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Es ist schon über 15 Jahre her, damals lebte mein Vater noch, und ich ihn fragte, was er denn nun so mit seinem Rentnerleben anfangen würde.
Er war emeritierter Professor und ich erwartete Antworten in der Qualität, ‚du, ich schreibe an einem neuen Buch über die Geschichte des 2. Weltkrieges‘.
Aber er schwieg zunächst und erst, als ich nachhakte, da sagte er: „Ich bin Trauerredner.“
Mir verschlug es die Sprache.
‚Der Alte, der Professor, und jetzt Trauerredner, so wenig Rente bekommt er doch nun auch nicht.‘
„Wieso tust du dir das an?“, fragte ich ihn stattdessen.
„Weil es spannend ist, die Geschichten von Menschen zu erzählen, die du vorher gar nicht kanntest“, antwortete er.
Es sollten noch ein paar Jahre vergehen, bis ich die gleichen Erfahrungen machte, wie auch mein Vater zuvor.
Klar, du solltest schreiben können und die Worte so in deinen eigenen Sprachduktus bringen, dass dir die Trauergäste auch zuhören wollen.
Doch ist das entscheidend für eine gute Rede?
Nein, ich glaube nicht. Es ist vielleicht die Voraussetzung dafür, dass du handwerklich gekonnt formulierst.
Aber wichtig ist etwas ganz anderes.
Du musst dich für das Leben des Menschen, über den du schreiben und später reden willst, interessieren, wahrhaftig den Lebensweg des Verstorbenen nachvollziehen wollen.
Das kostet Kraft und Mühe, denn du musst nicht nur die Daten und Fakten richtig notieren.
Du musst es danach auch in die richtigen Sätze bringen.
Und unweigerlich beginnst du über das Leben eines Menschen nachzudenken, der dir bis dahin fremd war.
Doch mit jeder Erzählung darüber, wie jemand war, was er gefühlt hat, näherst du dich ihm selbst immer mehr.
Und plötzlich siehst du diesen Menschen vor deinem geistigen Auge.
Du beginnst ihn zu mögen, in dir steigt der Respekt vor dem Leben desjenigen auch, der nun schon nicht mehr da ist.
Vor allem aber beginnst du unwillkürlich über dein eigenes Leben nachzudenken.
Darüber, was dir wichtig im Leben war, ob du noch einmal alles so machen würdest, wie du es vor Jahrzehnten getan hast.
Schließlich wird dir klar, dass auch dein Leben eines Tages zu Ende sein wird, dass nichts im Leben ewig andauert.
Das erzeugt in dir Demut, mitunter kommen depressive Gedanken in dir hoch.
Aber das entscheidende ist: Du beginnst dein Leben mit den Augen zu betrachten, die wissen, dass jeder Moment, jeder Augenblick so einzigartig ist, und er nicht wiederkommen wird.
Also nehme ich das Leben für mich so an, wie es für mich ist.
Deshalb bin ich glücklich, sehe den Alltag genau mit diesen Augen.
Ich glaube die größte Wertschätzung für das Leben beginnt dort, wo du es so siehst wie es ist und daraus auch dein Glück gewinnen kannst.
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