donnerstags in die Klinik müsse, um sich anzumelden?

Sie hatte mit der Information am Montag begonnen, und nun hatten wir Donnerstag. Ich hörte es also jetzt zum vierten Mal. Selbst wenn ich dement wäre, würde ich das wohl behalten. Ich nickte nur zustimmend.

„Holst du mich denn 15.00 Uhr hier ab?“, fragte Klara noch. Das war eine geschlossene Frage. Ich konnte also mit ‚ja‘ antworten.

Aber es wäre noch spannender, wenn ich die anderen Antwortmöglichkeiten ebenfalls ausschöpfen würde: ‚nein‘, ‚ich weiß noch nicht‘, vielleicht, ‚ich überleg‘ es mir noch am Vormittag und ruf dich zurück‘.

Aber mit Klara konnte man das nicht machen. Sie war entschieden dagegen, auf den Arm genommen zu werden. Sie kam auch nicht auf die Idee mir zu einfach zu sagen, dass ich 15.00 Uhr pünktlich am Bahnhof sein sollte.

Das wäre eine klare Ansage für mich. Und der Ticker würde bei mir ab 14.40 Uhr laufen – Computer aus, Schreibtischhose ausziehen, Jeans anziehen, Portemonnaie, Handy, Autoschlüssel, Schuhe anziehen, Tür zuzuziehen, einsteigen, losfahren und sich fragen, ob man die Tür auch wirklich zugezogen und abgeschlossen hat. Aber all das ersparte ich mir.

Gegen 14.30 Uhr kam noch einmal ein Anruf von Klara:
„Ich bin 15.12 Uhr da. Holst du mich dann ab?“

„Ich ziehe gerade die Jeans an“, sagte ich.
„Ist das nicht ein bisschen früh?“, fragte Klara jetzt besorgt.
Ich könnte ja noch eine Salsa im Wohnzimmer tanzen. Der Computer war ja schon aus. Doch ich kannte keine Salsa.

Also stieg ich ins Auto. Wenn ich Zeit hätte, würde ich mir zum Vertreib noch einmal das Video ansehen, auf dem zu sehen ist, wie Krümel mit mir telefoniert und wie sie auf meine Fragen mit einem Augenaufschlag reagiert.

Klaras Zug kommt auf dem Bahnsteig an.

„Hast du lange warten müssen?“, fragt Klara mich beim Einsteigen.
„Ja, ich habe aber zum Zeitvertreib noch ein paar Turnübungen auf dem Dach gemacht, zum Aufwärmen sozusagen für deinen Gymnastikkurs.“

Klara schwieg. Sie konnte diese Art von Humor nicht ausstehen.

Wir fuhren in die Klinik und hielten auf dem Parkplatz davor. Klara war schon vorgegangen, weil sie bis 16.00 Uhr bei der Anmeldung gewesen sein musste. Ich ging gemächlich den Weg zur Eingangshalle hoch. Es roch nach frisch gemähtem Gras.

Es war doch schön, dass Klara wieder Zuhause war.

KLARA IST WIEDER ZUHAUSE

MAL SCHNELL ERZÄHLT
April 2019
Endlich. Heute sind die drei Wochen von Klara in der Reha-Klinik zu Ende. 
Die Eier im Kühlschrank sind alle, das Toastbrot auch und ich war noch nicht einkaufen.
Die schwarzen Unterhosen haben gereicht und heute hat Klara erst einmal die Waschmaschine gefüttert. Wird jetzt alles wie früher?

Ein wenig müssen wir uns wieder aneinander gewöhnen. Klara sitzt neben mir im Auto und erzählt von Garbo, dem Ungarn, und vom Kniffel-Würfelspiel, abends nach dem Essen, und davon, was sie künftig in der Gesundheit alles beachten will.

„Du kannst mir ruhig sagen, wenn ich dich mal wieder nerve“, antworte ich.

Klara schweigt dazu. Also, wir müssen uns wieder aneinander gewöhnen.

Es soll so sein wie immer. Vielleicht nicht ganz. Gesünder leben, ein bisschen mehr auf einander Rücksicht nehmen, nicht nur die eigenen Dinge sehen und darüber sprechen. Ich habe mir viel vorgenommen.

Mal sehen, was ich davon durchhalte. Ich bin guten Mutes und freue mich auf die neue Zeit mit Klara.

 

 

MEIN ZWIEGESPRÄCH MIT DEM ROSENEIBISCH

ALLTÄGLICHES (47-4)

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Klara kommt am Samstag nach Hause, auf Urlaub. Ich hole sie von der Reha ab und bringe sie am Sonntagabend wieder zurück. Und ich habe vergessen, die Blumen zu gießen. Ehrlich gesagt, ich habe total vergessen, dass überhaupt Pflanzen in der Wohnung sind.

Für mich waren andere Dinge wichtig – Fernseher, Kaffeetasse, Schreibtisch, Computer, genügend saubere Unterhosen.
Aber Blumen?

Dabei hatte ich mir doch akribische Notizen gemacht an dem Tag, als Klara mich einwies. Den Roseneibisch, zum Beispiel im Wohnzimmer, den sollte ich einmal in der Woche gießen.

Der ließ die Blätter hängen und hatte sich wohl in sein Schicksal ergeben.
Oder der Flamingo auf der Kommode hinter dem runden Tisch. Ich machte mich sofort an die Arbeit. Zuerst der Roseneibisch.

Ich hatte gelesen, dass Pflanzen auch Gefühle hätten, dass man mit ihnen sprechen sollte. Immer mehr Biologen kommen jetzt um die Ecke, um uns für ihre Sachbücher gefügig zu machen, ich meine natürlich zu sensibilisieren.

Erst kürzlich stand in der Zeitung ein Artikel zu diesem Thema. Und darüber war ein Bild zu sehen, wo nackte Menschen auf einem Baum saßen, zusammengekrümmt, ineinander verschlungen. War das nun ein Werbefoto eines Nacktclubs oder sollten wir jetzt auf Bäume kriechen, um gesund zu bleiben, nackt?

Ich werde mal Klara fragen, was sie davon hält. Die wird sich ihren Teil wieder denken und gar nicht antworten.

Auf jeden Fall habe ich mal den Roseneibisch angesprochen, weil der die Blätter am auffälligsten nach unten baumeln ließ: „Du, entschuldige, dass ich dich erst jetzt bemerkt habe.

Aber wenn ich hier hereingekommen bin, dann musste ich sehr zügig die Fernbedienungen aktivieren, damit ich nicht meine Lieblingsserie verpasste. Doch nun bist du dran. Sauf‘ ordentlich und erzähl‘ der Klara nichts. Sie hat dann noch mehr Oberwasser.

Außerdem habe ich auch nicht die schwarze Wäsche in der Waschmaschine gewaschen. Ich habe die Tragezeit der Unterhosen einfach verlängert. Also nichts für ungut, das nächste Mal gebe ich dich in meinen Erinnerungstool vom iPad ein. Bis bald mal, lieber Roseneibisch.“

Ich keuchte in die Küche, um neues Wasser in die kleine Kanne einzufüllen, für die anderen Pflanzen. Es wurde Zeit, dass Klaras Kur zu Ende geht und sie endgültig nach Hause zurückkam.

 

 

DER ERSTE BESUCH BEI KLARA IN DER REHA-KLINIK

ALLTÄGLICHES (47-3)

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Frühjahr 2019
Am Sonntag habe ich Klara in der Reha in der Nähe von Potsdam besucht. Ich wollte ganz gemächlich dort hinfahren und später mit Klara in Potsdam Essen gehen. Es kam anders. Kurz vor meiner Abfahrt rief Laura an, sie wollte mit. Krümel natürlich auch.

Eigentlich bin ich gegen diese planlosen, chaotischen Aktivitäten. Aber angeblich ist das ja gerade kreativ. Ich bin nur anders geprägt. Aber was soll’s? Wenn ich Krümel höre, werde ich weich. Also löste ich meinen inneren Alarm aus, saß 10 Minuten später im Auto und steuerte Hohenschönhausen an.

Laura und Krümel standen schon unten, vor ihrem Haus.
Laura bekam alles schnell hin, setzte Krümel in den Kindersitz und schnallte sie an. Sie kann das am besten.

Wir fuhren Richtung Reha-Klinik, in die Nähe von Potsdam,  los.
„Wir fahren jetzt durch die Stadt, nicht über die Autobahn“, sagte ich zu den beiden auf der hinteren Sitzbank.

Beide guckten mich an, als würden sie sagen wollen: „Quatsch‘ nicht, fahr einfach los.“ Die Tante vom Navi gab mir laufend Hinweise. Entweder zu früh, dann musste ich anschließend umkehren, oder zu spät. Dann musste ich auch umkehren.

Plötzlich übergab sich Krümel. Ein regelgerechter ‚Vulkan‘ brach aus ihr heraus. Ich bin wahrscheinlich zu viel im Kreis und um die Ecken gefahren. Das tat mir in der Seele weh für sie und ich hatte ein schlechtes Gewissen.

Aber es ist alles so schnell vorbeigegangen, wie es gekommen war. Nur zum Schluss, als ich um einen Kreisverkehr herum musste, da ging das alles von vorn los. Schließlich hatten wir es geschafft.

Wir stiegen aus und sahen erst dann das gesamte Ausmaß des ‚Vulkanausbruchs‘. Der Kindersitz war übersät von Erbrochenem und ähnlich sah es mit den Sachen aus, die Krümel am Körper trug. Klara stand schon im Eingang und freute sich riesig, als sie Krümel in die Arme nehmen konnte.

„Das riecht ja so säuerlich“, sagte Klara. Wir antworteten erst einmal nicht. Auf dem Zimmer von Klara befreite Laura die Kleine von den schmutzigen Sachen.

Klara und Laura machten sich sofort ans Waschen und anschließend ans Trocknen. Der Haartrockner von Klara war dafür bestens geeignet. Krümel kümmerte das erst einmal nicht. Sie erkundete das Zimmer, probierte alle Schuhe aus, die im Zimmer umherstanden. Im Handumdrehen sah es im Zimmer aus, als würden dort 30 Leute auf engstem Raum hausen.

Schließlich saßen wir alle im Sessel und auf dem Stuhl. Ich lag auf dem Bett. Mit dem Ausflug nach Potsdam wurde es nichts. Dafür lag Krümel auf dem Teppich, auf dem Bauch, und schaute unter das Bett. Laura kniete daneben und versuchte ebenfalls, unter das Bett zu schauen.

Klara rutschte im Sessel immer weiter nach hinten, um einen Blick unter das Bett zu bekommen. Ich habe mich auf dem Bett zur Seite gerollt und hing mit dem Kopf nach unten. Da war ein Taschentuch. Krümel sollte es unter dem Bett hervorholen, dachte aber nicht daran. Wir bewegten uns auch nicht.

Wer sich jetzt regte, musste den Arm unter das Bett schieben und das Taschentuch hervorzerren. Ich harrte aus, Krümel auch, Klara sagte nichts.

„Also gut“, rief Laura und fasste unter das Bett, um das Taschentuch hervorzuholen. Dafür sind waren wir nun so weit gefahren.
Wollen wir in die ‚Kartoffelkiste‘ gehen?“, fragte Klara.
„Vorher zeige ich dir das Haus und die Schwimmhalle“, sagte sie noch.

„In Ordnung“, antwortete ich. Laura blieb auf dem Zimmer und Krümel sollte ihren Mittagsschlaf machen. Sie dachte nicht daran und fand es unerhört, dass wir das Zimmer verlassen wollten, um durchs Haus zu gehen. Aber das ist wieder eine andere Geschichte.

 

 

DIE BEDIENUNG DER WASCHMASCHINE IST EIN BISSCHEN SO, ALS WÜRDE MAN INS ALL FLIEGEN

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Ich habe noch nie in eine Waschmaschine Wäsche getan und sie anschließen zum Laufen gebracht:
„Ich schwöre", so heißt es doch heute unter den Jugendlichen, oder? Es ist jedenfalls die Wahrheit. Ich kann es ja selbst nicht glauben. Und schämen müsste ich auch dafür.
Aber seit der Einweisung durch Klara im vergangenen Jahr beherrsche ich das jetzt auch.

Ich habe inzwischen viel gelernt, was Hausarbeit anbetrifft. Ich weiß, welche Blumen ich gießen muss und wo sie stehen. Komisch, dass ich einige vorher gar nicht gesehen habe.

Heute ist die Einweisung in die Bedienung der Waschmaschine dran.
Dabei habe ich mich mit so vielen technischen Fragen beschäftigt, zum Beispiel mit den Autos. Ich bin in der ganzen Zeit meiner Ehe vom Trabbi auf einen Lada umgestiegen, ich habe die Bedienungsanleitung des Citroen studiert, den Audi in seiner Fahrweise analysiert, bin mit einem 7er BMW durch die Gegend gedüst. Naja, damals habe ich mich noch nicht so für Stickstoffwerte interessiert.

Was ich vor allem in der ganzen Zeit nie wirklich getan habe – eben die Waschmaschine bedienen.
Das sollte nun mit dem heutigen Tag vorbei sein.

Klara ging mit mir in die Waschküche und ich musste mit dem Finger auf die Waschmaschine zeigen, die uns gehörte.
Wir sind vier Parteien in einem Mehrfamilienhaus. Wir haben zwar einen separaten Eingang und können von unserem Keller aus direkt in die Waschküche gehen. Dort aber stehen eben noch die anderen drei Waschmaschinen.

Ich schaute sie alle der Reihe nach an und zeigte anschließend zielsicher auf unsere. Sie war sauber, die Sachen lagen ordentlich, das konnte nur unsere Maschine sein.

„Du machst die Tür auf und legst die Sachen rein“, sagte Klara zuerst.
„Du meinst das Bullauge hier?“, fragte ich fachmännisch interessiert. Klara pflegte auf diese Art von Einwänden nicht zu reagieren.
„Nun stellst du die Plastikkugel rein, gefüllt mit der Flüssigkeit für dunkle Wäsche.“

„Und der bleibt dort stehen?“, fragte ich.
„Stell‘ dich doch nicht so an“, seufzte Klara. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass nur dunkle Wäsche gewaschen würde. Das andere sollte ich zu einem späteren Zeitpunkt erfahren, in einem Fortbildungsseminar sozusagen.

Also vor allem Unterhosen und schwarze Pullover. Die Unterhosen könnte ich ja auch nur jeden zweiten Tag wechseln, dachte ich bei mir.

„So, jetzt machst du die Klappe zu, bis es klickt. Dann stellst du den Schalter auf 40 Grad für Buntwäsche. Und schließlich musst du noch in das mittlere Fach einen Weichspüler kippen.“

Wir probiertes es gleich aus. Ich drückte auf ‚Start‘.
Ein tolles Gefühl. So muss man sich fühlen, wenn die Sojus-Rakete ins All abhebt.

 

KLARA IST FÜR EINE WEILE WEG – DAS BIN ICH NICHT GEWOHNT VON IHR

MAL SCHNELL ERZÄHLT
VOR EINEM JAHR: 
Was du an einem Menschen hast, das fällt dir erst so richtig auf, wenn er mal nicht da ist.
Klara ist zur Kur und ich stehe erst am Anfang mit meinen Sorgen – Waschmaschine bedienen, Essen kochen, allein ins Bett gehen, Fernseher nicht erst nachts ausschalten.
Gott sei Dank ist das jetzt schon wieder ein Jahr her, als Klara zur Kur fuhr. Ich erinnere mich noch genau daran. 

Dienstag, 03.30 Uhr. Ich stehe auf, weil ich nicht mehr schlafen kann. Heute bringe ich Klara zur Kur. Der schwere Koffer ist bereits im Auto verstaut. Gestern war die Aufregung noch groß, denn Klara fand ihr Handy nicht.

„Ich weiß, dass ich es im Auto abgelegt habe“, sagte sie noch.
„Ich habe nachgeschaut, aber da ist nichts“, habe ich geantwortet.
Also haben wir die Karte sperren lassen und sind zu Laura gedüst, weil sie noch ein Ersatzhandy und eine weitere SIM-Karte hatte.

Laura ist mit Krümel zu Hause geblieben. Krümel ist stark erkältet. Als wir in Berlin aussteigen und Klara die Tür vom Auto schließen will, da schreit sie plötzlich auf – zwischen den beiden Vordersitzen klemmte das Handy fest.

„Dass du das nicht entdeckt hast“, sagte sie zu mir und ich meinte einen leisen Vorwurf herauszuhören. Das mit dem Ersatzhandy hatte sich nun erledigt.

Wir sind trotzdem noch zu Laura hoch gegangen.
Krümel empfing uns nicht so freudig wie sonst.
Sie lehnte sich bei uns an. Man merkte ihr an, dass sie nicht gesund war.

Erst als ich für sie einen Turm aus Bausteinen gebaut habe und sie konnte nach Kräften dagegen hauen, damit alles auseinanderflog, da lachte sie mich an und schaute mit dem Blick, der meinte: „Noch mal.“

Heute Morgen 06.00 Uhr. Wir starten in Richtung Reha-Klinik, fahren auf die Autobahn Richtung Tegel und dann weiter nach Potsdam.

Blechlawinen wälzen sich über die Straßen. Im Tunnel von Tegel rieche ich förmlich die Autoabgase.

„Hier sollten sie mal den Stickoxidwert messen“, sage ich zu Klara. Die antwortet nicht. Sie ist angespannt.

Wir sind nach einer guten Stunde in der Reha-Klinik angekommen. Klara wird freundlich am Empfang begrüßt. Die Schwester besorgt ihr einen Wagen, auf dem sie das Gepäck abstellen kann.

Ich sitze im Sessel in der Vorhalle und beobachte die Leute, die an mir vorbeigehen und die schauen wiederum mich an. Manche Patienten tragen einen Mundschutz.

Ich kann darüber nicht mehr nachdenken, denn ich muss mich von Klara verabschieden und wenig später bin ich schon wieder auf dem Rückweg.

Es ist komisch, als ich in der Wohnung zurück bin. Sie wirkt leer und ich bin antriebslos. Ich gehe in den Keller und schaue, was Klara mir für Konserven besorgt hat.

„Von diesen Dosen kannst du dir mittags immer mal eine warm machen“, sagte sie noch am Wochenende zu mir. Ich nehme eine Büchse aus dem Regal, auf der ‚Gulaschsuppe‘ steht.

Gulaschsuppe ist gut. Die mag ich. Ich nehme sie mit nach oben. Ich öffne die Dose und ziehe den Deckel ab. Zum Vorschein kommen Fleischstücke und Soße. Für einen Moment stutze ich.

Das wird ja wohl nicht Hundefutter sein, denke ich so bei mir. Egal, ich habe es aufgewärmt und danach auf den Teller gefüllt. Es schmeckt köstlich. Anschließend beschließe ich, mich für eine Weile hinzulegen und danach mit der Arbeit zu beginnen.

Nur eine Viertelstunde, denke ich noch. Es klingelt. Das hört nicht auf. Ich stehe schlaftrunken von der Couch auf und schaue zur Uhr. Sie zeigt 16.15 Uhr an. Ich schnelle hoch und sitze wenige Minuten später am Schreibtisch. Ich nehme den Hörer zur Hand und rufe Anna an.

„Wie geht’s?“, frage ich.
„Ach hör bloß auf“, ich hatte heute einen Termin bei Dr. Silberfisch und habe ihn verpasst.

„Das kann nicht sein, denn das wüssten wir, wenn heute ein Termin wäre“, sage ich.

Im Stillen denke ich: „Das kann nicht wahr sein, kaum ist Klara weg und nichts ist so, wie es sonst war.“

 

DER VORRAUM EINER BANK – NACHTS DER SCHLAFPLATZ FÜR EINEN OBDACHLOSEN

ALLTÄGLICHES (46-3)

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Wir machen uns Sorgen um uns und unsere Lieben.
Aber wieviel Mitgefühl bringen wir wirklich auf, wenn wir unmittelbar einem Obdachlosen begegnen?
Das ging mir durch den Kopf, als ich früh morgens einen Mann im Vorraum der Sparkasse antraf – eingerollt in einen Schlafsack.

Kurz nach 05.00 Uhr, morgens. Es regnet, die Straßen sind noch wie leergefegt und dafür voller Pfützen, durch die ich hindurchfahre. Vor der Sparkasse steuere ich auf einen freien Stellplatz zu, ziemlich dicht vor der Eingangstür der Bank.

Ich halte, steige aus, gehe schnurstracks in Richtung Eingang los und zwänge mich erst einmal durch zwei Büsche hindurch, deren Zweige schon vereinzelt grüne Blätter tragen. Sie wischen an mir entlang und als meine nackten Hände die Blätter berühren und ich deren Nässe spüre, ärgere ich mich, dass ich nicht den ordentlichen Zugang gewählt habe.

Meine Füße geraten auf der rutschigen Erde ins Schlingern und ich fluche still vor mich hin. Ich bin froh, als ich die Eingangstür erreicht habe. Die Türen schieben sich nach links und rechts auf und verschwinden rumpelnd und quietschend in den dafür vorgesehenen Nischen in der Wand.

Ich hole meine Geldkarte aus dem Portemonnaie und als ich wieder aufschaue, sehe ich einen Mann am Boden liegen. Er hat es sich bequem gemacht, im Schaltervorraum der Sparkasse. Seine Beine sind angewinkelt, er liegt auf der Seite und hat die Arme unter dem Kopf verschränkt.

Es riecht nach Tabak, Schweiß und abgestandenen Kleidern, so als wären diese wochenlang nicht gewaschen worden. Das Gesicht des Mannes sieht friedlich aus. Er ist noch nicht so alt. Vielleicht Mitte 30, schätze ich.

Behutsam gehe ich an ihm vorbei, in Richtung Geldautomat. Ich schiebe die Karte in den Schlitz des Automaten und warte, bis die Aufforderung zur Eingabe der Geheimzahl auf dem Display erscheint.

„Was ist, wenn der jetzt aufspringt und versucht, mir die Geldbörse aus den Händen zu reißen?“, denke ich bei mir. Vorsichtig drehe ich mich zu ihm um, doch der schläft weiter.

Endlich, die Klappe am Automaten geht auf und die Geldscheine tauchen auf. Ich ergreife sie hastig und stopfe sie in ein Fach des Portemonnaies. Ich bewege mich wieder ziemlich leise an dem Mann vorbei, versuche möglichst keine Geräusche zu machen.

Als ich draußen bin und mich erneut durch die nassen Zweige der Büsche bewege und auf dem feuchten Boden mehr rutsche als laufe, atme ich trotzdem erleichtert auf. Dann, im warmen Auto, drehen sich meine Gedanken um diesen schlafenden Mann am Boden der Sparkasse.

Wer mag das sein, warum übernachtet er auf dem harten Boden, ohne eine Decke, nur mit einem Beutel neben sich, auf dem der Name eines Einkaufsmarktes steht?

Was ist die Lebensgeschichte dieses Mannes? Und noch eine Frage schießt mir durch den Kopf: Hättest du ihn nicht wecken sollen, ihm nicht anbieten müssen, mit nach Hause zu kommen? Ihm eine warme Dusche ermöglichen, einen heißen Kaffee und ein Brötchen dazu?

Ich verwerfe diesen Gedanken gleich wieder und rechtfertige mein Handeln damit, dass ich ja nicht wüsste, wer das eigentlich sei, ob er ein Obdachloser ist, der auf der Straße leben will oder ein Alkoholiker, dem es egal ist, wo er seinen Rausch ausschläft.
Und trotzdem, ein Restfunken von schlechtem Gewissen bleibt.

KRÜMEL ENTDECKT ZUFÄLLIG EIN LOCH IN MEINEM STRUMPF

ALLTÄGLICHES (46-2)

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Früher musste alles perfekt durchgeplant sein, wenn wir zum Beispiel Geburtstag feierten.
Inzwischen haben wir entdeckt, dass es oft die ganz kleinen, sich zufällig ergebenden Ereignisse sind, die das ‚Salz in der Suppe‘ der Geburtstagsfeier ausmachen.

Es war alles anders geplant. Klara hatte Geburtstag und wir wollten den Tag zusammen verbringen – Klara, Laura, unsere Enkelin Krümel und ich.

Ich wollte Laura und Krümel von Hohenschönhausen abholen und sie nachmittags, nach dem Kaffee, wieder zurückbringen. Doch Krümel hatte Fieber. Also mussten wir uns was Neues einfallen lassen. Wir sind zu Krümel gefahren, zu ihr nach Hause.

Die Kleine empfing uns schon an der Fahrstuhltür. Sie quietschte, juchzte und warf die Arme in die Luft. Wir haben zusammen Kaffee getrunken und ich wollte mit Krümel gemeinsam Kinderlieder singen. Das Buch mit den Texten hatte Klara besorgt.

Du drückst vorn auf ein Bild und dann ertönt eine Melodie. Doch Krümel hatte ihren eigenen Willen. Sie schob meine Hand beiseite und wollte selbst auf den Musikknopf drücken und so spielte sie immer wieder die gleiche Melodie. Bis wir sie nicht mehr hören konnten und Krümel Gott sei Dank das Interesse verlor, den Knopf weiter zu drücken.

Jetzt musste ein neues Erlebnis her.
Ich hatte mich auf die Couch gesetzt und die Füße hochgelegt. „Das gibt’s doch nicht, du hast an meinem Geburtstag Strümpfe mit Löchern an“, sagte Klara. Das war das Signal für Krümel. Sie blickte hoch, lachte mich an und steuerte auf mich zu. In der einen Hand hatte sie ein Tuch, in der anderen ein Kabel, das sie irgendwo herausgezogen hatte.

Nun entdeckte sie das Loch in meinem Strumpf und prüfte, ob sie es zum Spielen nutzen konnte. Klara zeigte ihr, wie sie das Kabel dort verstecken konnte und es dann wieder zum Vorschein kam. Das ganze Zimmer war voll von Spielzeug, voll Puppen, kleinen Holzautos, sogar eine Spielküche war vorhanden und ein kleines Dreirad. Und so mancher Holzklotz lag unterhalb der Schränke.

Zum Schluss aber musste eine löchrige Socke und ein Stück Kabel herhalten und Krümel konnte nicht genug davon bekommen, mit dem kleinen Kabel an meinen Zehen zu kitzeln. Wenn ich dann noch hinterher mit den Zehen wackelte, konnte sie sich ausschütten vor Lachen. Es kommt also stets anders.

Früher, da saßen wir an gedeckten Kaffeetafeln, erzählten, tranken. Es musste ringsherum alles stimmen. Heute freuen wir uns schon, wenn Krümel aus vollem Herzen lachen kann, und wenn sie es nur tut, weil sie ein Loch in der Socke entdeckt hat. Wir fuhren glücklich nach Hause. Der Geburtstag von Klara war gerettet.

ICH DENKE AN MEINEN AUSFLUG IN DEN SCHREIBWARENLADEN VOR EINEM JAHR

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Selbst die kleinsten Momente im Alltag sind schön. Leider merkst du es erst dann, wenn du nicht einmal mehr in den Schreibwarenladen kannst, zumindest nicht ohne Mundschutz, wegen Corona.

Ich war heute in unserem Dorf, im Schreibwarenladen. Nicht das ich dringend etwas gebraucht hätte. Nein, das nicht.

Doch es ist einfach schön, dort hineinzugehen. Das ist schon eine kleine Sucht. Ich schaue mir gern die Blöcke und Hefte an, die Stifte, die vielen kleinen Büroutensilien, die dort herumstehen und dich anzuflehen scheinen: „Nimm‘ mich mit, sonst muss ich hier verrecken, in der hintersten Ecke des Ladens.“

Ich antworte, natürlich in Gedanken: „Du, ich versteh‘ dich voll. Und ich würde dich auch mitnehmen, aber dann habe ich hinterher die Hölle auf Erden, wenn ich mit dir nach Hause gehe und du heute Abend von Klara entdeckt wirst.“

Es reichte heute Morgen schon, dass ich zu ihr am Telefon sagte, dass ich bereits zwei Stunden gearbeitet hätte und jetzt eine kleine Pause brauchte.

„Geh‘ doch Sport machen“, hat sie gesagt.
„Was willst du schon wieder im Schreibwarenladen?“
Hatte sie ’schon wieder‘ gesagt?

Das letzte Mal war ich vor Monaten hier drin. Klara geht in der Woche zwei Mal, manchmal auch noch mehr in Kaufhäuser am Alex oder in Kreuzberg, oder wenigstens ins ‚KiK‘ in Wandlitz.

„Na, hast du das ‚KiK‘ – Dach eingerissen, weil die Einkaufsbeutel nicht mehr durchgepasst haben?“, frage ich sie in den Momenten scherzhaft. Sie reagiert darauf nicht.

„Schau mal. Für Krümel, ist das nicht schön?“
Ja, das sind doch ‚Totschlagargumente‘. Was soll ich schon sagen, wenn Krümel im Spiel ist als nur ‚toll, klasse, wunderbar‘?

Krümel ist der Zaubername, der alle Türen öffnet. Da sagt keiner von uns: „Oh, das ist jetzt aber zu viel. Das reicht nun, sonst liegt das Spielzeug nur rum.“

Nein, da wird zugeschlagen, eingepackt und sich gefreut.
Aber jetzt? Jetzt ist es anders.

„Was willst du überhaupt kaufen?“
Ich schweige beharrlich, denn alles was ich nun sage, würde sofort gegen mich verwendet werden.

„Ach nur so“, sage ich und merke, dass es die falsche Antwort war.
„Na, das glaube, wer will!“, sagt Klara prompt.

Ich sage nichts mehr und verabschiede mich am Telefon.
Zurück zur hinteren Ecke im Schreibwarenladen:
„Kann ich Ihnen helfen?“, spricht mich eine junge Frau an. Sie ist die Inhaberin, sehr engagiert und dabei nicht aufdringlich.

„Ja, können Sie. Ich suche ein Tintenfass. Blau.“
Sie schaut mich an, als wäre ich aus dem Urwald gekommen und hätte die letzten Jahrzehnte des Computerzeitalters nicht miterlebt.

„Ich schreibe ja viel mit der Tastatur vom iPad“, sage ich schnell.
„Aber wenn ich tiefer nachdenke, dann muss ich mit der Hand schreiben.“

Die junge Frau schaut mich prüfend an, von oben bis unten.
„Du siehst schon so aus. Als würdest gerade du überhaupt einen Computer bedienen können, geschweige denn ein iPad“, schien sie gerade zu denken.

Ich beließ sie in ihrem vermeintlichen Glauben. Was sollte ich ihr schon sagen? Dass ich mit zehn Fingern über die Tastatur fliege?
Ich traue mir sogar zu, an einem Schreibwettbewerb teilzunehmen, mit Aussichten auf einen der vorderen Gewinnplätze.

Sollte ich sagen, dass ich manchmal auf einer Schreibmaschine herumhacke, weil ich Spaß daran habe und mir gleich mehr einfällt, weil ich denke, dass es ja erst einmal ins „Unreine“ geschrieben ist?

„Ich brauche noch Klebestifte“, sage ich stattdessen.
„Wieviel?“
„Fünf.“
„Noch etwas?“
„Ja. Buntstifte.“

„Sind Sie Rechtshänder?“
„Ja, aber zur Not nehme ich auch einen Stift für Linkshänder“, antworte ich.

„Welche Farbe?“
„rot.“
„Noch einen?“
„Ja.“
„Welche Farbe?“
„rot.“
„Wieder rot?“
„Ja, rot!“

Endlich bin ich wieder zu Hause. Ich fülle die Tinte aus dem Fass um in einen dafür vorgesehenen Behälter auf meinem Schreibtisch.
Na klar, jetzt sind die Hände blau. Also schrubbe ich sie gründlich, bevor ich mich den Stiften zuwende. Den roten Stiften.

Sie haben alle Kerben. Nachdem ich sie angefasst habe, bemerke ich den „Rechtsdrall“.

Auf jeden Fall gehen die Kerben in diese Richtung. Es ist ein wunderbares Gefühl. Ich tauche den Füller ins Fass mit der Tinte, schreibe etwas auf das Blatt und anschließend unterstreiche ich das Geschriebene mit dem neuen roten Stift.

„Ah“, sage ich laut, so als hätte ich gerade einen teuren Rotwein verkostet. Aber wir schwelgen hier nicht im Luxus. Nein. Wir können uns noch an Farbstiften erfreuen. ‚Wir‘ stimmt nicht ganz. Klara wird wahrscheinlich wieder die Augen verdrehen.
Aber ich, ja ich freue mich, dass ich den Abstecher ins Dorf gemacht habe.

Das Leben kann so schön sein. Selbst in einem Schreibwarenladen.

VOR EINEM JAHR TRÄUMTE ICH NOCH VOM WARENRÄUMEN IM MINIJOB

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Ich wollte einen Minijob annehmen. Die Rente ist nicht groß, die Schreiberei bringt nicht so viel ein, und die Hauptlast der aktuellen Einnahmen blieben also an Klara hängen. Das bedrückte mich. 
Also entschloss ich mich, etwas zu tun, einen Nebenjob für mich zu suchen.
Vor einem Jahr kam mir der Zufall zu Hilfe, ausgerechnet in unserem Einkaufsmarkt.

April 2019

Wir waren in einem großen Einkaufsmarkt. Nachdem ich vormittags allein im Schreibwarenladen gewesen war und meine stillen Abenteuer bestanden hatte, ging es nun in den größten Einkaufsmarkt am Ort. Ich hatte Klara vom Bahnhof abgeholt. Sie war aus der Weltstadt Berlin zurück von der Arbeit und tauchte nun mit mir in die dörfliche Idylle ein.

Und mittendrin eben dieser große Supermarkt. Ich hatte Klara versprochen, dass wir dort noch hinfahren. Ich mochte es nicht sehr, mit hineinzugehen. Doch diesmal wollte ich mit rein.

Klaras Geburtstag stand bevor und ich hatte noch kein Geschenk.
„Du musst mir nichts kaufen. Ich habe bereits etwas besorgt“, wirkte sie auf mich beruhigend ein.

Aber mein Gewissen konnte sie nicht beruhigen. Es war schwer, etwas für Klara zu kaufen. Mal passten die Kleidergrößen nicht, mal nicht die Farben.

Und als ich ihr eine Uhr schenkte, da wetterte sie, dass diese keine Ziffernblätter hätte. Ich bin noch an ihrem Geburtstag zum Alex ins Kaufhaus zurückgefahren, in Pantoffeln, so wütend war ich und habe mir einen Umtauschschein geben lassen.

Seitdem bin ich vorsichtig geworden. Dann bin ich auf die Idee gekommen, Gutscheine zu schreiben, handschriftlich, einen Laptop für Klara zum Beispiel.

Naja, den hat sie nie eingelöst, obwohl ich ihn sogar zu Weihnachten erneut an sie verschenken wollte. Also sind wir jetzt so verblieben, dass ich ihr Tulpen schenke.

„Wenn du ohnehin noch in den Einkaufsmarkt willst, dann kann ich ja gleich mitreinkommen und die Blumen aussuchen“, sagte ich.
„Ja, das kannst du machen.“

Ich zog mir extra Jeans über und nicht die Turnschuhe, sondern die Lederschuhe mit den dicken Sohlen. Die trage ich im Winter und im Sommer. Sie sind so schön bequem und ich sehe größer aus.

Ich war also für den supergroßen Markt inmitten unseres Dorfes gut gewappnet, kleidungsmäßig jedenfalls.

Sonst behielt ich die Trainingshose an und wartete im Auto. Das ist praktisch meine Arbeitshose. Ich saß ja auch eben mit dieser Trainingshose am Schreibtisch. Ich habe schon oft gehört, dass schreibende Menschen ein bisschen verkommen, kleidungsmäßig.

Weil sie ständig in ihrer Meinung nach bequemen Sachen am Schreibtisch herumhängen, die Bleistifte anknabbern, durch die ungekämmten Haare fahren und wenn der Postbote kommt, ganz ungern die Tür öffnen.

Jedenfalls stand ich nun in meinen Jeans neben Klara.
„Gib den Einkaufswagen her, du kannst damit nicht umgehen.“
„Das ist ja wohl eine Unverschämtheit“, zischte ich und griff umso fester um die Stangen des Wagens.

Wir waren bei den Blumen angekommen. Ich hätte einen Strauß gekauft. Klara nahm drei Sträuße mit – Narzissen, Tulpen und Rosen. Ich sagte nichts, denn ich war froh, dass sie ihre Blumen selbst ausgesucht hatte. Schließlich standen wir an der Kasse.

Ich drängelte mich an den Leuten vorbei und wartete im Vorraum. Ich drehte mich um und sah eine große Stele mit einer Stellenanzeige drauf.

„Wir suchen Sie im Minijob für unsere Warenräumung“, stand da drauf. Ich ging zurück zu Klara und erzählte ihr was davon.

„Ja, du wolltest doch immer Sport machen, das ist was für dich, und Geld kommt auch noch rein, neben deinen Einkünften für die Texte.“
Ich schwieg und erwog, ob ich mich unter der angegebenen Telefonnummer melden sollte.

Plötzlich fiel mir ein Mitarbeiter auf, der genau diese Funktion auszuüben schien, um die es in der Stellenanzeige ging. Er kniete und keuchte vor einem Regal. Seine Blicke irrten das Regal auf und ab. Dann richtete er sich ächzend auf, sein Kopf war rot. Das Blut war ihm ins Gesicht geschossen.

Dann plumpste er zurück auf die Knie und zerrte ein Gerät aus dem Pappkarton. Er drehte die Ware hin- und her, suchte wohl, wo er einscannen sollte. Plötzlich sah ich nicht ihn dort hocken, sondern mich. Mein Bauch drückte, die Knie taten mir in der eingeknickten Stellung weh. Ich hatte den Überblick verloren, wohin die Waren eingeräumt werden sollten.

Plötzlich stand hinter mir der Einkaufsleiter und sagte: „Sie sind zu langsam und sie haben schon wieder die Waren falsch eingeräumt, das müssen wir Ihnen vom Lohn abziehen.“

Ich schrak aus meinem Tagtraum auf. Klara hatte bereits an der Kasse bezahlt und ich eilte schnurstracks mit dem Einkaufswagen aus der Halle heraus.

Im Auto sagte ich zu Klara: „Du, ich habe morgens noch Kapazitäten, um ein paar Texte zu schreiben und zu verkaufen.“
Klara schmunzelte, sagte nichts und nickte nur, und ich war froh darüber.

Ein Jahr später, im April 2020
Ich wollte einen erneuten Anlauf nehmen.

Diesmal im Patientenhotel in der Waldsiedlung.Die Geschäftsführerin war erst skeptisch, ob ich es tatsächlich ernst meinte.

„Ich will Teller spülen oder den Fußboden wischen, meine Arbeit machen und danach nach Hause gehen. Wenn es bei Ihnen nicht geht, dann muss ich mich woanders bewerben“, sagte ich zu ihr.

„Oh nein, bitte nicht zur Konkurrenz gehen. Wir haben hier auch eine Frau vom Fernsehen eingestellt. Die wollte auch nur saubermachen“, meinte sie.

Wir waren uns einig, dass ich persönlich vorbeikomme, wenn die Corona-Krise abgeschwächt ist.
Jetzt ist die gesamte Waldsiedlung abgesperrt – wegen der zahlreichen Corona-Verdachtsfälle.

„Schade“, sagte ich zu Klara und vertiefte mich zufrieden in die Berliner Zeitung.
„Also ich, ich hätte mich jetzt vorgestellt“, sagte ich noch hinter vorgehaltener Zeitung.
Klara erwiderte nichts. Sie kannte mich eben doch zu gut.

 

GARTENARBEIT – DA FLIEGE ICH DOCH LIEBER ZUM MOND (3)

MAL SCHNELL ERZÄHLT

ALLTÄGLICHES  (44)  – FOLGE – 3)
Von einer Bedienungsanleitung, die keine Sau lesen, geschweige denn verstehen kann und davon, warum es gut ist, wenn eine Kettensäge zum Schluss doch stumpf wird.

„Hol dir doch schnell eine Zeitung aus der Küche“, rief Klara zurück.
‚Schnell‘, wenn ich das schon hörte. Ich musste nämlich aufstehen, nach vorn latschen, die Schuhe ausziehen, reingehen, Zeitung holen, Schuhe wieder anziehen.

Das wird schon so gehen, ohne Zeitung, dachte ich bei mir. Ich vertiefte mich wieder in die Anleitung. Ich sollte eine Knebelschraube lösen, im Gegenuhrzeigersinn. Was für ein Wortschlamassel, ‚Gegenuhrzeigersinn‘.

Reichte es nicht zu schreiben, ‚entgegen dem Uhrzeiger‘? Jetzt sollte ich die Sägekette auf das Schwert legen und die Laufrichtung der Kette beachten und außerdem zusehen, dass die Schneidezähne auf der Oberseite des Schwertes nach vorn zeigten.
Was war jetzt vorn?

Das freistehende Ende der Sägekette sollte nun auch noch über das Kettenantriebsrad gelegt werden. Ja, was denn noch alles? Sollte man nicht für diese Texter wieder die Folterstrafe einführen?
Ich war dafür. Oder noch besser: Man müsste mit dem Finger schnipsen können und dann sollte derjenige, der das geschrieben hat, auf der Terrasse sein.

„Das ist doch ganz einfach“, höre ich den Texter schon sagen. Und der, der diese undurchsichtigen Zeichnungen angefertigt hat, würde hinter ihm stehen und wahrscheinlich grinsen.

Es ist alles einfach, vorausgesetzt, du hast es schon hundert Mal gemacht hast oder aber du musst dem anderen nur sagen, dass es einfach sei und du dich danach sofort aus dem Staub machen könntest.

Kursikowski roch den Braten, nämlich, dass ich nicht weiterkam. Er wäre auch bereit, sofort einzuspringen. Aber zu welchem Preis?
Zum Preis, dass wir den Tag mit ihm verbringen würden, die Sägekette wahrscheinlich immer noch nicht eingespannt war, wir aber viele schlaue Sätze von ihm gehört hätten.

Ich rief Klara. Sie nahm die Anleitung, las ein wenig und sagte dann zu mir: „Halt mal die Säge fest und fass‘ nichts an.“
Ich fasste doch mit an. Dadurch dauerte es noch ein wenig länger.

Aber schließlich hatten wir die Säge soweit.
„Ich probiere sie jetzt mal aus“, sagte ich zu Klara und ging entschlossen in Richtung Baumstumpf.
„Aber komm‘ nicht mit dem Sägeblatt in die Erde. Dann ist die sofort stumpf.“

„Geht klar“, sagte ich und drückte auf den Knopf.
Es bewegte sich nichts. Wir überprüften unsere Stromverbindung und versuchten es erneut. Wieder nichts.

„Wir müssen das Schutzschild hier nach vorn schieben“, sagte Klara plötzlich. Sie hatte noch einmal in die Anleitung geschaut. Die Säge heulte auf und ich hielt sie sofort an eine der Wurzeln. Ich hatte sie schnell durchgesägt.

„Ich bin mal schnell drinnen. Kannst du auf mich warten?“, fragte Klara. Ich wollte nicht warten. Kaum war sie verschwunden, schmiss ich die Säge an und setzte an der nächsten Wurzel an. Ich kämpfte mich durch. Plötzlich war alles vorbei. Die Sägekette war herausgesprungen.

„Du hast die Säge in der Erde gehabt“, sagte Klara, die plötzlich wieder hinter mir stand. Wir kriegten das alles wieder hin. Ich begann erneut zu sägen. Es funktionierte. Aber es ging nicht vorwärts. Die Sägekette war stumpf geworden.

„Was hältst du davon, wenn wir den Baumstumpf so lassen und einen schönen Blumentopf draufstellen?“, fragte ich Klara.
Die antwortete nicht. Sie war bedient. Unser Elan war wie weggeblasen.

Ich half Klara noch, alles wegzuräumen. Ich duschte danach, setzte mich vor den Fernseher und schaute mir einen Thriller an. Ich bewegte mich am Samstag nicht mehr.

Am Baumstumpf hängt seitdem ein sehr schöner Blumentopf und ich kann daran auch noch den einen Sonnenschirm befestigen. Gott sei Dank ist die Kette stumpf geworden und wir konnten nicht weitersägen.

#Anzeige

Ich will den Roman von Dora Heldt weiterlesen und habe mich extra beeilt, um mir das Kindle zu schnappen. Das hat aber jetzt Klara. Sie liest die Geschichte über die Menschen in einem Dorf in Nordfriesland genauso gern.
‚Mathilda oder Irgendwer stirbt immer‘

https://amzn.to/3bB4BlW

GARTENARBEIT – DA FLIEGE ICH DOCH LIEBER ZUM MOND (2)

MAL SCHNELL ERZÄHLT

ALLTÄGLICHES (44 – FOLGE 2)

Im Garten arbeiten – unter engmaschiger Beobachtung von Klara und dem Nachbarn

Es war Samstagmorgen, die Sonne schien und Klara war voller Elan.
„Ich dachte, du fängst hier an zu graben.“

Klara dachte also für mich mit. Sie dachte gar nicht daran, mich allein denken zu lassen, wo ich ansetzen wollte mit dem Spaten. Nein. das kam für sie gar nicht infrage.

„Ich dachte das nicht!“, sagte ich.
„Ich fange hier an.“ Entschlossen nahm ich den Spaten und ging zu der Stelle, wo ich dachte, dass ich anfangen würde. Ich hätte natürlich auch dort beginnen können, wo Klara es mir gezeigt hatte.

Aber warum musste sie mir laufend zeigen, wo es lang ging? Noch dazu, wo auf der anderen Gartenseite in dem Moment ein fröhliches „Guten Morgen“ erscholl. Ich drehte mich um und schaute direkt in das Gesicht unseres Nachbarn, Herrn Kursikowski.

Na klar, der durfte ja nicht fehlen, wenn Klara und ich einmal im Garten etwas tun wollten. Herr Kursikowski hakte den Rasen ab, kleinteilig. Nicht, dass er das mit Schwung tat.

Nein, nein. Er strich mit seiner Harke ganz zart über den Rasen, immer wieder über die gleiche Stelle. Denn dort, wo er stand, konnte er alles bestens bei uns überblicken.

„Na, geht’s wieder los?“, fragte er einschmeichelnd.
„Ja, geht los“, brummte ich.

Ich war mit Absicht kurz angebunden. Hatte er mich erst einmal am Wickel, ja dann konnten wir unsere Arbeit am Vormittag vergessen. Also fing ich sofort an zu graben.

Jetzt begann ich doch dort, wo Karsta dachte. Ich wollte mit ihr keinen Disput vor Kursikowski anfangen. Klara war mal wieder der ‚Koch‘ und ich war der ‚trottlige Kellner‘, der nicht mal wusste, wo er anfangen könnte zu graben.

Der Baumstumpf der bereits im vergangenen Jahr gefällten Tanne sollte heute endgültig verschwinden. Erst einmal legten wir die Wurzeln frei. Jedenfalls versuchten wir das. Ich kam sofort ins Schwitzen und zog meinen Pullover aus.

Dabei lugte ich aus den Augenwinkeln zu Kursikowski rüber. Der hielt sich jetzt an der Harke fest und schaute uns ungeniert zu.

„Hat der denn nichts zu tun?“, murmelte ich leise.
„Ja, hat er. Der beobachtet dich, wie du dich anstellst.“
„Lass uns mal die Kettensäge fertigmachen, damit wir nachher gleich anfangen können, die Wurzeln abzusägen“, erwiderte ich und ließ den Spaten fallen.

Ich ging zur Terrasse. Auf dem Tisch lag die nagelneue Säge. Das Sägeblatt musste noch montiert werden.
„Du musst dir die Anleitung durchlesen, bevor du anfängst“, sagte Klara.

Die Anleitung durchlesen. Auch das noch. Ich hasste das. Meist verstand ich nicht, was dort geschrieben war. Lustlos nahm ich das Heft in die Hand und blätterte darin herum.

Schwert und Kette könnten ohne Werkzeuge montiert werden, versprach der Text. Ich entschloss mich, das ganze nun systematisch anzugehen. Ich sollte die Kettensäge auf eine stabile Unterlage legen.

Sie lag auf unserem Gartentisch, den wir erst im vergangenen Jahr erworben hatten. Es fehlte nur eine Zeitung oder ein Stück Pappe, damit keine Kratze auf die Tischplatte kamen. Ich schaute mich um. Nichts zu sehen.

„Kannst du mal eine Zeitung besorgen?“, rief ich Klara zu und beobachtete aus den Augenwinkeln Kursikowski. Der schaute unglücklich, denn ich verdeckte mit meinem Rücken den Blick auf unsere Geheimwaffe.

 

 

 

 

 

GARTENARBEIT – DA FLIEGE ICH DOCH LIEBER ZUM MOND (1)

MAL SCHNELL ERZÄHLT

ALLTÄGLICHES – (44) – FOLGE 1

Es ist April im Jahr 2020. Die Corona-Krise macht uns zu schaffen. Klara ist krankgeschrieben, ich arbeite ja ohnehin seit vielen Jahren im Homeoffice.

Aber Klara will die Zeit nutzen, um den Garten auf Vordermann zu bringen. Die Ärztin hat ihr empfohlen, sich viel an der frischen Luft zu bewegen und dabei nicht in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen.

Nur ich, ich kann ihr nicht ausweichen. Will ich auch nicht, bis auf die Momente, wo ich im Garten so richtig mitanfassen soll. 

Die meiste Zeit kann ich mich hinter meiner Arbeit verstecken, doch im Frühjahr, da ist Klara unerbittlich.

Ich denke zurück, wie es im vergangenen Jahr war, ohne Corona. Irgendwie auch nicht anders.

 April 2019. Es sollte schön werden am Wochenende, vor einem Jahr. Das versprach zumindest der Wetterfritze vom Fernsehen.
„Wollen wir denn am Samstag den Holzstumpf ausgraben, der noch von der Tanne übriggeblieben ist?“, fragte Klara mich. Es war Donnerstagabend.

„Dann muss ich ja schon am Freitag saugen“, sagte ich zu ihr. Mich überlief es siedend heiß, wenn ich daran dachte, dass ich zwei Tage hintereinander körperlich arbeiten sollte. Das war ich nicht gewöhnt. Am Schreibtisch sitzen, bis der Rücken schmerzt, ja das konnte ich, aber unentwegt bücken? Ne, danke.

Vor dem Garten kam noch das Staubsaugen

Ich fügte mich in das Unvermeidliche und entschloss mich, am Freitag zu saugen. Vorher arbeitete ich morgens noch konzentriert an einem Auftrag, von sechs Uhr früh an. Es war inzwischen 09.00 Uhr geworden.

Ich schweifte immer wieder gedanklich ab und dachte daran, dass ich ja noch saugen müsste. Also machte ich den Computer aus und zog mich in meine Sportsachen um.

Das tat ich, weil ich dann das Gefühl bekam, ich würde etwas für die Gesundheit tun. Jetzt hatte ich die Putzaktion im Haus noch vor mir und meine Laune trübte sich ein, wenn ich mir klarmachte, dass damit erst alles begann.

Am Samstag würde es ja weitergehen, dann mit Gartenarbeit.

GARTEN AUF RÜGEN UND IN ZUHAUSE – ARBEITSPOTENZIAL OHNE ENDE

Wie hatten wir das nur alles früher geschafft, als wir noch das Gartengrundstück und den Bungalow in Polchow hatten?

Irgendwie kriegten wir das alles hin. Als ich Ende 89 und Anfang der 1990er an meiner Doktorarbeit schrieb, da fuhren wir nach Rügen hoch, obwohl ich dachte, über mir bricht alles zusammen.

Aber Polchow zog – es war eben unser Stück Heimat, das wir uns bewahren wollten.

Und damals gab es noch nicht einmal die neue Brücke über den Strelasund, und die A20 war auch noch nicht gebaut.

Am Montag, nach der Fahrt über die Dörfer und durch die kleinen Städte, Greifswald, Anklam, Pasewalk, Woldegk, Prenzlau und dann über die alte holprige Prenzlauer Autobahn, ja da war ich schlagkaputt und schlief am Schreibtisch ein.

Irgendwann, Jahre später, wuchs uns das alles über den Kopf und wir gaben den Garten auf der Insel auf, schweren Herzens.

Was brachten mir diese Gedanken jetzt? Überhaupt nichts. Ich wollte mit dem Saugen anfangen und raffte mich dazu auf.

Am schlimmsten war es für mich, erst einmal alles wegzuräumen, die Stühle hochzustellen, die Teppiche auszuklopfen. Ich tüftelte an einem System, in welcher Reihenfolge ich was tat.

Klara verdrehte nur die Augen und sagte danach zu mir:
„Du sollst nur saugen!“.
Das traf mich.

„Du schätzt das nicht, was ich tue“, sagte ich dann.
„Weißt du, mich hast du früher nie gelobt, wenn du nach Hause gekommen bist und alles sauber war.

Im Höchstfall hast du zu mir gesagt, dass da noch ein Fussel auf dem Teppich sei“, entgegnete nun Klara.

Das stimmte, ja da hatte sie recht. Und ich begriff erst jetzt, was das alles für eine Arbeit machte.

DER COUNTDOWN BEGANN

Endlich war alles hochgestellt. Ich saugte durch, erst im unteren und danach im oberen Stockwerk.

Als ich fertig war, kam mir der Gedanke, gleich durchzuwischen. Das machte Klara eigentlich am Samstagmorgen, während ich bereits wieder am Schreibtisch saß und mich freute, dass ich fertig war mit meinem Teil.

Ich wollte Klara mit meinem Extraservice überraschen.

Ich holte also den Behälter aus der Nische, in dem ich den Lappen zum Aufwischen vermutete. Es polterte und mir flogen kleinere Flaschen entgegen. Ich fluchte laut.

Konnte Klara hier nicht mal Ordnung halten? Nein, konnte sie nicht. Und ich hatte es aufgegeben, das anzumahnen.

Dann kam stets der gleiche Satz: „Ich finde alles und du suchst in deinem System vergeblich deine Sachen.“
Das stimmte irgendwie.

Aber nur, weil ich das System stets verfeinerte, dabei die Ablage änderte und vergaß, die alten abgelegten Zettel in das neue System einzuordnen.

Was machte Klara? Sie hob einen Stapel mit Akten, Papier und Heften hoch, ungeordnet, nicht auf Kante gelegt. Und dann zog sie mit spitzen Fingern den richtigen Zettel aus dem Stapel. Ich fand das ungerecht.

Zurück zum Putzen: Ich musste mich jetzt konzentrieren. Wo waren die Spülmittel, die Klara in den Behälter tat?

Egal, ich nahm von jeder Flasche, die ich fand, ein bisschen und mischte es ins Wasser hinein. Es konnte losgehen.

Ich wischte die Fliesen im Kellervorraum, ging dann die Treppe hoch und machte in der Küche weiter. Manche Flecken ließen sich nicht gleich wegwischen.

Ich musste mich also bücken und rubbeln. Ich bereute es, dass ich damit überhaupt begonnen hatte. Schließlich war ich fertig und haute mich in einen Sessel.

Eigentlich müsste ich am Text weiterarbeiten. Aber ich fühlte mich, als hätte mich jemand verprügelt.

An dem Tag habe ich nur noch vor dem Fernseher gesessen. Am Samstag, ja da konnte ich mich wieder bewegen, im Garten mit Spaten und Kettensäge.

SCHREIBEN IN ZEITEN VON CORONA

SCHREIB-ALLTAG

Das Schreiben in der kontaktarmen Zeit von Corona
kann ich auch als Chance begreifen.

Die Bilder im Fernsehen über das Fortschreiten der Pandemie jagen mir einen Schauer über den Rücken.

Ich weiß, dass es kaum ein Entrinnen gibt, auch für mich nicht. Und trotzdem, ich hoffe, dass ich wenigstens glimpflich davonkomme. Das wünsche ich meiner Frau, meiner Tochter, meiner Enkelin, im Grunde genommen allen Menschen. Einfach, dass es irgendwie an uns vorüberzieht.

Aber wird es so sein? Mein Bauchgefühl sagt mir das Gegenteil.
Was soll ich tun? Nur am Schreibtisch sitzen und darüber philosophieren?

Nein. Ich ordne mein Leben neu, gedanklich jedenfalls.
Ich will weiterschreiben. Es gehört einfach zu mir dazu.
Gestern Abend, da lag ich auf der Couch und ließ mich von einem mittelklassigen Thriller berieseln.

„Eigentlich brauchtest du doch nur noch ein wenig Sport machen, lesen und das Schreiben ganz wegfallen lassen. Dafür gehst du eben arbeiten, aufwischen zum Beispiel und das reicht dann.“

Ich finde den Gedanken gut. Und ein paar Stunden hält sich diese Stimmung auch. Aber dann schlägt sie wieder um.
Was will ich wirklich? Was macht mein Leben aus?

Es ist genau das, worüber ich sehr oft fluche, nämlich das Schreiben.
Wie kann ich das attraktiver gestalten, was gibt es für Chancen, trotz der Corona-Krise, oder gerade wegen ihr?

BELLETRISTISCHES SCHREIBEN IM FOKUS

Ich werde mich auf das belletristische Schreiben konzentrieren. Etwas Anderes kann ich jetzt ohnehin nicht tun.
Also schreibe ich, Blogbeiträge, Texte für E-Books.
Ich merke immer stärker, dass ich noch nicht fokussiert genug an die Sache herangehe.

Bisher habe ich überlegt, wie ich dem Leser gefallen kann.
Die großen Marketingexperten sagen dir das.
„Interessiere dich für deine Zielgruppe, schreibe darüber, was sie interessiert.“

Das habe ich nun lange genug gemacht. Obwohl ich auf Keywords bei der Recherche geachtet und mir Themen gesucht habe, die leserfreundlich sind, hat das alles nichts genützt.

Jetzt in dieser aktuellen Zeit werde ich mich neu aufstellen.
Zum einen mache ich mich nicht mehr abhängig davon, ob ich ein E-Book verkauft bekomme oder nicht.

Und: Ich schreibe ausschließlich kleine Geschichten, die aus dem Alltag sind, so wie ich es schon längst wollte.

Wie ich das nun wirklich mal intensiver voranbringe, darüber denke ich im nächsten Beitrag nach.

 

SCHREIB-ALLTAG

Mehr lesen:

https://uwemuellererzaehlt.de/schreiballtag/

DER FILM „1917“

MAL SCHNELL ERZÄHLT

Samstag im Kino im CineMotion in Berlin Hohenschönhausen.
Vor den Kassen haben sich riesige Schlangen gebildet. Das habe ich noch nie erlebt. Das gab es nur zu Ostzeiten, wenn Bananen oder Apfelsinen verkauft wurden.

Vielleicht hängt es aber auch mit der Berlinale zusammen, dass mehr Leute ins Kino gehen.

Wir wollen den Film ‚1917′ ansehen. Er ist Oscarprämiert und erzählt die spannende Geschichte zweier Soldaten im ersten Weltkrieg, und das künstlerisch in sogenannte ‚Echtzeit‘ gepackt.

Ich genieße es, im Vorraum des Kinos zu sitzen und mir die Leute anzuschauen, die vorübergehen, manche mit Bechern, die randvoll mit Popcorn gefüllt sind.

Ich schaue mir die Plakate an der Wand an und stelle fest, dass es noch den Film ‚Lassie‘ in Neuauflage gibt. Darum also die vielen Kinder, die im Foyer des Kinos aufgeregt umherschnattern.
Jetzt entdecke ich auch noch das Plakat zu ‚Ruf der Wildnis‘ mit Harrison Ford in der Hauptrolle.

Deshalb also die Ansammlung vor den Kassen. Und ich dachte anfangs, dass es wegen unseres Films ist, in den wir hineingehen.
Wir sitzen im Kinosaal, der Film beginnt.

Man sieht ein Schlachtfeld im ersten Weltkrieg, Gräben, in denen Soldaten hocken, schlafen, vor sich hindämmern.
Ich stelle mir vor, was diese Menschen aushalten mussten und konzentriere mich auf das, was passiert.

Es ist unheimlich und faszinierend zugleich, dem Eindruck zu erliegen, man sei direkt am Ort und in der Zeit des Geschehens. Ich werde trotzdem froh sein, wenn ich danach wieder nach Hause fahren und in meinem Bett schlafen kann, und ich vorher vielleicht noch ein Stück von dem Juror einer Castingshow sehe, der gerade sagt: „Du kannst ja überhaupt nicht singen, Mensch.“

‚Wir jammern den ganzen Tag, wie schlecht wir es haben‘, geht mir noch durch den Kopf, und wir können das aber nur, weil es uns richtig gut geht.
Dann nimmt mich der Film vollends gefangen.

DAS DRAMA UM DEN KAUF EINER LEUCHTSTOFFRÖHRE

MAL SCHNELL ERZÄHLT
TEASER:
Peter verhielt sich beim Einkauf im Baumarkt ungeschickt und wurde von Klara barsch vor den Leuten gerüffelt.

Es begann bereits dunkel zu werden, als der Regionalzug aus Berlin am Bahnsteig einlief. Er hielt kaum, da drängten die Menschen aus den Türen heraus und hasteten im Eiltempo in Richtung Parkplatz, dorthin, wo Peter bereits mit seinem Auto stand und auf Klara wartete.

Peter schaute fasziniert zu, wie sich die Leute verhielten.
Ein Mann fiel Peter an diesem Tag besonders auf. Er nannte ihn den Mann mit den vier Buchstaben, weil er stets die gleiche Jacke trug, und weil auf der Rückseite vier Buchstaben prangten, der Name seiner Firma, in die er jeden Tag fuhr.

Morgens, da sahen Klara und Peter ihn schon von weitem, weil die Buchstaben auf dem Rücken im Dunkeln weiß leuchteten. Der Mann ging nicht, er wankte von einem Bein auf das andere, langsam, so als müsse er sich dahinschleppen.

Abends hingegen, da hatte er einen recht flotten Schritt angenommen und beeilte sich, nach Hause zu kommen. Und das beobachtete Peter bei den meisten Menschen, die er früh sah und abends wieder. Es waren die gleichen Menschen, aber mit einem unterschiedlichen Schritttempo, je nach Tageszeit.

Klara war inzwischen an seinem Auto angekommen. Sie öffnete die Tür, stieg ein und fragte gleich:
„Wollen wir noch in den Baumarkt?“
„Können wir machen“, brummte Peter ziemlich lustlos.

Aber was sollte er tun, denn in der Küche war eine Leuchtstoffröhre kaputt. Sie flackerte zwar noch, doch es machte ihn wahnsinnig, wenn er morgens dort stand und die Kaffeemaschine anstellte.
Klara hatte Peter diese Aufgabe übertragen, weil er seine Wasserflasche für das Fitness-Studio fertigmachte.

„Da kannst du doch gleich den Kaffee aufsetzen“, schlug Klara vor.
Peter übernahm immer mehr Aufgaben im Haus, obwohl er das gar nicht wollte. Aber er war nun mal derjenige, der seinen Schreibtisch zuhause stehen hatte.

„Irgendwann kommt sie noch und sagt, dass ich die Waschmaschine anstellen soll“, dachte Peter. Aber er schob diesen Gedanken gleich beiseite.

Jetzt ging es also erst einmal in den Baumarkt in Richtung Bernau.
Als sie auf den Markt zusteuerten und einen Stellplatz suchten, verlor Klara die Geduld: „Immer schön in die entlegenste Ecke fahren, die am weitesten weg ist vom Baumarkt“, motzte sie.

Peter antwortete nicht. Was verstand Klara schon davon. Er fuhr zwar einen kleinen Jeep, aber er war noch so eingestellt, als müsste er den großen Mercedes-Geländewagen in eine Parklücke steuern.
Schließlich hielt er an, sie stiegen aus dem Jeep aus und gingen zum Eingang des Marktes.

„Schau mal hier“, sagte Peter und öffnete seine Jacke.
Darunter kamen Hosenträger zum Vorschein, die an einer Trainingshose befestigt waren. Er kam sich vor, wie Krause, der Schauspieler, der stets die Hosenträger offen über dem Hemd trug.

„Mach bloß wieder die Jacke zu“, sagte Klara und schaute sich um, ob auch niemand zu ihnen hinsah.

Peter war das egal. Im Gegenteil, er fand es klasse, dass er vom Schreibtisch aufstehen konnte, in die Schuhe schlüpfte, deren Schnürsenkel er auch nur noch selten aufmachte, die Jacke überschmiss, den Autoschlüssel schnappte und schon abfahrbereit war.

Schließlich wollte er ja nicht ins Theater. Aber Klara sah es lieber, dass er wenigstens seine Jeans anzog.
Doch Peter blieb da eisern und trug seine Trainingshosen.
Peter ging auf die Kasse im Eingangsbereich zu, wo oben drüber das Schild ‚Information‘ aufgehängt war.

„Sagen Sie, können Sie mir kurz erklären, wo wir hier diese Leuchtstoffröhren finden“, fragte er die Kassiererin, die ihn unfreundlich musterte und besonders auf seine Wollmütze schaute, die er tief über den Kopf bis fast ins Gesicht gezogen hatte.

Vielleicht dachte sie ja, dass Peter die Mütze im nächsten Augenblick ganz über das Gesicht zog und nach dem Kleingeld in der Kasse fragte.

„Gang 22“, sagte sie kurz angebunden.
„Oh, wunderbar, vielen Dank“, flötete Peter fröhlich und zeigte Klara mit dem Arm den Weg.

„Gang 22, da ist er“, sagte er und schritt die Regale ab.
Aber Peter sah nicht, wo die Lampen waren.
Da war Klara besser.
„Hier, schau mal, da sind sie!“.

Klara hatte schon eine Leuchtstoffröhre in der Hand.
„900 mm, 30 Watt, das passt“, sagte sie und drückte sie Peter in die Hand.

Der nahm sie und wandte sich in Richtung Kasse.
„Sollen wir die alte entsorgen?“, fragte die Kassiererin?
„Oh, das ist aber nett“, meinte Peter und gab ihr die alte Leuchte in die Hand.

Klara war noch beim Bezahlen, während Peter übermütig die verpackte Leuchtstoffröhre hin- und herschwenkte.
Plötzlich gab es einen lauten Knall. Peter schaute sich um, weil er nicht mitbekam, woher der Lärm kam.

Doch dann sah er auf dem Fußboden die neue Röhre liegen, zerschellt in winzige Teile.
Peter schaute verdattert, die Augen der Kassiererin richteten sich auf ihn, die von Klara auch und einige Kunden schauten ebenfalls neugierig herüber.

Offenbar hatte sich eine Seite der Verpackung gelöst und die Leuchtstoffröhre war herausgerutscht.
„Was hast du denn nun schon wieder gemacht?“, fragte Klara ihren Mann, so als wäre der ein kleines Kind, das wieder etwas ganz Schlimmes angerichtet hatte.

Ihr Blick sagte: „Oh, es tut mir leid, das ist zwar mein Mann, aber er ist in Wirklichkeit ein großer Trottel.“
Peter war es peinlich, dass er nun diesen Lärm verursacht hatte, doch noch mehr ärgerte ihn, dass Klara ihn nun erst recht wie einen ungeschickten, zu nichts zu gebrauchenden, lediglich mitgekommenen Ehepartner aussehen ließ.

„Gehen Sie schnell zum Regal und holen sich eine neue Röhre, wir kümmern uns hier“, sagte eine Angestellte versöhnlich.
Peter nickte, lief zum Regal und holte die neue Leuchtstoffröhre.

„Sie müssen nicht noch einmal bezahlen“, sagte die Kassiererin.
Peter und Klara bedankten sich und gingen stumm zum Ausgang.
Sie stiegen wortlos ins Auto und schwiegen eine Weile auf der Fahrt nach Hause.

„Warum hast du mich wie einen Trottel behandelt?“, fragte Peter schließlich.

„Ach, das war doch nicht so gemeint“, lachte Klara.
„Darüber kann ich nicht lachen!“, empörte sich Peter und schwieg, bis sie am Carport angekommen waren.

EIN BÄCKERLADEN – DEN MAN GERN BESUCHT

MAL SCHNELL ERZÄHLT
Wie ein Gespräch mit dem Verkäufer vom Bäckerladen im Einkaufsmarkt in Basdorf nach dem Fitnesstraining gute Laune machen kann.

Freitag – noch vor der Corona-Krise
Ich war mit Klara nachmittags im großen Einkaufsmarkt von Basdorf. Klara kaufte dort das Brot, ein Heidebrot.

Und ein großes Stück Streuselkuchen. Am Wochenende genehmigten wir uns manchmal so ein Stück, obwohl ich eigentlich weiter an Gewicht verlieren wollte. Ich konnte noch so viel Sport treiben, ohne Reduzierung der Kalorien würde da nichts gehen.

„Bekommt Ihr Mann denn auch etwas von dem Kuchen ab?“, fragte der Verkäufer meine Frau.

„Ach, der isst doch am meisten davon“, antwortete sie prompt.
Ich schämte mich ein wenig. Sie hatte ja recht, aber musste sie das jetzt so sagen, wo ich doch um jedes Gramm weniger kämpfte.

„Dafür fahre ich aber auch jeden Morgen ab 5 Uhr ins Fitness-Studio nach Berlin rein“, verteidigte ich mich.
Der Verkäufer schaute mich prüfend an, ja er taxierte mich geradezu.

Sein Gesichtsausdruck sagte mir: „Ja, mein kleiner Dicker, du bist ganz bestimmt nicht jeden Tag im Fitness-Studio und schon gar nicht so früh – eh‘ du Fitness treibst, motiviere ich vorher eine Kuh zum Seilspringen“

Wir unterhielten uns noch ein wenig und ich erklärte ihm, dass meine Frau sehr früh in ihrer Behörde anfing zu arbeiten und dass wir deshalb das eine mit dem anderen verbanden.

Freitag vor einer Woche
Das Gespräch mit dem Verkäufer eine Woche zuvor ging mir nicht aus dem Kopf.
Klara riss mich jedoch aus meinen Gedanken:

„Holst du heute ein Brot aus dem Einkaufsmarkt, wenn du vom Sport kommst?“
„Na klar“, sagte ich. Vielleicht war ja der Verkäufer vom vergangenen Freitag da, denn dann würde ich ihn noch einmal ansprechen.

Ich rollte aus der Tiefgarage des Fitness-Centers in Mitte, war gut gelaunt wollte nun Klaras Auftrag abarbeiten.
Ich kam zügig voran, war schnell wieder in Basdorf und
stoppte am Einkaufsmarkt. Ich schnappte mir meine Tasche und steuerte zielstrebig auf den Bäcker im vorderen Teil des Gebäudes zu.

Tatsächlich: Der Verkäufer stand wieder hinter der Theke und bediente eine Kundin.

„Was darf’s denn für Sie sein?“, fragte er freundlich die Dame vor mir.
Überhaupt waren alle Mitarbeiter der Bäckerei freundlich, selbst wenn es am Freitagnachmittag voll und damit stressig wurde.

Solange ich wartete, überlegte ich, was ich alles kaufen wollte.
Das Brot schmeckte und der Kuchen auch. Der Streuselkuchen schmeckte sogar so gut, dass ich mit mir kämpfte, was ich tun sollte.

Ich wollte abnehmen und da passte der Kuchen nun gar nicht ins Konzept. Außerdem hatte ich bereits am vergangenen Freitag ‚gesündigt‘.

„Soll ich ein Stück Kuchen vom Bäcker mitbringen, wenn ich das Brot hole?“, hatte ich noch früh auf der Fahrt ins Fitness-Center gefragt.

„Das überlasse ich ganz dir“, antwortete sie.
Jetzt war der schwarze Peter bei mir. Ich konnte also nicht sagen, dass ich eigentlich keinen Kuchen mehr essen wollte, wenn alles aufgegessen war.

„Und was möchten Sie?“, holte der Verkäufer mich aus meinen Gedanken zurück an die Verkaufstheke.
„Ein Brot bitte.“
„Geschnitten?“
„Nein, danke.“
„Sonst noch etwas?“

Ich zögerte.
Doch dann sagte ich den Satz: „Ein Stück Streuselkuchen bitte“.
„Kann es gleich der hier oben sein?“, fragte der Verkäufer zurück.
„Ja, gern“, antwortete ich.

„Erinnern Sie sich eigentlich an unser Gespräch vom letzten Freitag in der vergangenen Woche?“, fragte ich ihn.

Der Verkäufer stutzte, doch dann sagte er: „Ja, Sie sind doch der, der immer um 5 Uhr früh ins Fitness-Center nach Berlin fährt.“
Donnerwetter, dass er sich das gemerkt hatte, dachte ich bei mir.

„Sie haben bestimmt gedacht: Der Dicke hier, kann mir viel erzählen, von wegen Sport, fit und schlank werden, oder?“, sagte ich.
„Um Himmelswillen nein, das habe ich nicht gedacht, sondern nur gestutzt, dass Sie so früh dort reinfahren“, antwortete er.

Ja, das war natürlich schwer zu vermitteln.
Was sollte ich dazu sagen? Dass ich Klara bis ins Zeitungsviertel hineinfuhr, dann wendete und auf das Fitness-Center zurückfuhr? Klara war froh, dass sie morgens nicht in die S-Bahn musste.

Oder dass ich ja auch noch am Tag arbeiten wollte und ich meistens keinen Sport mehr machte, wenn ich mich erst einmal am Schreibtisch festgebissen hatte?

„Ich mach‘ auch viel Sport und achte ebenfalls auf meine Ernährung. Ich habe in den letzten Wochen ein paar Kilo abgenommen, und ich werde wieder mit dem Sport anfangen“, sagte er zu mir.

Hinter mir stand eine Kundin, die schon ungeduldig wurde.
Eine angenehme Unterhaltung, dachte ich und freundliche Leute in dem Team, ja das waren sie.

„Aber wenn Sie morgens vom Sport kommen, dann können Sie doch hier eine Tasse Kaffee trinken“, meinte der Verkäufer noch. Ich überlegte, ob ich das sofort tun sollte, aber ich hatte beide Hände voll und wollte die Sachen nicht mehr ablegen.

„Das mache ich bestimmt mal“, antwortete ich und wandte mich endgültig zum Ausgang.

Bald ist wieder Freitag und Klara hat mich schon gefragt, ob ich ein Brot mitbringen würde, wenn ich aus der Stadt zurückkäme.
„Mach‘ ich“, gab ich zurück.
Ich freu‘ mich drauf.