Von den anfänglichen mentalen Schwierigkeiten zu sagen: ‚Ich bin Trauerredner‘, und zwar ohne zu stottern oder verschämt auf den Boden zu schauen
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Vom inneren Kampf am frühen Morgen mit sich selbst, mit seiner Trägheit. Und davon, dass meine kleine Enkelin Krümel noch lange mit mir zusammenbleiben will und der Lösung für alles: aufstehen, anziehen, im Park walken, gesund bleiben.
‚Bleib‘ liegen, Dicker, denn du hast heute keine Zeit für deinen Sport.
Du musst dich sofort an deine Rede setzen, wenn du aufgestanden bist‘, flüsterte mir meine innere Stimme zu, während ich noch überlegte, aufzustehen, mich anzuziehen und im Park zu laufen.
‚Ach ja, es wäre schön, wenn ich noch ein bisschen liegenbleiben würde‘, dachte ich, während ich versuchte, wieder einzuschlafen.
Aber das andere Auge schaute noch einmal auf die Uhr.
Es war kurz nach halb fünf.
„Wenn du jetzt aufstehst, dann gewinnst du den ganzen Tag für dich – du kannst in Ruhe dein Nordic Walking betreiben, hast ein gutes Gewissen und die Arbeit schaffst du dann viel effizienter, weil du mehr Power hast.“
Ich kämpfte damit, diese Stimme aus meinem Bewusstsein zu verdrängen.
Und doch: Wie von Geisterhand getrieben stand ich auf, zog mein Sportzeug an und lief von der Haustür aus los, besser ich ‚walkte‘ los.
Im Park war es noch still, nur die Enten unten am Teich waren schon wach, gingen nur unwillig aus dem Weg und schnatterten, so als wollten sie sagen: „Na, Dicker, wieder das alte Brot vergessen, das dir doch Klara hingelegt hat?“
Ich ärgerte mich tatsächlich, dass ich es vergessen hatte.
Aber nun war es zu spät.
Ich umrundete den Teich zweimal, dann powerte ich an der Stadtmauer lang und wieder zurück.
Und wieder hoch.
Jetzt noch zwei Stunden im Park laufen, dann hatte ich es geschafft.
Ich schnaufte, hörte auf die Musik, die aus den Kopfhörern kam und motivierte mich, etwas schneller zu laufen.
Endlich, nach einer Stunde und zehn Minuten war ich endlich wieder zurück.
Ich setzte mich auf die Bank am Spielplatz und nahm ein kleines Video auf – für Krümel.
Ich erzählte ihr von ‚Evilente‘, der kleinen Ente, die mich nach Brot angeschnattert hatte.
„Ich lieb‘ dich Opa, und Opa: stirb nicht, denn ich will, dass du noch bei mir bleibst.“
Ich war erst geschockt, über diese Worte, die mir Krümel über WhatsApp schickte, besser, die Laura abgesandt hatte, wohl kurz bevor auch sie sich auf den Weg gemacht hatten.
„Nein Krümel, ich will auch bei dir bleiben. Deshalb laufe ich ja so viel“, nahm ich erneut eine Sprachnachricht auf und ging zufrieden und schmunzelnd auf die Haustür zu.
Der Tag konnte kommen, er würde gut werden.
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Von der Energie, ziemlich früh aufzustehen, sich in die Sportklamotten zu schmeißen, loszulaufen und den Tag mit vielen Glücksgefühlen zu beginnen.
„Du bist zu dick, das machen deine Gelenke nicht mehr lange mit, wenn du so weiterläufst“, sagte mir vor über zehn Jahren meine Lieblingsärztin.
Genauer: Es war die Botschaft, die hinter ihren Worten stand, und die sie anders verpackte:
„Herr Dr. Müller, Sie sollten überlegen, ob Sie nicht eine andere Möglichkeit finden, um einen Sport zu treiben, der etwas gelenkschonender ist.“
Ich verstand und ich fand eine neue Variante – die mit den Stöcken eben.
Seitdem laufe ich vornehm – ich ‚walke‘.
Jetzt im Hochsommer, da sehe ich gefährlich aus, in meiner Montur.
Ich ziehe mir im Keller die Wander-Stiefel an, denn ich kann mich darin am besten bewegen.
Ich habe jetzt sogar eine App, die mir sagt, wenn die Gefahr, umzuknicken, zunimmt.
Mich nervt das, denn eine andere Stimme schaltet sich ein, um mich vor zu großer Lautstärke bei den Kopfhörern zu warnen.
„Du bist gläsern“, sagt Klara dann, wenn ich ihr davon erzähle.
Heute nun, genau zehn Minuten vor sechs Uhr, da bin ich losgelaufen, von zu Hause aus.
Nicht, ohne dass ich meine Wasserflasche ins Auto gepackt habe, um danach schnell etwas zu trinken.
„Weißt du noch, was du für mich bist?“, dringt die Stimme der Amigos aus den Kopfhörern.
„Noch ja“, antworte ich für mich.
Ich halte an einer Ampel an, auf dem Weg zum Park.
Und ich bewege die Beine, während ich auf ‚grün‘ warte.
So wie die Jogger es immer tun, so athletisch.
Aus dem Auto, das auch an der Ampel warten muss, da grinst mich eine junge Frau.
Nicht so: „Oh, war für ein toller Typ“.
Eher: „Na, du nasser, alter Sack, du kriegst ja deine Beine gar nicht mehr so richtig hoch! Und: Du siehst fürchterlich aus.“
Oder ist es nur Einbildung und sie beneidet mich, dass ich schon so früh Sport treibe.
Ich glaube, es ist eher die erste Gedankenvariante.
Die Ampel schaltet auf ‚grün‘ und ich bewege mich schnell über die Strasse.
Endlich, ich bin am Park angekommen.
Ich laufe los, jetzt mit den umgeschnallten Stöcken.
Ich sehe die Sonne durch die Blätter schimmern, als ich auf dem Berliner Wall entlanglaufe.
Ich fühle mich gut, beschleunige die Gangart und nach einer Stunde und zehn Minuten habe ich mein Ziel erreicht.
Der Schrittzähler zeigt mir 7897 Schritte an.
Ich bin stolz auf mich. Und, dass ich mich überwunden habe, zu laufen, die große Anzahl an Schritten absolviert habe.
Die Woche hat gut begonnen, und ich gehe bestens gelau
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Ich bin in meiner mehr als fünf Jahrzehnten andauernden Tätigkeit vielen Menschen begegnet. Als Coach wurde mir häufig die Frage gestellt, was man denn tun sollte, um besser zu werden. Den meisten hätte ich am liebsten in solchen Situationen gesagt: ‚Am besten, du wirst der, der du schon immer sein wolltest.“ Auf Nancy Schmidt trifft das nicht zu. Würde sie mich um Rat fragen, dann käme auf jeden Fall eine andere Antwort, nämlich: Bleib‘ so, wie du gerade bist, denn das ist es, was dich zu einem ganz besonderen Menschen macht, einen, dem man unwillkürlich Respekt entgegenbringt.
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„Kommst du mit auf den Spielplatz?“, fragte mich Krümel, meine sechsjährige Enkelin kürzlich.
Ich hatte keine Zeit, musste an einer Rede herumfeilen.
„Können wir das ein bisschen später machen?“, fragte ich zurück.
„Nein!“, rief Krümel und stampfte mit einem Bein auf.
„Jetzt gib dir doch einen Ruck. Wenn die Kleine nicht da ist, dann jammerst du, und jetzt, wo sie uns besucht, hast du angeblich keine Zeit“, mischte sich Klara in das Gespräch ein.
„Na los“, sagte ich.
Während Krümel rasend schnell angezogen war, trödelte ich noch rum.
„Opa, komm‘“, rief sie und war schon im Fahrstuhl.
„Aber du musst auf mich hören, wenn ich sage, das du etwas nicht machen sollst“, sagte ich zu ihr.
Krümel nickte.
„Opa“, flüsterte die Kleine mit einem Mal leise.
„Was ist?“, fragte ich zurück.
„Ich bin so traurig, wenn du stirbst.“
Ich blieb stehen, hielt die Luft an.
Woher kam diese Frage? So einfach aus dem Nichts?
Sie hatte mitgekriegt, dass ich oft Trauerreden abhielt und sie hatte ihre Mama deshalb gelöchert, was wohl dahintersteckte.
Vielleicht kam es daher.
„Ja, aber dann bin ich im Himmel und kann genau beobachten, was du machst, auch auf dem Spielplatz. Und wenn ich ‚oh, oh‘ rufe und den Finger hebe, dann hörst du mich trotzdem.“
Krümel schaute mich eine Weile schweigend an.
Schließlich schoss es aus ihr raus: „Ja, dann kannst du aber nichts mehr machen!“
Ich war verblüfft, musste dann lachen und steuerte mit ihr auf den Spielplatz zu.
„Nicht so schnell“, rief ich Krümel hinterher, die auf die Rutsche zu stürmte.
Sie hörte nicht. Jetzt konnte ich noch was tun, aber ich tat nichts.
Ich setzte mich auf die Bank, Krümel winkte mir zu und war mit viel Lebenslust dabei, die Rutsche hinunterzusausen.
Das Leben ist schön, auch wenn es begrenzt ist und ich dann nichts mehr tun kann, wie Krümel meint.
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MEIN FREUND, DER ALLTAG (8/24)
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KRÜMEL HÖRT AUFMERKSAM ZU, WENN WIR UNS AM TISCH UNTERHALTEN.
IHR ENTGEHT NICHTS, MIT IHREN SECHS JAHREN
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MEIN FREUND, DER ALLTAG (3/24)
Tod und Leben, sie sind zwei starke Gegenpole. Wir können sie nicht verdrängen, Wir müssen beide akzeptieren. Wir sollten dafür umso intensiver leben, nicht nur in den großen Dingen, auch in unserem Alltag, und wenn er uns noch so unbedeutend erscheint.
Ich sitze auf der Parkbank, im Grünen.
Es ist gegen neun Uhr und ich atme den Duft von frisch gemähtem Rasen ein.
Irgendwo, ein Stückchen weg, da rattert der Motor eines Rasenmähers.
Es könnte nicht herrlicher sein.
Wenn da nicht der Umstand ist, dass ich mich in der Parkanlage eines Friedhofes befinde.
Ich sitze im Anzug auf der Bank, die Weste zwängt mich ein, der Hosenbund kneift und ich sage in Gedanken zu mir: „Dicker, du bist selbst schuld, wenn du mehr Kalorien zu dir nimmst, als du verbrauchst.“
In der Halle steht bereits der Sarg.
Es hat mir gleich die Kehle zugeschnürt, als ich reingegangen bin, um den Stand des Rednerpultes zu überprüfen.
Ich hoffe, dass ich nachher die Rede gut hinbekomme.
Aber jetzt, wo ich noch Zeit habe, da sitze ich lieber draussen, atme die frische Luft ein, ja ich sauge sie förmlich in mir auf.
An mir joggt ein Mann vorbei, mitten auf dem Weg, an dem sich zur linken und rechten Seite Grabstellen befinden.
Dahinter kommt eine junge Mutter mit einem kleinen Kind an der Hand.
Das Mädchen läuft an der Seite des Kinderwagens, in dem ein Baby schläft.
Die Kleine plappert, lacht und winkt mir zu.
Ich muss schmunzeln und winke ihr zurück.
Es ist, als würde ich nicht in dieser Welt sein.
Drinnen in der Halle, da wirkt alles traurig, ja fast düster, bedrückend jedenfalls.
Und hier draußen? Im Park?
Da ist es hell, Menschen laufen vorbei, ein Mädchen lacht und winkt.
Ich bin hin- und hergerissen, und ich entscheide mich für beide Seite des Lebens – nämlich den Tod zu respektieren, den Angehörigen Trost zu spenden, das Leben nicht einfach an sich vorbeiziehen zu lassen, nein.
Die Momente lieber intensiv wahrnehmen, sich über die kleinsten Dinge freuen – das fröhliche kleine Mädchen, den Jogger, der was für die Gesundheit tut, den Duft der gemähten Wiese.
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Lieber viele kleine Glücksmomente im Alltag erfahren, als auf das eine große, das imaginäre, das so nicht eintretende Glücksgefühl zu hoffen.
Ich muss mich heute überwinden.
Mir fehlt die Motivation, den Tag anzunehmen.
Ich sitze am Schreibtisch, bewege den Bleistift übers Papier und sinniere darüber nach, was doch noch Gutes am heutigen Tag sein könnte.
Vielleicht, weil Freitag ist und das Wochenende vor der Tür steht?
Weil uns Krümel eventuell überraschend besucht und wir ein bisschen auf dem Spielplatz toben können?
Möglicherweise, weil ich heute Vormittag eine gute Rede halte?
Eine Rede, die das Herz der Trauernden erreicht, ihnen ein wenig Trost spendet?
Weil ich zwar schon so früh aufstehen musste, ich dafür aber bereits mein Sprechtraining absolviert habe, den Textentwurf ein letztes Mal korrigiert habe, und ich merke, wie sehr ich an der Schreiberei hänge?
Erst jetzt, wo ich alle Frage aufgeschrieben habe, sie aufgereiht wie auf einer Wäscheleine vor mir hängen, da merke ich, dass ein Gesamtbild entsteht.
Dieses Bild löst in mir etwas Positives aus.
Ich glaub‘, der Tag wird gut.
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Montagmorgen, neue Woche.
Es ist noch nicht einmal sechs Uhr.
Ich bin schlecht gelaunt, hab‘ keine Lust auf die neue Woche.
‚Was machst du hier eigentlich so früh am Schreibtisch?‘, frage ich mich, während ich mir die Augen reibe und ein Gähnen unterdrücke.
Ich müsste nicht so früh aufstehen, aber meine innere Stimme flüstert mir etwas Anderes zu: „Wenn du jetzt wieder hinlegst“, sagt sie mir mit einem gefühlten drohenden Unterton, „dann kommt dein ganzer Tag durcheinander. Denk‘ dran: Du musst noch über vierzig Minuten Audio-Aufnahmen in den abtippen.
Und: Am Vormittag hast du ein Vorgespräch, wo zwei Stunden für eingeplant sind. Du willst auch noch Nordic Walking machen.
Wie willst du das alles schaffen, wenn du dich jetzt wieder ins Bett rollst?“
Ich kriege ein schlechtes Gewissen, weil ich trotzdem immer noch darüber nachdenke, mich wieder ins Schlafzimmer zu schleichen.
Jetzt meldet sich die zweite innere Stimme bei mir:
„Ganz ruhig, Dicker. Was verpasst du denn, wenn du dich wieder hinlegst?
Du bist doch bereits Rentner. Warum arbeitest du eigentlich noch so viel?
Was willst du dir eigentlich beweisen?
Leg dich hin und stell dir vor, wie du dich auf die Seite drehst, ein Bein ausstreckst, und du die wohlige Wärme der Bettdecke spürst.
Neben dir liegt Klara. Du spürst ihren Atem. Du bist glücklich und taumelst erneut in einen schönen Traum.“
Während meine beiden inneren Stimmen miteinander um die besten Argumente ringen, bin ich in der Küche und koche einen Tee.
Wie von Geisterhand geführt, gehe ich zurück ins Arbeitszimmer.
Nach fünf Minuten hole ich den Tee vom Balkon, und ich setze mich an den Schreibtisch, ohne groß darüber nachzudenken.
Ich stecke mir einen Korken in den Mund und beginne damit, womit ich morgens immer starte – dem Sprechtraining.
Danach setze ich die Kopfhörer auf und bringe die Audio-Aufnahme zu Papier.
Der Tag hat begonnen.
Ich schaue nach draußen und sehe, wie der Himmel leuchtet, erste Sonnenstrahlen sichtbar werden.
Der Tag erwacht, und ich auch.
Wieder Montag, wieder ein neuer Tag, der ‚Motor ist angesprungen‘ – die Woche wird gut.
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Es war kurz nach sechs Uhr abends.
Ich griff schnell zum Hörer, weil ich Krümels Stimme noch hören wollte, bevor sie ins Bett ging, und ich sie nicht mehr erreichen konnte.
Laura war am Telefon.
Während ich mit ihr sprach, hörte ich schon im Hintergrund ihre Stimme.
Sie klang weinerlich.
„Was ist los?“, fragte ich Laura.
„Ach, die Kleine will noch ein Eis und ich habe ihr gesagt, dass sie um diese Zeit auf keinen Fall noch etwas Süsses bekommt.“
„Gib sie mir doch mal.“
„Warum weinst du denn?“, fragte ich Krümel.
„Mama will mir kein Eis mehr geben“, schluchzte sie.
Mir brach es das Herz.
Ich überlegte, ob ich meine Autorität einsetzen sollte, um Krümel noch zu einem Eis zu verhelfen.
Aber ich wusste, dass es falsch war und Laura wahrscheinlich dem auch nicht nachgeben würde.
Also versuchte ich es auf eine andere Weise, Krümel zu beruhigen.
„Du weißt, dass ich dir immer von Pipeva, dem frechen Spatzen aus der Scheune erzähle“, begann ich.
„Hm.“
„Also Pipeva wollte heute auch ein Eis. Und da habe ihm gesagt, dass du eingesehen hast, dass man kein Eis essen darf, so kurz vor dem zu Bett zu gehen. Das wäre nicht gut für die Gesundheit.“
„Und was hat Pipeva gesagt“, fragte Krümel mich, nachdem es für eine ganze Weile am Telefon ruhig geblieben war.
„Pipeva hat es eingesehen“, schob ich nach.
„Hm, ich bin aber kein Spatz, ich bin Krümel“, sagte sie.
„Und deshalb bist du doch noch viel schlauer, als es der kleine Spatz ist“, entgegnete ich.
„Hm“, ertönte es am anderen Ende und ich hatte den Eindruck, dass es immer noch nicht danach aussah, dass Krümel es verstehen wollte.
Aber wenigstens weinte sie nicht mehr.
Am nächsten Tag rief Krümel mich über Amazon an.
„Guck mal Opa, was ich hier habe.“
Sie reckte ihre kleine Hand nach oben und ich konnte das Eis sehen.
Naja, es war ja auch erst kurz nach halb drei Uhr nachmittags.
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Von Krümels Neugier auf Kaulquappen und vom kleinen Glück an einem ganz normalen Tag.
Wir saßen auf einem Baumstumpf und Krümel spielte unten am See.
Sie hatte kleine Kaulquappen entdeckt und war vom Wasser nicht mehr wegzukriegen.
Zum Glück hatte Klara für sie die Gummistiefel aus der Kita mitgenommen.
Uns kam auf dem Hinweg eine Frau entgegen, die ganz aufgeregt davon sprach, dass sie im Wasser Kaulquappen gesehen hätte.
„Was interessieren mich deine Kaulquappen?“, dachte ich bei mir.
Aber da hatte ich nicht mit Krümel gerechnet.
Die stürzte sofort in die Richtung, in die die Frau mit der Hand gezeigt hatte.
Sie war nicht mehr zu halten.
Ich musste erst einmal nachschauen, was es mit dem Gewimmel im Wasser auf sich hatte.
Ich las schnell im Handy nach, in ‚Wikipedia‘.
‚Kaulquappen sind nachembryonale Entwicklungsstadien der Froschlurche‘, stand dort.
Die Entwicklungszeit betrug wohl so um die 8 Wochen.
Also, wenn Krümel nicht so begeistert im Wasser herumgelaufen wäre, ja, dann hätte ich mich wohl kaum damit befasst.
Ich schaute wieder aufs Wasser.
Es war ganz still. Die Sonne schien, es wehte ein leichter Wind und die Wellen kräuselten sich. Vom See her war das Geschrei der Wildgänse zu hören.
Die Ruhe, die malerische Aussicht, das emsige Treiben von Krümel, das beruhigte mich sehr.
Alles strahlte Ruhe aus. Es fühlte sich an, als wäre man in eine andere Welt eingetaucht.
Ist das Glück?
Ich glaub schon.
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Ich habe mal von Autoren gehört, die keinen Schreibwiderstand kennen.
Beneidenswert. Ich gehöre nämlich nicht zu ihnen.
Gut, ich bin auch kein Schriftsteller, muss mir das Leben also nicht zu schwer machen.
Und dennoch: In den seltensten Fällen ist, was ich zuerst aufs Papier gebracht habe auch das, was einer redaktionellen Bearbeitung standhält.
Zugegeben: Ich schreibe auf dem Blog ziemlich frei, korrigiere wenig.
Aber wenn ich eine Rede ausformulieren muss, ja dann tue ich mich schwerer damit.
Es ist schon aufreibend, sich immer wieder aufs Neue an den Text zu setzen und die Sätze auszuformulieren, um sie dann doch wieder zu streichen.
Ich habe mal gelesen, dass Thomas Mann jeden Tag eine halbe Seite geschrieben hat, im Minimum.
Ich denke, das ist ein guter Weg.
Du bleibst im Training.
Also fange ich morgens schon an und schreibe auf, was ich ringsherum sehe- ob die Sonne gerade aufgeht, es regnet, oder was ich gerade tun will.
Das kommt mir oft selbst sehr albern vor.
Wen interessiert es schon, die banalen Dinge festzuhalten?
Klara sagt dann: „Schätze das doch nicht gering. Du musst ja nicht alles verwenden.“
Sie liegt da richtig.
Vor allem: Es trainiert mein Gehirn, meine Fähigkeit, mich gut auszudrücken, kurzum, die Gedanken in Fluss zu bringen.
Ich werde hier dranbleiben.
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AUFSTEHEN, ÜBER DEN GESTRIGEN TAG NACHDENKEN; SICH AUF DAS, WAS HEUTE KOMMT, FREUEN
Samstagmorgen, kurz nach fünf Uhr.
Ich habe mich aus dem Bett hochgequält.
Ich hätte es wohl nicht getan, wenn ich heute nicht am Vormittag eine Rede halten müsste.
Die Woche war anstrengend.
Am Mittwoch habe ich eine Rede in Wandlitz gehalten.
Eine große Rede. Es war ein bekannter Sportler und Trainer, der verstorben war.
Ich habe viel über ihn gelesen, intensiv mit der Familie gesprochen und dann den Text ausgearbeitet.
Nach der Rede war ich an dem Tag sehr erschöpft, völlig fertig.
Auf dem Rückweg winkte und grüßte zum Abschied ein Sportler.
Das hat mich berührt. Ein schönes Gefühl.
Am nächsten Tag stand wieder eine Rede an.
Ich musste sie noch fertigschreiben, korrigieren und mit den Angehörigen abstimmen.
Die Enkelin in der Familie erzählte mir am Telefon, dass sie auch einen Herrn Müller kenne, aus der Kita.
Und urplötzlich fing sie an zu singen.
„…Und jetzt ist das Lied aus, und alle geh’n nach Haus“, brach sie auf einen Schlag das Lied ab.
Ich bekam wieder gute Laune und machte mich an die Arbeit, mit neuer Energie.
Am nächsten Tag im Friedwald.
Die Schraube am Stehpult war überdreht. Die Platte oben, auf der ich die Mappe ablegen wollte, hielt nicht und kippte nach vorn.
Es war kurz vor Beginn der Feier.
Ich wurde hektisch.
Wie sollte ich den Text ablesen?
Ohne Pult? Schlecht möglich.
Dann sah ich den Holzstamm an der Seite.
Ich legte den oberen Teil des Pults einfach auf den Stamm.
Das alles wackelte während der Rede.
Ich ließ mir trotzdem nichts anmerken.
„Die Rede war schön“, sagt mir eine Angehörige.
Ich war erleichtert, dass nichts Schlimmeres passiert war.
Gestern hat Klara das Stehpult repariert.
Sie zog eine andere Schraube oben durch das Gestänge.
Anschließend habe ich noch eine Mutter auf die Schraube gedreht und mit einem ‚Knochen‘ festgezogen.
Der Schraubenschlüssel stammt noch aus DDR-Zeiten, aus dem Werkzeug-Set meines Ladas.
Hätten wir auch in den Baumarkt gehen können?
Ja, klar.
Aber es hätte Zeit gekostet, Geld, und: Es würde nicht so lange halten.
Ich werde heute über einen Menschen sprechen, der sehr kreativ war, ein ganzes Haus allein gebaut hat.
Er war ein ‚Ossi‘ durch und durch.
Das hat mir imponiert.
Schon deshalb musste es uns so gelingen, das Pult wieder hinzukriegen.
Ich fange an, das Sprechen des Textes zu trainieren, mit einem Korken im Mund.
Es wird traurig heute.
Aber ich freue mich darauf, dieser Familie zu helfen, ihren Papa, Ehemann und Opa würdig zu verabschieden.
Und diese Angehörigen, diese herzlichen Menschen freuen sich darauf, dass ich eine gute, eine zu Herzen gehende Rede halte.
Und genau das werde ich tun.
Der Tag kann beginnen.
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AUDIO
Es war Samstagmittag. Laura und Krümel waren bei uns zum Mittagessen eingeladen.
Das kam nicht oft vor, aber wenn alle um den Tisch herumsaßen, dann war das ein ganz besonders schönes Gefühl.
Wir aßen, lachten, erzählten aus dem Alltag und waren guter Dinge.
Krümel war nun schon 6 Jahre alt. Wie doch die Zeit verging.
In der vergangenen Woche war ich im Klinikum in Buch und ich musste an dem Storch vorbei, wo im Oktober 2017 der Name von Krümel auf der Tafel stand, die immer die neuesten Geburten von Kindern anzeigte.
Jetzt nun saß sie schon mit am Tisch und hörte aufmerksam zu, wie wir uns unterhielten.
„Papa, du musst endlich lernen, die Probleme an deinem Computer selber in den Griff zu bekommen“, sagte Laura zu mir.
„Du hast hier gar nichts zu sagen“, entgegnete ich in nicht ganz ernst gemeintem Tonfall.
Krümel hörte diesen Unterschied nicht heraus.
Sie schaute mich an und fragte unvermittelt: „Das sagst du zu meiner Mama?“.
Dabei blickte sie mich mit einem vorwurfsvollen Gesichtsausdruck an.
Es war, als würde sie sich schützend vor ihre Mutter stellen.
Ich war für einen Augenblick verblüfft und prustete dann vor Lachen los.
Klara schmunzelte ebenfalls.
Ich staunte, wie selbstbewusst Krümel geworden war und wie aufmerksam sie zugehört hatte.
Jetzt war es mir peinlich, dass ich Laura vor den Augen und Ohren von Krümel, ihrer Tochter und meiner Enkelin, zurechtgewiesen hatte.
Insgeheim aber war ich sehr stolz auf Krümel, die so ihre Mutter verteidigte, und auf Laura, die ihre Tochter zu einem selbstbewussten Menschen herangezogen hatte.
Damit konnte ich gut leben.
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MEIN FREUND, DER ALLTAG (55)
Einen Cappuccino im Café des Discounters trinken, Leute beim Einkaufen beobachten, sich freuen, dass man vorher eine halbe Stunde im Wald gelaufen ist – das gibt Energie und der trübe Alltag wird doch irgendwie schön.
Das Wetter ist trüb.
„Es könnte Frühling werden“, sagt die Verkäuferin an der Bäckertheke.
Ich habe mir gerade eine Tasse Cappuccino bestellt, damit ich das Recht habe, mich an einen der kleinen Tische zu setzen.
Sonst schauen mich die Mitarbeiterinnen schief an. Ihre Blicke sagen dann: „Du hast hier gar nichts zu suchen, die Plätze sind für unsere Gäste da.“
Vielleicht denke ich das auch bloss, denn ausgesprochen hat das noch keiner.
„Man arrangiert sich mit dem Wetter“, antworte ich der Verkäuferin, während sie mir die Tasse rüberschiebt.
Ich bin gut drauf.
Im Wald war es herrlich, ganz ruhig und unter meinen Schuhen knirschte der Schnee.
Es sind die schönsten Momente für mich, denn ich kann durchatmen, komme auf neue Ideen für das Schreiben.
Wie schön das Nordic Walking ist, das fällt mir aber meist erst hinterher ein.
Bevor ich loslaufe, muss ich mich mächtig überwinden.
Ich muss mich umziehen, in den Keller gehen, die Laufschuhe anziehen.
Das ist schon beschwerlich, weil mir der Bauch im Weg ist.
Ich klappe im Keller einen Stuhl auf, den ich schon über 40 Jahre habe.
Er ächzt wie ich, wir sind eben beide alte Säcke.
Doch nun ist das alles vergessen, jetzt sitze ich ja auch im Café, die Füße von mir gestreckt und und freue mich, dass ich mit meinen dicken Daumen auf der Tastatur des Telefons die Buchstaben eintippen kann.
Klara taucht an der Kasse des Discounters auf. Ich schlürfe den Rest des Cappuccinos aus, erhebe mich und helfe ihr, die Taschen aus dem Einkaufswagen zu nehmen.
Klara ist froh, wenn sie mich an der Bäckerei ‚abgeben‘ kann, und ich bin froh, wenn ich nicht mit durch die Gänge zwischen den Einkaufsregalen hindurchschlurfen muss.
Der Tag ist schön.
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Reden zu schreiben, das ist ein Handwerk.
Wenn ich das sage, dann schauen mich manchmal Freunde an und sagen: „Blas dich nicht so auf, das kann doch jeder!“
Wirklich?
Ja und Nein.
Wenn du genügend Fleiß entwickelst, hartnäckig an der Sache dranbleibst, dann vielleicht.
Für jeden fühlt es sich so an, dass du die Sätze nur so aufs Papier geschmissen hast, einfache, kurze Sätze.
Die Rede klingt dann flüssig und du hast sie zudem mit genügend Details untersetzt, dass sie nicht langweilig wird.
Aber bist du dort bist, am Rednerpult stehen kannst und einen Menschen so würdigst, dass diejenigen, die ihn kannten sagen: „Ja, so war er. Schön, dass wir das noch einmal gehört haben“, da vergeht eine Menge Zeit und du musst eine wahnsinnige Energie entwickeln, um auf der Zielgeraden anzukommen.
Es gibt Momente, da fällt es dir übermäßig schwer, dich zu überwinden und an den Schreibtisch zu setzen.
Willst du Profi in dem sein, was du tust, dann kannst du aber darauf keine Rücksicht nehmen.
Der Tischler kann auch nicht sagen, dass er heute nicht in Stimmung ist und deshalb nicht den Stuhl fertigbauen kann.
‚Kommandiert die Poesie‘, das hat Goethe schon gesagt.
Was hilft, das ist eine Gliederung, eine Struktur, die dir den Weg weist, damit du weißt, wie du auf ‚weißes Papier schwarze Buchstaben bringst.‘
Wenn ich eine Trauerrede halte, so habe ich eine ganz klare Struktur vor Augen, die im Grunde bis ins Detail ausgearbeitet ist.
Wichtig ist zunächst, dass du die Rede in drei große Bereiche einteilst – in den Anfang, den Mittelteil und den Schlussteil.
Am Anfang sollten einige wenige einführende Sätze stehen, die etwas darüber aussagen, über welchen Menschen ich sprechen will.
In der Trauerrede erwähne ich anfangs stets das Geburtsdatum des Menschen und auch, wann er verstorben ist.
Danach kommen Sätze, die den Menschen in seiner Persönlichkeit insgesamt charakterisieren.
Meistens schreibe ich diese Einführung erst zum Schluss.
Dann nämlich, wenn durch die Beschreibung seiner einzelnen Lebensstationen einen besseren Einblick in den Werdegang eines Menschen habe, weiß, wo seine Stärken und auch Schwächen lagen.
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Nur, dass du es nicht wahrhaben willst.
‚Das ist banal, ohne Tiefgang, du machst dich lächerlich, wenn du es aufschreibst‘, denke ich oft.
Man schätzt einfach nicht das, was einem quasi vor die Füße rollt.
Hier ein typischer Ausschnitt meines Tages
Der Tag begann für mich so, wie ich es mir vorstelle, wenn ich ihn planen kann, ohne dass mir jemand reinredet.
Ich bin gegen halb fünf Uhr aufgestanden und habe mir einen Tee gekocht, um munter zu werden.
Klara hasst es, wenn ich so früh aufstehe.
„Du bist Rentner“, sagt sie dann.
Sie hat recht, aber auch wieder nicht.
Sicher, ich könnte bis 07.00 Uhr im Bett bleiben, aber dann schaffe ich nichts, nicht so viel jedenfalls.
Ausserdem macht es mir Spass, mich selbst anzustoßen und bis zum Frühstück schon ein bisschen was geschafft zu haben.
Ich bin dann ganz anders drauf.
Vor zwei Jahren, da sind Klara und ich beide kurz vor vier Uhr aufgestanden und eine Stunde später waren wir schon Richtung Berlin-Mitte unterwegs.
Nachdem ich Klara im Zeitungsviertel abgesetzt hatte, bin ich ins Fitness-Studio im Prenzlauer Berg gefahren.
Dort war ich fünfmal in der Woche.
Ich kann es gar nicht glauben, dass ich das so lange durchgehalten habe.
Jetzt ist Klara auch zu Hause und mir ist der Weg zu weit.
Dafür habe ich mir ein Fahrradergometer angeschafft. Aber ehrlich,
ich steige da kaum rauf. Dafür laufe ich wieder regelmässig.
Ich habe als neue Laufstrecke den Weg am Rahmer See für mich entdeckt.
Es ist herrlich, dort direkt am See zu laufen, auf das Wasser zu sehen und mental in die Ruhe und die bunte Herbstlandschaft einzutauchen.
Ich habe nie aufgehört zu arbeiten, aber die Möglichkeit, tagsüber vom Schreibtisch aufzustehen, in die Laufsachen zu schlüpfen und loszustürmen, das ist Luxus pur für mich.
Das macht natürlich nur Sinn, wenn ich schon ein bestimmtes Pensum geschafft habe und meine To-Do-Liste zusammengeschrumpft ist.
Dann gönne ich mir sogar einen kleinen Mittagsschlaf, um danach mit leicht schlechtem Gewissen wieder an den Schreibtisch zu stürzen.
Aber würde ich das alles so schätzen, wenn ich gar nichts mehr tun würde und mich nur noch den Hobbies widmen würde?
Ich glaube nicht.
Am nächsten Tag: Ich sitze wieder auf der Bank, direkt am Rahmer See.
Es ist kein Mensch hier. Ganz still.
Im Hintergrund vernehme ich den stark gedämpften Verkehr auf der Straße.
Ich schaue auf den See und erblicke am gegenüberliegenden Ufer Häuser, eingebettet in die Landschaft.
Muss das schön sein, dort zu wohnen!
Ich seufze in mich hinein.
Aber würde ich dann schon gelaufen sein, Sport gemacht haben?
Eher nicht. Ich würde wahrscheinlich am Schreibtisch sitzen, hinausschauen und auf der anderen Seite einen dicken Nordic Walking – Menschen sehen, der auf der Bank herumlungert, neben sich die Stöcke, die Füße lang ausgestreckt.
„Die arme Sau“, würde ich denken und erhaben auf mein Grundstück hinunterschauen.
Dann würde mich der Alltag einholen und meine schlechte Laune würde in mir hochsteigen.
„Ich muss den Artikel noch fertigschreiben,
das Laub fegen, den Bootssteg reparieren.“
Der Mann auf der anderen Seite erhebt sich.
„Wie der sich wohl fühlt?“, würde ich mich fragen.
„Bestimmt bescheiden.“
Ich erhebe mich von der Bank, schnappe mir die Stöcke, schmeiß sie auf die Schulter und werfe einen letzten Blick auf das Haus am See.
„Schön, dass ich das alles sehen und erleben kann. Gott sei Dank, muss ich dafür gar nichts tun, nur herfahren, sich bewegen, auf der Bank sitzen, den Blick aufs Wasser genießen, das Haus bewundern und denken, dass es schön ist, dass du keine Arbeit damit hast.
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Manchmal sehe ich im Fernsehen Reportagen über berühmte Maler und ihre Bilder, die auf einen Wert von über einer Million Euro geschätzt und gehandelt werden.
Ich schaue dann darauf und denke: ‚Was bist du nur für ein Einfaltspinsel, dass dich die Striche des Künstlers nicht in Verzücken versetzen?‘
Wahrscheinlich bin ich zu unsensibel, zu ungebildet auf diesem Gebiet dafür.
Doch das änderte sich, als Krümel letztes Wochenende bei uns zu Besuch war und ich sie fragte: „Kannst du nicht ein Bild für mich malen, es fehlt noch eins in meiner Galerie?“
„Mal sehen, Opa, wenn ich Lust habe“, sagte sie und verschwand wieder in meinem Zimmer.
Es ist mein Arbeitszimmer, in dem eine Couch steht, die Spielsachen von Krümel aufbewahrt werden – für die Zeit, wo sie bei uns zu Besuch ist.
Wir teilen uns also das Zimmer, aber wenn sie da ist, dann nimmt sie es vollständig in Beschlag.
Ich komm‘ dann kaum an meinen Schreibtisch ran.
Aber ich finde das gut und schiebe die Arbeit auch in diesen speziellen Tagen beiseite, im wahrsten Sinne des Wortes.
Wir hatten im Flur die alte Bücherwand stehen, die nach dem Umzug dort Platz gefunden hatte.
Das alles wirkte ein bisschen langweilig, und auch nicht so hell.
„Ich hänge hier noch Fotos von Krümel auf“, sagte Klara.
Und schon sah die Wand viel freundlicher aus, weil uns gleich ein kleines Wesen anlachte, wenn wir von draußen kamen und die Wohnungstür aufmachten.
Wenn ich aus dem Arbeitszimmer in den Flur ging, dann musste ich dort auch vorbei und schon musste ich lächeln, wenn ich Krümel mit ihrem lustigen Gesicht sah, mit ihrer Energie, die pure Lebensfreude ausdrückte.
Nach und nach brachten wir zusätzlich zu den Fotos Zeichnungen von Krümel an, die wir einfach aufklebten.
Jetzt war noch ein kleiner Platz frei, genau richtig für ein Bild von Krümel. Sie musste es nur noch zeichnen.
Krümel saß in meinem Zimmer und staunte über die vielen Buntstifte, die ich zu meinem letzten Geburtstag von Klara geschenkt bekommen hatte.
„Opa, du musst mal in deiner Kiste aufräumen, damit du alles wiederfindest.
Soll ich das für dich machen?“
„Oh ja, das wäre wunderbar“, sagte ich zu ihr.
Krümel begann sofort damit und reihte die Stifte emsig aneinander.
„Opa, kannst du mir ein weißes Blatt geben?“, fragte sie mich unvermittelt.
Ich zog eins aus dem Drucker und reichte es ihr.
Sie kniete sich auf den Fußboden und fing an zu malen.
Sie hätte es auch auf dem Tisch tun können, aber das war ja langweilig.
Sie nahm die Stifte wieder aus dem Kasten, den sie gerade eingeräumt hatte und zog eine Linie nach der anderen, malte Flächen aus, immer mit wechselnden Farben – rot, gelb, blau, dann wieder rot.
„So Opa, es ist fertig.“
Ich schaute auf das Bild und war begeistert.
Ich verstand sofort die Linien, die Farben – sie gingen direkt ins Herz und leuchteten dort.
Ich habe noch den Namen der Künstlerin daruntergesetzt, und das Datum.
Es hängt nun an der wertvollsten Galeriewand – in unseren Herzen, und ja, es ist Millionen wert, für uns auf alle Fälle.
https://uwemuellererzaehlt.de/2023/09/09/das-wars-fuer-diese-woche/
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(Geschrieben am 30.01.2023)
Du lernst dadurch, die kleinen Dinge im Alltag als das zu sehen, was sie sind, nämlich Kostbarkeiten.
Ich bin heute Mittag zum See gefahren, um dort Sport zu treiben, ein bisschen wenigstens.
Und zunächst ist es eine reine Überwindung, es ist etwas, was bei mir nicht oben auf der Beliebtheitsliste der Dinge steht, die ich nun unbedingt machen wollte, nur um glücklich zu sein.
Du musst dich in dein Sportzeug umziehen, ins Auto steigen, später die Stöcke für das Nordic Walking anschnallen, um dann endlich loszulaufen.
Doch dann kippt ein Schalter bei mir um und meine innere Stimme sagt: ‚Es kommt der Tag, da wirst du das alles nicht mehr machen können.
Du nimmst nicht mehr das Rauschen im Wald wahr, das Knacken im Unterholz, du riechst nicht den frischen Duft des Waldbodens, spürst nicht die Tannennadeln, die unter deinen Füssen sanft knirschen.
Du wirst das eines Tages einfach nicht mehr können, weil du nicht mehr da bist. Also warum nutzt du die Zeit nicht, die dir bleibt?
Ich komme mit einem guten Gefühl zurück – irgendwie ein bisschen geläutert.
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„Wer Klugheit erwirbt, liebt sein Leben; und der Verständige findet Gutes.“ (Sprüche 19,8)
Vgl. auch dazu: Stuttgarter Erklärungsbibel mit Apokryphen, DIE HEILIGE SCHRIFT NACH DER ÜBERSETZUNG MARTIN LUTHERS, MIT EINFÜHRUNGEN UND ERKLÄRUNGEN; DEUTSCHE BIBELGESELLSCHAFT. ISBN 978-3-438-01123-7 Neuausgabe mit Apokryphen © 2005 Deutsche Bibelgesellschaft Zweite, verbesserte Auflage 2007 10.2016, S. 787
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Die Arbeit als Trauerredner umfasst mehr als nur die Tatsache, ein paar tröstende Worte zu sprechen, ausgefeilt in den Botschaften und Formulierungen.
Die Trauerarbeit beginnt mit dem Vorgespräch.
Sie ist ein wichtiger Part im Vorfeld zur Erarbeitung einer Rede.
Die engsten Verwandten, Freunde sind an dem Tag versammelt und beginnen zu erzählen, was für ein Mensch zum Beispiel die kürzlich Verstorbene war.
Das ist nicht leicht für die Angehörigen, denn es brechen Wunden auf, manchmal fliessen Tränen.
Aber diese Gespräche haben auch etwas Heilendes.
Es ist jemand da, der den verstorbenen Menschen nicht kannte, und der sich trotzdem für das Leben des Hauptprotagonisten interessiert.
„Sie wollen so viel von mir wissen, ich muss da wirklich nachdenken“, sagte mir eine Frau, die ihre Mutter verabschieden wollte.
Nach einer kurzen Pause, in der sie nachdenklich wirkte, setzte sie hinzu:
„Aber ich bin Ihnen so dankbar, dass Sie fragen, denn so ist es für mich, als würde meine Mutter noch leben.“
Im Verlaufe der Gespräche wirken die Angehörigen und Freunde lebendiger, erzählen auch mal Anekdoten.
Die Wertschätzung beginnt für mich dort, wo ich mit der gründlichen Aufarbeitung dessen beginne, was ich protokolliert und erfahren habe.
Das ist der schwierigste, der mühsamste Teil der Arbeit.
Die Fakten müssen stimmen, die Namen, die zeitlichen Abfolgen im Leben der Verstorbenen.
All das verlangt viel Fleiss, Mühe, Energie und den Willen, ein Bild von der Verstorbenen zu zeichnen, das dazu führt, dass die Trauergäste hinterher sagen:
„Das war ein würdiger Abschied. So war die Verstorbene, so kannten wir sie.“
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Wir alle sind auf der Suche nach dem ultimativen glücklichen Leben.
Wir lesen Bücher darüber, grübeln über den Sinn im Leben nach.
Unsere Phantasie läuft diesen glücklichen Ereignissen hinterher, die später einmal eintreten sollen, so hoffen wir jedenfalls.
Dabei vergessen wir, dass darüber unser Leben an uns vorbeiläuft, unmerklich.
Erst merklich, wenn es oft zu spät ist.
Wir spazieren heute morgen durch die Kleinstadt. Ich will zum Friseur und Klara und Krümel wollen in dieser Zeit ein Eis essen.
Es ist einer der wenigen Momente, wo ich selbst einmal gut angezogen durch die Stadt laufe. Meistens fahre ich mit dem Auto.
Oder ich habe die Jogginghosen an, um im Wald Nordic Walking zu betreiben.
Aber heute passte es.
Die Sonne schien, ich hatte meine Ausarbeitungen so geplant, dass ich mich heute nur um Krümel kümmern musste.
Sie lief auf dem Gehsteig, besser sie hüpfte von einem Bein auf das andere.
Krümel sang dabei fröhlich Lieder, deren Texte wir nicht kannten.
Gab es für sie eigentlich für einen konkreten Grund, so glücklich zu sein?
Vielleicht war es die Tatsache, dass sie mit uns gehen konnte und wir ihr unsere ganze Aufmerksamkeit schenkten.
Ich glaube aber, dass es etwas Anderes war.
Sie freute sich des Lebens, dachte nicht über das Gestern und nicht über das Morgen nach.
Nein, sie lebte in dem Moment, brauchte keinen Grund, um zu lachen oder zu singen.
Das ist es, was wir uns von den ganz Kleinen abschauen können.
Einfach mal loslassen, sich im Hier und Jetzt zu freuen, ohne einen Satz mit ‚ja, aber‘ zu beginnen.
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WAS BISHER WAR: Endlich, wir waren am zweiten Tag am Strand angekommen. Die Sonne gleißte von oben herab und man hörte das leichte Rauschen der Wellen, die sanft am Strand abrollten. Neben uns legte sich eine Mutter mit ihrem Sohn, obwohl der ganze Strand genügend Platz bot. Ich dachte an das Abendessen am vergangenen Tag. Ich hatte während des Treffens erzählt, wie ich bei einem Kunden in dessen Villa durch eine Tür geflogen war, die mit einem Fliegengitter bespannt war. Insgesamt ein schöner Abend, aber ein bisschen zu langweilig, zu harmonisch.
DER DRITTE TAG
Wir hatten am letzten Tag etwas ganz Ungewöhnliches getan. Wir sind noch einmal an den Strand gefahren.
Sonntag, am ersten Tag, da nieselte es leicht, und so konnten wir unser Vorhaben nicht umsetzen, nämlich gleich an den Strand zu fahren.
Nun aber, am letzten Tag, da wollten wir es noch einmal wissen.
„Lass uns die Zeit einfach nutzen und noch ein bisschen am Strand liegen und erst am Nachmittag zurückfahren“, sagte Klara zu mir.
Ich war einverstanden und staunte über mich selbst.
Früher, ja da wäre das für mich nicht in Frage gekommen, es wäre überhaupt nicht denkbar gewesen.
Früher, da wäre ich sofort abgefahren, die Gedanken schon wieder halb an die Arbeit verschwendet.
Aber habe ich dadurch mehr erreicht?
Nein, nur die Urlaubszeit, die Zeit, in der ich mich eigentlich erholen sollte, verkürzt.
Stattdessen habe ich den Stress wieder schneller in meinen Kopf gelassen.
Nun sollte es anders sein.
Ich wollte weiterarbeiten, denn das war irgendwie schon immer mein Leben.
Doch wenn du nur mit dem Kopf nach unten geneigt durch die eigene Gedankenwelt hastest, dann wirst du irgendwann auch nicht mehr so viel Gutes in der Arbeit bewirken.
Also war das geklärt: Wir wollten bis Mittag noch am Strand liegen und erst anschließend abfahren, Richtung Heimat.
Morgens waren wir beim Frühstück, freuten uns darauf, in Ruhe zu sitzen, Kaffee zu trinken und auf den Hafen zu schauen.
Daraus wurde nichts.
Der Frühstückssaal war voll.
Draußen, vor dem Hotel, standen zwei Busse, die auf ihre Fahrgäste zu warten schienen. Zumindest liefen bereits die Motoren und eine Reiseleiterin lief aufgeregt hin- und her.
Die Reisenden ließen sich Zeit. Sie waren allesamt beim Frühstück.
Es waren durchweg ältere Leute.
„Du gehörst auch zu dieser Altersgruppe“, sagte Klara zu mir, als ich sagte, dass die Rentner wieder mal die Insel unsicher machen wollten.
Ich fühlte mich nicht so, als wäre ich bereits in Rente.
Ich arbeitete ja noch, schrieb täglich Texte, hielt Reden, besuchte Kunden, kurzum, hatte gar keine Zeit über mein Alter nachzudenken.
„Oma ist Rentnerin, Opa auch. Aber der will nicht. Der will arbeiten.“
Das haute eines Tages Krümel raus, ohne dass wir ihr etwas dazu gesagt hätten.
Ich hatte mich zu dem Beistelltisch durchgekämpft, der hinten an der Wand stand und an dem man Rührei mit Würstchen bekam.
Ich war darauf zugeeilt, direkt vorbei an den leckeren Müsli-Gerichten und Obsttellern.
„Das musst du ändern“, sagte meine innere Stimme zu mir.
‚Ach leck mich doch‘, sagte ich zu mir selbst.
Schließlich war ich ja im Urlaub.
Also hatte ich mir selbst die Erlaubnis erteilt, zuzuschlagen, am Buffet der ‚unerlaubten Speisen‘, für einen gesundheitsbewussten Menschen jedenfalls.
Ich nahm ein wenig Rührei heraus. Irgendetwas störte mich.
War es der heftige Atem, besser gesagt, das Röcheln und Stöhnen in meinem Rücken.
Ich drehte mich halb um und erblickte aus den Augenwinkeln eine ältere Dame, die mich böse musterte.
„Brauchen Sie noch lange?“. Die Botschaft war klar: „Geh beiseite, oder ich muss dich aus dem Weg räumen.“
Ich überlegte. Sollte ich ihr sagen, dass ich noch eine Weile brauchen würde und auch das gesamte Rührei auf meinen Teller packen wollte?
Ich entschied mich für einen anderen Weg.
„Sie können gern vor mir an den Tisch und sich das nehmen, was Sie möchten. Ich warte in der Zeit und schaue mich mal nach einem gesunden Saft um“, sagte ich freundlich.
Sie brummte zustimmend, wollte aber keine weitere Zeit vergeuden und schob mich leicht beiseite, bevor ich selbst wegging.
„Hast du das gesehen?“, sagte ich leise zu Klara, die dabei war, sich etwas Obst auf den Teller zu tun.
„Was hast du auch dort zu suchen? Ich denke, du wolltest dich gesünder ernähren!“
Klara ging gar nicht darauf ein, dass ich nun von Würstchen und Rührei abgeschlagen war.
„Zwischen dem Wollen und dem Tun, da ist ein großes und tiefes Meer und auf deren Grund liegt die gescheiterte Willenskraft“, wollte ich erwidern.
Ich tat es nicht.
Klara stand da nicht drauf, morgens erst recht nicht.
„Nimm eine Kiwi“, sagte Klara zu mir.
Ich antwortete nicht, sondern schaute entgeistert auf den Tisch, an dem der Behälter mit dem Rührei gestanden hatte. Er war leer und der Deckel lag daneben.
Am Tisch angekommen sagte ich zu Klara: „Das nächst Mal, da mieten wir uns wieder in eine Ferienwohnung ein und du machst das Frühstück“, sagte ich zu ihr.
„Was hältst du davon, wenn du das mal machst?“
„Kann ich machen“, sagte ich und schaute auf die Dame, die gerade mit einem Teller voller Rührei an den Tisch kam.
Sie schaute sich um und steuerte direkt auf unseren Tisch zu.
„Ist hier noch frei?“, fragte sie in süsslichem Ton meine Frau, ohne mich eines Blickes zu würdigen.
Bevor Klara antworten konnte, sagte ich zu ihr:
„Sonst sehr gern, aber wir warten auf Dora und Fred, wir sollten die Plätze freihalten.“
„Wer sind denn Dora und Fred“, fragte Klara mich.
„Das sind Romanfiguren. Es gibt sie nur in meinem Kopf. Und als die Dame hier auf unseren Tisch zusteuerte, da wollte ich Rache.“
„Wofür?“
„Dafür, dass sie mich vom Tisch gedrängt hatte.“
Klara schaute mich entgeistert an.
„Du siehst aus wie der trotzige Junge in deinem Fotoalbum von früher, der sagte: ‚Lass mir.‘“
Ich nickte nur.
Allmählich lichtete sich der Frühstücksraum.
Fred und Dora waren nicht gekommen, dafür hatte ich aber noch einen großen Schlag Rührei ergattert.
Der Tag war gerettet. Der Himmel strahlte in seinem schönsten blau, als wir zum Strand fuhren. Ich stürzte mich ins Wasser, war glücklich in Prora zu sein, an einem der schönsten Strände, die es für mich gab.
Nachmittags fuhren wir zurück, glücklich, entspannt und waren in zweieinhalb Stunden wieder in Bernau, in unserer Wohnung.
Auch nicht schlecht.