Alle Beiträge von Uwe Müller

Dipl.-Ing. (FH), Dr. rer. pol.; Autor

ANNA IM HAFEN

KRISTINA MÜLLER – GASTBEITRAG AUS 2017

RÜCKBLICKE-07.12.2022

In Anna kommen die Erinnerungen hoch, wenn sie im Hafen ist.
Anna saß auf einer Bank im Hafen und schaute gedankenverloren auf die Schiffe, die träge auf dem Wasser schaukelten….

 

ANNA IM HAFEN

DREI BÜCHER, DIE ICH LESE, UND: DIE ICH EMPFEHLE (2)

OMA, WIR HABEN BEIDE ROTE EIERLÖFFEL – WIR SIND FREUNDINNEN

ALLTÄGLICHES

Wenn Krümel bei uns übernachtet und wir morgens gemeinsam frühstücken, dann geht es hochher. Oder anders gesagt, es ist nicht so still, wie sonst.

Krümel eilt morgens schon die Treppen zur Küche runter und ruft: „Oma, ich bin schon unten. Kommst du auch?“

Klara muss ihr dann auch ziemlich schnell erst einmal ein kleines Brötchen geben.

Sowie der Kaffee fertig ist, da stürmt sie wieder die Treppe zu mir hoch, ins Arbeitszimmer und ruft: „Opa, du musst kommen, das Frühstück ist fertig.“

„Ich komme gleich“, sage ich dann.
„Nein, sofort Opa!“, erwidert Krümel und wartet solange, bis ich vom Schreibtisch aufstehe und mit ihr runtergehe.

Unten angekommen nehmen wir Platz und Krümel wartet, bis ich den Kaffee eingegossen habe. Sie macht dann die Milch rein und fängt wild an, den Löffel in der Tasse herumzurühren. Meist geht etwas daneben, auf den Kaffeeteller.
Mich nervt das eigentlich.

„Komisch, dass du bei Krümel nichts sagst“, meint Klara in solchen Momenten zu mir.

„Oma, wir haben beide einen roten Eierlöffel“, sagte Krümel kürzlich begeistert.

„Und Oma, wir sind deshalb Freundinnen, jaha.“
„Aber Opa, es tut mir leid, du hast nur einen gelben Löffel.“

Ja, dann bin ich natürlich raus.
Aber ganz zum Schluss, da komme ich wieder ins Spiel.

Dann nämlich, wenn sie bei mir raufkrabbelt und sagt: „Opa, erzähl‘ mir von der Scheune.“

ALLTÄGLICHES

DIALEKTIK – GUT, DASS ICH DARÜBER BESCHEID WEISS

ALLTÄGLICHES

Ich sitze am Sonntagmorgen am Schreibtisch, neben mir steht ein kleiner Tannenbaum, der leuchtet und etwas vorweihnachtliche Stimmung verbreitet.

Es ist noch nicht so richtig hell geworden, obwohl es bereits nach zehn Uhr morgens ist. Auf den Dächern der gegenüberliegenden Häuser liegt Schnee und ich bin froh, dass ich hier drinnen sein kann.

Wie wird es mir wohl einen Tag weiter ergehen, am Montag?
Werde ich da auch so gut gelaunt sein, obwohl es draußen ziemlich düster aussieht?

Ich lege mir schon heute etwas zurecht, warum ich am Wochenanfang motiviert sein werde.

Mir hilft das Schreiben dabei, auch wenn es anstrengend ist, laufend etwas in die Tasten zu hauen. Aber wenn du ‚schwarz auf weiß‘ machen kannst, wie es mal Maupassant gesagt hat, dann sieht die Welt schon weniger fürchterlich aus, selbst am Montag.

Ich muss beim Schreiben genauer darüber nachdenken, was mir an dem Tag alles gefallen wird.
Klar, mir fällt sofort ein, was alles nicht gut ist, und was mir auf die Nerven gehen wird.

Denke ich morgen nach dem Aufstehen darüber nach, so fällt mir gleich ein: „Das wird ein Scheißtag, ich habe keine Lust!“

Oder: Klara will am Montag mit mir in zwei Möbelhäuser fahren, obwohl ich am Dienstag ein Vorgespräch habe, auf das ich mich vorbereiten muss.
Also sitze ich heute und habe bereits schlechte Laune, weil ich noch fertig werden muss, mit meinen Vorbereitungen für das Gespräch, denn Morgen geht es ja nicht – da ist Möbel anschauen gefragt.
Doch am Montag kann ich mich wieder freuen, weil ich ja bereits gestern, so werde ich einen Tag weiterdenken, bereits das Vorgespräch strukturiert habe.
Das ist Dialektik. Gut, dass ich darin so gründlich ausgebildet bin.

Dem Alltag mehr positive Energie abringen - darüber schreibt der Autor Max Krone in seinem Buch 'Positive Psychologie für ein glückliches Leben' 


Aber die blöde Dialektik, denn gleich fällt mir wieder ein, warum ich viel zu viel Bücher in meinem Leben gelesen habe und weniger irgendetwas gemacht habe, womit man auch Geld verdienen kann.

Nach der Wende, da dachte ich, ich gebe den ganzen kapitalistischen Kram mit dem Verkauf von Immobilien auf und widme mich nur noch dem Schreiben.

Ja, und was ist dabei herausgekommen? Ich bin fast Pleite gegangen und muss heute noch als Rentner arbeiten.

Aber der Dialektik sei Dank, ich tue das, was ich jetzt mache, nämlich Reden auf Trauerfeiern halten, unheimlich gern.

Es bringt meine ganzen Fähigkeiten in einem Punkt zusammen – ich verdiene Geld, ein bisschen wenigstens, ich berühre Menschen, spende ihnen Trost, ich kann meine rhetorischen Talente ausreizen und Anerkennung bekomme ich auch noch.

Also ist es wirklich gut, die Dinge von zwei Seiten zu betrachten.
Bei einer dieser Seiten ist zwar stets etwas dabei, was ich nicht so gut finde, dafür aber ist die andere wiederum hervorragend. Auf jeden Fall tue ich dann alles, dass wenigstens die eine Seite heller erstrahlt, als die andere.

Gut, dass ich in Dialektik geschult bin.

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ALLTÄGLICHES

DU WIRST DIE MEISTEN AUF DIESER WELT GESCHRIEBENEN BÜCHER NICHT LESEN – DIESES BUCH VIELLEICHT ABER DOCH

SCHREIB-ALLTAG

Ernst Minar/Slaven Stekovic
„Lebensmotor Bewegung“

Darüber wie die Wissenschaft den Körper-Code des Menschen erklärt; oder: Wie die Wissenschaft die Bewegung entdeckt:

Was noch?
Wie Sport gegen Stress schützt, richtig atmen den Blutdruck senkt,
wie wir der Demenz entkommen.

Ich habe es angefangen zu lesen und war gleich motivierter, das Nordic Walking am Liepnitzsee zu intensivieren.

Manchmal brauch‘ ich nicht nur Fakten, nein schon der Weg zur neuen Erkenntnis bringt mich dazu, weiter zu machen, mit der Bewegung, selbst wenn ich noch nicht alles gelesen habe.

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SCHREIB-ALLTAG

KALENDERWOCHE 48 – RÜCKBLICKE

RÜCKBLICKE-03.12.2022

WIE ICH MICH MONTAGS MOTIVIERE

SO DENKEN, ALS HÄTTEST DU NUR NOCH WENIG ZEIT ZU LEBEN

DIE BETREFFZEILE

VIER BÜCHER, DIE ICH SELBST LESE UND DIE ICH EMPFEHLE

WIR SOLLTEN ANNA VON STRALSUND NACH RÜGEN HOLEN

 

 

 

 

 

 

 

 

WIR SOLLTEN ANNA VON STRALSUND NACH RÜGEN HOLEN

PETER ERINNERT SICH –  (4)

WAS BISHER WAR:
Klara und Peter waren auf der Rückfahrt. Sie hatten Anna im Betreuten Wohnen besucht. Anna war merklich aufgelebt, als sie mit Peter die Fotoalben angeschaut hatte.

Der Alltag hatte Peter wieder. Er musste daran zurückdenken, wie es Anna im Heim ging und wie froh er war, dass er selbst noch arbeiten konnte.

„Wir sollten überlegen, ob wir deine Mutter in einem Heim auf Rügen unterbringen“, sagte Peter beim Frühstück und legte beide Beine auf den Stuhl, der vor ihm stand.

Wenn Krümel da war, dann sass sie darauf, und sie mochte es gar nicht, wenn Peter so mir nichts dir nichts sein Bein auf den Stuhl legte, der nur ihr gehörte, Krümel.

„Das ist mein Erzählfuss”, sagte er in dem Moment zu ihr.
„Gut Opa, dann erzähl mir von der Scheune!“, sagte Krümel in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.

„Die Macht der guten Gefühle: Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert."
„Gute Gefühle machen uns stärker, gesünder, kreativer….“
(Barbara Fredrickson)
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„Weisst du, was das bedeutet, Mutti von Stralsund nach Rügen in ein Heim zu bringen?“, riss Klara ihn aus seinen Gedanken.

Peter wusste es auch nicht, was es wirklich bedeutete, wenn sie Anna im Betreuten Wohnen auf seiner Lieblingsinsel unterbrachten.
Aber er dachte, dass sie sich dann noch besser um Anna kümmern konnten, weil sie Urlaub auf ihrer Datsche und Betreuung miteinander verbinden konnten.

Dabei hatten sie schon überlegt, ob sie das Gartenhäuschen verkauften, um dem ganzen Stress zu entgehen, der mit dem Hin- und Herfahren verbunden war.

Vielleicht sollten sie doch noch einmal über all das nachdenken.
Peter musste zurück an den Schreibtisch.

Er hatte in zwei Tagen eine grosse Rede auf einer Trauerfeier, zu der sich mehr als 100 Gäste angemeldet hatten. Einige von ihnen sollten sogar prominent sein.

Aber das störte Peter nicht, er wusste, dass er einen guten Redetext schreiben würde.

Die Aufregung kam erst, wenn er vor den Leuten stand und die ersten Sätze sprechen musste.
Er kam gut voran mit der Arbeit.
Die erste, die seine Rede hörte, war Klara.

Ihr vertraute er am meisten.
Klara brach nicht in Euphorie aus, wenn es gut war. Dann sagte sie meistens gar nichts, höchstens ‚gut‘, das sie in ihrer trockenen norddeutschen Art über die Lippen brachte.

Der Freitag, an dem die Feier stattfand, war herangerückt.
Peter lud sein Rednerpult ins Auto, stieg seinen schwarzen Anzug und machte sich auf den Weg.

Es war für ihn stets ein besonderer Tag, an dem die Trauerfeier stattfand, noch dazu, wenn er vor so vielen Menschen sprach.
Da war einerseits die Traurigkeit, die über der Veranstaltung lag, weil ein Mensch verstorben war.

Und andererseits war es die Möglichkeit, mit Worten, die ins Herz trafen, Trost auszusprechen.

Das gelang ihm nur deshalb, weil er im Vorfeld sehr intensiv mit den Angehörigen sprach, sie quasi interviewte. Es war anstrengend, schweisstreibend, ja einfach kräftezehrend, aber wenn er schließlich vor den betroffenen Trauergästen stand, die ihm dankbar zuhörten, dann wusste er, dass sich seine Mühen gelohnt hatten.

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VIER BÜCHER, DIE ICH SELBST LESE UND DIE ICH EMPFEHLE

MEIN FREUND, DER ALLTAG

Wolf Schneider: „Deutsch für Profis“ Für mich ist der Autor ein Vorbild in Sachen ‚Deutsch‘. Schade, dass es ihn nicht mehr gibt. Sein Buch aber, das werde ich weiter in meiner Arbeit nutzen.  

BETTINA TIETJEN: ‚Unter Tränen gelacht: Mein Vater, die Demenz und ich‘ 
Prof. Dr. med. Silke Heimes hat ein Programm entwickelt, indem es um das Schreiben geht, darum, dass man sich gesund schreibt: „ich schreibe mich gesund – Mit dem 12-Wochen-Programm zu Gesundheit und Ausgeglichenheit“ 

Buchempfehlung:  Baggerhuhn Anette Kuhn – Krümel liebt dieses Buch. Wenn sie bei uns zu Besuch ist, dann muss ich es ihr vorlesen. Sie liegt dann in meinen Armen und bevor ich die dicke Pappseite umblättern darf, klaubt sie noch das kleine Fenster in der Mitte der Seite auf.  Auf ‚Ansehen‘ klicken zum Buch von Katharina Wieker gelangen: „Mein kleiner Fahrzeugspass: Buddeln mit dem Baggerhuhn: Lustiges Reimebuch mit Klappen in Autoform – ab 18 Monaten. Pappbilderbuch 

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MEIN FREUND, DER ALLTAG

DIE BETREFFZEILE

RÜCKBLICKE-ANNA-01.12.2022

Anna bekam einen Brief von einer Behörde.
„Rentenanpassung“, stand dort in der Betreffzeile. Anna verstand nicht, was das sollte und rief Klara an.

RÜCKBLICKE-ANNA IST DEMENT

„Meine Reise zu mir selbst: Finde die Antwort in dir selbst, die dir sonst niemand beantworten kann.“ (Sabrina Fleisch)

 
ANNA

RÜCKBLICKE-30.11.2022 – NOVEMBER 2022

NOVEMBER 2022 – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

KALENDERWOCHE 44 – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

Anselm Grün und Anton Lichtenauer
„Das Buch der Lebenskunst“

KALENDERWOCHE 45 – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

KALENDERWOCHE 46 – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

KALENDERWOCHE 47 – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

WIE ICH MICH MONTAGS MOTIVIERE

SO DENKEN, ALS HÄTTEST DU NUR NOCH WENIG ZEIT ZU LEBEN

 

 

 

 

 

SO DENKEN, ALS HÄTTEST DU NUR NOCH WENIG ZEIT ZU LEBEN

DAS LEBEN RUHIG MAL VOM ENDE HER DENKEN

Wenn ich mich auf eine Trauerfeier vorbereite, dann heißt das, mich mit dem Leben des verstorbenen Menschen zu beschäftigen.

Wie oft habe ich schon gehört, dass die Angehörigen im Vorgespräch gesagt haben, dass es noch viele Wünsche gab, die sich die Betroffenen erfüllten wollten.

Die Lebenszeit aber ist unerbittlich.

Ich nehme für mich daraus mit, möglichst keine Zeit zu vergeuden für die Dinge, die du nicht liebst.

Kannst du das ganz vermeiden?
Nein, sicher nicht.

Aber du kannst mal versuchen so zu denken, als hättest du nur noch wenig Zeit für dein restliches Leben. Das schärft die Sinne und bringt dich auf das, was dir wirklich wichtig ist.

„Das Leben ist zu kurz für später: Stell dir vor, du hast nur noch ein Jahr – ein Selbstversuch, der dein Leben verbessern wird“
(Alexandra Reinwarth)

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MEIN FREUND, DER ALLTAG

 

WIE ICH MICH MONTAGS MOTIVIERE

ALLTÄGLICHES

MONTAGMORGEN TUT WEH, ZUNÄCHST, ABER DANN DENKE ICH AN DIE VERGANGENE WOCHE

Montagfrüh aufstehen und an den Schreibtisch setzen, das macht schlechte Laune.
Also, was tue ich dagegen?

Ich denke an die vergangene Woche zurück, suche nach starken, aufmunternden Momenten.

Ein guter Moment war:

Ich habe eine große Rede vor über 100 Leuten auf einer Trauerfeier gehalten. Viele haben sich danach bei mir bedankt.

Am Samstag kam ein Brief von einem Mann, für dessen Frau ich zwei Wochen zuvor eine Rede gehalten habe. Er schreibt mir, wie dankbar er war, dass ich das Leben seiner Frau so gewürdigt habe.

„Ich wünsche Ihnen weiterhin die Gabe, menschliche Lebensleistungen so zu würdigen“, stand in dem Brief.

Das ist mir fast mehr Wert, als der monetäre Lohn, den ich dafür erhalten habe.

Ein weiterer guter Moment:

Ich denke daran zurück, wie wir am Samstag mit Krümel auf dem Weihnachtsmarkt in Basdorf waren.

Sie ist mit den Karussels gefahren, hat einen Luftballon bekommen, der wie ein Pferdchen aussieht. Krümel ist glücklich, ich bin es auch.

Worauf will ich hinarbeiten in dieser Woche?

Am Donnerstag muss eine weitere Rede fertigsein. Ich will sie noch mit der Familie abstimmen, damit die Details stimmen.

Was ist noch motivierender, und was will ich auch tun?

Jeden Tag Nordic Walking – das pusht mich sehr.
Los geht’s, in die neue Woche.

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Wenn sie bei uns zu Besuch ist, dann muss ich es ihr vorlesen. Sie liegt dann in meinen Armen und bevor ich die dicke Pappseite umblättern darf, klaubt sie noch das kleine Fenster in der Mitte der Seite auf. 

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MEIN FREUND, DER ALLTAG

KALENDERWOCHE 47 – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

ALLTÄGLICHES

ALLTÄGLICHES-26.11.2022

RÜCKBLICKE – ANNA VERGISST DIE NAMEN IHRER ENGSTEN FREUNDINNEN

RÜCKBLICKE- IM WARTEZIMMER VON DR. SILBERFISCH

RÜCKBLICKE ZU ANNA IST DEMENT – DIE ANZEICHEN MEHREN SICH

'Unnützes Wissen Kalender 2023. Der beliebte, aber überflüssige Abreißkalender: Skurrile Fakten, die kein Mensch braucht.'

PETER ERINNERT SICH – ANNA IST DEMENT (2)

PETER ERINNERT SICH – ANNA IST DEMENT (3)

 

 

MEIN FREUND, DER ALLTAG

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MATSCHI, DIE NERVENSÄGE

PETER ERINNERT SICH  (3)

 WAS BISHER WAR:
„Leinen los“, hieß das Fotoalbum, das sich Peter mit Anna gemeinsam anschaute, während Klara mit der Pflegerin im ‚Betreuten Wohnen‘ besprach, was Anna noch an Sachen brauchte.
Anna war wieder in ihre frühere Welt eingetaucht. Sie sah auf den Bildern das Schiff, mit dem sie die schöne Reise nach St. Petersburg und Danzig gemacht hatte, und sie fühlte sich gut dabei, das alles gemeinsam mit Peter anzuschauen.
Peter taten bereits die Knie weh, weil das Fotoalbum so schwer war, das auf seinen Beinen lag.

 „Na, schaut ihr schön die Fotos an?“, fragte Klara, die von dem Gespräch mit der Betreuerin zurückgekehrt war.

Peter fühlte sich beim Spielen ertappt, so als hätte er gerade unter dem Tisch gesessen und mit Klammern gespielt.

Dabei hatte er das Album auf Geheiß von Klara herausgeholt.

„Oh ja, wir spielen schön“, sagte Peter mit leicht beißendem Spott, denn er wäre lieber sofort aus dem Zimmer gegangen, hätte sich auf den Balkon gestellt und in die Ferne geschaut.

„Du kannst ja jetzt mit deiner Mutter die Bilder weiter ansehen“, schob Peter hinterher.

Klara schaute ihn strafend an. Ich muss noch mal los und ein paar Sachen besorgen.

„Wieso musste du Sachen besorgen?“, fragte nun Anna.

„Mutti, ich zeig‘ dir nachher, wenn ich wiedergekommen bin, was ich geholt habe.“

Anna zog die Mundwinkel nach unten, so als wollte sie sagen: „Das verstehe ich nicht.“

Sie verstand es ja auch wirklich nicht. Bevor die Fragerei von Annas Seite aber weiterging und Klara nicht zum Einkaufen loskam, blätterte Peter mit einem Seufzer eine Seite im Fotoalbum um und zeigte auf ein Foto: „Was steht da unten?“

„Beim Kapitänsempfang“, sagte Anna wie aus der Pistole geschossen.

„Weisst du Peter, ich durfte mit am Tisch vom Kapitän sitzen“, sagte Anna.

„Der wird ja dafür bezahlt, dass er mit dir an einem Tisch Platz nimmt.“

„Bezahlt? Der wird doch nicht bezahlt!“, sagte Anna und schaute Peter missbilligend an.

Gut, dass Klara gerade nicht da war. Sie hätte ihm schon wieder einen Schubs gegeben, damit er seine Bemerkungen ließ.

„Nein“, sagte Peter, „das war nur ein kleiner Scherz.

„Wer ist das denn hier auf dem Foto?“

„Das ist ja Annemarie. Du, die war oft mit. Die fuhr so gern mit mir.“

„Und du nicht mit ihr?“, fragte daraufhin Peter.

„Wie meinst du das?“, Anna zog die Augenbrauen hoch.

Peter sah ein, dass er so nicht weitermachen konnte und sich zusammenreißen musste.

Was musste das für eine Kraftanstrengung für die Pflegekräfte, sich jeden Tag wieder aufs Neue mit den Heimbewohnern zu beschäftigen, ohne dabei die Freude am Umgang mit den Menschen, die sie betreuten, zu verlieren.

„Abschied zu Lebzeiten: Wie Angehörige mit Demenzkranken leben“ (Inga Tönnies) Einfach selbst informieren und dazu auf den Button 'ansehen' gehen: 

„Ich muss mal kurz nach draußen und frische Luft schnappen“, sagte Peter und ging schnell aus dem Zimmer.

Am anderen Ende des Ganges kam ihm ein junger Mann entgegen, der einen Rollstuhl mit einer Heimbewohnerin schob.

„Guten Tag“, rief der Peter sehr freundlich zu, fast ein bisschen schleimig.

Jetzt erinnerte sich Peter. Das musste Klaus-Peter Matschig sein.

Das Personal nannte ihn hinter seinem Rücken ‚Matschi, die Nervensäge‘.

Und das hatte seinen Grund.

Für Peter war es ein Rätsel, woher die Leute die Zeit nahmen. Matschi kam jeden Tag und blieb mehrere Stunden, in denen er sich um seine Mutter kümmerte.

Das war schön, aber musste er nicht auch arbeiten?

Klara hatte ihm erzählt, wie Matschi auf einer Versammlung sämtliche Missstände angeprangert hatte, die es seiner Meinung nach im Betreuten Wohnen gab.

„Meine Mutter erhält nicht genügend Aufmerksamkeit von Ihnen“, hatte er ausgeführt und die Pflegekräfte gemeint.

„Das kann ich nun gar nicht sagen“, hatte Klara daraufhin entgegnet. Wenn Sie mal nicht da waren, dann war stets eine Mitarbeiterin bei Ihrer Mutter“, sagte Klara zu ihm.

„Finden Sie nicht auch, dass Sie mal was Positives sagen können, vielleicht eine winzige Kleinigkeit, die Ihnen positiv aufgefallen ist?“, fragte Klara ihn.

Matschi war verblüfft und bekam kein Wort heraus, während die Pflegedienstleiterin sie dankbar ansah.

Klara war auch dafür, Mängel anzusprechen, aber Dinge herbeizureden, die nicht der Realität entsprachen, das fand sie unfair gegenüber den Pflegekräften, die es schwer genug hatten, die Bewohner in jeder einzelnen Sekunde nicht aus den Augen zu lassen.

Für Matschi war das alles selbstverständlich und er bekam auch kein Dankeschön über die Lippen.

Klara war froh, dass Peter nicht dabei gewesen war. Er hätte wahrscheinlich zum grossen Schlag ausgeholt, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen.

Auf zerschlagenes Porzellan konnte er solchen Momenten keine Rücksicht nehmen, denn das war nicht seine Stärke.

Peter wusste genau, dass er sensibler vorgehen müsste, aber ihn empörte meist die Gleichgültigkeit von manchen Angehörigen, die nicht sahen, wie sehr sie die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen demotivierten.

„Na, wie war deine Besprechung mit der Schwester?“, fragte Peter, als Klara und er das Gebäude wieder verliessen.

„Ach, es ging nur um organisatorische Dinge“, antwortete sie und Peter gab sich damit zufrieden.

Auf der Autobahn Richtung Berlin schwiegen sie lange.

Es war bedrückend zu sehen, wie Annas geistige Fähigkeiten von Mal zu Mal schrumpften und sie nichts dagegen tun konnten.

Sie würden immer mal wieder hinfahren und nach dem Rechten sehen.

Ein kleiner Lichtblick war es für Peter, dass Anna merklich auflebte, als er mit ihr die Bilder im Fotoalbum angeschaut hatte.

 

 

 

 

 

 

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‚KÖNNT IHR MICH AUS DER KITA ABHOLEN?‘

ALLTÄGLICHES

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DEN TAG SO NEHMEN, WIE ER IST

Es ist kurz vor neun Uhr, und ich habe eine Menge geschafft. Die Rede ist fertig, die ich morgen auf einer Trauerfeier halten will.
Es ist mir sehr wichtig, dass sie gut bei den Trauergästen ankommt.

Warum?

Weil ich einen Menschen nicht zurückholen kann, natürlich nicht. Aber ich kann dazu beitragen, mit den richtigen und einfühlsamen Worten, wahrhaften Trost zu spenden.

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Wird das etwas daran ändern, dass die Angehörigen traurig sind? Ich glaube nicht. Aber wenn sie irgendwann am Küchentisch sitzen und zum Beispiel fragen: „Weisst du noch, wie lustig, es mit Opa war?“

Wenn sie also wieder ein bisschen lachen können, so ihre Trauer und ihren Schmerz verarbeiten, dann habe ich mit der Rede etwas dazu beigetragen.

Und darüber freue ich mich dann, im Stillen.
Aber heute, ja da freue ich mich riesig darauf, mittags Krümel in der Kita in Empfang zu nehmen.

„Können mich Oma und Opa abholen, Mama?“, hat sie vorgestern gefragt.
Wir können eigentlich nicht so richtig, zeitlich jedenfalls.
Aber wir wollen es unbedingt und so bin ich etwas früher aufgestanden, um alles zu schaffen.

Jetzt sitze ich bei REWE und schreibe diese Zeilen, während ich auf Klara warte, die mal wieder nicht von den Regalen loskommt

Doch ich sitze gern hier, auf einer Bank beim Bäcker und schaue nach draussen, in den trüben Tag. Ich beobachte die Menschen und denke: Das Leben ist schön, wenn du es so nimmst, wie es ist.

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MEIN FREUND, DER ALLTAG

MAL WIEDER ZU BESUCH BEI ANNA

PETER ERINNERT SICH – ANNA IST DEMENT (2)

WAS BISHER WAR:

Peter hatte wieder eine Rede auf einer Trauerfeier gehalten.
Sie stieß ihn mit Macht darauf, dass das Leben nicht endlos so weitergehen würde.
Es war wichtig, sich dieser unumstößlichen Tatsache immer wieder bewußt zu werden, das Leben vom Ende herzudenken.
Er war auch wieder darauf gestoßen, wieviel Arbeit es machte, sich dem Lebenswerk eines verstorbenen Menschen zu widmen, vorausgesetzt, man nahm es ernst, und man es sich vor allem zu Herzen.
Darüber vergaß er ganz, mit Anna zu telefonieren.

 

Es hatte über Nacht geschneit. Peter sah aus dem Fenster und staunte nicht schlecht. Auf der Straße lag der erste Schnee und die Dächer der Autos, die nicht unter einem Carport standen, waren weiß.

Was Anna jetzt wohl sagte, wenn sie morgens auf das Meer schaute, die Weite der See in sich aufnahm und vielleicht auch schon ein paar Flocken der weißen Magie bestaunen konnte?

Aber war Anna überhaupt dazu noch in der Lage? Sie lebte an einem der schönsten Orte, die man sich nur denken konnte und bekam es wahrscheinlich gar nicht mehr mit.

Dafür dachte Peter daran, wie schön sie es hatte, gut betreut, schöne Zimmer, keine Sorgen. Aber das war der Blick von aussen, von einem Dritten, der der Betroffenen sagt, wie schön sie es doch hätte.

Was die Bewohner des Betreuten Wohnens wirklich dachten, das wusste keiner der Angehörigen so ganz genau.
Peter musste daran denken, wie es war, wenn er mit Klara in die Einrichtung kam und sie in die Küche gingen.

Dort hielten sich die meisten Bewohnerinnen und ein Bewohner auf. Sie redeten nicht miteinander, sie starrten vor sich.
„Wo kommt ihr denn jetzt her?“, hatte Anna Peter gefragt, als sie ihn erkannte. Das dauerte immer ein wenig, aber dann kam Bewegung in ihre Gesichtszüge.

Geschichten für Menschen mit Demenz: Matthias Knorheim: „Das Herz vergisst nicht - 20 Wundervolle Kurzgeschichten"
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Peter glaubte eine aufhellende Freude in ihrer Mimik zu erkennen.
Auf jeden Fall begann er sofort mit Anna zu reden.
„Wir sind gerade von Berlin gekommen und direkt von der Autobahn hierher?“, sagte er.

Es vergingen ein paar Momente, bis Anna reagierte.
„Aha, und das geht?“, fragte Anna zurück.
„Offensichtlich, denn wir stehen ja vor dir“, antwortete Peter ein wenig schnoddrig.

Klara stiess ihm in die Seite, dass er nach vorn überkippte und sich auf dem Tisch vor Anna aufstützen musste.

Er war jetzt so nah an ihrem Gesicht, dass er in ihre ein wenig leer dreinblickenden Augen schaute. Anna drehte nun ihren Kopf und Peter drückte ihr einen Kuss vor Schreck auf die Wange.

Anna strahlte nun etwas freundlicher und Klara musste schmunzeln.
„Ich muss mal mit der Schwester etwas besprechen, kannst du mit Mutti ein wenig auf ihr Zimmer gehen und mit ihr Fotoalben anschauen?“, flüsterte sie leise.

„Hm“, brummte Peter missmutig. Dazu hatte er nun gar keine Lust. Er musste sofort an Annas Lieblingsfotoalbum denken, dass Peter mit ihr bereits hunderte Male durchgeblättert hatte.
So fühlte es sich für ihn zumindest an.

Aber Anna liebte es, wenn Peter die erste Seite aufschlug und er mit dem Finger auf die Zeilen zeigte, die erläuterten, worum es auf dem Bild ging.

Das erste Foto zeigte die „MS Deutschland“, die im Hafen lag und sich zum Ablegen bereitmachte.

„Leinen los“, rief Anna mit einer Inbrunst, dass selbst Peter sich erschrak.
Anna war in eine Welt eingetaucht, die ihr für den Moment ein positives Gefühl gaben.

Und das war für ihn Motivation genug, weiterzumachen. Er blätterte um und zeigte auf die nächsten Fotos.

Und so surften sie Stück für Stück durch Annas vergangene Welt, durchpflügten die Ostseewellen, spazierten durch die Eremitage in Skt. Petersburg und bestaunten die Gassen in Danzig.

Anna sass dann in ihrem Sessel, den ihr Peter und Anna in das Zimmer aus ihren alten Wohnung mitgebracht hatten und Peter hatte auf ihrem Bett Platz genommen, das etwas höher war und er sich deshalb ein wenig nach vorn beugen musste.

Die Knie taten ihm dadurch schneller weh und das Album rutschte ein wenig nach vorn, sodass Peter es wieder mit seinen Händen zurückziehen musste.

„Oh, das ist ganz schwer, dein Album!“, sagte Peter.
Anna reagierte nicht, sie schaute fasziniert auf die Bilder, auf denen sie mit ihrer Wegbegleiterin zu sehen war.

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RÜCKBLICKE ZU ANNA IST DEMENT – DIE ANZEICHEN MEHREN SICH

 

Anna zeigt immer mehr Anzeichen von Demenz. Es fällt schwer, das zu akzeptieren. Doch die Signale dafür häufen sich. Anna kann nicht mehr unterscheiden, was von der Post wichtig ist und was gleich in den Papierkorb kann.

DIE ANZEICHEN MEHREN SICH

„Für Senioren mit Demenz: 145 einfache Sprichwort-Rätsel-verdrehte Sprichwörter und Redewendungen – Gedächtnistraining, Beschäftigung“ (Ralf Hillmann) Einfach selbst informieren und dazu auf den Button 'ansehen' gehen:
 

RÜCKBLICKE- IM WARTEZIMMER VON DR. SILBERFISCH

Klara und Lukas besuchen gemeinsam mit Anna Dr. Silberfisch. Sie möchten hören, was er ihnen rät und wie es mit Anna weitergehen soll.

IM WARTEZIMMER VON DR. SILBERFISCH

„In 100 Tagen zu einem jüngeren Gehirn: Gedächtnis stärken, Konzentration verbessern und Demenz verhindern – mit vielen Selbsttests und Übungen“
(Dr. Sabine Brennan)

Einfach selbst informieren und dazu auf den Button 'ansehen' gehen:

RÜCKBLICKE – ANNA VERGISST DIE NAMEN IHRER ENGSTEN FREUNDINNEN

ES WIRD IMMER WICHTIGER, ANNA DABEI ZU HELFEN, SICH ZU ERINNERN

BERTA HAT AUFGELEGT

Adventskalender Demenz: Beschäftigung und Betreuung zu Weihnachten - Gedächtnistraining für Senioren mit Alzheimer, pflegende Angehörige:...Lieder, Wissen und Redewendungen

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KALENDERWOCHE 46 – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

ALLTÄGLICHES

Wir sitzen zuviel und bewegen uns zu wenig – darum geht es in dem Buch von Ernst Minar und Slaven Stekovic  „Lebensmotor Bewegung“

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SCHREIBEN ÜBER DAS, WAS DU KENNST

WOLF SCHNEIDER IST TOT – EIN GROSSER IN SACHEN DEUTSCH

VON DER SCHWIERIGKEIT, MIT ANNAS DEMENZ UMZUGEHEN

ANNA IST DEMENT – PETER ERINNERT SICH

ANNAS DEMENZ MACHT SICH IM ALLTAG ZUSEHENDS BEMERKBAR

DAS TELEFONAT MIT ANNA MUSSTE WARTEN

 

MEIN FREUND, DER ALLTAG

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DAS TELEFONAT MIT ANNA MUSSTE WARTEN

PETER ERINNERT SICH – ANNA IST DEMENT (1)

Peter hatte sich vorgenommen, auszuschlafen, nicht so früh wie am vorhergehenden Tag aufzustehen.

Das war ein Tag, der ihn nachdenklich stimmte, denn er hatte wieder mal eine Rede auf einer Trauerfeier gehalten, die ihn dann auch immer wieder selbst traurig machte.

Dabei ging es um einen Menschen, der über acht Jahrzehnte gelebt hatte.

Es war für sie ein sehr erfülltes und ein sehr glückliches Leben. Sie war Lehrerin gewesen, war im Norden, in Stralsund aufgewachsen, hatte in Putbus studiert und auch ihren Mann kennengelernt. Alles in allem eine Geschichte, die Peter mochte.

Ein nordisches Mädchen, bodenständig, klug und unternehmenslustig.
Peter war auf all das eingegangen und im Anschluss hatte ihn der Mann umarmt und ein bisschen geweint.

„Es war nicht nur perfekt, es war einfach traumhaft, wie Sie gesprochen haben“, sagte der zu ihm.
Peter nickte stumm. Er hatte in dem Moment ebenfalls mit den Tränen zu kämpfen.

Dabei war es bis zu dieser Aussage ein steiniger, ein sehr steiniger Weg.

 

Die Trauerfeier fand in der Kapelle seines Dorfes statt.
Die Halle war noch leer und die Tür knarrte laut, als er sie öffnete.
Als er hereinkam, da saß in der Ecke eine junge Frau, die er nicht kannte.

„Ah, Sie sind sicher der Enkel von Herrn Meyer!“, sagte Peter zu ihr und ging auf Sie zu, um sie zu begrüßen.

Peter hatte das einfach so gesagt, weil Herr Meyer, der Inhaber des Bestattungsinstitutes ihm erzählt hatte, dass er in Berlin mit seinem Enkel U-Bahn gefahren sei und der völlig begeistert war. Also dachte Peter, er hätte nun den Enkel von Meyer vor sich.

„Erstens bin ich nicht der Enkel von Herrn Meyer, zweitens kein Junge und drittens die Lebensgefährtin von Herrn Meyer“, sagte sie lachend.

„Oh, bitte entschuldigen Sie“, sagte Peter und er wusste gar nicht, wie ihm das passieren konnte.

„Werde ich etwas auch schon dement, wie Anna und frage schließlich: „Wer waren Sie noch mal?“ Peter war von sich selbst entsetzt.

Wahrscheinlich war er völlig überfordert von den letzten Tagen.
Er hatte unheimlich viel in seine Arbeit gelegt, um die Rede zu konzipieren, zu schreiben, und das alles in einer sehr kurzen Zeitspanne.

Er war die Nacht vor der Trauerfeier noch einmal kurz nach zwei Uhr aufgestanden.

Nicht etwa, weil er von seniler Bettflucht angetrieben wurde. Nein, dafür schlief er viel zu gern.

Aber wenn er das Gefühl hatte, dass die Rede noch nicht seinen eigenen Anforderungen entsprach, dann schnellte Peter hoch, noch bevor Klara ihn per Befehl wieder ins Bett zurückrief.

Peter schrieb einen ganzen Abschnitt neu, mit der Hand. Immer wenn es ganz wichtig wurde und ihm doch nicht so recht was einfiel, dann nahm er den Füllhalter in die Hand.

Seine rechte Hand war blau von der Tinte. Bevor er auf dem Papier losschrieb, tauchte er die Feder in ein Tintenfass, das neben ihm stand.

Meist blieb dann was hängen an der äußeren Hülle und das landete dann auf Peters Hand, und die schmierte es auf das Papier, wo er gerade drauf schreiben wollte.

 

Peter schrieb schnell, fast ohne zu überlegen. Es war anstrengend, aber Peter spürte auf dem Papier keinen Schreibwiderstand. Er musste nicht noch am Füller herumkauen, damit ihm etwas einfiel.

Als er mit dem Handschriftlichen fertig war, da hämmerte Peter das Gekritzelte in die Computertasten.

Er wollte schnell weiterkommen. Als alles in der Word-Datei war, schaute er kurz drüber.

„Warum waren die Anführungsstriche auf einmal oben?“
Er begann hektisch zu suchen, tippte mal auf den einen Button, dann wieder auf einen anderen.

Es war, als würde er im Cockpit eines Flugzeuges auf dem Sitz des Flugkapitäns Platz genommen haben und nun mal probierte, mit welchem Knopf man anstellte, dass die Maschine wieder landete.

Plötzlich stellte sich das gesamte Computerbild quer.
Peter erschrak, beugte sich nach links und versuchte so zu lesen, bis ihm der Hals wehtat.
Er fummelte an der Seite des Computers herum, bis der ganz ausging.

„Jetzt wird alles wieder gut“, sagte sich Peter und machte ihn wieder an.
Das Bild stand immer noch quer und Peter schaute in Panik auf die Uhr.

Es war gleich kurz vor vier Uhr und er hatte noch so viel zu tun.
Er surfte auf dem iPad herum, bis er die richtige Anleitung gefunden hatte.

Als alles wieder im Hochformat zu sehen und zu lesen war, suchte er die Datei.
Sie war leer. Peter hatte in dem Trubel vergessen, die Seite zu speichern.

Die handgeschriebenen Zettel hatte Peter bereits zerrissen, in viele kleine Teile, und den Papierkorb entsorgt.
Er hob ihn an, kippte ihn auf dem Schreibtisch aus und suchte die Papierfetzen zusammen.

So musste das in der Stasi-Unterlagenbehörde gelaufen sein, wenn sie die Akten wieder zusammensetzten. Nur, dass sie dort Technik hatten und Peter nur seine dicken und ungelenken Finger.

Schließlich hatte er wieder alles zusammengeklebt. Es war inzwischen schon nach sechs Uhr.
Als Peter gegen acht Uhr alles soweit hatte, dass er es vorlesen konnte, ging er zu Klara runter in die Küche.

„Ich habe kein gutes Gefühl, und ich kann auch nicht mehr denken“, sagte ich zu ihr.
„Die Rede ist gut“, sagte Klara, nachdem Peter es ihr bis zu Ende vorgelesen hatte.

„Gut“, das war so etwas wie ein Ritterschlag für ihn und der psychische Druck wich allmählich wieder von ihm.

Peter nahm sich vor, am Nachmittag gemeinsam Anna anzurufen und sie zu fragen, wie es ihr geht.

Am Nachmittag lag Peter nur auf der Couch, wollte nicht reden und mit keinem telefonieren. Das Telefonat mit Anna musste warten.

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ANNAS DEMENZ MACHT SICH IM ALLTAG ZUSEHENDS BEMERKBAR

 Vor fünf Jahren wurde die Krankheit von Anna immer offensichtlicher. Aber sie wohnte noch in ihrer Wohnung und konnte selbstständig agieren.

Manchmal hatte das aber auch Nachteile, wie beim Brief, der Anna ins Haus flatterte.

 SIE HABEN GEWONNEN, FRAU STURM

Anna hält einen Werbebrief in der Hand, in dem ihr 8000 Euro Gewinn versprochen werden. Klara gelingt es nicht, Anna davon abzuraten, an die Firma eine Antwort zu schicken.

Prof. Dr. med. Silke Heimes hat ein Programm entwickelt, indem es um das Schreiben geht, darum, dass man sich gesund schreibt: „ich schreibe mich gesund – Mit dem 12-Wochen-Programm zu Gesundheit und Ausgeglichenheit“

„Ich hab‘ da vielleicht wieder eine Aufregung“, sagt Anna.

Sie hat Klara angerufen, eben wie immer täglich, gegen Abend.
„Was denn für eine Aufregung?“, fragt Klara. „Na, ich habe schon wieder 8000 Euro gewonnen.“

„Mutti, du hast nicht gewonnen. Das ist ein Werbebrief. Und wenn du weiter unten liest, dann siehst du, dass du die Chance hast, zu gewinnen.  Eventuell. Aber das ist eher unwahrscheinlich.“

„Ich lese dir jetzt mal vor, was hier steht.“
Anna fängt an, den Werbebrief vorzulesen: „Liebe Frau Sturm, freuen Sie sich! Sie haben gewonnen…
Schicken Sie die Antwort noch heute zurück, und: Vergessen Sie nicht, den beiliegenden Bestellschein auszufüllen… Sobald wir Ihre Rückantwort erhalten haben, sind Sie mit dabei – bei der großen Verlosung für den Hauptgewinn in Höhe von 8000 Euro…Also schicken Sie den Brief noch heute ab, liebe Frau Sturm.“

Klara hat bis zum Schluss gewartet. Sie war dem Rat von Peter gefolgt und hatte ihre Mutter nicht unterbrochen.
Doch es fiel ihr schwer, ruhig zu bleiben, zuzuhören, nicht hineinzureden.

Doch nun platzte es aus ihr heraus: „Mutti, wir haben doch schon so oft darüber gesprochen.
Das ist ein Werbe-Gag. Du bist eine von Tausenden, die wie du diese Post erhalten haben.  Der Brief erfüllt nur einen einzigen Zweck: Du sollst wieder eine Bluse bestellen, verstehst du das?“

„Ja, aber hier steht, ich habe gewonnen.“
„Mutti, jetzt zerreiß den Brief, und wirf‘ ihn in die Tonne!“
„Meinst du wirklich?“ „Ja!“
Klara konnte nicht mehr.

„Du erreichst nichts, wenn du auf diese Art mit deiner Mutter sprichst.  Anna hat doch jetzt nur ein schlechtes Gefühl, weiß aber nicht so richtig warum und wird dir beim nächsten Mal gar nichts mehr erzählen.“

Peter versuchte Klara zu erklären, dass sie so nicht weiterkam.

„Du hast gut reden. Du redest ja nicht jeden Abend mit ihr.“
Klara war bedient.

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ANNA

ANNA IST DEMENT – PETER ERINNERT SICH

ANNA

Unter dieser Rubrik soll die Geschichte von Anna weiter erzählt werden.
Ich schreibe vorwiegend Ereignisse aus dem ganzen normalen Alltag einer Familie auf, mal humorvoll, mal traurig, so wie es eben im Leben eines jeden Menschen zugeht.

Mit eingewoben werden Erzählungen aus den vergangenen Jahren, jedoch ohne dass ich nur darauf Bezug nehme.

Die Idee für die Weiterführung hatte Laura. Freitags soll jeweils so eine kleine Geschichte veröffentlicht werden. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt.

“Der Bär kletterte über den Berg” – eine wunderbar erzählte Geschichte über einen Mann, der zusehen muss, wie er seine demente Frau immer mehr verliert und wie er doch an ihr festhält.
Aus: ‘Ferne Verabredungen – Die schönsten Erzählungen’ von Alice Munro

Erste Gedanken habe ich gestern abend aufgeschrieben, auf der Couch, das iPad vor mir auf drei aufgestapelten Kissen.
Anna ist dement, aber Peter erinnert sich.

Annas Krankheit schreitet weiter voran, sie erinnert sich immer weniger an Dinge in ihrem Leben.

Doch die Anrufe bei Klara zeigen, dass es noch genügend Menschen gibt, die sich nach dem Befinden von Anna erkundigen. Ich möchte, dass die Familiengeschichte weitergeht, dass Anna auch weiterhin eine Rolle im Leben der Anderen spielt.

Peter und Klara wollen sich weiter intensiv um sie kümmern, ihr schöne Momente bereiten, auch wenn diese nach und nach weniger werden.

Und die Geschichte der Familie soll dabei weitererzählt werden. Nicht nur die traurigen Momente, nein auch die schönen, die vergangenen und die gegenwärtigen.

Anna wird bleiben in den Erzählungen, dement zwar, aber ein vollwertiges Familienmitglied, erst recht jetzt.

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ANNA IST DEMENT

 

VON DER SCHWIERIGKEIT, MIT ANNAS DEMENZ UMZUGEHEN

EINEN SATZ NACH DEM ANDEREN SAGEN

Laura ist zu Besuch. Peter versucht Laura zu erklären, warum Anna nicht mehr alles versteht.

Sonntagabend.
Klara hatte noch einmal bei Anna angerufen. Sie wollte nicht, dass ihre Mutter nun vielleicht durcheinander war, weil Laura ihr am Telefon nicht richtig erklärt hatte, dass sie unverhofft aus Berlin zu Besuch gekommen war.

 

Es war für keinen leicht, mit der Demenz von Anna umzugehen. Nicht für Klara, für Peter nicht und auch nicht für Laura.

 

BETTINA TIETJEN:
‚Unter Tränen gelacht: Mein Vater, die Demenz und ich‘

„Du musst mit Oma gehirngerecht kommunizieren.“
„Papa, was ist das für ein Quatsch?“, protestierte Laura.
„Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Was ich damit sagen will: Oma kann nicht mehrere Informationen gleichzeitig verarbeiten. Das verwirrt sie.“

 

„Was meinst du?“, fragte Laura.
„Nun, du gehst an unser Telefon. Für Oma müsste jetzt Mama am Hörer sein. Stattdessen hört sie deine Stimme. Für sie wohnst du in Berlin und bist jetzt auch in Berlin.

 

Wir wiederum sind für sie da, wohin sie jetzt auch anruft, im Dorf in der Nähe von Berlin. Also solltest du erst einmal sagen, dass du bei uns spontan zu Besuch bist, in Brandenburg.“

 

„Spontan zu Besuch?“, fragte Laura dazwischen.
„Das versteht sie doch erst recht nicht.“

 

„Aber stell dir vor, du würdest die Informationen per Rohrpost versenden – ein Satz folgt auf den anderen, und sie gehen alle in die gleiche Richtung.

 

Da kannst du ja auch nicht mit dem letzten Satz anfangen, sondern du schiebst den ersten Satz zuerst durch.“

„Na gut Papa, das ist mir zu blöd.“ Peter schwieg. Laura lag vermutlich richtig.

 

Er war eben auch nicht trainiert auf die Kommunikation mit demenzkranken Menschen.

 

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ANNA

 

WOLF SCHNEIDER IST TOT – EIN GROSSER IN SACHEN DEUTSCH

Wolf Schneider starb vor wenigen Tagen.
Ich kannte ihn nicht persönlich, dafür umso mehr sein 1982 erschienenes Buch „Deutsch für Profis.“

Ich habe selten so etwas Profundes darüber gelesen, wie man als Journalist, Autor, Texter Sätze formulieren sollte, nämlich: kurz und prägnant.

Wer irgendwie mit Sprache zu tun hat, in Wort oder Schrift, der sollte dieses Buch kennen.

Es ist unterhaltsam geschrieben. Aber auch anstrengend, weil du dich wirklich beim Lesen anstrengen musst.

Wolf Schneider: „Deutsch für Profis“
Für mich ist der Autor ein Vorbild in Sachen ‚Deutsch‘. Schade, dass es ihn nicht mehr gibt. Sein Buch aber, das werde ich weiter in meiner Arbeit nutzen. 

 

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MEIN FREUND, DER ALLTAG

 

SCHREIBEN ÜBER DAS, WAS DU KENNST

ALLTÄGLICHES

Der beste Stoff ist oft der, der dir vor der Nase liegt.
Nur, dass du es nicht wahrhaben willst.
‚Das ist banal, ohne Tiefgang, du machst dich lächerlich, wenn du es aufschreibst‘, denke ich oft.
Man schätzt einfach nicht das, was einem quasi vor die Füße rollt.

Hier ein typischer Ausschnitt meines Tages
Der Tag begann für mich so, wie ich es mir vorstelle, wenn ich ihn planen kann, ohne dass mir jemand reinredet.

Ich bin gegen halb fünf Uhr aufgestanden und habe mir einen Tee gekocht, um munter zu werden.
Klara hasst es, wenn ich so früh aufstehe.

„Du bist Rentner“, sagt sie dann.
Sie hat recht, aber auch wieder nicht.
Sicher, ich könnte bis 07.00 Uhr im Bett bleiben, aber dann schaffe ich nichts, nicht so viel jedenfalls.

Ausserdem macht es mir Spass, mich selbst anzustossen und bis zum Frühstück schon ein bisschen was geschafft zu haben.
Ich bin dann ganz anders drauf.

WER HUMORVOLLE GESCHICHTEN AUS DEM ALLTAG LIEBT:

DORA HELDT: „Mathilda oder Irgendwer stirbt immer“

Einfach selbst unter dem Button ‚ansehen‘ informieren:

Damit ich munter werde, gehe ich auf die Terrasse und schwinge meine Gewichte in die verschiedensten Richtungen.
Ich merke, wie ich abgebaut habe und nehme mir vor wieder viel mehr zu trainieren.

Im vergangenen Jahr, da sind Klara und ich kurz vor vier Uhr aufgestanden und eine Stunde später waren wir schon Richtung Berlin-Mitte unterwegs.

Nachdem ich Klara im Zeitungsviertel abgesetzt hatte, bin ich ins Fitness-Studio im Prenzlauer Berg gefahren.
Dort war ich fünfmal in der Woche.

Ich kann es gar nicht glauben, dass ich das so lange durchgehalten habe.

Immerhin sind drei Jahre zusammengekommen.
Jetzt ist Klara auch zu Hause und mir ist der Weg zu weit.
Dafür habe ich mir ein Fahrradergometer angeschafft. Aber ehrlich,

ich steige da kaum rauf. Dafür laufe ich wieder regelmässig.
Ich habe als neue Laufstrecke den Weg am Rahmer See für mich entdeckt.

Es ist herrlich, dort direkt am See zu laufen, auf das Wasser zu sehen und mental in die Ruhe und die bunte Herbstlandschaft einzutauchen.

Ich habe nie aufgehört zu arbeiten, aber die Möglichkeit, tagsüber vom Schreibtisch aufzustehen, in die Laufsachen zu schlüpfen und loszustürmen, das ist Luxus pur für mich.

Das macht natürlich nur, wenn ich schon ein bestimmtes Pensum geschafft habe und meine To-Do-Liste zusammengeschrumpft ist.

„Ich schreibe mich schlank“ von Prof. Dr. Silke Heimes

Dann gönne ich mir sogar einen kleinen Mittagsschlaf, um danach mit leicht schlechtem Gewissen wieder an den Schreibtisch zu stürzen.

Aber würde ich das alles so schätzen, wenn ich gar nichts mehr tun würde und mich nur noch den Hobbies widmen würde?

Am nächsten Tag.
Ich sitze wieder auf der Bank, direkt am Rahmer See.
Es ist kein Mensch hier. Ganz still.

Im Hintergrund vernehme ich den stark gedämpften Verkehr auf der Strasse.

Ich schaue auf den See und erblicke am gegenüberliegenden Ufer Häuser, eingebettet in die Landschaft.
Muss das schön sein, dort zu wohnen!

Ich seufze in mich hinein.
Aber würde ich dann schon gelaufen sein, Sport gemacht haben?
Eher nicht. Ich würde wahrscheinlich am Schreibtisch sitzen, hinausschauen und auf der anderen Seite einen dicken Nordic Walking – Menschen sehen, der auf der Bank herumlungert, neben sich die Stöcke, die Füsse lang ausgestreckt.

„Die arme Sau“, würde ich denken und erhaben auf mein Grundstück hinunterschauen.
Dann würde mich der Alltag einholen und meine schlechte Laune würde in mir hochsteigen.

„Ich muss den Artikel noch fertigschreiben,
das Laub fegen, den Bootssteg reparieren.“

Der Mann auf der anderen Seite erhebt sich.
„Wie der sich wohl fühlt?“, würde ich mich fragen.
„Bestimmt bescheiden.“

Ich erhebe mich von der Bank, schnappe mir die Stöcke, schmeiss sie auf die Schulter und werfe einen letzten Blick auf das Haus am See.

„Schön, dass ich das alles sehen und erleben kann. Gott sei Dank, muss ich dafür gar nichts tun, nur herfahren, sich bewegen, auf der Bank sitzen, den Blick aufs Wasser geniessen, das Haus bewundern und denken, dass es schön ist, dass du keine Arbeit damit hast.

 

MEIN FREUND, DER ALLTAG

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KALENDERWOCHE 45 – DAS WAREN DIE BEITRÄGE

ALLTÄGLICHES

ALLTÄGLICHES-12.11.2022

REDEN UND SCHREIBEN SIND EIN HANDWERK – DU MUSST STÄNDIG DARAN ARBEITEN

HEIMAT IST DORT, WO DEINE WOHNUNG IST

RÜCKBLICK: INTERVIEW MIT SUSANNE ROSENBERGER

ÜBER DAS RISIKO DER WACHSENDEN ZAHL VON MENSCHEN MIT EINGESCHRÄNKTER ALLTAGSKOMPETENZ

 

Wer wie ich viel am Schreibtisch sitzt, der sollte etwas tun, sich vor allem mehr bewegen . Ich bin Laie auf diesem Gebiet, brauche Anleitung und deshalb fiel mir ein Buch ins Auge, nämlich das von Roland Liebscher-Bracht und seiner Frau, Dr. med. Petra Bracht –

‚SCHMERZFREI UND BEWEGLICH BIS INS HOHE ALTER – DAS ÜBUNGSPROGRAMM FÜR DEN GANZEN KÖRPER‘:

 

LUXUS IST, AM ALLTAG AM SEE ZU LAUFEN

 

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LUXUS IST, AM ALLTAG AM SEE ZU LAUFEN

Der Tag begann für mich so, wie ich es mir vorstelle, wenn ich ihn planen kann, ohne dass mir jemand reinredet.

Ich bin gegen halb fünf Uhr aufgestanden und habe mir einen Tee gekocht, um munter zu werden.

Klara hasst es, wenn ich so früh aufstehe.
„Du bist Rentner“, sagt sie dann.
Sie hat recht, aber auch wieder nicht.

Sicher, ich könnte bis 07.00 Uhr im Bett bleiben, aber dann schaffe ich nichts, nicht so viel jedenfalls.

Außerdem macht es mir Spaß, mich selbst anzustoßen und bis zum Frühstück schon ein bisschen was geschafft zu haben. Ich bin dann ganz anders drauf.

Damit ich munter werde, gehe ich auf die Terrasse und schwinge meine Gewichte in die verschiedensten Richtungen.
Ich merke, wie ich abgebaut habe und nehme mir vor wieder viel mehr zu trainieren.

Im vergangenen Jahr, da sind Klara und ich kurz vor vier Uhr aufgestanden und eine Stunde später waren wir schon Richtung Berlin-Mitte unterwegs.

Nachdem ich Klara im Zeitungsviertel abgesetzt hatte, bin ich ins Fitness-Studio im Prenzlauer Berg gefahren.
Dort war ich fünfmal in der Woche.

Ich kann es gar nicht glauben, dass ich das so lange durchgehalten habe.

Immerhin sind drei Jahre zusammengekommen.
Jetzt ist Klara auch zu Hause und mir ist der Weg zu weit.
Dafür habe ich mir ein Fahrradergometer angeschafft. Aber ehrlich,

ich steige da kaum rauf. Dafür laufe ich wieder regelmäßig.
Ich habe als neue Laufstrecke den Weg am Rahmer See für mich entdeckt.

Es ist herrlich, dort direkt am See zu laufen, auf das Wasser zu sehen und mental in die Ruhe und die bunte Herbstlandschaft einzutauchen.

Ich habe nie aufgehört zu arbeiten, aber die Möglichkeit, tagsüber vom Schreibtisch aufzustehen, in die Laufsachen zu schlüpfen und loszustürmen, das ist Luxus pur für mich.

Das macht natürlich nur, wenn ich schon ein bestimmtes Pensum geschafft habe und meine To-Do-Liste zusammengeschrumpft ist.

Dann gönne ich mir sogar einen kleinen Mittagsschlaf, um danach mit leicht schlechtem Gewissen wieder an den Schreibtisch zu stürzen.

Aber würde ich das alles so schätzen, wenn ich gar nichts mehr tun würde und mich nur noch den Hobbies widmen würde?

‚Sorgen sind wie Nudeln, man macht sich immer zu viele‘, sagt die Autorin Sabine Bode.
Was im Alltag wichtig ist, sehr humorvoll von der Autorin beschrieben.

IN GEDANKEN IM HAUS AM ANDEREN UFER WOHNEN

Ich sitze wieder auf der Bank, direkt am Rahmer See.
Es ist kein Mensch hier. Ganz still.

Im Hintergrund vernehme ich den stark gedämpften Verkehr auf der Straße.

Ich schaue auf den See und erblicke am gegenüberliegenden Ufer Häuser, eingebettet in die Landschaft.

Muss das schön sein, dort zu wohnen!
Ich seufze in mich hinein.

Aber würde ich dann schon gelaufen sein, Sport gemacht haben?
Eher nicht. Ich würde wahrscheinlich am Schreibtisch sitzen, hinausschauen und auf der anderen Seite einen dicken Nordic Walking – Menschen sehen, der auf der Bank herumlungert, neben sich die Stöcke, die Füße lang ausgestreckt.

„Die arme Sau“, würde ich denken und erhaben auf mein Grundstück hinunterschauen.

Dann würde mich der Alltag einholen und schlechte Laune würde in mir trotz der schönen Wohnsituation hochsteigen.

„Ich muss den Artikel noch fertigschreiben, das Laub fegen, den Bootssteg reparieren.“

Der Mann auf der anderen Seite erhebt sich.
„Wie der sich wohl fühlt?“, würde ich mich fragen.
„Bestimmt bescheiden.“

AUS DEN GEDANKEN GERISSEN UND WIEDER BEI MIR SELBST

Ich erhebe mich von der Bank, schnappe mir die Stöcke, schmeiß sie über die Schulter und werfe einen letzten Blick auf das Haus am See.

„Schön, dass ich das alles sehen und erleben kann. Gott sei Dank, muss ich dafür gar nichts tun, nur herfahren, sich bewegen, auf der Bank sitzen, den Blick aufs Wasser genießen, das Haus bewundern und denken, dass es schön ist, dass du keine Arbeit damit hast“, denke ich auf dem Weg zum Auto bei mir.

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ÜBER DAS RISIKO DER WACHSENDEN ZAHL VON MENSCHEN MIT EINGESCHRÄNKTER ALLTAGSKOMPETENZ

WORAUF ICH IN DIESEM KURZEN TEXT VOR 5 JAHREN AUFMERKSAM MACHEN WOLLTE:
Die Zahl derjenigen, die an Demenz erkranken und dadurch in ihrer Alltagskompetenz eingeschränkt sind, wächst rasant.
Die Berechnungen gehen von rund drei Millionen Menschen in Deutschland im Jahr 2050 aus.
Das gestiegene Risiko, an Demenz zu erkranken und die steigende Lebenserwartung sind zwei Faktoren für die anwachsende Zahl von demenzkranken Menschen.

„Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz: Expertenstandard in der Praxis anwenden.“
(Autor: Hans-Jürgen Wilhelm)

 

ZUM TEXT VOM 28.02.2017

WARUM ÜBER BETREUUNG VON MENSCHEN SCHREIBEN, DIE IN IHRER ALLTAGSKOMPETENZ EINGESCHRÄNKT SIND?

 

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RÜCKBLICK: INTERVIEW MIT SUSANNE ROSENBERGER

DAS INTERVIEW WURDE AM 28.02.2017 GEFÜHRT

Susanne Rosenberger ist die Inhaberin des Pflegedienstes S. Rosenberger und der Tagespflege am Nordbad in Castrop-Rauxel

WAS NOCH HEUTE WICHTIG IST:
  • Beflügelndes und Bedrückendes – beides liegt oft beieinander.
  • Ein dankbarer Blick oder ein Lächeln – das ist wahres Glück.
  • Der Tod lässt das Leben als das erscheinen, was es in Wirklichkeit ist – ein Geschenk. 
  • Es ist ein ungeheurer Reichtum, Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten.
'5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen - Einsichten, die Ihr Leben verändern werden.'(Bronnie Ware)
Ein Buch, das nicht nur zum Thema passt, sondern dir schlaglichtartig klarmacht, was im Leben wirklich wichtig ist:  

 

ZUM INTERVIEW:

Frau Rosenberger, bereuen Sie den Tag, an dem Sie den Entschluss gefasst haben, in die Pflege zu gehen?

Also ich bereue das auf keinen Fall. Natürlich gibt es immer Momente, die nicht so schön sind. Aber die gibt es überall.

Ich kann mit Bestimmtheit sagen: Die Pflege, das ist mein Leben.
Das Zusammenspiel mit allen im Team macht das Besondere aus. Es ist nicht ein einzelner Baustein.

Es ist das Puzzle, was jeden Tag aufs Neue zusammengesetzt werden muss – im Team, im Gespräch mit den Angehörigen und den Pflegebedürftigen.

Das Besondere an diesem Beruf ist: Wir gehen mit Menschen um, die unserer Hilfe bedürfen.

Und wenn ein dankbarer Blick kommt oder ein Lächeln des Pflegebedürftigen, ja dann ist das schon wahres Glück.

Wir schieben nicht nur die Papiere von links nach rechts. Das muss ich natürlich auch. Aber alles, was wir tun, das ist für die Menschen, die wir pflegen und betreuen. Ich bereue nichts und möchte auch nichts anderes machen.

Wo sind Sie aufgewachsen?

In Castrop Rauxel.

Welchen Bildungsweg haben Sie genommen?

Ich habe Abitur gemacht. Danach habe ich eine Ausbildung zur Krankenschwester durchlaufen.

Ich war dann anschließend im Augusta Krankenhaus in Bochum tätig – auf einer Intensivstation in der Chirurgie.

Wie lange waren Sie dort?

6 Jahre.

Wie sind Sie zur Pflege gekommen?

Durch meine Oma. Sie war Altenpflegerin in einem Altenheim und führte dort nebenbei eine Schneiderstube.

Später wurde meine Oma schwerkrank. Mein Vater und ich haben sie bis zum Schluss begleitet.

Danach kam meinem Vater und mir der Gedanke, einen Pflegedienst zu gründen. Mein Vater hat dafür noch einmal umgeschult und eine Ausbildung zum Altenpfleger absolviert.

2000 war es dann so weit und wir haben den heutigen Pflegedienst eröffnet.

Was belastet Sie, wenn Sie heute an die Pflege denken?

Beflügelndes und Bedrückendes – beide Momente liegen oft dicht beieinander. Mir liegt die Palliativpflege sehr am Herzen. Das gibt es natürlich sehr traurige Momente.

Was bedrückt Sie da ganz besonders?

Während der Palliativpflege werden wir ein Teil der Familie.
Und wenn Sie dann eine Mutter im Sterben begleiten, die erst 42 Jahre alt ist und Kinder hinterlässt, dann ist das sehr bitter – auch für uns als professionelle Begleiter. Aber es gibt auch viel Positives.

Was meinen Sie?

Nun, man sieht die eigenen Sorgen und Nöte in einem anderen Licht.
Sie erscheinen einem so unwichtig und klein angesichts dessen, was andere Menschen durchmachen.

Und: Es ist ein ungeheurer Reichtum, Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten.

Manch einer spricht darüber, was er anders gemacht hätte.
Die überwiegende Mehrheit ist klar und ehrlich in der Betrachtung ihres zurückgelegten Lebensweges.

Der Tod lässt das Leben als das erscheinen, was es ist, nämlich ein Geschenk. Und das ist unwiederbringlich.

Vielen Dank für das Gespräch.

MEIN FREUND, DER ALLTAG

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HEIMAT IST DORT, WO DEINE WOHNUNG IST

ALLTÄGLICHES

Freitagmittag, kurz vor ein Uhr.
Ich sitze auf einer Bank in der Vorhalle des Bahnhofes in Bernau und warte auf Klara. Sie kommt heute aus Sassnitz zurück und war bei ihrer Mutter.

Es ist zugig in der Vorhalle und wenn die Eingangstüren aufgehen, weil ein Reisender rausgeht oder hereinkommt, dann weht ein eisiger Wind herein. Kaum zu glauben, dass es noch vor ein paar Tagen sommerlich warm war.

Ich habe sogar den Rasen noch einmal gemäht, weil das Gras schon wieder so hochstand.
Ist das die Auswirkung des Klimawandels?
Wenn ja, dann werde ich wohl zum 1. Advent noch einmal mähen müssen.

Es nieselt draußen, das Pflaster auf dem Bahnhofsvorplatz schimmert feucht.
Es ist typisches Londoner Wetter, gut um seinen Depressionen freien Lauf zu lassen, oder um gleich von der Brücke zu springen. Gott bewahre, ich habe das nicht vor, aber wenn doch, ja dann würde ich mir diesen Tag aussuchen.

Aber ich will mich am Schopf packen und überlegen, was an dem Tag trotzdem schön ist.

Über die kleinen Ereignisse im Alltag freuen, so wie im Roman von Dora Heldt:
„Mathilda oder Irgendwer stirbt immer“

Schön ist, dass ich hier im Trockenen sitze und die Menschen beobachten kann, die an mir vorbeihasten. Sie kommen die Treppen herunter und sind sicher aus der eingefahrenen S-Bahn ausgestiegen.

Die Zeit ist ran, dass ich mich nach oben auf den Bahnsteig begeben muss. Der Zug von Klara wird gleich einlaufen, wenn er pünktlich ist.
Ich schnaufe die Treppen hinauf und oben angekommen schaue ich nach einem freien Platz auf einer Bank.

Sie sind alle besetzt. Ein junger Mann hat sich in die Mitte gesetzt, so dass links und rechts von ihm kein Platz mehr frei ist.
Ich müsste fragen: „Entschuldigen Sie, ist hier noch frei?“
Dazu kann ich mich aber nicht überwinden.

Ich gehe auf die andere Seite des Bahnsteiges und sehe, dass dort alle Bänke ebenfalls besetzt sind.
Auf der einen Bank direkt vor mir hocken zwei kleine Jungen, die aufgeregt durcheinanderschnattern.

Die junge Mutter hat zwischen sie eine Tupperdose gestellt, in der geschälte Äpfel zu sehen sind.
„Mama, wann sind wir bei Opa?“, fragt einer der Jungen aufgeregt.
Ich muss innerlich schmunzeln, es erinnert mich doch sehr an Krümel.

Ich gehe also weiter auf und ab, ohne mich weiter um einen Sitzplatz zu kümmern.
Ich wollte eigentlich im Sitzen weiterschreiben, aber das geht auch im Stehen.

Auf dem Bahnhof habe ich stets das Gefühl, mitten im Leben zu sein.
Es ist wirklich interessant, die Leute zu beobachten.
An mir vorbei geht ein Soldat in Uniform. Ich muss sofort an den Ukrainekrieg denken.

Direkt vor mir stehen zwei Frauen mittleren Alters, die sich angeregt unterhalten. Sie wollen offensichtlich nach Berlin reinfahren, um etwas zu unternehmen.

Der Bahnhofslautsprecher ertönt und kündigt den Zug aus Stralsund an.
Es ist irgendwie immer wieder aufregend, wenn der Zug einläuft.
Ich bleibe meist hinten am Bahnsteig stehen, sodass ich dann die einzelnen Waggons in Fahrtrichtung ablaufen kann.

Der Zug donnert heran, die Bremsen quietschen und wieder ertönt aus dem Lautsprecher eine Stimme, die den Reisenden sagt, wo sie umsteigen können.

Die Menschen quellen aus den einzelnen Waggons heraus und ich sehe Klara, wie sie sich einen Weg bahnt. Sie erkennt mich und winkt.

Ich freue mich, dass sie wieder da ist.
„Du glaubst nicht, wie froh ich bin, dass ich wieder zu Hause bin“, sagt sie.

„Und ich erst“, antworte ich.
„Aber Sassnitz ist doch deine Heimat, bist du nicht traurig, dass du wieder abfahren musstest?“, frage ich sie.

„Ja, schon, aber Heimat ist dort, wo deine Wohnung ist. Und die ist nun mal hier.“
Ich nicke und wir steuern auf Treppen am Ende des Bahnsteiges zu.

MEIN FREUND, DER ALLTAG

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