Archiv der Kategorie: MEIN FREUND, DER ALLTAG

Dem Alltag als Freund begegnen, das heißt für mich:
die eigene Lebensphilosophie im Alltag begreifen und sich mit ihr auseinandersetzen;
mehr Erfüllung finden, indem man die guten und schönen Seiten des alltäglichen Lebens sieht – beruflich und privat – und: sie auch bewusst annimmt;
die Faszination des Bibellesens entdecken; die Worte der Bibel als persönlichen Kraftquell nutzen, daraus eigene Lebensenergie und Lebensfreude für den Alltag schöpfen;
Erlebnisse und Beobachtungen im Alltag für sich nutzbar machen; erkennen, dass in den alltäglichen Dingen oft die großen Momente einer anhaltenden Lebensqualität zu finden sind;
die kleinen Geschichten aus dem Alltag erzählen, sie wertschätzen als etwas, das sehr kostbar und oftmals unwiederbringlich ist.

DIE DEMENZ VON ANNA SCHRITT FORT – JEDER WUSSTE ES UND KEINER WOLLTE ES WIRKLICH WAHRHABEN

2. überarbeitete Auflage
ANNA-2021.10.07

Oktober 2021. Anna ist seit einem Monat im Betreuten Wohnen „Sörensen“ am Strelasund untergebracht.
Es scheint noch, als wäre das alles noch nicht passiert und Anna würde noch in ihrer Wohnung leben. Das war ein langer Prozess, bis alle begriffen, dass es nicht mehr lange so weitergehen konnte, dass Anna einfach allein weiterlebte.
Vor einem Jahr schienen es alle zu ahnen, aber handeln mochte da noch keiner.

 

KLARA WOLLTE IHRER MUTTER BEIM PUTZEN HELFEN
Klara klingelte an der Tür ihrer Mutter.
Es dauerte eine Weile, bis Anna die Tür öffnete.
Sie hatte sich ein wenig auf die Couch gelegt, obwohl es erst gegen neun Uhr am Morgen war.

„Wieso bist du hier in Stralsund und nicht in Berlin?“, fragte sie ihre Tochter.

„Mutti, ich bin seit Sonntag in Stralsund, und Montag habe ich dir gesagt, dass ich am Mittwoch wiederkomme, um deine Fenster zu putzen“, sagte Klara zu ihr.

Klara und Peter hatten sich ein paar Tage freigenommen, um ein wenig auszuspannen, gemeinsam mit Laura und Krümel. Klara nutzte den Aufenthalt, um Lukas zu entlasten und in Annas Wohnung beim gründlicheren Saubermachen zu helfen.

„Mittwoch?“, fragte Anna.
„Ja, Mittwoch ist heute.“
„Aber wieso sagt mit das keiner?“
Klara entgegnete darauf nichts, denn sie hatte nicht mehr die seelische Kraft, auf alle Fragen ihrer Mutter zu antworten.

Der Vormittag verging wie im Flug, obwohl sich Anna nach Kräften dagegen wehrte, dass ihre Tochter in ihrer Wohnung das Zepter übernahm.

Doch Klara hatte es gelernt, sich gegen ihre Mutter durchzusetzen, denn nur so konnte sie ihr wirklich helfen.
Und als Anna sah, wie ihre Fenster nach und nach sauber in der Sonne blinkten, da war sie ruhig und fand das alles recht schön.

KLARA LUD ANNA ZUM KAFFEETRINKEN MIT DER FAMILIE EIN
Am Nachmittag wollte sich die Familie versammeln, um gemeinsam Kaffee zu trinken.

Anna wollte sich nicht umziehen, sie wollte gar nichts und sich am liebsten auf die Couch schmeißen, wie sie ununterbrochen zu Klara sagte.

„Warum soll ich das Kostüm anziehen, gehen wir zu einer Hochzeit?“
Anna konnte sehr spöttisch reagieren, wenn ihr irgendetwas nicht in den Kram passte.

Annas Charakter hatte sich in letzter Zeit ins Gegenteil von dem verkehrt, was sie einmal ausmachte, ihre Güte, ihr bescheidenes Wesen, aber all das schien die Demenz in ihr allmählich auszulöschen.

Klara hatte es schließlich geschafft, Anna davon zu überzeugen, dass sie sich umzog und mit ihr nach draußen kam.
Unten wartete bereits Peter im Auto auf Anna und Klara.

„Oh, du siehst wirklich gut aus“, rief Peter schon von weitem Anna entgegen.

„So sind wir das gewohnt, wenn wir ausgehen“, antwortete Anna selbstbewusst, so als hätte sie sich nicht noch vor wenigen Augenblicken dagegengestemmt, das Kostüm auch nur aus dem Schrank zu holen.

KRÜMEL TURNT ZWISCHEN DEN STÜHLEN IM RESTAURANT UMHER
Sie fuhren zum größten Hotel in der Stadt.
In dem Saal, in dem die Plätze reserviert waren, saß kein Gast. Corona hatte auch Stralsund fest im Griff.

„Wozu haben wir überhaupt Plätze reserviert?“, fragte Peter.
Sie setzten sich trotzdem an den Tisch, der für sie vorgemerkt war. Krümel fand das alles herrlich.

Sie turnte zwischen den leeren Stühlen und Tischen hin- und her und juchzte vor Freude.

Inzwischen hatten am Tisch gegenüber zwei Gäste Platz genommen. Ausgerechnet in unmittelbarer Nachbarschaft des reservierten Tisches.

Es war ein Ehepaar, beide um die 70 Jahre herum. Der Mann sah brummig aus. Er schaute immer grimmiger, weil Krümel ausgelassen weiter umherlief und laut sang.

Peter erinnerte sich an seine eigene Kindheit, Er konnte sich nicht vorstellen, dass seine Eltern es auch nur im Ansatz zugelassen hätten, dass sie als Kinder so durch die Stuhlreihen eines Lokals hätten toben dürfen.

Aber Peter genoss gerade den Gedanken, dass seine Enkelin ausgelassen und fröhlich sein durfte, so ganz ohne Furcht.

Also blickte er zu dem Mann herüber, der Krümel mit finsterer Miene beobachtete. Peter fixierte ihn mit einem Blick, der keine Missverständnisse aufkommen ließ: ‚Sag‘ nur ein böses Wort zu der Kleinen und du wirst es bereuen.‘

Der Mann knickte ein, denn er schaute weg und seine Gesichtszüge lösten sich auf, fast hin zu einem gemütlichen Ausdruck.
Peter schaute nun seinerseits zu Krümel und lockte sie mit einem kleinen Spielzeughund, den er mitführte, an den Tisch zurück.

ANNA SCHIEN MIT IHREN GEDANKEN NICHT BEI DER SACHE ZU SEIN
Anna beobachtete das ganze Treiben ein wenig distanziert, so als würde sie gar nicht dazugehören.

Die Kellnerin kam an den Tisch und fragte, ob die Gäste schon Kuchen ausgesucht hätten.

„Ja, antwortete Klara. Meine Mutter und ich, wir wollen Frankfurter Kranz.“
„Ich auch“, sagte Peter.
„Ich auch“, rief Laura.
„Und was soll ich essen?“, fragte Anna in die Runde. Die Kellnerin schaute irritiert.
„Ihre Tochter hat für sie bereits mitbestellt“, sagte sie.

„Wieso bestellt sie einfach was für mich mit?“, tat Anna entrüstet.
„Weil wir dich eben gefragt haben, was du für einen Kuchen willst und du dich genau dafür entschieden hast, Mutti.“
Klara kochte innerlich, dass Anna so ein Theater vor der Kellnerin abzog.

„Ja gut, dann nehm‘ ich den auch“, sagte Anna.
Wenig später kamen der Kaffee und der Kuchen an den Tisch.
Krümel hing zwischen Peter und Klara und spielte mit dem Hund, während Klara versuchte, ihr zwischendurch ein Stück Kuchen in den Mund zu schieben.

„Da sind wir ja heute wieder auf der steilen Diätkurve“, sagte Peter.
Keiner antwortete ihm und Klara warf ihm einen Blick zu, der hieß: ‚Sei bloß still, oder ich platze vor Wut.‘

Peter wandte sich wieder Krümel zu und beide spielten mit dem kleinen Spielzeughund, bis die Tischdecke immer mehr verrutschte und Klara Peter einen warnenden Blick zuwarf, den Peter aber geflissentlich ignorierte.

ANNA WEISS NICHT MEHR, WIESO SIE GERADE DIESES STÜCK KUCHEN BESTELLT HATTE
„Wieso habe ich so ein Stück Kuchen?“, fragte nun Anna in die Runde mit vollem Mund.

Klara schien ihren Ohren nicht zu trauen.
„Weil wir ihn für dich bestellt haben und du ihn dir gewünscht hast“, sagte Peter schnell, bevor Lukas oder Klara etwas Unbedachtes antworteten.

„Schmeckt dir denn der Kuchen?“, fragte nun Lukas.
„Ja, sehr gut“, antwortete Anna.

Ein paar Minuten war es ruhig am Tisch. Nur Krümel war zu hören, die den Spielzeughund triezte.

„Wieso habe ich dieses Stück Kuchen bestellt?“, erklang erneut die Stimme von Anna.

„Weil er dir besonders gut schmeckt“, sagte Peter nun.
„Ja, das ist wahr, der schmeckt mir sehr gut“, antwortete Anna.

WIE SOLLTE ES NUR MIT ANNA WEITERGEHEN
Der Nachmittag war schön, Anna gehörte zur Familie, sie würde immer dazugehören, ganz besonders jetzt, wo die Krankheit fortschritt.

Nach dem Kaffee brachten Peter und Klara Anna gemeinsam nach Hause.
Anna stand noch auf dem Balkon und winkte zum Abschied.
Ein vertrautes Bild, aber auch ein trauriges Bild.

„Denk‘ nicht an das, was kommt, denk‘ an den schönen Moment, den wir Anna heute Nachmittag verschafft haben“, sagte Peter. Klara nickte kurz und blickte traurig aus dem Fenster des Autos.

„Ich weiß gar nicht, ob Mutti das alles noch so schön empfindet, wie wir denken. Oder ob es nicht viel mehr ihre ohnehin gedankliche Alltagsstruktur durcheinanderbringt“, setzte Peter noch nach.

Klara schwieg, denn sie wusste es auch nicht. Und sie wusste vor allem nicht, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergehen sollte.

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„DAS IST MEIN OPA, ABER ER IST JA SCHON EIN ALTER MANN“

ALLTÄGLICHES-2021.10.05

Vom Nachsinnen über dein Leben im gewöhnlichen Alltag

Krümel war am Wochenende bei uns gewesen.
Wir ließen uns dann ganz auf unsere Enkelin ein. Klara kochte und backte, versorgte sie mit Süßigkeiten, mehr als ihre Mama es zulassen würde.

Ich schmiss mich auf den Fußboden, holte die Spielzeugkiste hervor, in denen die kleinen Autos verstaut waren.

Und wir schauten mit Krümel die ‚Hunde‘, einen Zeichentrickfilm, in dem wir mittlerweile schon mitspielen können.

Ich hätte gern im Fernsehen etwas über die Sondierungsgespräche der Parteien erfahren, aber wir wollten Krümel natürlich nicht stören, wenn sie auf der Couch saß, ein Bein über meinen Arm legte und mit dem Kopf auf der anderen Seite lag.

Sie kaute an einer Banane und war ansonsten nicht ansprechbar, denn sie verfolgte ‚ihre Hunde‘ in der Zeichentrickserie hartnäckig.
Na klar, es war auch anstrengend mit Krümel.

Meist sind wir nach ihrem Besuch so kaputt, dass wir hinterher irgendeinen Film anmachen und uns nur noch knapp unterhalten.

Diesmal habe ich Krümel erst am Montagmorgen zurückgebracht. Wir sind sofort in Richtung Kita gefahren. Krümels Mama hatte Frühdienst und so wollten wir nicht, dass unser kleiner Liebling so früh aufstehen musste.

„Ich schlafe in deinem Arbeitszimmer und Krümel kann in meinem Bett schlafen, damit wir sie früh nicht wecken und du trotzdem gleich den Laptop für dein Homeoffice um halb Sechs anschmeißen kannst“, habe ich zu Klara gesagt.

Die war sofort einverstanden, Krümel natürlich auch.
„Oma!“, rief sie nachts freudig, als sie noch einmal aufwachte, kerzengerade im Bett saß und sich dann gleich wieder in eine andere Richtung auf die Bettdecke schmiss.

Ich wachte früh auf, fühlte mich zerschlagen, war aber guter Dinge, weil wir so ein schönes Wochenende hinter uns hatten.

Auf dem Weg zur Kita kam ich nur langsam vorwärts, die B 2 nach Berlin rein war gesperrt und die Autos stauten sich.

„Geht weg, Autos, wir wollen in die Kita!“, rief Krümel laut. Es störte sie wenig, dass sie wohl keiner der Fahrer in den anderen Autos neben und vor uns hört.

Mit einer Stunde Verspätung kamen wir an und Krümel hüpfte fröhlich die Treppen zu ihrer Kita-Gruppe hoch.

„Hallo Krümel!“, riefen zwei Mädchen, die uns entgegenkamen.
„Das ist mein Opa“, sagte Krümel und zeigte auf mich.
„Aber er ist ja schon ein alter Mann“, sagte sie noch, und senkte dabei ihre Stimme.

Ich war geschockt, hielt inne, obwohl ich ebenfalls im hohen Tempo die Treppen mithochgestiegen war. Gerade hatte mir im Fitness-Studio jemand gesagt, dass ich noch jung aussehen würde.

Aber Krümel sprach unerbittlich die Wahrheit aus.
Ja, ich bin tatsächlich ein alter Mann.

Ich dachte kurz an meine Oma, die für mich schon mit 56 Jahren eine alte Frau war.

Ich kam ins Grübel, als ich auf der Rückfahrt von der Kita war.
‚Warum lebst du eigentlich so und nicht anders? Wieso arbeitest du noch im Alltag, obwohl du dich doch mit anderen Dingen beschäftigen könntest?

Machte es überhaupt noch Spaß, im Alltag Geschichten zu schreiben, Interviews mit interessanten Menschen zu führen, oder sollte ich mich zurückziehen, nur noch im Wald laufen, morgens ein bisschen Kraftsport im Fitness-Center machen?

Es ist komisch: Erst wenn du einen Impuls von außen erhältst, du vielleicht krank wirst, dann fängst du an, über den Sinn deines Lebens im Alltag nachzudenken.

So ging es mir mit der klaren Ansage von Krümel auf der Kita-Treppe.

Aber war es nicht das, was das Alltagsleben ausmachte – dass ich Krümel zur Kita brachte, mich danach an den Schreibtisch setzen und arbeiten würde?

Es ist schon wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, über wieviel Reichtum du gerade im Alltag verfügen kannst, wenn du den entsprechenden Blickwinkel wählst.

Am Wochenende wird Krümel vier, und ich, ich bin ja schon viel älter, einfach ein alter Mann eben.

Ich habe ihr die Jahre voraus, sie hat noch ihr ganzes Leben vor sich.
Ich weiß inzwischen, wie wertvoll die Momente sind, wo ich mit ihr auf dem Fußboden sitzen und die Spielzeugautos über den Teppich schieben kann.

Wir sind beide glücklich in dem Moment, trotz des großen Altersunterschiedes.
Und darauf kommt es an, wenn es um den Sinn im Alltagsleben geht.

 

 

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2021: https://uwemuellererzaehlt.de/mein-freund-der-alltag/alltaegliches-2021/

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SALOMOS SPRUCH – DEMUT KOMMT VOR DER ERLANGUNG VON EHREN

Bibel

BIBEL-2021.10.04

„Wenn einer zugrunde gehen soll, wird sein Herz zuvor stolz; und ehe man zu Ehren kommt, muss man demütig sein.“ 
Salomo 18, 12

Was man daraus mitnehmen kann?
Selbst in Niederlagen steckt eine Chance.
Nur wer Herausforderungen ernst nimmt, sich nicht über andere Menschen erhebt, Energien im Team nutzt, bescheiden bleibt, der hat die größte Aussicht auf Erfolg.

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SPASS AM SCHREIBEN HABEN – DAS IST AUCH EINE FRAGE DES WOLLENS

SCHREIB-ALLTAG-2021.09.29

Ich schreibe jeden Tag und jeden Tag muss ich dazu überwinden.
Sich an den Schreibtisch setzen, Konzepte formulieren, Interviews vom Band abhören und aufschreiben, die Geschichte um ‚Anna ist dement‘ weiterspinnen, das erfordert viel Energie und Einsatzwillen.

‚Warum jammerst du? Du hast es dir doch so ausgesucht‘, wird jemand sagen, der das liest. Stimmt, ich habe es mir ausgesucht,

Trotzdem gibt es Phasen, wo ich am liebsten alles hinschmeissen möchte und lieber etwas Praktisches machen. Aber ich glaube, das geht wohl jedem so, und wenn er seinen Beruf noch so liebt.

Ich helfe mir damit, indem ich mir kleine Eselsbrücken baue. Ich überlege mir zum Beispiel schon eine Woche vorher, welche Themen ich in der kommenden Woche behandeln will.

Danach lege ich über Word die Dokumente an. Die Texte sind dann auch auf dem iPhone abgelegt. Und so kann ich zusätzlich in den Zeiten schreiben, in denen ich nicht am Schreibtisch sitze.

Gerade warte ich im Auto auf meine Frau. Sie ist im Supermarkt einkaufen und geht lieber allein dort rein. Also bleibe ich im Jeep und tippe auf dem Telefon diesen Text.

Zugegeben, es hat lange gedauert, bis ich alles so hinbekommen habe, wie es jetzt ist. Lange Zeit wusste ich nicht, wie ich auf dem Telefon das Word-Dokument unterbringe.

Es hat alles seine Zeit gedauert, doch schliesslich habe ich es über die Cloud hinbekommen.

Parallel habe ich trainiert, im Stehen auf dem Handy schnell zu schreiben. Ich habe im Fitness-Center geschrieben, zwischen den Trainingseinheiten natürlich, und so bin ich immer besser geworden, was die technische Seite des Schreibens anbetrifft.

Und trotzdem, wenn es um Ideen geht, was ich hintereinander aufschreiben will, dann greife ich immer noch zum Füllhalter und schreibe auf Papier.

Ich habe schon alles ausprobiert. Vor dem Urlaub habe ich mir eine neue Tastatur zugelegt, die vom Design wie eine Schreibmaschine aussieht. Sie kommt aus China und die Schriftzeichen auf der Tastatur stimmen nicht mit der deutschen Version überein.

Ich tippe auf die Tasten, so als hätte ich die deutsche Variante. Das klappt, weil ich beim Schreiben nicht auf die Tasten schauen muss.

Der Kauf für knapp 100 Euro war ein Reinfall, aber man muss schliesslich experimentieren.

Eines bleibt, nämlich der Wille, etwas zu Papier zu bringen, und dann kommt auch irgendwann der Spass am Schreiben zurück.

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FÜR EINEN AUGENBLICK IM WALD SEIN UND ABSCHALTEN

2021.09.27

ALLTÄGLICHES-2021.09.27

Die Heckklappe des Jeeps ist hochgeklappt und ich sitze auf der Kante.

Es ist etwas unbequem, aber ich will schnell noch aufschreiben, was mir gerade beim Nordic Walking durch den Kopf gegangen ist.

Manchmal denke ich, ich könnte das auch hinterher tun, aber dann ist das Gefühl schon wieder ein anderes und ich muss nachdenken, was mir eigentlich wichtig war, an dem bisschen Nordic Walking.

Nichts Spektakuläres.

Nur das: Wenn ich den Text am Montag veröffentlicht habe, nachdem ich aufgestanden bin,  dann ist es dunkel und ich erinnere  mich an das satte Grün im Wald.

Es ist einfach schön hier in der Schorfheide. Von Weitem sind vorbeifahrende Autos zu hören. Sie rauschen eher vorüber.
Hier ist es still.

Ich rieche das Farnkraut am Wegrand und sehe, dass manche Pflanzen bereits braun werden. Ich laufe an einem Hochstand vorbei. Ich höre nur noch das Gezwitscher der Vögel.

Der Wind ist zu spüren, im Gesicht und an den Händen. Ich atme tief ein, sehe in das satte Grün und bin irgendwie glücklich.

Nur das man sich das nicht eingestehen will, oft nicht bereit ist, den Augenblick wirklich in sich aufzusaugen.

Bin ich wieder am Schreibtisch, dann überfallen mich andere Gedanken- Termine, liegengebliebene Aufgaben.

Aber jetzt habe ich die Chance, für eine Stunde wenigstens, das alles fallenzulassen, gedanklich und mental.

Und am Montag, in den dunklen Morgenstunden werde ich mich daran erinnern.

 



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MANCHMAL LOHNT STREITEN NICHT

Bibel

BIBEL-2021.09.26

„Ein Tor hat nicht Gefallen an Einsicht, sondern will kundtun, was in seinem Herzen steckt.“
Salomos Sprüche 18,2

Wer hat das nicht schon erlebt: Du versuchst Argumente mit deinem Gegenüber auszutauschen, aber der beharrt auf seinem Standpunkt, redet einfach weiter.

Du kannst noch so kluge Sätze formulieren, mündlich oder schriftlich, aber er zeigt keine Einsicht.

Er will einfach weiter und weiter seine eigene Meinung loswerden.
Ich habe dazulernen müssen: Heute breche ich so ein Gespräch ab, höflich, aber schon bestimmt und ziehe mich zurück.

Das ermöglicht beiden Seiten das Gesicht zu wahren, es wird nicht weiter unnötige Energie verbraucht und man kann sich wieder anderen Dingen zuwenden, solchen, die aussichtsreicher sind.

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WARUM ICH IN ‚ANNA IST DEMENT‘ LIEBER AUF DIE BELLESTRISTISCHE ERZÄHLWEISE ZURÜCKGREIFE

SCHREIB-ALLTAG-2021.09.22

Es macht Spaß, zu schreiben.

Wirklich?
Ja, aber diese Feststellung treffe ich meistens erst, wenn ich fertiggeschrieben habe.

Vorher ist es verdammt anstrengend, und dabei weiß ich noch nicht einmal, wen meine Zeilen tatsächlich ansprechen.

Das Schreiben an sich ist gar nicht so anstrengend, für mich jedenfalls.

Doch, bevor ich alles zusammengestellt habe, da vergehen einige Stunden.

Und das ist das eigentlich Anstrengende.

Was war bisher? Wie mache ich weiter? Welche Figuren muss ich neu einführen, welchen Faden will ich weiterspinnen?

Klar, ich schreibe keinen Roman, ich bin kein Schriftsteller.

Trotzdem muss ich mich als Autor ebenso an die Gesetze des Schreibens halten.

Welches Konzept verfolge ich weiter? Wie ist der konkrete Handlungsstrang?

Welche Protagonisten sollen in dem jeweiligen Textabschnitt auftauchen?

Manchmal überlege ich, warum ich mir das alles antue. Würde ich nur bei den kleinen Alltagsgeschichten, dem ‚Alltäglichen‘ bleiben, so wäre es für mich einfacher.

Auf der anderen Seite verarbeite ich erlebte Realität ganz anders, wenn ich es in Form der belletristischen Schreibweise tue.

Ich habe bereits darübergeschrieben, wie wir Klaras Mutter in die Kurzzeitpflege gebracht haben. Das waren Momente, die psychisch von mir und Klara alles abverlangt haben.

In einem Sachtext kann ich das lediglich andeuten, oberflächlich beschreiben.

In einer Erzählung sind Dialoge da; ich kann auf die Gefühlswelt der einzelnen Protagonisten näher eingehen, detaillierter, emotionaler.

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GEDANKEN NACH DER DOKUMENTATION ÜBER MICHAEL SCHUMACHER

ALLTÄGLICHES-2021.09.20

Leidenschaftlich arbeiten, Energie entwickeln, Ziele anpeilen und erreichen – das sind wohl mit die größten Glücksmomente im Leben

Das eigene Leben, die eigenen Erfolge, die eigenen Niederlagen- sie bestimmen wesentlich mit, ob du glücklich oder unglücklich bist.

Ich habe mir in der vergangenen Woche die Dokumentation über das Leben von Michael Schumacher angesehen.

Ich finde seinen Weg bemerkenswert, ja ich war fasziniert davon, wie er sich an die Spitze in der Formel -1 herangekämpft hat, um sie dann über Jahre zu dominieren.

Deshalb schmerzt es einen umso mehr, wenn man weiß, wie sich alles von einem Tag auf den anderen durch einen schweren Schicksalsschlag ändern kann.

Mich hat nach dem Film noch ein Gedanke beschäftigt. Nämlich, wie Michael Schumacher seinen Beruf geliebt haben muss, mit welcher Energie und auch Begeisterung er sich Tag für Tag auf Rennen vorbereitet hat.

Irgendwie kam in mir der Gedanke hoch, ob nicht gerade diese Art des Herangehens an seinen eigenen Lebensweg das wirkliche Glück ausmacht.

Ich merke es an mir selbst. Ich könnte nicht nur Hobbies nachgehen.
Nein, ich brauch‘ eine Tätigkeit, in die ich meine ganze Leidenschaft stecken kann; wo das Ankommen nicht das Wichtigste ist, sondern der Weg zum Ziel den eigentlichen Reiz ausmacht.

Ich brauche die Anerkennung für das, was ich tue.
Und die bekomme ich über das Feedback, das mir die Leser geben.

Aber die meiste Energie entwickele ich dann, wenn ich morgens aufstehe, mich irgendwann nach dem Sport an den Schreibtisch setze und schreiben darf.

Selbst dann, wenn der Beitrag vielleicht mal nicht so gelingt, ist es das, was ich am Alltag so liebe, zu arbeiten und sich so erst recht auf den Feierabend zu freuen.

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SALOMOS SPRUCH UND MEINE ERKENNTNIS DARAUS

Bibel

BIBEL-2021.09.19

Ein gekränkter Bruder ist abweisender als eine feste Stadt, und Streitigkeiten sind hart wie der Riegel einer Burg.
Salomo 18,19

Dieser Spruch erinnert mich an einen Streit, den ich kürzlich erlebt hatte.
Meine Erkenntnis heute:
‚Der Klügere gibt nach‘, Kompromisse eingehen, deeskalierend im Gespräch wirken.
Wie kam es zu diesen Einsichten?

Wir waren nervlich am Ende, Klara, ihr Bruder Lukas und ich.
Wir mussten den Umzug von Klaras Mutter ins Heim organisieren, die Möbel für ihr neues Zuhause dorthin transportieren, Sachen ordnen, die alte Wohnung für die Übergabe vorbereiten.

Das alles haben wir geschafft. Der schwierigste Teil aber bestand darin, Klaras Mutter zunächst in die Kurzzeitpflege zu bringen, anschließend von dort wieder abzuholen und in ihr Zimmer im betreuten Wohnen zu bringen.

Klaras Mutter wohnte über 60 Jahre in ihrer Wohnung. Sie wollte nicht in ein Heim. Niemals. Dagegen hätte sie sich mit allen Mitteln gewehrt.

Wir haben es trotzdem geschafft. Wir konnten sie überreden.
„Bitte kümmert ihr euch darum“, hatte Lukas uns angefleht.
„Ich kann das nicht!“, sagte er noch.

Als wir es tatsächlich geschafft hatten, Klaras Mutter in ihrem neuen Zimmer unterzubringen und sie sogar einigermaßen zufrieden war, da haben wir freudig Lukas angerufen.

„Es ist vollbracht und sie ist sogar zufrieden mit ihrem Zimmer“, sagte ich zu Lukas und hatte auf ein kleines Dankeschön gehofft.
Stattdessen konnten wir ihm nur ein brummiges Räuspern entlocken.

„Hm“, das war alles, was er herausbrachte.
Mich brachte das auf die Palme, ja es gab mir einen Stich ins Herz.

Was hatte er erwartet? Dass seine Mutter Freudentänze in ihrem neuen Zuhause aufführte?

„Ist das alles, was du zu sagen hast?“, fragte ich ihn.

Ich war sauer und Lukas merkte es.
Wir beendeten das Telefongespräch, kurz und sachlich.

Ein paar Tage später ärgerte ich mich immer noch über Lukas Verhalten.

Aber ich entwickelte ein besseres Verständnis für seine Gefühlshaltung.

Künftig wollte ich nicht gleich reagieren, sondern abwarten und eine Situation suchen, in der man in Ruhe über die eigenen Befindlichkeiten und die Sicht des anderen darauf reden konnte.

Denn an einer Eskalation hatte niemand Interesse, schließlich ging es darum, sich mit vereinten Kräften weiter um Klaras und Lukas‘ Mutter zu kümmern.

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SO GEHT’S IN DEN HERBST

SCHREIB-ALLTAG-2021.09.17

MONTAGS: ‚ALLTÄGLICHES‘
DIENSTAGS: ‚MENSCHEN IM ALLTAG‘
MITTWOCHS: ‚SCHREIB-ALLTAG‘
DONNERSTAGS: ‚ANNA IST DEMENT‘
FREITAGS: ‚ANNA IST DEMENT‘
SAMSTAGS: ‚ANNA IST DEMENT‘
SONNTAGS: ‚ALLTÄGLICHES‘ (BIBEL)

Ich habe mich in der letzten Zeit ein bisschen mit dem Handwerkszeug des Schreibens beschäftigt, mir grundlegende Erkenntnisse ins Gedächtnis gerufen.

Zum Beispiel: Geistige Arbeit verlangt, methodisch zu denken, Zusammenhänge zu erkennen.

Oder: Indem ich mein Thema untergliedere, setze ich mich gleichzeitig intellektuell damit auseinander.

Und: Die Struktur gibt mir den Rahmen vor, wie ich den Text in eine passable Form bringen kann, so formuliere, dass es flüssig zu lesen ist.

Aber irgendwie bin ich nicht zufrieden mit mir. Wenn du lange nichts am Blog gemacht hast oder nur sporadisch zum Schreiben gekommen bist, dann drehen sich deine ‚Gedankenräder‘ trotzdem, und zwar ob du es willst oder auch nicht.

Selbst in der Zeit, als ich die vielen Treppen zur Wohnung von Klaras Mutter hoch und runtergehastet bin, außer Atem war, selbst da ging mir das Schreiben nicht aus dem Kopf.

Ich bin irgendwie unzufrieden mit mir.
Einerseits will ich den geschäftlichen Erfolg des Blogs vorantreiben, ja ich muss das tun, um Geld zu verdienen.

Das heißt, ich muss Kunden gewinnen – für ein Firmenporträt, Interviews führen, die Texte dazu schreiben und wieder von vorn beginnen.

Das ist sehr anstrengend, aber es macht auch sehr viel Spaß.

Warum?
Weil du unglaublich viele Menschen kennenlernst, die du wahrscheinlich ansonsten niemals getroffen hättest.

Und dann ist da noch die Frage, wie du deinen Blog mit Beiträgen füllst.

Ich schwanke oft hin- und her.
Einerseits denke ich, dass ich eher Texte schreibe, die unmittelbar aus dem Alltag sind und die ich aus meinen Beobachtungen heraus einfach aufschreibe.

Aber ist es das, was ich wirklich will?
Ja, irgendwie schon.

Und trotzdem reizt es mich auch, Geschichten zu erzählen. Die sind zwar fiktiv, aber sie haben stets einen realen Hintergrund, ja sind von meinen persönlichen Erlebnissen geprägt.

Ich muss mich entscheiden.

Also gehe ich wie folgt vor:
Montags schreibe ich über den Alltag – über Beobachtungen, Erlebnisse, was ich zum Beispiel im Fitness-Center erlebe.

Dienstags will ich mich ganz dem Thema „Menschen im Alltag“ widmen.
Hier sollen Interviews mit interessanten Unternehmerpersönlichkeiten erscheinen, aber auch mit ganz normalen Menschen, die etwas Interessantes zu erzählen haben.

Ich werde auch auf Interviews aus vergangenen Jahren hinweisen, schreiben, warum ich das Gespräch mit einem Menschen interessant fand.

Am Mittwoch schreibe ich über meinen „Schreib-Alltag“, was mich bewegt, was ich denke, warum ich gerade ein bestimmtes Thema ausgesucht habe.
Aber auch darüber, wie ich einzelne Figuren in meine Geschichte, ‚Anna ist dement‘ einführe. Welche Charaktereigenschaften ich ihnen zuschreibe.

Donnerstags, freitags und am Samstag will ich „Anna ist dement“ weiterschreiben.
Später soll eine weitere Geschichte hinzukommen.
Der Titel steht bereits fest: ‚Thure aus Schebsand‘.

Und am Sonntag? Da veröffentliche ich einen Spruch aus der Bibel.
Warum? Weil ich so viel Weisheit über meinen Alltag erfahren habe, dass ich einfach nicht mehr davonlassen kann.

Das ist der Plan, mal sehen, wie weit ich damit komme.
Weihnachten ziehe ich ein erstes Resümee.

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DEN MOMENT DES ALLTAGS GENIESSEN

ALLTÄGLICHES-2021.09.15
In den Tagen, als wir die Wohnung von Klaras Mutter ausräumten, überlegten, was mit soll in das Heim und was letztlich zurückbleibt, entsorgt werden muss, da wurde mir eines klar:

Das, was hier passiert, das kann auch dir passieren. Auch du kannst an Demenz erkranken und nicht mehr fähig sein, deinen Alltag allein und selbstständig zu bewältigen.

Wenn du in einer halb ausgeräumten Wohnung sitzt, in den Dokumenten blätterst, Fotoalben aufschlägst, dann zieht an deinem Auge unwillkürlich dein eigenes Leben vorbei.

Du stellst dir die Frage, ob du mit deinem Alltag zufrieden bist, was dein eigenes Leben eigentlich ausmacht.

Und schnell wird dir klar, dass es in der überwiegenden Mehrheit der Erinnerungen die kleinen Dinge sind, die dir im Gedächtnis haften bleiben und die darüber entscheiden, wie du dein eigenes Leben bewertest.

Ist es der 7er BMW, mit dem du so gern gefahren bist?
Vielleicht.

Aber siehst du ein Foto, auf dem dein Kind mit ihrem Großvater zu sehen ist und einen großen geangelten Fisch stolz in die Kamera zeigt, dann ist es eher das, was dir auch noch Jahre später ein Lächeln abringt.

Die wichtigste Schlussfolgerung, die ich für mich ziehe, ist, den Augenblick zu genießen, Lebensfreude in den kleinen Dingen des Alltags entdecken.

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SCHREIBEN ALS HANDWERK SEHEN – ÜBEN, SCHREIBEN, ÜBEN, SCHREIBEN, UND WIEDER VON VORN

SCHREIB-ALLTAG-2021.09.14

SCHREIB-ALLTAG - GEDANKEN UND ERKENNTNISSE: 
Gedanken ordnen, Stoff gliedern und in Form bringen.

Gedanken ordnen, Stoff gliedern und in Form bringen
Ich bin wieder mal für ein paar Tage nicht dazu gekommen, regelmäßig zu schreiben.

Ich merke das sofort, denn es fällt mir schwerer, zum Stift zu greifen oder die Tastatur zur Hand zu nehmen.

Deshalb rufe ich mir das in Erinnerung, was besonders wichtig ist:
Ich muss mich konzentrieren, und zwar auf das Wesentliche.

SCHREIB-ALLTAG

Klar, sagt da jeder, was auch sonst. Aber das eine ist es, das zu denken, etwas völlig anderes, danach zu schreiben.

Also fange ich damit an, die Gedankengänge zu ordnen, den Stoff zu gliedern, mich geistig mit meinem Thema intensiv zu beschäftigen.

Das gilt für meine Sachtexte, die Interviews und auch die fiktionalen Erzählungen, zum Beispiel bei ‚Anna ist dement‘.

So allmählich entwickelt sich daraus dann eine Idee, wo das Ganze eigentlich hinauflaufen soll und vor allem, wie ich es in eine bestimmte Form gieße.

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DIE SPRÜCHE SALOMOS – NOCH IMMER AKTUELL UND ALLTAGSTAUGLICH

ALLTÄGLICHES-2021.09.13

„Ein jeder hat zuerst in seiner Sache Recht; kommt aber der andere zu Wort, so findet sich’s.“
(Die Sprüche Salomos, 18,17)
Bibel

Es ist für mich immer wieder aufs Neue erstaunlich, wieviel Weisheit in der Bibel steckt.

Dabei könntest du denken, dass dies alles zwar einen kulturhistorischen Wert hat, aber mehr nicht.

Das Gegenteil ist der Fall, auch wenn die Formulierungen zunächst altbacken erscheinen.

Der Spruch Salomos, in dem es darum geht, dass erst Rede und Gegenrede dazu führen, sich der Wahrheit zu nähern und herauszufinden, wer eigentlich Recht hat.

Nicht selten liegt ja diese Wahrheit bekanntlich in der Mitte in der Auseinandersetzung mehrerer Diskussionspartner.

Wie oft geht es dir so, dass du dem einen Recht geben willst, wenn der seine Argumente zu einem strittigen Punkt vorgetragen hat.

Und dann hörst du die Gegenseite und findest, dass auch da einiges an Wahrheiten zutage kommt.

Mich erinnert dieser Spruch auch daran, nicht vorschnell von der Richtigkeit der eigenen Meinung überzeugt zu sein.

Du versuchst in so einer Situation überhaupt nicht mehr, auf weitere Argumente zu hören, du willst ja in solch einem Fall gar nicht wissen, ob es nicht doch noch andere Fakten gibt, die deine Sicht ins Wanken geraten lassen.

Wir vergessen eben allzu gern, dass Argumente, Wahrheiten stets subjektiv gebrochen werden, jeder die noch so objektiv erscheinenden Fakten subjektiv wahrnimmt, sie durch seine ‚persönliche Brille‘, sehen will.

Sich dessen bewusst zu sein, nicht vorschnell etwas auf einseitige Meinungen zu geben, dazu regt der Spruch Salomos an.

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IM FITNESS-STUDIO – GEDANKEN UND GEFÜHLE NEBENBEI AUFGESCHRIEBEN

ALLTÄGLICHES-2021.09.10

Wenn ich im JR-Studio im Prenzlauer Berg morgens trainiere, dann schreibe ich auf, was mir durch den Kopf geht, zwischendurch – und das spontan, nur so, um mich später daran zu erinnern; aber auch, damit ich nicht sofort ans nächste Gerät stürzen muss, einfach mehr Zeit zum Luftholen gewinne.
Klar, ich korrigiere am Schreibtisch noch ein wenig, vor allem Schreibfehler, aber mehr nicht. Es bleibt unstrukturiert, im Telegrammstil eben.

06.22 Uhr
Ich sitze auf der Bauchbank und habe erst eine Übung hinter mir.
Mir fehlt die Power. Mich hat gerade ein türkischer Trainingskollege angesprochen.

Ich verstehe ihn schlecht, wenn er spricht, aber mental verstehen wir uns dafür umso besser. Es ist immer schön, wenn dich morgens jemand grüsst, als wenn alle nur vor sich hintrainieren.

Drei Trainingseinheiten habe ich hinter mir: Bizepsmaschine und zweimal Bauchbank- einmal Oberkörper heben und dann die Beine freischwebend fünfzehnmal anheben. Das Ganze jeweils dreimal hintereinander.

Das kostet mich sehr viel Überwindung und tut in der Bauchgegend enorm weh. Das ist wahrscheinlich die Strafe dafür, dass es mit dem Bauch so weit gekommen ist.

Ich habe den Rückenstrecker hinter mir. Die Beine klemme ich dabei hinter zwei Rollen und dann beuge ich mich nach vorn, so weit wie nur möglich. Beim zweiten und dritten Mal nehme ich eine 10 kg Hantel vor die Brust.

Während ich das aufschreibe, geht mir durch den Kopf, was derjenige denkt, der das jetzt liest: ‚Der muss ja wie Schwarzenegger aussehen, so wie der trainiert.“

Naja, ich sehe eher aus wie einer, der nie so aussehen wird wie Schwarzenegger. Aber gut fühlen kannst du dich ja trotzdem danach.

07.31 Uhr
Ich habe neun Trainingseinheiten geschafft. Eine habe ich noch vor mir.

07.50 Uhr
Endlich, ich sitze draußen auf der Bank, vor dem JR-Studio. Es ist warm und ich beobachte Menschen, die zur Arbeit kommen.

Das ist für mich der schönste Moment. Die Quälerei ist vergessen und ich freue mich, dass ich es wieder mal geschafft habe.

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ORTHOPÄDIESCHUHTECHNIK BÜCH

FIRMENPORTRÄT-2021.09.09

Modernes Fachgeschäft + angeschlossene Werkstatt
Firmeninhaberin Ulrike Büch, Orthopädieschuhmachermeisterin seit 2012

Kontakt:
Berliner Straße 52
16321 Bernau
Telefon: 03338-70 57 377
Telefax: 03338-70 57 378
E-Mail: ost-buech@web.de
Homepage: www.ost-buech.de

Öffnungszeiten:
Montag + Dienstag: 09.00-13.00 und 14.00 – 18.00 Uhr
Mittwoch: 09.00-13.00
Donnerstag: 14.00-20.00
Freitag: 09.00-13.00

Der Markenkern:
Individuelle Beratung, eingehende Besprechung der Kundenwünsche, auf den Kunden zugeschnittenen individueller Service.

Die Philosophie von Ulrike Büch: Die eigenen Werte zu 100% leben.
Dabei ist ‚Weniger mehr‘.

Wie sich Ulrike Büch selbst beschreibt: „hilfsbereit, zielstrebig, fleißig, qualitätsbewusst.“

„Dem Kunden ein Lächeln ins Gesicht zaubern“, weil er zufrieden mit unserer Arbeit ist und wir alles gegeben haben – Leidenschaft, Herz, Fachwissen.“

Mehr zum Leistungsportfolio: www.ost-buech.de

Wir suchen dich!
Hast du Lust, zu uns ins Team zu kommen?
Wir sind jung, ein bisschen verrückt und wir arbeiten hart.
Und: Wir haben verdammt viel Spaß an dem, was wir tun, nämlich unsere Kundinnen und Kunden glücklich zu machen.

Was solltest du mitbringen?
Einen Nachweis über eine abgeschlossene Lehre zur Orthopädieschuhmachergesellin, zum Orthopädieschuhmachergesellen.
Oder:
Die Bereitschaft, dich hier von uns vor Ort ausbilden zu lassen.
Wir freuen uns auf dich. Melde dich einfach bei uns – per Telefon oder per E-Mail oder komm‘ einfach vorbei.

Zum Interview mit Ulrike Büch: https://uwemuellererzaehlt.de/2021/09/09/menschen-im-alltag-2021-09-09/

 

KLARAS MUTTER GEHT INS HEIM

ALLTÄGLICHES-2021.09.08
Wir hatten lange damit gewartet, Klaras Mutter im ‚Betreuten Wohnen‘ anzumelden. Wir wollten, dass sie möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden bleiben konnte, in der Wohnung, in der sie die letzten sechs Jahrzehnte verbracht hatte.

Es war still in der Wohnung von Klaras Mutter. Alle waren angespannt- denn an dem Tag war es so weit. Die Umzugsfirma würde in wenigen Augenblicken eintreffen und die Möbel heraustragen, die mit ins ‚Betreute Wohnen‘ gehen sollten.

Das dunkle Wetter passte zur Stimmung, die alle befallen hatte.
Keiner sprach es aus und doch lag allen die eine Frage auf den Lippen: Sollte es das für Klaras Mutter gewesen sein, musste sie wirklich die Wohnung aufgeben, in der sie über 60 Jahre gewohnt und gelebt hatte?

„Sie müssen etwas tun, Ihre Mutter kann nicht mehr alleine bleiben“, hatte die Pflegedienstleitung Klara unlängst auf die Situation aufmerksam gemacht.

„Wir können es nicht mehr verantworten, dass Ihre Mutter hier in der Wohnung einzig auf sich gestellt ist“, sagte die Schwester am Telefon.

Im Grunde genommen war es allen klar, dass dieser Tag nicht mehr weit entfernt war, wo Klaras Mutter eine Betreuung rund um die Uhr brauchte.

Dabei hatten alle etwas getan, damit es noch möglichst lange funktionieren würde. Klara kümmerte sich um die organisatorischen Dinge, rief jeden Abend ihre Mutter an. Lukas besuchte täglich seine Mutter, ging einkaufen, brachte den Müll runter und machte sauber.

Aber es half nicht. Klaras Mutter wollte die Wohnung nicht mehr verlassen, verwechselte die Tages- mit der Nachtzeit, wollte nur noch im Bett liegen.

„Wir können nicht anders, Mutti muss rund um die Uhr betreut werden“, sagte Klara seufzend zu mir.

Es war nicht einfach gewesen, einen guten Platz zu bekommen. Immer mehr Angehörige bewarben sich darum, ihre Mutter oder ihren Vater unterzubringen, weil sie dement waren und nicht mehr allein zuhause zurechtkamen.

Klara fuhr zu ihrer Mutter, sprach mit Heimen und Betreuungseinrichtungen.

Es war anstrengend und nervenaufreibend, doch es hatte sich gelohnt.

Ich konnte gar nicht mehr zählen, wie oft Klara in ihre Heimatstadt gefahren war, um sich um ihre Mutter zu kümmern und zugleich mit den Verantwortlichen von Pflegeeinrichtungen zu sprechen.
Aber dann hatten wir Erfolg.

„Wir können Ihnen ein Zimmer bei uns im ‚Betreuten Wohnen‘ anbieten“, sagte eine Mitarbeiterin zu Klara am Telefon, als sie gerade mal einen Tag zurück war.

Ich half Klara dabei, die schriftlichen Dinge zu erledigen – Anträge schreiben, Pflegebett ordern, mit der neuen Hausverwaltung über den Mietvertrag sprechen.

Ich habe schon so oft über die Arbeit von Pflegedienstinhabern geschrieben, hatte mit ihnen in den vergangenen Jahren unzählige Interviews geführt, wollte erfahren, was es bedeutete, an Demenz erkrankte Menschen zu betreuen und zu pflegen. Aber das eine war die Erzählung, quasi die Theorie.

Und das andere war die Realität, die unbarmherzig nach Lösungen verlangte, nach Einsatz, neben der Arbeit und den eigenen Sorgen im Alltag.

Ich hätte nie gedacht, was es für eine Kraftanstrengung bedeutete, dies alles hautnah mitzuerleben, und was es hieß, einen Menschen ins Heim zu bringen.

Fortsetzung:
Klaras Mutter geht in die Kurzzeitpflege und das Zimmer im Betreuten Wohnen muss für ihren Einzug vorbereitet werden.

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DER ALLTAG HAT MICH WIEDER – SO LANGSAM JEDENFALLS

ALLTÄGLICHES-2021.09.07
Den Tag wertschätzen, erst recht, wenn du keinen Urlaub hast oder gerade Sonntag ist.

Eigentlich wollte ich heute noch gar nicht ins Fitness-Center fahren.
Aber Klara bestand darauf, dass ich mitkam.

„Wer weiß, wie lange der Streik der GDL noch andauert“, sagte sie zu mir am Abend zuvor.

„Der ist morgen, gegen 02.00 Uhr Geschichte“, habe ich geantwortet.

Aber ich wusste natürlich, dass es trotzdem voll würde, in den Vorortzügen und in der S-Bahn.

Also habe ich mich aufgerafft, mit Klara gemeinsam in die Stadt zu fahren, sie zur Arbeit und ich zum Sport.

Kurz bevor der Wecker klingelte, bin ich aufgewacht und habe auf die Uhr geschaut, in der Hoffnung, ich hätte vielleicht noch zwei Stunden, gut, wenigstens eine oder auch nur eine halbe Stunde.

Ich tastete nach dem iPhone, machte die App mit der Uhr auf und siehe da, es war 03.44 Uhr. Eine Minute, bis der Wecker anschlug.

Ich schaltete ihn aus, bevor das dämliche Grillengeräusch anfing, mich zu nerven. Der Alltag streckte seine eiserne Hand nach mir aus.

Es waren nun schon vier Wochen vergangen, seitdem der Urlaub begonnen hatte.

Aber die letzten zehn Tage hatte an der Ostsee nichts damit zu tun, sich zu erholen, am Strand zu liegen und zuzuschauen, wie Krümel den Möwen hinterherjagte.

Wir hatten Klaras Mutter ins ‚Betreute Wohnen‘ gebracht. Es war wahnsinnig anstrengend gewesen, physisch, aber vor allem psychisch.

Aber daran wollte ich in dem Moment nicht denken, während ich mich nach dem Training auf einer Bank vor dem Studio ausruhte und die Wasserflasche leerte.

Es war der schönste Teil am ganzen Sport. Ich hatte es langsam angehen lassen und mich nur auf zehn Geräte konzentriert. Ich wollte mich nicht gleich am ersten Tag übernehmen, obwohl diese Gefahr im Grunde genommen zu keiner Zeit bestand.

Wenn du längere Zeit irgendwo nicht warst, dann gibt es meist Neuigkeiten.

Bei mir war es so, dass ich mit der Karte nicht durch die Sperre an der Eingangstür kam.

„Du musst noch einmal deinen Impfausweis vorzeigen und nachweisen, dass du zweimal geimpft bist“, sagte eine junge Frau, die an mir vorbeistürmte.

Ich bedankte mich und nahm eine Ersatzkarte.
Aber wann kam die Mitarbeiterin? Sicher nicht vor acht.
Ich schaute auf die Uhr, es war kurz vor sechs.

So lange wollte ich dann doch nicht bleiben, an meinem ersten Tag.
Und nun saß ich schon wieder draußen, auf dem Hof, genau zwischen dem Fitness-Studio und dem ‚Backhaus‘, wie das rote Gebäude hinter mir hieß.

Ich setzte die 1,5 Liter Wasserflasche an und beobachtete die Gegend.

Auf der gegenüberliegenden Seite öffnete ein Taxifahrer seine vordere Wagentür und wollte gerade einsteigen. Da kamen drei junge Leute auf ihn zu und schon hatte er die ersten Fahrgäste. Ich erkannte den Fahrer.

Er war ebenfalls jeden Morgen im Studio und quälte sich auf dem Laufband.
‚Nicht schlecht, vom Sport direkt zum Geschäft‘, dachte ich.
Von der anderen Seite näherte sich ein Mann.

Er hielt in der einen Hand einen Besen und in der anderen war eine blaue Tüte. Der Hausmeister aus dem ‚Backhaus‘.

Er machte vor einem Papierkorb halt und kippte dessen Inhalt in den Sack.

„Schon so fleißig?“, fragte ich. Ich wollte höflich sein, schließlich stand er nun direkt vor mir.

„Muss ja!“, sagte der knapp.
„Und Sie, haben Sie Sport gemacht?“, fragte er mich.

„Naja, ich habe heute wieder angefangen, nachdem ich vier Wochen ausgesetzt habe“, entgegnete ich.

„Sind Sie jeden Morgen hier?“, fragte er mich.
„Du kannst mich duzen, und ja, ich bin jeden Morgen hier, in der Regel“, antwortete ich.

„In dem Alter muss man was machen, sonst kommst du nicht mehr hoch“, schob ich noch nach.

„Wie alt bist du denn?“, fragte er mich.

„Gerade 69 geworden.“
„Donnerwetter. Dafür siehst du aber gut aus“, stieß er hervor.
Es klang ehrlich.

Mal abgesehen davon, dass ich es lieber hätte, dass eine Frau so etwas zu mir sagte, aber ich freute mich trotzdem.

„Weißt du, am älter werden ist fast alles Mist. Aber du lernst es, deine verbleibende Zeit mehr zu wertschätzen.“

„‘Det glob‘ ich“, verfiel der Hausmeister ins Berlinern.
„Du versuchst nicht laufend, dir ein anderes Leben zu wünschen, sondern du machst das Beste aus dem, was du hast.

Außerdem: Es kann immer anders werden, aber besser wird das Andere oft auch nicht. Deshalb strenge ich mich mehr an, dass gut zu finden, was vor mir ist. Und das macht dich schon ein wenig glücklicher.“

„Ja, da ist viel dran“, sagte er.
„Bist du Morgen wieder hier?“, fragte er noch.
„Ja, wahrscheinlich“, antwortete ich.

Wir verabschiedeten uns. Er leerte den nächsten Papierkorb aus und ich strebte der Tür entgegen, hinter der es zur Tiefgarage ging.

Ich hatte den Eindruck, dass wir beide bessere Laune hatten und es nicht schlecht fanden, was wir gerade taten, er weiter saubermachen und ich nach Hause fahren, an meinen Schreibtisch.

Eigentlich ist das Leben schön, dachte ich, als ich aus der Garage heraussteuerte, das Parkticket festgeklebt auf meinen Lippen.

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IM SCHREIB-ALLTAG SEIN HANDWERK BEHERRSCHEN

2021.08.26-SCHREIB-ALLTAG

Es gibt in der Technik des Schreibens Eckpfeiler, die man stets beachten sollte. Dazu gehören: die richtigen Informationen und Notizen auszuwählen, sie zu gliedern und schließlich daraus ein Thema strukturiert zu entwickeln.

Lässt du dieses Handwerkszeug außer Acht, um vermeintlich schneller und bequemer ans Ziel zu kommen, so machst du letztlich Umwege und verstrickst dich in einer Vielzahl von Verästelungen.

Selbst wenn ich Themen des Alltags wähle, so will der Leser ja nicht von meinen hin- und herspringenden Gedanken gefesselt oder besser verwirrt werden.

Nein, er will, dass ich einen Gedankengang nach dem anderen entwickle.

Nur so kann ich die Botschaften verständlich transportieren, in die Worte gießen, die mir wichtig sind.

Im Urlaub habe ich kürzlich meiner Enkelin morgens nach dem Frühstück kleinere Geschichten erzählt.

Und obwohl ich das frei formulierte, habe ich dabei fieberhaft überlegt, was zuerst gesagt werden sollte, was danach kommen könnte, kurzum, wie die Geschichte gegliedert und aufgebaut werden musste.

Und wenn Krümel dazu meine linken Zeigefinger mit ihrer kleinen Hand fast zerquetschte, dann wusste ich, dass ich es geschafft hatte, nämlich sie zu fesseln.

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URLAUB, INSEL RÜGEN, FREIHEIT

ALLTÄGLICHES-2021.08.15

Urlaub ist nichts Anderes, als kleine Dinge im Alltag intensiver wahrzunehmen, an einem anderen Ort, in lockerem mentalen Zustand, mit einem Gefühl, dass du es gerne tust.

Wann wachst du schon  mal morgens auf und musst nicht sofort wissen, was du an dem Tag tun willst. Das nenne ich Urlaub, auch wenn die Disziplin auf der Strecke bleibt. Ich haue beim Essen über die Stränge, habe bisher noch keinen Sport gemacht, bin faul und träge. Es sei denn, ich laufe zum Imbissstand.

Samstag, Krümel ist mit ihrer Mama in den Dinosaurier-Park in der Nähe von Bobbin gefahren. Ich habe sie dort mit ‚Jeepy‘, Krümels Lieblingsauto hingebracht.

Es war komisch, als ich durch das Tor des Parks fuhr. Die verrosteten Gitterstangen sahen aus, als wären sie in den letzten 40 Jahren nicht ausgewechselt worden. Ich hab nämlich zu dieser Zeit eine sogenannte ‚Kartoffeleinheit‘ von 400 Mann angeführt. Wir haben Kartoffeln für Russland verladen, weil die dort mal wieder knapp waren.

Aber das ist lange her. Heute stehen dort die ‚Dinos‘, die verrückteste und spannendste Welt für Krümel. Ich bin umgekehrt und zurück in die Ferienwohnung gefahren, um diesen Bericht in den Blog zu tippen. Ich will mich wenigstens in dieser Hinsicht fit halten.

Ein Tag zuvor, Freitag, der Blick von der nördlichsten Spitze auf Rügen über die Ostsee. Das Wasser glitzerte in der Sonne, es roch nach Meer und Seetank.

Krümel war mal wieder ganz unten, auf den  Steinen  vor dem Wasser. Man bekommt Angst, wenn man sieht, wie furchtlos sie dort umherspringt. Aber wir bleiben  vorsichtig und holen sie von dort weg.

Und wieder gestern, abends, Hanse Sail im Hafen: Viele Menschen, schöne Musik.

Krümel und ich schauen uns die Boote von der Wasserschutzpolizei an.

Es war aufregend  für Krümel, aber für mich auch.

DER ERSTE RICHTIGE URLAUBSTAG NACH DER ANREISE

Am ersten Tag, dem der Anreise, bist du kaputt, möchtest nur noch liegen oder im Sessel sitzen und nichts mehr sagen.

Aber das geht natürlich nicht, wenn Krümel mit in der Ferienwohnung ist.

„Opa, wann kommst du spielen?“, fragt sie, kaum nachdem wir die Sachen einigermaßen verstaut hatten.

Also habe ich mich auf den Fussboden begeben, das Feuerwehrauto ausgepackt, den Polizeiwagen mit der Sirene und viele der anderen kleineren Autos. Nicht zu vergessen den Hubschrauber, der nur noch einen Flügel hat, was aber keinen von uns störte.

Dann haben wir die Sirene vom Polizeiauto angestellt und so laut gespielt, dass wir von Krümels Mama zur Ordnung gerufen werden mussten.

Am nächsten Morgen dann sind wir gleich ans Wasser gefahren.

Der Strand war nahezu menschenleer. Ein Traum.

Wir bauten unseren Sichtschutz unmittelbar vor dem Meer auf, sodass es Krümel nicht weit bis ins Wasser hatte.

„Ist das nicht herrlich?“, rief ich Karsta zu, während ich mit Schwung die Stangen in den Ostseestrand rammte.

Ich legte mich danach auf ein Laken, fest entschlossen, nicht so schnell wieder aufzustehen. Ich nahm mein Buch zur Hand und fand, dass diese paradiesische Zustände wären.

Bis zu dem Zeitpunkt, als direkt neben uns eine größere Gruppe ihr Domizil aufschlug, laut diskutierend und sehr gestenreich. Es war eine  Familie aus Sachsen, wie unverkennbar zu hören war. Der Vater schritt wichtig durch den Sand, das Handy am Ohr und sagte: „Nu, das könn‘ mä doch näschte Woche kläären.“

Dafür war ich auch. Aber es zog keine Ruhe ein. Die Jungen holten einen Ball raus und spielten aus Rücksicht ihren Eltern gegenüber in einigermaßen sicheren Abstand von ihnen. Also direkt neben unserem Sichtschutz. Ich hörte nur, wie ihre  Füsse gegen den Ball knallten und anschließend gegen die Wand unseres Sichtschutzes. Ich schnellte sofort hoch,  obwohl ich mir geschworen hatte, liegenzubleiben.

„Tschuldigung“, riefen sie zu mir.

„Nicht so schlimm“, log ich.

Ich ging runter zum Wasser und schmiss mich todesmutig in das viel zu kalte Naß.

„Opa, ich komme“, rief Krümel und zog in Windeseile ihre Sachen aus.

Ach irgendwie war es doch schön und vielleicht sollte auch alles so sein, redete ich mir ein.

Der Aufenthalt war noch  schön, eine  Stunde jedenfalls, bis die ersten Tropfen vom Himmel  fielen.

DAS BESTE AM GEBURTSTAG IST DER TAG DANACH

ALLTÄGLICHES-2021.08.07

Mir war wichtig, dass ich den Tag wie immer begann- mit dem Training im Fitness-Studio. Also bin ich wie immer früh aufgestanden, um rechtzeitig dort zu sein. Es war morgens gegen vier Uhr, als ich losfuhr. Die Strassen waren menschenleer. Man merkte, dass es nicht mehr der Monat Juli war. Die Sonne ließ noch auf sich warten und die Temperaturen waren nicht nur angenehm, sie waren auch kühl.

Ich absolvierte mein Training und setzte mich danach auf die Bank vor dem Studio. Ein Hausmeister fegte den Platz und ich sprach ihn einfach an.

„Das ist das Schönste für mich, nach dem Training hier zu sitzen.“

„Der Hausmeister guckte mich an, stützte sich auf seinen Besen und sagte: “ ‚Det glob ick‘.“

Wir kamen schnell ins Gespräch.

„Ich bin heute 69 Jahre alt geworden“, sagte ich zu ihm und hätte mir anschließend am liebsten auf die Zunge gebissen. Was interessierte ihn das.

„Ick bin 59 Jahre alt“, sagte er. Zehn Jahre jünger also. Doch er sah aus, als hätte er aber auch schon mein Alter erreicht. Das allerdings sagte ich ihm nicht.

Wir verabschiedeten uns.

„Vielleicht trifft man sich ja mal wieder“, sagte er noch und ich nickte.

Zuhause angekommen hatte Klara alles vorbereitet – das Frühstück war fertig und der Geburtstagstisch war auch gedeckt.

Ich freute mich riesig. Es lagen lauter Dinge darauf, die ich ausgesprochen gern mochte – zwei Bücher, eins von Robin Alexander, dem Polit-Journalisten und ein weiteres von John Grisham, einem meiner Lieblingsschriftsteller.

Ausserdem hatte Klara mir ein paar Notizbücher geschenkt und einen Kalender.

„Ich habe es satt, nur ins iPhone zu schreiben oder auf der Tastatur des iPads herumzuhacken“, hatte ich ihr mal vor Wochen gesagt.

Sie hatte geschwiegen, aber natürlich alles gespeichert.

Die Hefte mussten teuer gewesen sein. Klara wusste, dass ich entweder Zettel übereinander klebte und darauf mit dem Füller herumkritzelte oder aber wirklich hochwertiges Papier liebte, das zudem noch in einer guten Hülle steckte.

Wir hatten außerdem unseren Hochzeitagstag und wie immer war ich in der Verlegenheit, etwas zu schenken, was Klara auch gefiel.

Kleidung? Keine Chance, sie war entweder zu klein oder zu groß oder die Farben und der Zuschnitt passte nicht. Außerdem war ich froh, dass ich nach Jahren mir den Begriff ‚Blazer‘ eingeprägt hatte.

Blumen sollte ich auch nicht kaufen, weil wir ja in den Urlaub fuhren.

Es blieb nur bei Kleinigkeiten, zu denen sie sich aber auch freute.

„Wir sind immer noch ein gutes Team“, sagte ich zu ihr und drückte ihr einen Kuß auf die Wange.“

Dabei liebte ich sie immer noch, wüsste nicht, wie ich ohne sie  leben konnte. Wir regten uns auf, hatten zu vielen Dingen verschiedene Ansichten. Ich war der Theoretiker, der Träumer, sie die Pragmatische und zusammen eben dieses Dreamteam, das sich auch noch nach so langer Zeit so innig liebte.

Vormittags fuhr ich das Auto in die Waschanlage. Ich fuhr dazu zwei Dörfer weiter, weil es dort so ruhig war. Hinter Anlage kamen gleich Felder und Wiesen, auf denen du das satte Grün betrachten und riechen konntest. Manchmal kam auch ein Pferd den Hang hinunter und fraß das Gras, das dort wucherte.

Später überprüfte ich noch die Luft auf den  Reifen. Als ich damit fertig war, fuhr ich fröhlich nach Hause. Unterwegs ging  ein Warnsignal an – ‚zu geringer Luftdruck‘.

Ich fluchte, fuhr zurück und überprüfte das Ganze noch einmal. Wieder war ich fertig, stieg ins Auto machte mich auf den  Rückweg. Das Display zeigte wieder die Warnung an.

Aber ich fuhr nach Hause, denn Klara wartete mit dem Mittagessen.

„Ich muss noch mal los und den Luftdruck erneut überprüfen. Ich will nicht, dass der Luftdruck nicht stimmt, wenn Krümel am Sonntag mit im Auto sitzt und wir an die Ostsee fahren“, sagte ich zu Klara.

Klara kam nach dem Essen mit, sie wollte noch ein Brot im Supermarkt holen.

Jetzt schaute sie im Wageninneren auf das Display und ich pumpte den jeweiligen Reifen auf. Wenn ich mit dem einen fertig war, dann zeigte der andere wieder zu niedrigen Luftdruck. Ich schwitzte, die Hände waren dreckig, die Sonnte brannte sich auf meinem gebeugten Rücken ein.

Endlich, wir hatten den Luftdruck so, dass auf den rechten Reifen ein  Druck von 2,4 bar war und auf den linken 2,5 bar.

„Ich lass das jetzt so“, sagte ich erschöpfte. Ich holte die Sprühflasche  mit dem Glasreiniger aus dem Heck und drückte auf den Knopf. Es kam nichts, nur ein paar Tropfen. Ich wischte mir die Hände kurzerhand an der Hose ab. Klara wollte sie ohnehin in die Wäsche tun.

„Hast du dir die dreckigen Hände an deiner Hose abgewischt?“, fragte sie. Sie stand hinter mir, so urplötzlich.

„Nein, nur die sauberen, aber noch feuchten Finger“, antwortete ich schnell, ohne mich auf weitere Diskussionen einzulassen.

Wir stiegen ins Auto, fuhren noch zum Supermarkt, ich schwitzte auf dem Parkplatz noch ein bisschen in der Sonne, während Klara das Brot holte und schließlich begaben wir uns nach Hause.

Als alles ausgepackt war, öffnete ich eine Flasche Sekt, Klara bereitete frische Erdbeeren zu und ich trank anschließend den Sekt fast alleine aus.

Auf unserem Programm stand die Netlix-Serie ‚Krieg und Frieden‘.

Liebe, nochmal Liebe und ein bisschen Krieg.

Als ich vor dem Fernseher einschlief, da weckte mich Klara erst, als wir ins Bett wollten.

Soviel zu meinem Geburtstag und dem Hochzeitstag. Wir hatten schon heftiger gefeiert.

Aber am nächsten Tag wurde es schön. Wir aßen in Ruhe, ich erläuterte Klara kurz die neuesten Corona-Regeln und hörte aber damit auf, als Klara begann, die Augen zu verdrehen.

Später konnte ich an meinen Schreibtisch, in den Notizbüchern blättern, den Kalender ausfüllen, der von Juli bis Juli lief und in den beiden Büchern lesen. Es war herrlich. Schön, das alles vorbei war und der Alltag mich wieder hatte, auch wenn es ein Samstag war.

DIE MEISTERHAFTE BESCHREIBUNG VON DETAILS DURCH DIE SCHRIFTSTELLERIN ALICE MUNRO

ALLTÄGLICHES-2021.08.06

Manchmal gefällt dir der Film besser als das Buch, das ihm zugrunde liegt.

Aber die Beschreibungen von Alice Munro sind so präzise, dass es schwer ist, sie im Film nachzustellen.

Ich schreibe jeden Tag eine halbe Seite aus einem Buch ab und formuliere diese Sätze danach um.

Es ist ein Schreibtraining, das ich mir über Jahre angewöhnt habe.
Oft sehe ich erst dann, wieviel der Autor sich um die Satzkonstruktionen, die Formulierungen gemacht hat.

Ich greife besonders gern auf die Kurzgeschichten von Alice Munro zurück. Mich begeistert, wie sorgfältig die kanadische Schriftstellerin Details beschreibt. Das ist schon großes Kino.

Gerade lese ich die Geschichte ‚Der Bär klettert über den Berg‘ von ihr. (1)

Der Inhalt ist schnell erzählt. Fiona erkrankt an Demenz, geht ins Heim und Grant, ihr Mann, besucht sie dort.

Grant ist jahrelang fremdgegangen, mit Studentinnen, die er unterrichtet hat.

Nun muss er miterleben, wie sich seine Frau im Heim zu Aubrey, einem anderen Mann hingezogen fühlt.

Die schleichende Demenzerkrankung und die Liebelei von Fiona mit Aubrey stürzt ihn in eine Sinnkrise.

Er geht zu der Ehefrau von Aubrey, um zu ergründen, wie sie mit der neuen Liebe ihres Mannes klarkommt.

Aubreys Frau sagt, dass sie in der Küche bleiben müssten. Trotzdem versucht Grant einen kurzen Blick ins Wohnzimmer zu bekommen.

Ich habe diese Szene im Film „An deiner Seite gesehen“.
Die Kamera erfasst die Einrichtung des Wohnzimmers. Du registrierst es, aber es ist eher langweilig.

Und jetzt die Beschreibung von Alice Munro:
„Sie führte ihn am Durchgang zum Wohnzimmer vorbei und sagte: Wir müssen uns in die Küche setzen, wo ich Aubrey hören kann. Grant erhaschte einen Blick auf zwei Schichten Wohnzimmergardinen, beide blau, die eine aus hauchdünnem, die andere aus seidigem Stoff, auf ein Sofa in passendem Blau, auf einen abschreckend bleichen Teppichboden, auf diverse blinkende Spiegel und anderen Zierrat.“ (2)

Sicher: Man kann hier beides nicht direkt miteinander vergleichen. Aber mir gefällt die Beschreibung der Szene im Buch besser, detaillierter, einfach anschaulicher.

Dabei hatte ich mich so auf die Verfilmung gefreut. Meine Frau sagte zu mir hinterher: „Das ist immer so, wenn du das Buch kennst.“

Das ist was dran.

(1)
Alice Munro „Ferne Verabredungen“, Fischer Verlag GmbH, 2016, S.169 ff
(2)
Ebenda, S. 218

WAS GLÜCK IM ALLTAG IST – DARÜBER KÖNNEN DIE MEINUNGEN SCHON AUSEINANDERGEHEN

ALLTÄGLICHES-2021.08.04

‚Mein Haus, mein Pferd, mein Auto‘ – manchmal denkst du, dass dies nur übertriebene Werbung sein kann, dass es so etwas nicht gibt, schon gar nicht unter Menschen, die du geglaubt hast, zu kennen.

Das Telefon klingelte. Ich war nicht gewillt, mich jetzt von einem Anrufer ablenken zu lassen.

Trotzdem war ich neugierig und schaute deshalb auf das Display. Es war eine Nummer von der Ostsee.

War etwas passiert mit Klaras Mutter, rief die Einrichtung des Betreuten Wohnens an?

Das konnte nicht sein, denn die Vorwahl war eine andere.
Ich war neugierig geworden und drückte auf die grüne Taste des Telefons.

„Hallo Uwe, hier ist der Dieter“, ertönte eine sonore Stimme

„Dieter, welcher Dieter?“ Ich wusste nicht, wer das sein sollte.

Plötzlich schoss es mir durch den Kopf. Die wohlgesetzte Betonung der deutlich artikulierten Worte, das richtige Einhalten von Pausen. Das konnte nur einer sein.

„Bist du es Dieter, der jetzt an der Ostsee wohnt?“
Ich kam mir blöd vor, so zu fragen, aber Dieter verstand mich.
„Ja, der bin ich.“

Ich hatte Dieter bestimmt zehn Jahre nicht gesehen und nichts gehört von ihm.

Wir waren damals befreundet, hatten gemeinsame Coachingsseminare abgehalten.

Dieter wollte in der Zeit unbedingt eine Immobilie erwerben, zur Kapitalanlage, und ich sollte ihm dabei helfen.
Und zwar dort, wo ich wohnte.

Ich hatte gar keine Lust dazu, weil ich wusste, was es bedeutete, Dieter zu helfen.

Er war anspruchsvoll, verliebt in Details und konnte dich damit nerven.

Trotzdem, ich half ihm, lud sogar den Bauträger zum Abendessen ein, um über den Verkaufspreis zu verhandeln und einen ordentlichen Rabatt zu erkämpfen.

Das alles ist mir gelungen und ich war mächtig stolz darauf, dass ich meinem Freund helfen konnte.

Die Jahre vergingen, wir verloren uns aus den Augen.
Zwischendurch rief Dieter mich noch einmal an.
„Ich habe mir noch eine Eigentumswohnung an der Ostsee gekauft, in die ich auch selbst eingezogen bin“, sagte er zu mir und erwartete mein Staunen.

„Wow!“, stieß ich aus, mehr pflichtgemäß, weil ich wusste, dass Dieter das von mir erwartete

„Dieser freie Blick auf das Wasser, du glaubst nicht, wie phantastisch das ist“, schob er noch nach.

Er wollte, dass ich erneut meine Wertschätzung für so viel Glück ausdrückte.

Doch ich hatte nicht mehr die Nerven an diesem Tag, vor vielen Jahren, denn ich war gerade nach Hause gekommen, nach einem zwölf Stunden Tag, vollgestopft mit Meetings und teils nutzlosen, aber nervenaufreibenden Diskussionen über die richtige Strategie in der Steuerung eines internationalen Projektes.

Dieter sagte mir noch, dass er sich nun auf die Rente vorbereiten würde. Er wollte sich ein ganzes Netzwerk aus Kunden erarbeiten, die er dann später coachen wollte.

Wie gesagt, das ist lange her und die Jahre waren vergangen.
Ich hörte nichts mehr von Dieter.

Bis auf den Anruf in der vergangenen Woche.
„Ich habe das Haus verkauft und wollte dir das nur mitteilen“, sagte er.

„Donnerwetter, gratuliere! Für wieviel hast du es denn verkauft?“, fragte ich ihn.

„Darüber möchte ich nicht sprechen.“

„Aber ich habe dir doch geholfen, die Immobilie für einen ordentlichen Preis zu erwerben, da wäre es schon interessant, den Verkaufserlös zu erfahren“, ließ ich nicht locker.

„Bitte versteh`, wenn ich darüber nicht reden möchte“, sagte er.
Ich verstand es nicht, bohrte aber nicht weiter nach.

„Und, wie geht es dir sonst?“, lenkte ich das Gespräch in eine andere Richtung.

„Ach, ich habe meine Wohnung an der Ostsee auch verkauft und mir ein lebenslanges Wohnrecht gesichert.“

„Donnerwetter, musstest du ein zusätzliches Bankkonto eröffnen oder einen zusätzlichen Safe anmieten?“, versuchte ich zu scherzen.
Aber Dieter scherzte nicht.

Nicht, wenn es darum ging, seine großartigen Erfolge kundzutun.
Er sprach dann ganz besonders ausdrucksvoll, bedacht auf die Wirkung jedes einzelnen Wortes.

„Nein, stell‘ dir nur einmal den Blick auf die Ostsee vor. Kannst du dir ihn vorstellen?“

Ich merkte, wie in mir langsam Puls anschwoll.

„Dieter, möglicherweise ist dir entgangen, dass ich mich in meiner Zeit nach dem Abitur im ersten Studium mit dem Fach Schiffsmaschinenbetrieb beschäftigt habe und zur See gefahren bin. Also auch, wenn ich oft im Maschinenraum war, so bin ich doch ab und zu an Deck gegangen, um auf das weite Meer zu schauen.“

„Ja, natürlich“, entgegnete er, obwohl er das nun gar nicht von mir hören wollte.

Dieter wollte einfach nur, dass ich staunte, selbst nach so vielen Jahren.

„Was machst du denn jetzt? Wenn ich das noch richtig in Erinnerung habe, so wolltest du doch jetzt richtig Geld verdienen, mit dem Coaching loslegen, oder?“.

Ich wollte Dieter herauslocken und sehen, ob er sich selbst gegenüber Wort gehalten hatte.

„Nein, ich muss doch nun meine Hobbies ausleben.“
„Was meinst du?“

„Nun, ich schwebe mit meinem Mercedes über die Autobahn und genieße es, diesen Luxus zu haben.“

„Hm“, gab ich von mir.
„Und dann war ich erst kürzlich mit einem Wohnmobil im Urlaub. Einem Mercedes-Wohnwagen.

Du glaubst nicht, was das für einen Spaß gemacht hat. Allein, die Dusche, getrenntes WC, einfach Luxus pur.“

Warum erzählte Dieter mir das alles?
Glaubte er, ich würde ihm dieses Leben neiden oder vielleicht traurig sein, weil ich nicht mit einem Luxus-Wohnmobil in den Urlaub fuhr?

„Dieter, wer wird da nicht schwach, wenn er solche Möglichkeiten hat. Aber was ist mit deiner Familie? Hast du geheiratet, oder bist du mit jemandem zusammen?“

Dieter antwortete nicht, er ging darauf nicht ein.

Ich wusste, dass er stets davon gesprochen hatte, die einzig Richtige für sich zu finden und dafür zu warten.

Doch offensichtlich hatte das nicht geklappt.
Das alles war nicht schlimm, schließlich war es sein Leben.

Aber warum schob er seine vermeintlichen materiellen Vorteile so in den Vordergrund?

Ich würde es nicht klären können, und ich wollte das auch nicht.

Wir sprachen noch kurze Zeit über Belangloses und verabschiedeten uns dann.

Ich wollte ihm noch sagen, dass ich ziemlich glücklich war mit dem, was ich hatte.
Wie ich mich zu Krümel freute, wie Klara und ich gern an die Ostsee fuhren, unser beider Heimat. Wieviel Spaß mir die Arbeit machte.

Aber: Würde ich dann nicht in die gleiche Kerbe hauen, wie es Dieter gerade getan hatte?

Ich ließ es also sein, beglückwünschte ihn zu all seinen Errungenschaften und wünschte ihm alles Gute für den weiteren Weg.

„Was war?“, fragte Klara mich, nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte.

„Ach nichts“, sagte ich.
„Mir ist eben nur wieder klar geworden: Du musst nicht alles haben, aber du solltest das Richtige haben.“

Dieter glaubt das von sich und ich glaube das von mir auch.

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DER MONTAG IM TELEGRAMM-STIL

ALLTÄGLICHES-2021.08.03

Ich bin gegen 03.10 Uhr aufgewacht. Sollte ich mich wieder hinlegen?

Nein, ich wollte ja schon gegen vier Uhr losfahren. Meine Frau schüttelte darüber nur mit dem Kopf.

Aber ich blieb bei meinem Vorhaben. Ich wollte möglichst schon 05.00 Uhr früh auf dem Laufband stehen und mit dem Training beginnen.

Denn dann war es noch leer im Studio. Fast leer jedenfalls.
Irgendeiner war immer an den Geräten.

Ich überwand mich also, schwang die Beine aus dem Bett und fuhr pünktlich los.

Es war still, als ich die Umgehungsstraße im Wald hochfuhr, mich mit dem Jeep durch die Vertiefungen im Sand kämpfte. Vor mir blitzten zwei Augen auf. War das ein Fuchs oder ein Dachs?

Ich konnte es nicht erkennen und war froh, dass der schnell über den Weg huschte.

Tiefgarage. Ich nahm die Tasche heraus und ging schwungvoll die beiden Stockwerke nach oben.

Als ich oben ankam, da war ich das erste Mal schon kaputt.
Ich schleppte mich erst einmal zur Bank und ließ mich darauf fallen.

Ich keuchte und war schon völlig fertig. Wie sollte das nur dreißig Minuten auf dem Laufband werden?

Aber es wurde.

Ich baute sogar Steigungen ein, erhöhte die Geschwindigkeit des Laufbandes, immer für eine Minute.
Ich schnaufte und tat mir selbst unendlich leid.

Keiner sah, wie heldenhaft ich hier kämpfte. Nur die kleine Reinemachfrau stieß mit ihrem Staubsauger gegen das Band.

Ich riss mich zusammen, straffte meinen Körper, versuchte den Bauch weiter einzuziehen und so zu tun, als wäre ich der ‚Ironman‘ bei seinem Training für Hawai.

Viel später, am zehnten oder elften Gerät, da rief mir jemand entgegen: „Hallo mein Freund, wie geht es dir?“

Es war mein türkischer Trainingskollege, mit dem ich mich schon ein wenig angefreundet hatte.

„Du hast noch alles vor dir, aber ich bin gleich fertig“, rief ich zurück.
Er lachte und winkte im Vorbeigehen.

Endlich. Ich war wieder draußen. Ich setzte mich noch einmal auf die Bank. Diese Minuten genoss ich, wenn ich beobachten konnte, wie die Menschen ankamen und in das gegenüberliegende Bürogebäude hasteten.

Ich war froh, dass ich das nicht mehr musste.
Zuhause wartete auf mich zwar auch ein Interview, das mal wieder unbedingt fertiggestellt werden musste, aber zuerst würde ich mal frühstücken und die Berliner Zeitung auf dem iPad lesen.

Klara hatte ihren Homeoffice-Tag. Das Frühstück war deshalb schon fertig, als ich ankam.

Sie war schon wieder nach oben in ihr Zimmer gegangen, um weiterzuarbeiten.

Ich saß noch im Sessel und las einen Artikel, in dem Wilhelmshaven mit ‚f‘ geschrieben war.

Ich freute mich, dass sogar der Zeitung solche Fehler unterliefen.
Die Augen fielen mir zu und mein Kopf sank nach hinten weg.

Erst dadurch, dass ich mich nicht anlehnen konnte, schrak ich wieder hoch und rieb mir die Augen.
Ich sollte mal überlegen, ob es morgens nicht reicht, wenn ich eine Stunde später losfahren würde.

 

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ABENTEUER FITNESS-STUDIO

ALLTÄGLICHES-2021.07.29

 

Es musste noch zu früh sein, um auf die Uhr zu sehen.
Ich wälzte mich im Bett auf die andere Seite und versuchte weiter zu schlafen.

Ich blieb wach. Schließlich rappelte ich mich doch hoch im Bett und versuchte, die Lichttaste vom Wecker zu erwischen. Das klappte auch, nur fiel die ganze Uhr dabei um, krachte mit einem scheppernden Geräusch auf die Glasplatte.

„Sei bitte leise, wenn du so früh aufstehst“, hatte Klara mir noch gestern Abend gesagt.
„Das ist doch selbstverständlich“, erwiderte ich.

Jetzt war es zu spät dafür. Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach drei.

Sollte ich mich noch einmal hinlegen und dann verschlafen?
Ich wollte unbedingt gegen vier Uhr losfahren.

Also schwang ich die Beine aus dem Bett, stieß gegen die Bettrolle, die in der Ecke stand und umfiel.
Klara hob den Kopf.

„Kannst du nur einmal nicht wie ein Bagger durch das Zimmer rollen?“
Ich antwortete nicht, sondern ging nach draußen und machte das Licht im Flur an.

„Mach das Licht aus“, rief Klara sofort.
Ich gehorchte und drückte auf den Schalter. Ich stand barfuß vor der Badtür und streifte nur leicht mit dem großen rechten nackten Zehen die Kante vom Türrahmen.

‚Jetzt bis du wenigstens munter‘, redete ich mir ein, während der Schmerz brennende Signale an mein Gehirn abgab: ‚Du Trottel solltest besser aufpassen oder im Bett liegenbleiben.‘

Ich beschloss, all das zu ignorieren und zog mich an, gleich in Sportkleidung.

Anschließend tastete ich mich im Dunkeln die Treppe runter und leuchtete mit dem iPad die einzelnen Stufen ab.

Dann Tee kochen, Banane ins Auto legen, 1,5 Liter Wasserflasche auffüllen, losfahren.

Ich musste durch den Wald, weil die Landstraße wegen Bauarbeiten gesperrt war, schon lange, eine gefühlte Ewigkeit.

Ich holperte über die Unebenheiten der Straße, jagte für eine Weile einen Hasen, der nicht aus meinem Lichtkegel herauskam.

Was sollte ich tun, ihn ignorieren, das brachte ich nicht fertig. Also entweder ich bog in Richtung Baum ab oder er tat es. Ich war dafür, dass er es auf sich nahm.

Ich fuhr ganz langsam, schaltete das Licht aus und dann wieder an.
Der Hase hoppelte ganz weit hinten auf der Waldlichtung davon.

Endlich Landstraße. Ich bretterte an Buch vorbei, rauf auf die Autobahn, runter an der Prenzlauer Promenade. Die Ampeln waren alle auf grün geschaltet.

Im Radio trällerte jemand das Lied „Einmal von Rügen nach Paris.“ Was hätten sie wohl mit dem Sänger vor dreißig Jahren gemacht? Das war ja der direkte Aufruf zur Republikflucht.

Aber heute Morgen, drei Jahrzehnte später, Paris?
Nee, lieber Rügen und dort an den Strand legen. Ist sicherer wegen Corona.

04.27 Uhr, ich fahre in die Tiefgarage. Es ist gespenstisch. Als ich aussteige höre ich das dumpfe Geräusch von einem Gewicht, das zu Boden knallt.

Also war ich nicht der erste.
04.59 Uhr, ich stehe auf dem Laufband und drehe langsam die Geschwindigkeit hoch.

Als ich bei 5,5 bin, fahre ich die Steigung auf 15 hoch. Mehr geht nicht.
Ich komme ins Straucheln, habe Angst, dass mir das Band davonläuft und ich mit dem Gesicht auf dem Boden aufknalle.
Mit letzter Kraft fahre ich die Steigung zurück, keuche und röchele dabei.

Dreißig Minuten sind geschafft, ich lege mich danach auf die Bauchbank, verschränke die Hände auf meinem Oberkörper und freue mich, dass ich noch lebe.

Ich raffe mich auf und hebe und senke die Beine.
07.15 Uhr – Ich hole mir ein Proteingetränk für drei Euro. Wenn das Klara wüsste. Weiß sie aber nicht.

Ich will unbedingt wieder das Abnehmen forcieren.
Gestern kam ein Mann auf mich zu und sagte mir, dass ich gut wäre an der Bizeps Maschine wäre. Ich schaute misstrauisch zu ihm hoch.

„Was schleimte der rum?“
„Du musst dir eine Folie um den Bauch legen, dann verbrennst du dein Fett.“

„Du, danke, aber ich habe zu lange daran gearbeitet, damit ich so aussehe, wie ich es jetzt tue.“
Er schaute mich an und forschte in meinem Gesicht, ob es ein Spaß gewesen wäre.

War es auch, aber ich mochte nicht lachen, denn ich hatte noch zu viele Geräte vor mir.
Aber heute war ich für mich und brauchte keine noch so gutgemeinten Ratschläge annehmen.
Ich setzte mich noch für eine Weile auf die Bank draußen, blinzelte in die Sonne und sah einer Taube zu, die vor mir saß.

„Das Leben ist schön“, sagte ich mir und begab mich auf den Rückweg.

Ich rief Klara an. Sie war heute im Homeoffice.
„Soll ich Frühstück machen?“, fragte sie mich.
„Das wäre toll und freute mich auf den Kaffee.“

„Du, ich bin voller Energie“, sagte ich zu ihr, als ich zur Tür hereinkam.
„Das habe ich gemerkt, und zwar schon vor deinem Sport“, antwortete Klara trocken.

Ich wartete noch, ob vielleicht ein kleines Lob kam, dafür, dass ich so früh aufgestanden war, mich in die City gestürzt hatte, nur um zwei Stunden Sport zu treiben.

Es kam nichts.
„Wie weit bist du eigentlich mit deinem Interview? Ist das fertig?“, fragte sie mich.

„Ja, ist fertig.“
Sie dachte wahrscheinlich fertig zum Abgeben. Ich aber meinte: Rohentwurf fertig.

„Dann kannst du ja heute noch neue Kunden anrufen“, sagte sie.
„Kann ich, aber ich muss noch ein bisschen am Text feilen“, sagte ich.

Das Hamsterrad des Alltags nahm wieder seinen Lauf.
Ich war immer noch gutgelaunt und wollte es auch bleiben, bei dem Energieschub von heute Morgen? Das musste einfach drin sein.

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MEIN FREUND, DER ALLTAG

GESPRÄCHE MIT EINER PRIMA BALLERINA-AUSGEWÄHLTE TEXTE

MENSCHEN IM ALLTAG-2021.07.28

Am 05. August 2021 veröffentliche ich auf dem Blog das neueste Interview, das ich mit Iana Salenko kürzlich geführt habe.
Vorab – hier zwei ausgewählte Texte aus den letzten beiden Jahren.

 

IANA SALENKO IM TELEFONINTERVIEW IM DEZEMBER DES VERGANGENEN JAHRES
Freitag, 11.12. 2020
Iana Salenko ist die Prima Ballerina am Staatsballett in Berlin.
Sie antwortete auf meine Fragen, die ich ihr am Telefon gestellt habe. Obwohl es ihr selbst noch nicht wieder hundertprozentig gutging - sie hatte sich mit Covid-19 infiziert, schaffte sie es, gute Laune zu verbreiten.
Ich stellte immer wieder aufs Neue fest, dass Iana durch und durch ein Profi ist, vor allem aber ein wunderbarer Mensch.

Zum Interview:
Iana, wie geht es Euch in dieser Zeit, in der alles und alle unter Covid-19 zu leiden hat?
Uns geht es heute schon wieder viel besser. Vor vierzehn Tagen habe ich erfahren, dass ich mich mit dem Virus infiziert habe.

Hast Du Dich testen lassen?
Ja, und wenig später bekam ich die Nachricht, dass der Test positiv war.

Was hast Du in dem Moment gedacht, als Du von dem Ergebnis erfahren hast?
Naja, du erschrickst dich schon, bekommst Angst, weil du ja nicht weißt, wie der Verlauf deiner Krankheit sein wird.

Welche Symptome sind bei Dir aufgetreten?
Ich war vor zwei Wochen, noch bei den Proben und fühlte mich danach nicht so gut.
Ich hatte Muskelkater, der ganze Körper schmerzte und am nächsten Tag spürte ich, dass mir mal kalt und dann wieder heiß wurde.

Was hast Du dagegen unternommen?
Zunächst war mir noch nicht bewusst, dass ich überhaupt krank bin.
Ich dachte, es sei eine leichte Erkältung.

Ich bin ja sogar noch in die Sauna gegangen, um den Schnupfen und den Husten wieder loszuwerden.

Und, hat die Sauna geholfen?
Nein, natürlich nicht. Die Symptome wurde sogar noch stärker.
In der Nacht darauf hatte ich eine erhöhte Temperatur – 37,5 Grad zwar nur, aber es fühlte sich an, als hätte ich 39 Grad Fieber.

Gab es dafür einen besonderen Grund?
Ich glaube, dass das mit meinen starken Schmerzen im Rücken zu tun hat, die ich stets bekomme, wenn ich Fieber habe.

Wie ging es weiter?
Ich bin Zuhause geblieben, habe viel geschlafen, mich ausgeruht. Ich wollte keine Tabletten nehmen und gedacht, ich bekäme es so in den Griff.

Aber dann wurde der Husten stärker, ich hatte teilweise keinen Geschmack mehr, fühlte mich einfach schlapp.
In der Staatsoper wurden wir zweimal in der Woche getestet. Ich habe mich also auch nach einer Probe entsprechend vorsorglich testen lassen. Als ich das Ergebnis mitgeteilt bekam, da bin ich sofort in die Quarantäne gegangen.

Hat Marian diese Symptome auch gehabt?
Ja, er hatte tagelang Kopf- und Rückenschmerzen, seine Augen brannten und er war auch ständig müde.

Des Weiteren hatte er einen starken Husten und auch ein Brennen in der Nase.

Wie geht es Euch heute, 14 Tage, nachdem Du positiv getestet wurdest?
Es geht uns beiden schon sehr viel besser. Wir fühlen uns noch nicht wieder zu 100 Prozent fit, aber es geht merklich aufwärts.

Iana, ich weiß, dass Du mental ein sehr starker Mensch bist und Dich immer wieder selbst motivieren kannst. Gelingt Dir das in dieser Zeit ebenfalls?
Ja, schon.
Es gibt sogar etwas Positives, dass ich gar nicht missen möchte.

Nämlich, dass ich William ganz anders aufwachsen sehe.
Bei Marley war ich gleich nach der Geburt schon wieder sehr schnell in Auftritte eingebunden. Heute kann ich Zuhause bleiben und mich intensiver mit den Kindern beschäftigen.

Wie kommt Ihr beide miteinander klar. Gibt es Phasen, wo Ihr Euch wünschen würdet, dass Ihr nicht beide die ganze Zeit im Haus zusammen seid?
Uns geht es wie allen Menschen in dieser Situation.
Also gibt es auch mal Zeiten, wo wir uns lieber mal für eine Zeit aus dem Weg gehen oder eben eine Meinungsverschiedenheit austragen.

Aber überwiegend stärkt uns der Zusammenhalt in der Familie, weil wir viel miteinander reden und einfach Spaß haben.

Marian ist es ja gar nicht gewohnt, dass ich so viel Zuhause bin. Für ihn ist das eher ungewohnt. Er denkt manchmal, ich sei genervt von ihm, weil er nun so oft um mich herum ist.

Und ist das so?
Nein, überhaupt nicht. Ich genieße das richtig, auch mit den Kindern zusammen zu sein.
Ich sitze manchmal nur auf der Couch und beobachte William, wie er auf dem Fußboden herumkrabbelt. Das sind einfach schöne Momente.

Wie hältst Du Dich fit in dieser Zeit, und unter diesen ungewöhnlichen Bedingungen?
Ich trainiere sehr viel an der Sprossenwand im Arbeitszimmer, oder ich mache Bodenübungen. Yoga – und Pilatis Übungen kommen hinzu.
Manchmal laufe ich mit William die Treppe hoch. Er mag das so sehr. Wir können ihn in seinem Alter nicht allein hochlaufen lassen und müssen schauen, dass ihm beim Klettern auf der Treppe nichts passiert.
Also machen wir das beste daraus und treiben gleich ein bisschen Sport. Das muss ja alles auch ein wenig Spaß machen.

Wie ist die Hausarbeit zwischen Euch aufgeteilt?
Marian kocht sehr gern. Er liebt das. Ich wasche meistens ab.
Ich stehe meistens sehr früh auf.

Dafür bereitet Marian wiederum die Flasche Milch für die Nacht für William vor. Morgens, da bekommt der Kleine Haferflocken und Marian kann weiterschlafen. Er rührt sich auch nicht.

Wie kommt Dein Mann insgesamt mit der Situation klar?
Marian versucht vor allem die positiven Seiten im jetzigen Alltag zu sehen.
Er beschäftigt sich viel mit den Kindern, genießt unser Zusammensein.

Iana, vielen Dank für das Interview.

 

WILLIAM KÜNDIGT SICH AN
Iana, kurz vor der Geburt ihres zweiten Sohnes, William

Montag, 13. Mai 2019.

Iana ging es gut, und das, obwohl sich scheinbar die Zeit ihrer Schwangerschaft dem Ende zuneigte.

Ihr Bauch war immer weitergewachsen und jetzt fühlte er sich sehr hart an. Doch sie fand das nicht schlimm.

„Ich gehe heute zum Training“, rief sie Marian zu, der gerade die Treppe herunterkam und auf die Küche zusteuerte.

„Hm“, brummte der. Zu mehr war er zu der Tageszeit noch nicht fähig. Der Tag hatte ja gerade angefangen und Marians ‚Batterien waren noch nicht hochgefahren‘.

„Ich will mich bewegen, nicht nur hier herumsitzen“, sagte Iana zu ihm, während Marian in der Küche hantierte.

„Aber wird das nicht zu viel für dich? Es kann jeden Augenblick losgehen, mit den Wehen“, antwortete Marian und schaute auf Ianas Bauch.

„Ach, das geht schon“, entgegnete sie. Dabei stellte sie sich gerade in den letzten Tagen immer wieder die Frage, wann es nun endlich so weit war, und es losging mit der Geburt.

Iana, Marian, Marley, sie alle konnten es kaum noch erwarten, dass der kleine William auf die Welt kam.

Nach dem Training fühlte sich Iana immer noch gut.
Später, es war bereits nachmittags, da verspürte sie Lust, die Terrasse zu fegen.

Irgendwas ließ sie nicht zur Ruhe kommen. Sie wollte putzen, alles im Haus saubermachen.

„Ich kann dir helfen“, sagte sie zu Marian, während der das Unkraut zupfte. Sie sprang auf und griff sich den Besen.

Anschließend begleitete sie noch gemeinsam mit Marian ihren Sohn Marley zum Klavierunterricht.

Nach dem Klavierunterricht gingen sie alle zusammen in ein Fastfood-Restaurant.

„Ich möchte Cola trinken“, rief Marley gleich, als sie sich alle hingesetzt hatten.

„Du weißt schon, dass das nicht nur dick macht und du außerdem die ganze Nacht nicht schlafen kannst“, mahnte Marian seinen Sohn.

Marley war gerade mal zehn Jahre alt und für sein Alter ein sehr aufgewecktes Kerlchen, und nicht auf den Mund gefallen.

„Macht nichts, dann kann ich nachts weiter meine Geschichten per Video erzählen“, entgegnete er schlagfertig.

„Denk an Herrn Müller und seinen dicken Bauch. Willst du auch mal so aussehen?“, scherzte Marian.

„Papa, dann müsste ich ja ganze Lastzüge voller Cola leer trinken und zu Weihnachten könnte dann nicht wie gewohnt ein festlich geschmückter Coca-Cola – Zug zu den Kindern fahren, so wie jedes Jahr.“

„Ich will auch eine Cola probieren“, sagte Iana plötzlich.
„Hoffentlich bekommt sie dir in deinem Zustand“, meinte nun Marian.

„Ja, das geht schon“, antwortete Iana und tunkte eine Pommes frites in die scharfe Sauce.

Es war schön, im Restaurant zu sitzen, zu lachen und die Gemeinsamkeit zu dritt zu genießen.

Bald würden sie zu viert sein, und im Stillen saß der kleine William bereits mit am Tisch.

Iana fühlte sich gut nach dem Essen. Und doch sollte diese Leichtfertigkeit beim Essen ihre Geburtswehen beschleunigen.

„Mama, wollen wir Lego spielen?“, fragte Marley seine Mutter, als sie wieder Zuhause angekommen waren.

Iana war einverstanden und Marley holte die Steine raus.
Marian mähte indessen im Garten den Rasen.

Plötzlich bemerkte Iana, dass bei ihr Wasser austrat.
Sollte das der Beginn der Geburtswehen sein?

Eine Woche lang hatte Iana alles versucht, aber die Wehen setzten nicht ein, es passierte nichts.

Und die Cola und die scharfe Sauce, waren sie jetzt der Auslöser für all das?

„Marley, ich glaub‘, es geht los“, rief Iana.
„Nein, nein, bitte nicht, noch nicht heute!“

Marley schaute seine Mutter an. Sein Gesicht drückte Panik aus.
Er hatte Angst um seine Mutter. Aber er dachte auch daran, dass am nächsten Tag die Fahrradprüfung für ihn anstand, und die wollte er unbedingt ablegen.

Außerdem: Sein Bruder sollte nicht an einem 13. geboren werden. Das würde doch Unglück nach sich ziehen. Marley war verzweifelt und ratlos.

Iana spürte das aus ihrem herauslaufenden Fruchtwasser.
„Ich geh‘ in die Badewanne und danach ein wenig Make-up auftragen“, sagte sie. Sie schien ruhig und ausgeglichen, während um sie herum alles hektisch wurde.

William kam noch am gleichen Tag zur Welt.

 

FITNESS IST MEHR ALS NUR MUSKELN TRAINIEREN – ES KNÜPFT EIN MENTALES BAND ZWISCHEN MENSCHEN IM ALLTAG

ALLTÄGLICHES-2021.07.28

ALLTÄGLICHES-2021.07.28

Kalle, der Allrounder vom JR-Fitness-Studio im Prenzlauer Berg,  motiviert dich – neben seiner Arbeit, fast unbemerkt, aber mit einem merklich positiven Ergebnis für dich – mental und für deine Bereitschaft, erneut zum Training zu kommen, nun schon fast täglich.

Ich bin noch nicht lange wieder im Fitness-Studio – erst, nachdem ich zweimal geimpft worden bin.

Jetzt ist es wohl schon die dritte Woche, in der ich morgens wieder regelmäßig zu John Reed in den Prenzlauer Berg fahre.

Es fühlt sich noch schwer und behäbig für mich an. Allein, wenn ich die Treppen von der Tiefgarage rauf bis zum Eingang des Studios gehe, keuche ich, als hätte ich schon einen Halb-Marathon absolviert.

Kalle hat mich da beruhigt: „Du, die Treppenstufen sind wahrscheinlich höher als normal gebaut.“
Ich war sofort bereit, ihm das zu glauben.

Aber das ist es, was mich schließlich schnell motiviert.

Während ich mich ausgeschlafen, na gut – so einigermaßen, kurz vor sechs Uhr morgens durch die Tür schleppe, eher missgelaunt bin, begrüßt Kalle mich hinter dem Tresen mit einem fröhlichen ‚Guten Morgen Uwe.‘

Dabei müsste er derjenige sein, der kaputt ist, denn hinter ihm liegen ja viele Arbeitsstunden, die er in der Nacht im Studio absolviert hat.

Aber in dem Moment, in dem ich ihn treffe, da lege ich meinen eigenen inneren Schalter um und sage mir: ‚Komm‘, du Lusche, sei fit und motiviert, du hast keinen Grund dich hier nur durchzuschleppen.“

Es sind nie die großen Dinge, die mich begeistern, sondern eher die kleinen, die alltäglichen Gesten, die mir schließlich gute Laune bereiten.

Kalle hat dafür ein Händchen. Er sagt zwar, er sei nur der Allrounder, der sich kümmert, aber ich denke, er ist mehr.

Nämlich jemand, der Menschen zusammenführen kann, jedem der zur Tür reinkommt das Gefühl gibt: ‚Hey, besonders du bist hier herzlich willkommen.‘

Wir sprechen nie lange miteinander, dann wuselt Kalle schon wieder irgendwo hin -und her, achtet darauf, dass die Hygieneregeln eingehalten werden, kontrolliert den Impfstatus bei den Leuten, die durch die Eingangstür kommen.

Kurzum, es ist mehr ein positives Feeling, was Kalle verbreitet und dabei noch seine Arbeit macht.

Im Stillen denke ich oft: „Du möchtest hier jetzt nicht wischen, oder mit dem Lappen die Ecken im Studio säubern.“

Da bin ich dann doch froh, dass ich lediglich an den Geräten trainieren muss oder besser darf.

Ich schätze Kalle, weil er unaufdringlich ist, sich kümmert, stets ein gutes Wort übrighat, und ganz nebenbei, fast unbemerkt, alles im Griff hat.

Also, ich sitze jetzt am Schreibtisch, müsste eigentlich das Interview mit der Prima Ballerina protokollieren, aber das hier aufzuschreiben, das macht eben mehr Spaß.

Ich bin froh, dass ich wieder ins JR-Studio fahren kann. Und das mit dem Gewicht und den laschen Muskeln, das kriege ich auch wieder in den Griff, die Hoffnung jedenfalls bleibt.
Bis demnächst mal, Kalle.

MIT KRÜMEL GLÜCKLICH UND ABWECHSLUNGSREICH – EIN ATEMLOSES WOCHENDE

ALLTÄGLICHES-2021.07.26

Der blöde Code an der Kita-Eingangstür

Wir haben uns darauf gefreut, Krümel aus der Kita abzuholen.
Und Krümel war auch schon ganz aufgeregt.

„Oma und Opa, ich bleib‘ zwei Tage bei euch“, hat sie fröhlich durchs Telefon geschmettert.

Die erste Hürde war die Eingangstür zur Kita. Ich hatte mir den Code gemerkt, aber nicht, in welcher Reihenfolge was eingegeben werden musste.

Schließlich waren wir drin, nach vielen gutgemeinten Ratschlägen von Eltern, die ungeduldig hinter uns warteten, dass wir die Tür endlich aufbekamen.

„Wir wollen Krümel abholen“, sagte ich zu einer Erzieherin, die im Hof die lärmenden Kinder beaufsichtigte. Es war dort eine schöne Atmosphäre.

Vor mir auf dem Tisch standen Schalen mit frischem Obst. Ich wollte schon hineinlangen, aber der strafende Blick von Klara hielt mich davon ab.

„Plötzlich erkannte uns Krümel. Sie stürmte auf uns los und rief: ‚Oma, Opa.‘

„Ich kenn‘ Sie nicht“, sagte die Erzieherin.

„Ich kenn‘ Sie auch nicht, aber unsere Enkelin kennt uns und das ist wohl das Wichtigste“, sagte ich trotzig und bekam prompt von Klara einen kräftigen Stoß in den Rücken.

Ich fingerte noch den Führerschein aus dem Etui des Handys und zeigte ihn der Erzieherin. Die hatte schon das Foto erkannt, das auf der Vorderseite war und auf dem ich mit Krümel zu sehen war.

„Ihre Enkelin hat einen Jungen gekratzt“, sagte jetzt noch die Erzieherin.

Ach, auf einmal war es unsere Enkelin, als sie die Nachricht loswerden konnte.
„Ist gut, brummte ich“, bereit, Krümels Handlung zu verteidigen. Ich wusste, es war pädagogisch falsch, so zu reagieren, aber ich war nun mal innerlich auf ‚180′ und da zog ich einen mentalen Verteidigungskreis um meine Liebsten.

Ich war aber in dem Moment nicht der Liebste von Klara. Die hatte die Nase voll von meinen wortreichen Eskapaden und war mit Krümel bereits auf dem Weg nach draußen. Krümel hüpfte an ihrer Hand fröhlich von dannen. Ich trottete hinterher, nachdem ich ‚Wiedersehen‘ gebrummt hatte.

Aber das nächste Mal würde ich vor der Eingangstür warten und das Feld gleich Klara überlassen.

„Wir hatten einen ‚onteur‘, jaha“

Ich hatte mich beruhigt und wir fuhren fröhlich mit Krümel zu uns nach Hause.

„Warum wohnt ihr im Dorf?“, fragte Krümel.
„Das ist die Hunderttausend Euro – Frage, die ich dir auch nicht beantworten kann“, sagte ich zu ihr, ohne den Blick von der Straße im Auto zu lassen.

Endlich, wir waren Zuhause, im Dorf.
Klara kümmerte sich um Krümel, ich machte die Schirme auf.
Wir legten uns für einen Augenblick auf die Liegen und schauten zu, was Krümel machte.

Die spielte und lief mit nackten Füssen auf der Terrasse umher.
„Krümel, zieh‘ dir bitte die Schuhe an“, sagte Klara.

„Hm, ich will nicht“, kam es trotzig von Krümel.
„Bitte, sei so lieb“, versuchte Klara sich bei ihr einzuschmeicheln.

Aber ohne ihr ein Eis in Aussicht zu stellen, oder zu sagen, dass sie die ‚Hunde‘ im Fernsehen anmachen konnte, bewegte sich da nichts.

Nein, Krümel lief nach drinnen, machte die Terrassentür hinter sich zu und drückte den Hebel nach unten.

Ich schnellte von der Liege hoch.
„Drück die Klinke wieder zur Seite“, sagte ich von draußen zu Krümel.

Krümel versuchte es, ohne Erfolg.
Ich bekam sofort Panik, lief in den Schuppen, um den Ersatzschlüssel zu suchen.
Der war da aber nicht mehr.
Klara hatte ihn wieder rausgenommen, aus Sicherheitsgründen.
Plötzlich hörte ich die große Haustür klappen.

War die etwa noch auf?
Bevor ich das überprüfen konnte, stand Krümel vor mir und lachte mich an.

Die Haustür hatte sie hinter sich zu fallen lassen.
Jetzt waren wir endgültig ausgesperrt.

Der Nachbar bot sich an, die Tür mit einem Stemmeisen hochzuheben oder das Schloss einfach aufzubohren.

Wir lehnten dankend ab.
Endlich, ich bekam einen Monteur, der in ca. zwei Stunden bei uns sein wollte.

„Finden Sie denn zu uns, obwohl die Straße gesperrt ist?“, fragte ich ihn.

„Naja, ich weiß nicht“, erwiderte er zögerlich nach einer Pause.
„Gut, dann hole ich Sie ab. Kennen Sie den Waldweg, kurz nach dem Kreisverkehr, da wo es in Richtung Liepnitzsee geht“, fragte ich ihn.

„Klar“ sagte er knapp.
„Gut, da steh‘ ich und warte auf Sie“, antwortete ich.

Es klappte alles prima. Wir trafen uns, der Monteur fuhr hinter mir und ich schaukelte mit dem kleinen Jeep vor ihm über die Sandwege und durch die Schlammlöcher hindurch.
Dann ging dann alles sehr schnell.
Nicht einmal fünf Minuten hatte es gedauert, bis er die Tür geöffnet hatte.

„Sie könnten Ihr Geld auch leichter verdienen“, sagte ich zu ihm.
Der Monteur schmunzelte, schrieb die Rechnung aus und verabschiedete sich ins Wochenende.

Wir waren froh, dass alles so reibungslos gegangen war. Obwohl: Ein ziemliches teures Wochenende war es schon.

„Wir hatten einen ‚onteur‘, jaha“, sagte Krümel zur Nachbarin. Die freute sich mit Krümel. Wir konnten auch schon wieder lachen.
Immerhin hatte Krümel in der Zeit, als wir auf den Monteur gewartet hatten, eine bühnenreife Vorstellung im Garten geliefert.

„Ich bleib‘ bei euch“, sang sie aus Leibeskräften und tanzte dazu.
„Opa, das ist der Löwe“, rief sie zu mir.

Sie meinte wohl das Lied aus dem Film ‚Der König der Löwen‘.
Das erste Mal wurde das Rasenstück im Garten zur großen Bühne.

Wir schauten gebannt zu, hatten ein bisschen Angst, dass sich die Nachbarn wegen der Gesanges Lautstärke von Krümel beschwerten.

Wir jedoch, wir fanden es toll und merkten gar nicht, wie die Zeit verging.

Am nächsten Tag brachten wir Krümel zurück, zu ihrer Mama.
Die wartete mit dem Fahrrad für sie bereits unten vor dem Hauseingang.

Krümel stieg auf das Fahrrad, winkte uns noch einmal zu und fuhr schnurstracks in ihr nächstes Abenteuer.

Wir waren ein bisschen traurig, weil es im Garten nun so still war.
Aber wir schliefen beide ein, erschöpft und traumlos.

Bald geht es wieder los, an die Ostsee.

Dann heißt es morgens: „Opa, ‚pomm‘, wir spielen mit den Autos.‘
Ich freu‘ mich drauf.

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GLÜCKSGEFÜHLE VON NULL AUF HUNDERT

ALLTÄGLICHES-2021.07.22

Es war schon weit nach Mitternacht und ich wälzte mich im Bett hin und her.

Aber ich hatte noch genügend Zeit, mich umzudrehen und weiterzuschlafen, dachte ich.

Ich hob meinen Kopf, nur um mich zu vergewissern, dass ich noch mindestens eine Stunde schlafen konnte.

Ich hatte falsch gedacht. Die Uhr zeigte 03.35 an – nur noch 10 Minuten, bis der Wecker klingelte. Ich war deshalb schockiert, verärgert, deprimiert.

Was sollte der Tag bringen?
Sich jetzt müde hochquälen, fertigmachen und Klara nach Berlin bringen, danach umdrehen, zurück in den Prenzlauer Berg fahren und knapp zwei Stunden Fitness machen?

Ich wollte nicht, und deshalb dachte ich auch, ich könnte es nicht.

„Ich glaub‘, ich bleib‘ heute hier. Ich muss so viel erarbeiten, ich schaff‘ das nicht.“

Klara antwortete nicht.
Ich stand seufzend auf, und nach einer Viertelstunde fand ich mich in der Küche wieder, um das Frühstück zu machen.

Vorher schaute ich noch auf das Handy, ob über WhatsApp neue Nachrichten gekommen waren.

Von Krümel war etwas drauf, eine Sprachnachricht.

Ich klickte auf den Link und Krümels fröhliche Kinderstimme war zu hören. Sie begann ihren Satz damit, dass sie sagte: „Du bist mein liebster Opa.“

Jetzt war ich hellwach. Ich spielte alles ab, was Krümel mir erzählte, davon, dass wir wieder mit ‚Spyki‘ wollten.

Und zum Schluss hörte ich, wie sie mir einen lauten Kuss gab.
Ich spürte, wie mich Glückshormone durchströmten, die Energiequellen ansprangen und ich mit einem Schlag nicht nur munter, sondern auch hoch motiviert war, in das Fitness-Studio zu fahren.

Was willst du mehr von deinem Tag, als dass dich einer deiner liebsten Menschen so am Morgen begrüßt. Ich war einfach glücklich. Und Klara war es später auch.

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Copyright Kristina Müller
Mein Freund der Alltag
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